Der Antichrist - Фридрих Ницше 12 стр.


 — Die Zweiten: das sind die Wächter des Rechts, die Pfleger der Ordnung und der Sicherheit, das sind die vornehmen Krieger, das ist der König vor Allem als die höchste Formel von Krieger, Richter und Aufrechterhalter des Gesetzes. Die Zweiten sind die Exekutive der Geistigsten, das Nächste, was zu ihnen gehört, das, was ihnen alles Grobe in der Arbeit des Herrschens abnimmt — ihr Gefolge, ihre rechte Hand, ihre beste Schülerschaft. — In dem Allem, nochmals gesagt, ist Nichts von Willkür, Nichts» gemacht«; was anders ist, ist gemacht, — die Natur ist dann zu Schanden gemacht… Die Ordnung der Kasten, die Rangordnung, formulirt nur das oberste Gesetz des Lebens selbst, die Abscheidung der drei Typen ist nöthig zur Erhaltung der Gesellschaft, zur Ermöglichung höherer und höchster Typen, — die Ungleichheit der Rechte ist erst die Bedingung dafür, dass es überhaupt Rechte giebt. — Ein Recht ist ein Vorrecht. In seiner Art Sein hat jeder auch sein Vorrecht. Unterschätzen wir die Vorrechte der Mittelmässigen nicht. Das Leben nach der Höhe zu wird immer härter, — die Kälte nimmt zu, die Verantwortlichkeit nimmt zu. Eine hohe Cultur ist eine Pyramide: sie kann nur auf einem breiten Boden stehn, sie hat zuallererst eine stark und gesund consolidirte Mittelmässigkeit zur Voraussetzung. Das Handwerk, der Handel, der Ackerbau, die Wissenschaft, der grösste Theil der Kunst, der ganze Inbegriff der Berufsthätigkeit mit Einem Wort, verträgt sich durchaus nur mit einem Mittelmaass im Können und Begehren: dergleichen wäre deplacirt unter Ausnahmen, der dazu gehörige Instinkt widerspräche sowohl dem Aristokratismus als dem Anarchismus. Dass man ein öffentlicher Nutzen ist, ein Rad, eine Funktion, dazu giebt es eine Naturbestimmung: nicht die Gesellschaft, die Art Glück, deren die Allermeisten bloss fähig sind, macht aus ihnen intelligente Maschinen. Für den Mittelmässigen ist mittelmässig sein ein Glück; die Meisterschaft in Einem, die Spezialität ein natürlicher Instinkt. Es würde eines tieferen Geistes vollkommen unwürdig sein, in der Mittelmässikeit an sich schon einen Einwand zu sehn. Sie ist selbst die erste Nothwendigkeit dafür, dass es Ausnahmen geben darf: eine hohe Cultur ist durch sie bedingt. Wenn der Ausnahme-Mensch gerade die Mittelmässigen mit zarteren Fingern handhabt, als sich und seines Gleichen, so ist dies nicht bloss Höflichkeit des Herzens, — es ist einfach seine Pflicht… Wen hasse ich unter dem Gesindel von Heute am besten? Das Socialisten-Gesindel, die Tschandala-Apostel, die den Instinkt, die Lust, das Genügsamkeits-Gefühl des Arbeiters mit seinem kleinen Sein untergraben, — die ihn neidisch machen, die ihn Rache lehren… Das Unrecht liegt niemals in ungleichen Rechten, es liegt im Anspruch auf» gleiche «Rechte… Was ist schlecht? Aber ich sagte es schon: Alles, was aus Schwäche, aus Neid, aus Rache stammt. — Der Anarchist und der Christ sind Einer Herkunft…

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In der That, es macht einen Unterschied, zu welchem Zweck man lügt: ob man damit erhält oder zerstört. Man darf zwischen Christ und Anarchist eine vollkommne Gleichung aufstellen: ihr Zweck, ihr Instinkt geht nur auf Zerstörung. Den Beweis für diesen Satz hat man aus der Geschichte nur abzulesen: sie enthält ihn in entsetzlicher Deutlichkeit. Lernten wir eben eine religiöse Gesetzgebung kennen, deren Zweck war, die oberste Bedingung dafür, dass das Leben gedeiht, eine grosse Organisation der Gesellschaft zu» verewigen«, das Christenthum hat seine Mission darin gefunden, mit eben einer solchen Organisation, weil in ihr das Leben gedieh, ein Ende zu machen. Dort sollte der Vernunft-Ertrag von langen Zeiten des Experiments und der Unsicherheit zum fernsten Nutzen angelegt und die Ernte so gross, so reichlich, so vollständig wie möglich heimgebracht werden: hier wurde, umgekehrt, über Nacht die Ernte vergiftet… Das, was aere perennius dastand, das imperium Romanum, die grossartigste Organisations-Form unter schwierigen Bedingungen, die bisher erreicht worden ist, im Vergleich zu der alles Vorher, alles Nachher Stückwerk, Stümperei, Dilettantismus ist, — jene heiligen Anarchisten haben sich eine» Frömmigkeit «daraus gemacht,»die Welt«, das heisst das imperium Romanum zu zerstören, bis kein Stein auf dem andren blieb, — bis selbst Germanen und andre Rüpel darüber Herr werden konnten… Der Christ und der Anarchist: beide décadents, beide unfähig, anders als auflösend, vergiftend, verkümmernd, blutaussaugend zu wirken, beide der Instinkt des Todhasses gegen Alles, was steht, was gross dasteht, was Dauer hat, was dem Leben Zukunft verspricht… Das Christenthum war der Vampyr des imperium Romanum, — es hat die ungeheure That der Römer, den Boden für eine grosse Cultur zu gewinnen, die Zeit hat, über Nacht ungethan gemacht. — Versteht man es immer noch nicht? Das imperium Romanum, das wir kennen, das uns die Geschichte der römischen Provinz immer besser kennen lehrt, dies bewunderungswürdigste Kunstwerk des grossen Stils, war ein Anfang, sein Bau war berechnet, sich mit Jahrtausenden zu beweisen, — es ist bis heute nie so gebaut, nie auch nur geträumt worden, in gleichem Maasse sub specie aeterni zu bauen! — Diese Organisation war fest genug, schlechte Kaiser auszuhalten: der Zufall von Personen darf nichts in solchen Dingen zu thun haben, — erstes Princip aller grossen Architektur. Aber sie war nicht fest genug gegen die corrupteste Art Corruption, gegen den Christen… Dies heimliche Gewürm, das sich in Nacht, Nebel und Zweideutigkeit an alle Einzelnen heranschlich und jedem Einzelnen den Ernst für wahre Dinge, den Instinkt überhaupt für Realitäten aussog, diese feige, femininische und zuckersüsse Bande hat Schritt für Schritt die» Seelen «diesem ungeheuren Bau entfremdet, — jene werthvollen, jene männlich-vornehmen Naturen, die in der Sache Rom's ihre eigne Sache, ihren eignen Ernst, ihren eignen Stolz empfanden. Die Mucker-Schleicherei, die Conventikel-Heimlichkeit, düstere Begriffe, wie Hölle, wie Opfer des Unschuldigen, wie unio mystica im Bluttrinken, vor Allem das langsam aufgeschürte Feuer der Rache, der Tschandala-Rache — das wurde Herr über Rom, dieselbe Art von Religion, der schon in ihrer Präexistenz-Form Epicur den Krieg gemacht hatte. Man lese Lucrez, um zu begreifen, was Epicur bekämpft hat, nicht das Heidenthum, sondern» das Christenthum«, will sagen die Verderbniss der Seelen durch den Schuld-, durch den Straf- und Unsterblichkeits-Begriff. — Er bekämpfte die unterirdischen Culte, das ganze latente Christenthum, — die Unsterblichkeit zu leugnen war damals schon eine wirkliche Erlösung.

 — Und Epicur hätte gesiegt, jeder achtbare Geist im römischen Reich war Epicureer: da erschien Paulus… Paulus, der Fleisch-, der Genie-gewordne Tschandala-Hass gegen Rom, gegen» die Welt«, der Jude, der ewige Jude par excellence… Was er errieth, das war, wie man mit Hülfe der kleinen sektirerischen Christen-Bewegung abseits des Judenthums einen» Weltbrand «entzünden könne, wie man mit dem Symbol» Gott am Kreuze «alles Unten-Liegende, alles Heimlich-Aufrührerische, die ganze Erbschaft anarchistischer Umtriebe im Reich, zu einer ungeheuren Macht aufsummiren könne.»Das Heil kommt von den Juden«. — Das Christenthum als Formel, um die unterirdischen Culte aller Art, die des Osiris, der grossen Mutter, des Mithras zum Beispiel, zu überbieten — und zu summiren: in dieser Einsicht besteht das Genie des Paulus. Sein Instinkt war darin so sicher, dass er die Vorstellungen, mit denen jene Tschandala-Religionen fascinirten, mit schonungsloser Gewaltthätigkeit an der Wahrheit dem» Heilande «seiner Erfindung in den Mund legte, und nicht nur in den Mund — dass er aus ihm Etwas machte, was auch ein Mithras-Priester verstehn konnte… Dies war sein Augenblick von Damaskus: er begriff, dass er den Unsterblidikeits-Glauben nöthig hatte, um» die Welt «zu entwerthen, dass der Begriff» Hölle«über Rom noch Herr wird, — dass man mit dem» Jenseits «das Leben tödtet… Nihilist und Christ: das reimt sich, das reimt sich nicht bloss…

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Die ganze Arbeit der antiken Welt umsonst: ich habe kein Wort dafür, das mein Gefühl über etwas so Ungeheures ausdrückt. — Und in Anbetracht, dass ihre Arbeit eine Vorarbeit war, dass eben erst der Unterbau zu einer Arbeit von Jahrtausenden mit granitnem Selbstbewusstsein gelegt war, der ganze Sinn der antiken Welt umsonst!… Wozu Griechen? wozu Römer? — Alle Voraussetzungen zu einer gelehrten Cultur, alle wissenschaftlichen Methoden waren bereits da, man hatte die grosse, die unvergleichliche Kunst, gut zu lesen, bereits festgestellt — diese Voraussetzung zur Tradition der Cultur, zur Einheit der Wissenschaft; die Naturwissenschaft, im Bunde mit Mathematik und Mechanik, war auf dem allerbesten Wege, — der Thatsachen-Sinn, der letzte und werthvollste aller Sinne, hatte seine Schulen, seine bereits Jahrhunderte alte Tradition! Versteht man das? Alles Wesentliche war gefunden, um an die Arbeit gehn zu können: — die Methoden, man muss es zehnmal sagen, sind das Wesentliche, auch das Schwierigste, auch das, was am längsten die Gewohnheiten und Faulheiten gegen sich hat. Was wir heute, mit unsäglicher Selbstbezwingung — denn wir haben Alle die schlechten Instinkte, die christlichen, irgendwie noch im Leibe — , uns zurückerobert haben, den freien Blick vor der Realität, die vorsichtige Hand, die Geduld und den Ernst im Kleinsten, die ganze Rechtschaffenheit der Erkenntniss — sie war bereits da! vor mehr als zwei Jahrtausenden bereits! Und, dazu gerechnet, der gute, der feine Takt und Geschmack! Nicht als Gehirn-Dressur! Nicht als» deutsche «Bildung mit Rüpel-Manieren! Sondern als Leib, als Gebärde, als Instinkt, — als Realität mit Einem Wort… Alles umsonst! Über Nacht bloss noch eine Erinnerung! — Griechen! Römer! Die Vornehmheit des Instinkts, der Geschmack, die methodische Forschung, das Genie der Organisation und Verwaltung, der Glaube, der Wille zur Menschen-Zukunft, das grosse ja zu allen Dingen als imperium Romanum sichtbar, für alle Sinne sichtbar, der grosse Stil nicht mehr bloss Kunst, sondern Realität, Wahrheit, Leben geworden… — Und nicht durch ein Natur-Ereigniss über Nacht verschüttet! Nicht durch Germanen und andre Schwerfüssler niedergetreten! Sondern von listigen, heimlichen, unsichtbaren, blutarmen Vampyrn zu Schanden gemacht! Nicht besiegt, — nur ausgesogen!… Die versteckte Rachsucht, der kleine Neid Herr geworden! Alles Erbärmliche, An-sich-Leidende, Von-schlechten-Gefühlen-Heimgesuchte, die ganze Ghetto — Welt der Seele mit Einem Male obenauf! — Man lese nur irgend einen christlichen Agitator, den heiligen Augustin zum Beispiel, um zu begreifen, um zu riechen, was für unsaubere Gesellen damit obenauf gekommen sind. Man würde sich ganz und gar betrügen, wenn man irgend welchen Mangel an Verstand bei den Führern der christlichen Bewegung voraussetzte: — oh sie sind klug, klug bis zur Heiligkeit, diese Herrn Kirchenväter! Was ihnen abgeht, ist etwas ganz Anderes. Die Natur hat sie vernachlässigt, — sie vergass, ihnen eine bescheidene Mitgift von achtbaren, von anständigen, von reinlichen Instinkten mitzugeben… Unter uns, es sind nicht einmal Männer… Wenn der Islam das Christenthum verachtet, so hat er tausend Mal Recht dazu: der Islam hat Männer zur Voraussetzung…

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Das Christenthum hat uns um die Ernte der antiken Cultur gebracht, es hat uns später wieder um die Ernte der Islam-Cultur gebracht. Die wunderbare maurische Cultur-Welt Spaniens, uns im Grunde verwandter, zu Sinn und Geschmack redender als Rom und Griechenland, wurde niedergetreten — ich sage nicht von was für Füssen — warum? weil sie vornehmen, weil sie Männer-Instinkten ihre Entstehung verdankte, weil sie zum Leben Ja sagte auch noch mit den seltnen und raffinirten Kostbarkeiten des maurischen Lebens!… Die Kreuzritter bekämpften später Etwas, vor dem sich in den Staub zu legen ihnen besser angestanden hätte, — eine Cultur, gegen die sich selbst unser neunzehntes Jahrhundert sehr arm, sehr» spät «vorkommen dürfte. — Freilich, sie wollten Beute machen: der Orient war reich… Man sei doch unbefangen! Kreuzzüge — die höhere Seeräuberei, weiter nichts! — Der deutsche Adel, Wikinger-Adel im Grunde, war damit in seinem Elemente: die Kirche wusste nur zu gut, womit man deutschen Adel hat… Der deutsche Adel, immer die» Schweizer «der Kirche, immer im Dienste aller schlechten Instinkte der Kirche, — aber gut bezahlt… Dass die Kirche gerade mit Hülfe deutscher Schwerter, deutschen Blutes und Muthes ihren Todfeindschafts-Krieg gegen alles Vornehme auf Erden durchgeführt hat! Es giebt an dieser Stelle eine Menge schmerzlicher Fragen. Der deutsche Adel fehlt beinahe in der Geschichte der höheren Cultur: man erräth den Grund… Christenthum, Alkohol — die beiden grossen Mittel der Corruption… An sich sollte es ja keine Wahl geben, Angesichts von Islam und Christenthum, so wenig als Angesichts eines Arabers und eines Juden. Die Entscheidung ist gegeben, es steht Niemandem frei, hier noch zu wählen.

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