Die Forehand-Tochter und ich krochen in der Mixtur aus menschlicher und Hitschi-Einrichtung herum, um Platz zu machen. Es gab nicht viel davon. Wenn man aus einem Dreier-Schiff alles herausräumte, hätte man einen Raum von etwa vier mal drei mal drei Metern gehabt, aber wenn man alles ausräumte, flog es natürlich nicht.
Sheri setzte sich vor die Säule aus Speichenrädern und rutschte mit dem Gesäß hin und her.
»Was für Hintern haben die Hitschi eigentlich gehabt?«, klagte sie.
»Wieder eine gute Frage ohne Antwort«, erklärte die Ausbilderin. »Wenn Sie es herausbekommen, sagen Sie es uns. Die Gesellschaft sorgt für das Geflecht über dem Sitz. Es gehört nicht zur Originalausstattung. Okay. Das Ding, das Sie betrachten, ist der Zielwähler. Legen Sie Ihre Hand auf eines der Räder. Auf irgendeines. Nur kein zweites berühren. Jetzt drehen.« Sie sah besorgt zu, als Sheri das unterste Rad berührte, mit den Fingern drückte, dann den Handballen darauf legte und sich gegen die V-förmigen Arme des Sessels stemmte. Endlich bewegte es sich, und die Lichter entlang der Räderreihe begannen zu flackern.
»Mensch«, sagte Sheri, »die müssen aber sehr viel Kraft gehabt haben.«
Wir versuchten es der Reihe nach mit diesem einen Rad – an jenem Tag ließ Klara nicht zu, dass wir irgendein anderes berührten –, und als ich an die Reihe kam, stellte ich erstaunt fest, dass ich fast meine ganze Kraft brauchte, um es zu drehen. Es fühlte sich nicht wie eingerostet an, sondern so, als sollte es schwer zu drehen sein. Und wenn man sich überlegt, in welche Schwierigkeiten man geraten kann, wenn man mitten im Flug zufällig die Einstellung verändert, war das wohl auch Absicht.
Natürlich weiß ich jetzt auch darüber mehr, als meine Ausbilderin gewusst hat. Nicht, dass ich so schlau wäre, aber viele Leute brauchten und brauchen immer noch verdammt lange Zeit, dahinter zu kommen, was allein bei der Einstellung eines Ziels mit dem Kurswähler vor sich geht.
Es handelt sich dabei um eine vertikale Reihe von Zahlengeneratoren. Die aufleuchtenden Lichter zeigen Ziffern; das ist nicht leicht zu erkennen, weil sie nicht wie Ziffern aussehen. Es gibt kein Komma – und kein Dezimalsystem. (Offenbar drückten die Hitschi Zahlen als Summen von Primzahlen und Exponenten aus, aber das geht weit über mein Begriffsvermögen hinaus.) Nur die Prüfpiloten und die für die Gesellschaft tätigen Kursprogrammierer müssen die Zahlen wirklich lesen können, und sie tun es nicht direkt, sondern nur mithilfe eines Übertragungscomputers. Die ersten fünf Ziffern scheinen die Lage des Ziels im Raum auszudrücken, von unten nach oben gelesen. (Dane Metschnikow sagt, die Primzahlenanordnung gehe nicht von unten nach oben, sondern von vorne nach hinten. Die Hitschi waren dreidimensional orientiert, wie der primitive Mensch; nicht zweidimensional, wie wir.) Man möchte meinen, dass drei Zahlen ausreichen, um jede Position irgendwo im Universum zu bezeichnen, nicht wahr? Ich meine, wenn man eine dreidimensionale Darstellung der Galaxis nimmt, kann man jeden Punkt darin mithilfe einer Zahl für jede der drei Dimensionen ausdrücken. Aber die Hitschi brauchten fünf. Heißt das, dass es fünf Dimensionen gab, die von den Hitschi wahrgenommen werden konnten? Metschnikow sagt nein …
DIE SCHIFFE VON GATEWAY
Die auf Gateway verfügbaren Fahrzeuge sind zu interstellarem Flug mit Überlichtgeschwindigkeit fähig. Die Antriebsmethode ist bislang unverständlich geblieben (vergl. Piloten-Handbuch). Es gibt zusätzlich ein ziemlich konventionelles Raketenantriebssystem mit flüssigem Wasserstoff und flüssigem Sauerstoff für die Lagesteuerung und den Antrieb des Landefahrzeugs, das sich in jedem Interstellar-Fahrzeug befindet.
Es gibt drei Hauptklassen, bezeichnet als Klasse 1, Klasse 3 und Klasse 5, entsprechend der Anzahl von Personen, die sie befördern können. Manche Fahrzeuge sind besonders massiv gebaut und tragen die Bezeichnung ›gepanzert‹. Die meisten Fahrzeuge in der gepanzerten Klasse sind Fünfer.
Jedes Fahrzeug ist darauf programmiert, mit automatischer Navigation eine Reihe von Zielen zu erreichen. Die Rückkehr erfolgt automatisch und ist in der Praxis sehr zuverlässig.
Ihr Lehrgang im Steuern der Schiffe wird Sie ausreichend darauf vorbereiten, alle notwendigen Aufgaben beim Navigieren Ihres Fahrzeugs zu erfüllen. Zur Frage der Sicherheitsbestimmungen siehe jedoch das Piloten-Handbuch.
Wie auch immer. Sobald man die ersten fünf Zahlen eingestellt hat, können die sieben anderen auf ganz willkürliche Werte eingestellt werden, und man fliegt trotzdem los, sobald man die Startwarze drückt.
Gewöhnlich nimmt man – oder nehmen die Kursprogrammierer, die von der Gesellschaft eigens dafür bezahlt werden – wahllos vier Zahlen. Dann dreht man die fünfte Ziffer, bis man eine Art rosarotes Warnglühen erzielt. Manchmal ist es schwach, manchmal grell. Wenn man da aufhört und das flache Oval unter der Warze drückt, beginnen die Zahlen zu kriechen, nur ein paar Millimeter hin oder her, und das rosarote Leuchten wird stärker. Wenn sie stillstehen, wird es zu ›Shocking Pink‹ und schockierend grell. Metschnikow sagt, das sei ein automatisches Feinjustierungsgerät. Die Maschine berücksichtigt menschlichen Irrtum – Verzeihung, Hitschi-Irrtum –, und wenn man an eine gültige Zieleinstellung herankommt, wird die Feinregulierung automatisch vorgenommen. Wahrscheinlich hat er Recht.
(Jeden einzelnen Schritt zu lernen, kostete natürlich viel Zeit und Geld und auch manches Menschenleben. Es ist gefährlich, Prospektor zu sein. Bei den ersten Flügen war es sogar selbstmörderisch.)
Manchmal kann man alle Einstellungen der fünften Ziffer durchprobieren und doch nichts finden. Dann flucht man. Man stellt eine der anderen vier um und versucht es von neuem. Der Zyklus dauert nur einige Sekunden, aber Prüfpiloten haben bis zu hundert Stunden lang neue Einstellungen ausprobiert, bis sie die richtige Farbe hatten.
Bis ich hinausflog, hatten die Prüfpiloten und Kursprogrammierer natürlich an die zweihundert mögliche Einstellungen erarbeitet, die als gute Farben galten, aber noch nicht verwendet worden waren – ebenso alle die schon benützten Einstellungen, bei denen es sich kein zweites Mal lohnte. Oder von denen die Besatzungen nicht zurückgekommen sind.
Aber das wusste ich damals alles noch nicht, und als ich mich auf dem umgebauten Hitschi-Sitz niederließ, war alles neu, neu, neu. Und ich weiß nicht, ob ich Ihnen nahe bringen kann, wie man sich dabei fühlt.
Ich meine, da saß ich, auf einem Platz, auf dem vor einer halben Jahrmillion Hitschi gesessen hatten. Das Ding vor mir war ein Zielwähler. Das Schiff konnte überallhin fliegen. Überallhin! Wenn ich das richtige Ziel wählte, konnte ich zum Sirius, Procyon, vielleicht sogar zu den Magellanschen Wolken gelangen!
Klara hatte genug davon, mit dem Kopf nach unten zu hängen, und zwängte sich zwischen uns hindurch.
»Jetzt Sie, Broadhead«, sagte sie, legte eine Hand auf meine Schulter, während ich am Rücken das spürte, was ihre Brüste sein mussten.
Ich zögerte.
»Gibt es keine Möglichkeit festzustellen, wo man ankommen wird?«, fragte ich.
»Doch«, meinte sie, »wenn Sie ein Hitschi mit Pilotenausbildung sind.«
»Und nicht einmal die Farbe sagt einem, ob man weiter hinaus gelangt als bei einer anderen?«
»Hier hat noch niemand einen solchen Zusammenhang entdeckt. Man versucht es natürlich fortwährend. Ein ganzes Team verbringt seine Zeit damit, Berichte von zurückgekehrten Flügen mit den Einstellungen zu vergleichen, die beim Start bestanden haben. Bis jetzt war alles erfolglos. Also, machen wir weiter, Broadhead. Legen Sie die ganze Hand auf das erste Rad, das die anderen bedient haben. Drehen Sie. Es erfordert mehr Kraft, als Sie glauben.«
So war es. Ich hatte beinahe Angst davor, so kräftig zu drehen, dass es funktionierte. Sie beugte sich vor und legte ihre Hand auf meine, und ich begriff, dass der angenehme Moschusöl-Geruch, den ich seit einiger Zeit wahrnahm, von ihr stammte. Es war auch nicht bloß der Duft; ihre Pheromone kuschelten sich behaglich in meine Chemorezeptoren. Eine sehr hübsche Abwechslung vom übrigen Gateway-Gestank.
Aber trotzdem leuchtete bei mir nichts auf, obwohl ich es fünf Minuten lang versuchte, bis sie mich wegscheuchte und es Sheri noch einmal probieren ließ.
Als ich in mein Zimmer zurückkam, hatte jemand sauber gemacht. Ich fragte mich dankbar, wer das gewesen sein mochte, war aber zu müde, um mir lange Gedanken darüber zu machen. Geringe Schwerkraft kann ermüdend sein, bis man sich daran gewöhnt hat; man überanstrengt seine ganzen Muskeln, weil man ein völlig neues Reaktionsmuster erlernen muss.
Ich spannte meine Hängematte auf und döste gerade ein, als ich an meiner Tür ein Kratzen hörte. Sheri sagte: »Bob?«
»Was ist?«
»Schläfst du?«
Offensichtlich nicht, aber ich legte die Frage so aus, wie sie gemeint war.
»Nein. Ich liege da und denke nach.«
»Hab’ ich auch gemacht … Bob?«
»Ja?«
»Möchtest du, dass ich in deine Hängematte komme?«
Ich strengte mich an, so weit aufzuwachen, dass ich die Frage auf ihren Kern untersuchen konnte.
»Ich möchte es wirklich«, setzte sie hinzu.
»Gut. Klar. Ich meine, sehr gern.« Sie schlüpfte in mein Zimmer, und ich machte Platz in der Hängematte, die langsam schwankte, als sie hineinkroch. Sie trug ein gestricktes T-Shirt und Unterhose und fühlte sich weich an, als wir in der Matte sanft zusammenrollten.
»Es muss nicht Sex sein, Freund«, sagte sie. »Ich bin für alles zu haben.«
»Mal sehen, was sich entwickelt. Hast du Angst?«
Ihr Atem war das Süßeste an ihr; ich konnte ihn an meiner Wange spüren.