Yovell schrak von seinem Schreibtisch auf, als er Bolitho durch die Tur schreiten sah.
«Ich mochte Instruktionen fur Kapitan Inch von der
Yovell nickte.»Ich verstehe, Sir Richard.»
Bolitho musterte ihn scharf.
«Schicken Sie ihn rein. «Er zupfte am Verband.»Ich habe gleich eine Aufgabe fur ihn.»
Allday kam durch die andere Tur und sah besorgt zu, wie Bolitho sich anschickte, selbst den Verband abzunehmen.»Sind Sie auch ganz sicher, da? das klug ist, Sir?»
«Sie konnen sich spater als Barbier betatigen.»
Allday warf einen Blick auf Bolithos schwarzes Haar. Sieht doch noch ganz passabel aus, dachte er, wollte aber Bolithos neugefundene Energie nicht dampfen.
Tuson dagegen nahm kein Blatt vor den Mund, als er Bolitho untersuchte.»Wenn Sie schon nicht auf mich horen wollen, Sir«, sagte er zornig,»dann warten Sie wenigstens ab, bis Sie von einem Fachmann untersucht worden sind!»
Der Verband fiel zu Boden, und Bolitho mu?te sich zusammennehmen, um nicht zu zucken oder die Fauste zu ballen, als der Arzt sein Auge zum hundertsten Mal untersuchte.»Es hat sich nicht gebessert«, sagte Tuson nach einer Weile.»Wenn Sie sich nur schonen wollten…»
Bolitho schuttelte den Kopf. Er konnte auf dem Auge nur undeutlich sehen, aber die Schmerzen waren nicht zu schlimm.»Ich
Wahrend der funfeinhalbtagigen Uberfahrt nach Malta verbrachte Bolitho den Gro?teil seiner Zeit in der Kajute, um Keen freie Hand fur die Reparaturen und Anderung der Wacheinteilung zu lassen, fur das Exerzieren an Segeln und Geschutzen. Die Besatzung mochte ihren Kommandanten verfluchen, aber Bolitho war zufrieden, wenn er das Quietschen der Geschutzlafetten auf den Decks horte oder die Rufe der Offiziere, die zaghafte Landratten in schwindelnde Hohen scheuchten. Allerdings kamen sie nur sehr langsam voran, manchmal mit sechs Knoten oder weniger. Ihm war deutlich bewu?t, da? die Ruckkehr auf ihre Station ebensoviel Zeit in Anspruch nehmen wurde.
Zu seinem Vertreter Inch, einem geschickten und erfahrenen Kommandanten, hatte er kein unbegrenztes Vertrauen. Er besa? zwar genug Initiative, zogerte aber oft, sie zu ergreifen. Das machte Bolitho, dem der pferdegesichtige Inch uber die Jahre ans Herz gewachsen war, Sorgen.
Keen kam und meldete, da? der Ausguck die Insel Malta gesichtet hatte.»Einlaufen werden wir erst am Spatnachmittag oder vielleicht wahrend der Hundewache, Sir«, erganzte er.»Es sei denn, der Wind frischt auf.»
Bolitho merkte, da? Keen sich alle Muhe gab, nicht in sein unverbundenes Auge zu starren. Uber die Verletzung wurde nie gesprochen, doch man war sich ihrer immerzu bewu?t.
«Gut. Wenn wir auf der Reede sind, komme ich an Deck.»
Keen lie? ihn allein, und Bolitho setzte sich. Was war der nachste Schritt? Wurde man ihn wegen seiner Verletzung vorubergehend ablosen oder ihm sein Kommando gar ganz nehmen? Keen meinte, er bilde sich diese Intrige nur ein, aber es waren einfach zu viele Zufalle auf einmal. Bolitho zog die Stirn kraus, als er sich seine Offiziere und Kommandanten vorstellte. Houston von der
Bolitho stie? eine stumme Verwunschung aus, als das Schiff beim Kurswechsel uberholte. Fast hatte er wieder das Gleichgewicht verloren. Das war ebenso entnervend wie der Nebel, der vor seinem Auge hing wie feine Seide.
Die Tur ging auf, und Allday kam mit Zenoria herein.
«Es ist fast soweit. «Bolitho geleitete sie zu einem Sessel und sah, wie sie die Armlehnen umklammerte, was ihre Fassung Lugen strafte. Er trat hinter sie und beruhrte ihr langes Haar.»Sind Sie auch ganz sicher, Sie tapferes Madchen?»
Sie nickte und packte die Lehnen noch fester.
«Na, dann Kopf zuruck, Miss«, murmelte Allday heiser.
Sie legte den Kopf auf die Rucklehne, knopfte nach kurzem Zogern ihr Hemd auf und legte ihren Hals frei. Bolitho ergriff ihre Hand. Kein Wunder, da? Keen sie anbetete.
«Ich bringe es nicht fertig, Sir«, sagte Allday verzweifelt.
«Fangen Sie an«, sagte sie leise.»Sofort!»
Allday stie? einen tiefen Seufzer aus, ergriff ihr Haar und zuckte die Schere.
Bolitho sah die schwarzen Locken zu Boden fallen.»Ich gehe jetzt an Deck. «Er druckte ihre Hand, die trotz der Schwule in der Kajute eiskalt war.»Allday kummert sich um Sie. «Dann beugte er sich vor und ku?te sie sanft auf die Wange.»Ihr Mut wird uns allen Kraft geben, Zenoria.»
Spater, als er zu Keen aufs Achterdeck trat und zusah, wie sich der Hafen mit den wei?en Festungsanlagen vor ihnen offnete, mu?te er seine Besorgnis mit Gewalt unterdrucken.
Salutschusse begannen uber das stille Wasser zu hallen, und auf der nachstgelegenen Batterie dippte man die Flagge. In Malta lagen zahlreiche Kustenfahrzeuge und mehrere gro?e Kriegsschiffe. Bolitho hob ein Teleskop und hielt es vorsichtig an sein gutes Auge. Am nachsten zum Kai lag ein eleganter Zweidecker, von dessen Besanmast mude die Flagge eines Konteradmirals flatterte.
Ihm schnurte es die Kehle zu, denn das war eindeutig die
Von dem schweren, schwarzbraunen Rumpf wanderte sein Blick zu einer stammigen Brigg, die viel naher zu ihnen verankert war. Ungeduldig wartete er, bis sie in der sanften Brise an ihrem Ankertau herumgeschwojt war und die Sonne ihr vergoldetes Heck aufblitzen lie?. Dann erkannte er aufatmend ihren Namen: Lord Egmont. Sie war eines der altesten Falmouth-Frachtschiffe, und er hatte sie schon als Fahnrich gekannt. Mit ihrer Anwesenheit hatte er gerechnet, da ihr Name in seinen Instruktionen von der Admiralitat aufgetaucht war. Doch Wind und See oder der Feind hatten alles andern konnen. Und selbst jetzt noch.
Er setzte das Glas ab, und die Brigg verschwand wieder in der dunstigen Ferne.
Der Pulverdampf des Saluts hing noch uber den Rahen, als Matrosen herbeigepfiffen wurden, um die beiden Kutter zu Wasser zu lassen fur den Fall, da? der Wind fur die Wende am Ankerplatz nicht stark genug war. Ein Wachboot lag reglos im glitzernden Wasser; wahrscheinlich interessierte sich nur seine Besatzung fur ihre Ankunft. Kriegs — schiffe waren hier eine alltagliche Erscheinung, Aufmerksamkeit erregten nur die Truppentransporter und Postschiffe aus England.
Keen legte die Hande um den Mund.»Klar zum Fallenlassen, Mr. Paget!»
Bolitho starrte zum Ufer mit der uralten Festung und seinem geschaftigen Markt. Ein Kriegshafen, wimmelnd wie ein Ameisenhaufen. Und ein gutes Betatigungsfeld fur Spione.
Keen sagte:»Die
Bolitho sah fremde Boote auf sie zuhalten: der Wachoffizier, ein Schiffsausruster von der Werft, ein verlegen drein-blickender Fahnrich von der Garnison, der die Zofe Millie abholen kam. Sie schien nicht von Bord zu wollen und klammerte sich trotz des anzuglichen Grinsens der Matrosen an ihren Korporal, als galte es ihr Leben.
Keen sah vom Poopdeck aus Leutnant Stayt mit dem Bootsmann sprechen. Dann losten Matrosen die Verzur-rung der Admiralsbarkasse. Bolitho wollte an Land, fruher als erwartet, was ihn unbehaglich stimmte.
Der Wachoffizier salutierte und reichte Keen einen amtlich aussehenden Umschlag. Dabei wirkte er betreten, als fuhre er einen Auftrag aus, der ihm gegen den Strich ging. Es handelte sich um eine Vorladung ins Hauptquartier: Keen hatte in zwei Tagen vor einem Tribunal der Admiralitat zu erscheinen. Der befehlshabende Flaggoffizier mu?te sie sofort nach Sichtung der
Keen nickte. Stayt wurde also die Barkasse nehmen. Ihm fiel auf, da? sie von Bankart, dem Zweiten Bootsfuhrer, kommandiert wurde. Ungewohnlich, dachte er. Normalerweise fuhrte Allday die Barkasse, wenn sie im Hafen oder unter den Augen der Flotte lagen.
Er horte Midshipman Hickling um Erlaubnis bitten, mit der Gig zu einem in der Nahe liegenden Frachtschiff fahren zu durfen. Paget war einverstanden, als er erfuhr, da? auch eine Nachricht vom Admiral mitgesandt werden sollte.
Keen schaute zur Flagge auf. Wenn sie wieder eingeholt wurde, mochte dies das Ende fur sie beide bedeuten.
Midshipman Sheaffe kam eilig die Leiter zum Poopdeck hoch und meldete:»Empfehlung vom Admiral, Sir: Er erwartet Sie um acht Glasen.»
Keen bi? die Zahne zusammen. Wenn Bolitho gute Nachrichten fur ihn gehabt hatte, ware er sofort gerufen worden.
Gereizt rief er Paget zu:»Lassen Sie alle Boote aussetzen und den Rumpf untersuchen. «Es war allerdings unwahrscheinlich, da? Schaden aus dem kurzen Gefecht ubersehen worden waren. Er burdete den Mannern aus Zorn uberflussige Arbeit auf und wu?te das auch.
Endlich horte Keen die Schiffsglocke von der Back schlagen. Es wurde Zeit.
Plotzlich dachte er an seine Heimat Hampshire. Dort war es nun kalt und wahrscheinlich regnerisch; die Dorfbewohner bereiteten sich auf den Winter und moglicherweise auf einen Landungsversuch der Franzosen vor. Was wurden seine Geschwister sagen, wenn sie von dem Kriegsgerichtsverfahren gegen ihn erfuhren? Seinen Vater wurde es erschuttern, besonders da er von Anfang an nicht gewollt hatte, da? sein jungster Sohn zur Kriegsmarine ging.
Als Keen in den Laternenschein der Achterkajute trat, sah er zu seiner Uberraschung, da? Bolitho seinen langen Bootsmantel trug, und glaubte einen Moment lang, Stayt habe seine Befehle mi?verstanden.
Bolitho aber sagte gelassen:»Ich gehe an Land, Val, und nehme dazu Ihre Gig, falls Sie nichts dagegen haben. «Er lachelte rasch und nervos.»Das ist nicht ganz so formlich.»
«Selbstverstandlich, Sir. Das Schiff ist gesichert.»
Allday stapfte durch die Kajute und nahm Bolithos alten Degen vom Halter. Keen uberlegte. Demnach wollte Bo-litho also nicht den Admiral aufsuchen, der auf Malta den Oberbefehl hatte. Fur formliche Besuche wurde es ohnehin etwas spat.
Bolitho ruckte die Waffe an der Seite zurecht.»Ehe ich den Fu? an Land setze, statte ich der
«Wir bringen es am besten rasch hinter uns, Val«, meinte Bolitho. Er hob die Stimme:»Sind Sie fertig?»
Keen starrte verdutzt, als ein Midshipman durch die gegenuberliegende Tur kam. Dann begriff er.»Ich wu?te nicht, da? du.»
Zenoria sah ihn fest an. Sie war in die komplette Uniform eines Midshipman gekleidet und trug sogar eine vergoldete Seitenwaffe. Keen trat mit offenen Armen auf sie zu, sie nahm den Hut ab, und er sah, was Allday mit ihrem Haar angerichtet hatte. Es war kurz und im Nacken sauberlich mit einer schwarzen Schleife zusammengebunden, wie es sich fur einen >jungen Gentleman
Als die Tur sich schlo?, nahm Keen sie in die Arme. Obwohl sie sich das Hemd ausgestopft hatte, um ihre Figur zu kaschieren, spurte er ihr Herz schlagen.
«Du hast mir nichts davon gesagt. «Erst jetzt ging ihm auf, was Bolitho getan hatte und warum er beim Einlaufen in den Hafen plotzlich so erregt gewesen war. Die
Er zog sie noch fester an sich. Er hatte um ihre Sicherheit gebetet, selbst wenn das bedeutete, da? er sie verlor. Doch nun, da der Augenblick der Trennung gekommen war, fand er ihn fast unertraglich.
«Du mu?t jetzt tapfer sein, mein Herz«, sagte sie leise.»Fur uns beide.»
Ein Boot schabte an der Bordwand entlang, und Keen horte Alldays Stimme.
«Wenn ich wieder in England bin.»
Sie nahm sein Gesicht in die Hande.»Ich warte dort auf dich. «Sie schaute ihn fest an.»Ganz gleich, was aus uns wird, ich warte. «Sie ku?te ihn langsam und trat dann zuruck.»Ich hab' dich lieb, mein Kapitan.»
Er sah zu, wie sie sich den Hut aufsetzte und schrag in die Stirn ruckte. Sie wirkte sehr beherrscht.
«Alles klar, Sir!»
Er nickte, wollte sie noch einmal in die Arme nehmen, wu?te aber, da? sie das beide nicht ertragen wurden.
«Jawohl. An die Arbeit,
Das Boot wartete unterm Fallreep, und es waren nur wenige Manner an Deck, die mit ansahen, da? jemand das Schiff verlie?. Keen sah Tuson und Paget, aber keiner sagte etwas; selbst der Gehilfe des Masters, der Wache hatte, trat zuruck, als Bolitho vorbeiging, als existiere er uberhaupt nicht.
Zenoria schaute ihn noch einmal an und legte gru?end die Hand an den Hut, ehe sie an der Bordwand hinunterkletterte.
Bolitho warf Keen einen Blick zu.»Der Kapitan der Lord Egmont ist ein alter Freund von mir, Val. Keine Sorge, Ihr Passagier ist bei ihm in guter Obhut. «Er warf sich den Mantel uber die Schultern.»Wir haben keine Minute zu verlieren.»
«Vielen Dank, Sir«, sagte Keen.
Ohne einen weiteren Blick kletterte Bolitho hinunter ins Boot. Als die Bootsgasten anruderten, konnte Keen im Heck Allday erkennen, der die Hand auf Zenorias gelegt hatte und zusammen mit ihr die Pinne fuhrte. Bolitho hatte sich so plaziert, da? die Rudermannschaft das nicht sehen konnte.