Waldröschen IX. Erkämpftes Glück. Teil 2 - Karl May 6 стр.


Da kam von der Stadt her ein Boot, von vier kräftigen Jungen gerudert, so daß es wie ein Pfeil über das Wasser flog und fast nicht in den Wellen, sondern in der Luft zu fahren schien.

Der Mann, der auf der Mittelbank saß, war jedenfalls ein Seemann. Sein volles, freundliches Gesicht ließ den Kenner vermuten, daß er ein Deutscher sei. Sein blaues, helles Auge ruhte mit wohlgefälligem Blick auf dem Dampfer, und als das Boot anlegte, stand er mit einem schnellen Sprung auf dem Fallreep und stieg die Stufen hinan mit der Miene eines Mannes, der von einem anstrengenden Ausflug müde nach Hause kommt.

Als er das Deck erreichte, trat der Steuermann auf ihn zu und meldete:

»Kapitän, da sind zwei Herren, die mit Ihnen zu sprechen verlangen.« »Was wollen sie denn?« fragte der Kapitän, indem er die beiden Männer erblickte, die auf seine Rückkehr gewartet zu haben schienen. »Sie haben gehört, daß wir nach Verakruz gehen « »Und wollen etwa mit?« »Ja.« »Ah! Hm. Was sprechen sie für eine Sprache?« »Spanisch.« »Gut. Wollen sehen.«

Der Kapitän schritt auf die beiden Männer zu.

»Mein Name ist Wagner«, sagte er, »Kapitän dieses Schiffes.« »Ich heiße Antonio Veridante, Advokat aus Barcelona. Dieser Señor ist mein Sekretär«, sagte der eine der beiden Männer. »Sie wünschen?« »Wir hörten, daß Sie nach Verakruz gehen.« »Das ist allerdings wahr.« »So wollten wir Sie fragen, ob Sie nicht die Güte hätten, uns mitzunehmen.« »Señores, das wird wohl nicht möglich sein.«

Der ältere der beiden Männer, der Advokat, zog die Stirn kraus.

»Warum nicht?« fragte er. »Wir sind bereit, sehr gut zu zahlen.« »Das ändert nichts. Dieser Dampfer ist weder Fracht- noch Passagierschiff, er dient zu ganz privaten Zwecken.« »Die wir nicht erfahren dürfen?« »Es würde Sie nicht interessieren.« »So schlagen Sie uns unsere Bitte wirklich ab?« »Ich bin leider gezwungen.« »Wir müssen das um so mehr beklagen, als wir im Vertrauen auf Ihre Güte bereits unser Gepäck mitgebracht haben.« »Sapperlot, so haben Sie wohl gar das Boot zurückgeschickt, das Sie an Boot brachte?« »Nein. Das gab Ihr Steuermann nicht zu. Es liegt seitwärts am anderen Bord.« »Ich hoffe, daß Sie eine baldige Gelegenheit finden.« »Wir wünschen es auch; doch wird dieser Wunsch wohl nicht so bald in Erfüllung gehen. Ich habe bedeutende Verluste zu befürchten, die ich erleide, wenn ich nicht schleunigst eintreffe.« »So.«

Das Auge des Kapitäns überflog noch einmal die beiden Männer. Sie hatten beide etwas an sich, was ihm nicht gefiel; aber sonst zeigten sie ein ehrbares, Achtung forderndes Äußeres. Es war übrigens so dämmerig, daß man Einzelheiten nicht mehr gut sehen konnte.

»Große Verluste?« fragte er. »Sind sie bedeutend?« »Sehr.« »Wohl für eine Bank, deren Vertreter Sie sind?« »Nein. Sondern für einen Privatmann.« »Darf ich fragen, wer das ist?« »Ja. Ich meine den Grafen de Rodriganda.«

Kaum war dieses Wort ausgesprochen, so trat der Kapitän einen Schritt näher.

»Was?« fragte er. »Habe ich recht gehört? Rodriganda?« »Ja.« »Meinen Sie den Grafen, dessen Stammschloß gleichen Namens bei Manresa in Spanien liegt?« »Ja.« »Er hat große Besitzungen in Mexiko?« »Ja.« »Sie sollen mitfahren. Sie haben doch Ihre Legitimationen bei sich?« »Das versteht sich. Wünschen Sie dieselben zu sehen?« »Jetzt nicht. Das hat für später Zeit. Das Schiff sticht bald in See, und ich habe noch anderes zu tun. Ihr Boot kann zurückgehen. Peters!«

Auf diesen Ruf kam ein Matrose herbei.

»Führe die beiden Señores in die vorderste Kajüte. Du magst sie bedienen und bist deshalb vom übrigen frei.« »Danke, Kapitän!« meinte der Mann. Dann drehte er sich zu den beiden Pflegebefohlenen und sagte in gebrochenem Spanisch: »Folgen Sie mir!«

Er führte sie in einen zwar kleinen, aber allerliebsten Raum, in dem sich übereinander zwei Betten befanden.

»So, das ist Ihre Koje«, sagte er. »Machen Sie es sich bequem. Ich hole Wasser und dergleichen herbei.«

Kaum war er fort, so meinte Cortejo:

»Was war das, Señor Landola?« »Er kannte die Familie Rodriganda.« »Ja. Wir müssen da außerordentlich vorsichtig sein.« »Hätten wir den Namen Rodriganda nicht erwähnt, so wären wir wahrhaftig nicht mitgenommen worden.« »Und doch wünschte ich, ich hätte lieber nichts gesagt.« »Na, wir müssen warten, was wir erfahren. Bis dahin können wir vorsichtig lavieren, bis wir das richtige Fahrwasser finden.« »Ja, aber da bitte ich um eins.« »Was?« »Daß ich die Erkundigungen einziehe. Ihr geltet für meinen Untergebenen, also bin ich derjenige, der reden muß.« »Meinetwegen«, meinte Landola mürrisch.

Peters kam bald zurück, um Wasser und Waschrequisiten zu bringen.

»Lagt Ihr lange in Rio?« fragte Cortejo. »Nur drei Tage«, lautete die Antwort. »Woher kommt Ihr?« »Um Kap Hoorn.« »Ah! Um Südamerika herum?« »Ja.« »Wohl von Australien?« »Eigentlich ja, aber zunächst von Mexiko.« »Von einem der Westhäfen?« »Guaymas.« »Ladung dort genommen?« »Nein. Passagiere dort gelandet.« »Viele? Der Kapitän sagte doch, dies sei kein Passagierschiff.« »Ist es auch nicht.« »Was sonst?« »Privateigentum.« »Wem gehört es denn?« »Dem Grafen Rodriganda.«

Die beiden Freunde blickten einander erschrocken an, was jedoch der Matrose nicht bemerkte.

»Rodriganda?« fragte Cortejo, indem er sich zusammennahm. »Wie ist denn der Vorname dieses Herrn?« »Don Ferdinando.« »Wo wohnt er?« »In Mexiko.« »Kennst du ihn?« »Nein, ich habe ihn nicht gesehen.« »Ich denke, nach deinen Reden zu schließen, ihr habt ihn in Guaymas ausgeschifft.« »Das ist richtig, aber ich war nicht dabei.« »Wieso?« »Ich hatte einen schlechten Kapitän und ging daher in Valparaiso vom Schiff. Da kam Kapitän Wagner mit diesem Dampfer. Er mußte einen schwerkranken Mann ans Land geben und nahm an dessen Stelle mich auf.« »So bist du also erst seit Valparaiso hier an Bord?« »Ja.« »Und weißt nichts von den früheren Schicksalen dieses Schiffes?« »Ich weiß einiges, was ich von den anderen erfahren habe.« »Nun?« »Es gehörte einem Engländer und wurde in Ostindien von dem Grafen Rodriganda gekauft.« »Wie kam der Graf nach Indien?« »Mit Kapitän Wagner, Schiff Seejungfer aus Kiel.« »Kiel ist wohl ein deutscher Hafen? Nicht?« »Ja.« »Sonderbar, daß der Graf dorther gekommen ist.« »Oh, nicht von dort kam er.« »Von woher sonst?« »Er wurde an der Ostküste Afrikas aufgenommen.« »Wo da?« »Er war im Harrarland gewesen und da entflohen. Er traf die Seejungfer an der Küste. Der Kapitän brachte ihn nach Indien und dann nach Australien, um die anderen abzuholen!« »Die anderen? Wer ist das?« »Wer? Hm!«

Der Mann zögerte zu antworten. Er betrachtete sich die beiden Männer eine Sekunde lang, ohne seine Auskunft fortzusetzen.

»Warum antwortetest du nicht?« fragte Cortejo. »Weil ich weiter nichts weiß.« »So! Und das andere wußtest du so rasch.« »O Señor, es kommt sehr viel auf den Frager an, ob man etwas schnell vergißt oder nicht.«

Bei diesen Worten drehte der Mann sich um und schritt zur Tür hinaus.

Cortejo blickte Landola an.

»Was war das?«

Landola zuckte anstatt der Antwort mit den Achseln.

»Ich wette meinen Kopf, daß er es wußte und es doch nicht sagte.« »Ihr seid selbst schuld.« »Ich? Inwiefern?« »So eine weitfahrende Teerjacke pflegt kein Dummhut zu sein.« »Was hat dies mit meiner Frage zu tun?« »Sehr viel. Ihr wart zu unvorsichtig.« »Nicht daß ich wüßte!« »Und doch. Ihr wart ja förmlich erpicht, etwas über Rodriganda zu hören. Ihr habt den Kerl mit den Augen fast verschlungen.« »Unsinn!« »Ich habe Euch beobachtet, es ist so.« »Ich weiß nichts davon.« »Wenn Ihr Euch nicht anders beherrschen könnt, so ist es besser, Ihr überlaßt das Fragen mir. Sonst verratet Ihr Euch.« »Das geht nicht. Aber wenn es wirklich so ist, wie Ihr sagt, so werde ich mich auch in acht nehmen.« »Das rate ich Euch sehr an. Ihr habt ja gehört, wie die Sachen stehen. Oder nicht?« »Hm. Dieser Kapitän hat den Grafen befreit.« »Und nach Indien gebracht. Hier ist mir nur eins unklar.« »Was?« »Hier hat der Graf diesen Dampfer gekauft. Der kostet Geld.« »Allerdings«, meinte Cortejo. »Woher hat er dasselbe?« »In der Sklaverei erarbeitet jedenfalls nicht.« »Vielleicht dem Sultan gestohlen?« »Dem Sultan gestohlen und doch entkommen! Das klingt unwahrscheinlich.« »Wir werden es erfahren.« »Mit diesem Dampfer sind sie nach Australien gefahren, um die anderen zu holen. Wen habe ich unter diesen anderen zu verstehen?« »Doch Sternau und die Seinen.« »Das denke ich auch.« »Aber wie konnte der Graf in diesem abgeschlossenen Harrar etwas von Sternau erfahren.« »Zumal ich Sternau auf eine Insel gesetzt habe, die kein Mensch kannte. Das ist wahrlich unbegreiflich.« »Wir werden auch das erfahren.« »Aber ich muß bitten, sehr vorsichtig zu sein. Ihr habt dem Kapitän bereits gesagt, daß Ihr Sachwalter des Grafen Rodriganda seid. Wie wollt Ihr Euch aus dem Loch helfen, in das Ihr aus eigener Schuld gefallen?« »Das wird nicht schwer sein.« »Wieso?« »Ich kann doch das Vertrauen des Grafen Alfonzo besitzen, ohne gerade ein Feind der anderen zu sein!« »Es wird sich empfehlen lassen, wenn wir den alten Grafen Emanuel gekannt haben.« »Gut, dieser Gedanke reicht hin. Ich hoffe, daß wir von den Plänen Sternaus so viel erfahren, als für uns nötig ist, rasch zum Ziel zu kommen.«

Als der Kessel den nötigen Dampf besaß, nahm der Dampfer die Anker auf und wandte sich der See zu. Der Kapitän stand auf der Kommandobrücke, bis man offenes Meer hatte und die Fahrt frei war, dann stieg er herab, um die Führung dem Steuermann zu überlassen.

Da trat Peters zu ihm, legte die Hand an den Hut und sagte:

»Kaptn!« »Was willst du, mein Junge?« fragte Wagner, der gewohnt war, mit seinem Seevolk in der leutseligsten Weise zu verkehren. »Die Passagiere.« »Na, was ist mit ihnen?« »Hm! Fürchterlich neugierig!« »So, so! Was wollten sie wissen?« »Alles vom Schiff.« »Tut ja nichts.« »Und vom Grafen Rodriganda.« »Auch das tut nichts, mein Sohn.« »War mir aber doch auffällig. Der eine fragte, und der andere sperrte das Maul wie ein Walfisch auf.« »Das ist leicht erklärlich. Sie kennen beide den Grafen Rodriganda.« »Ach so!« »Hast du sonst noch etwas?« »Nein.« »So schicke sie einmal zu mir und sage dem Koch, daß sie in meiner Kajüte mit mir essen werden.«

Peters ging. Sobald ihn aber der Kapitän nicht mehr zu sehen vermochte, brummte er zwischen den Zähnen:

»Also sie kennen den Grafen. Gefallen mir aber doch nicht. Sie sehen beide gerade so aus, als wenn ein Seeräuberschiff die Kanonenluken maskiert, um für einen Kauffahrer angesehen zu werden. Kann auf keinen Fall schaden, wenn ich ein wachsames Auge auf sie habe.« Der gute Peter gehörte zu jenen Leuten, die sich unmöglich verstellen können, dafür aber auch ein instinktives Gefühl für jede Falschheit besitzen. Als er in die Kajüte trat, meinte er in einem Ton, der zwar höflich sein sollte, aber fast wie ein Befehl klang:

»Zum Käptn, Señores! Aber schnell!« »Wo ist er?« fragte Landola. »In seiner Kajüte.« »Gut! Werden gehen!« »Wird gut sein, die Legitimationen mitzunehmen.«

Mit diesem Wink stieg Peters wieder davon. Dann aber stellte er sich abseits, um die beiden zu beobachten. Ein anderer Matrose kam und fragte:

»Was gibts hier, Peters? Stehst doch da wie die Katze vor dem Rattenloch.« »Ists auch!« lautete die kurze Antwort. »Lauerst wirklich auf eine Ratte?« »Ja, auf zwei.« »Ah! Die Landratten?« »Hasts erraten. Paß auf!« »Was denn?« »Wirsts sehen und hören.«

Die beiden Männer waren beim Schein der Decklaternen deutlich zu erkennen. Landola schritt voran, und Cortejo folgte ihm.

»Siehst du es?« fragte Peters seinen Kameraden. »Was?« »Daß der eine ein Seemann ist?« »Ah! Weshalb?« »Habe es ihm am Auge angesehen. Ein Seemann hat ein anderes Auge als eine Landratte. War bei Ihnen, um sie zum Kaptn zu bestellen. Zwei Landratten hätten gefragt, wo die Kajüte ist.« »Vielleicht sind sie bereits viel gefahren.« »Tut nichts. Auf unserem Deck waren sie noch nicht. Nur ein erfahrener Seewolf findet auf einem fremden Privatdampfer und im Dunkel des Abends die Kapitänskajüte.« »Warum aber beobachtest du das?« »Weiß es selbst nicht. Kann die Kerle nicht leiden.«

5. Kapitel

Landola hatte nicht geahnt, daß der gute Peters einen solchen instinktiven Scharfsinn besitzen könne, sonst hätte er sich anders benommen.

Als sie in die Kajüte traten, saß Wagner bei einem Glas Wein. Er empfing sie mit freundlicher Miene und sagte:

»Noch einmal willkommen an Bord, Señores! Lassen Sie uns zunächst die unliebsamen Formalitäten erledigen. Ich habe es Ihnen nicht eigens sagen lassen, aber ich denke, daß Sie Ihre Papiere bei sich haben.« »Wir haben daran gedacht, Señor Capitano«, meinte Cortejo, indem er die beiden Pässe hervorzog.

Wagner nahm sie, ging sie durch und gab sie wieder zurück.

»Eigentlich bin ich angehalten, die Legitimationen unter Verschluß zu nehmen«, sagte er. »Aber ich glaube, heute nicht so penibel sein zu brauchen. Hier nehmen Sie und setzen Sie sich nieder!«

Die beiden Männer nahmen mit einer Verbeugung Platz. Es entspann sich ein Gespräch, das, wie es zwischen Leuten, die sich zum ersten Male sehen, herzugehen pflegt, zunächst einen langsamen Gang hatte, dann aber, als der Koch das Abendmahl schickte und der Wein seine erheiternde Wirkung ausübte, animierter wurde.

Sowohl Cortejo als auch Landola sehnten den Augenblick herbei, da der Kapitän das Gespräch auf Rodriganda bringen werde. Er kam lange nicht, aber endlich doch.

»Sie sagten, als ich Sie empfing, Don Antonio, daß Sie der Sachwalter des Grafen Rodriganda seien«, begann Wagner. »Habe ich so recht verstanden?« »Sie haben richtig verstanden, Señor«, antwortete der Gefragte. »Sie kennen also die Familie des Grafen Rodriganda?« »Sehr gut.« »Ich habe Veranlassung, einiges Interesse an dieser Familie zu nehmen. Können Sie mir sagen, aus welchen Gliedern dieselbe jetzt besteht?« »Ich gebe Ihnen mit großem Vergnügen Auskunft. Es sind heute leider nur noch zwei Glieder zu nennen.« »Ah! Nicht mehr?« »Nein, wie ich mit leider bemerkte.« »Wer sind diese Glieder?« »Graf Alfonzo, der sich jetzt in Madrid aufhält, und Condesa Rosa, die in Deutschland lebt.« »In Deutschland? Wo da?« »Auf Schloß Rheinswalden bei Mainz.« »Wie kommt es, daß sie nach Deutschland gegangen ist?« »Sie ist einer Liebe dorthin gefolgt.« »Ah! Sie ist dort verheiratet?« »Ja.« »Mit wem?« »Mit einem Arzt namens Sternau.« »Eine Mesalliance also.«

Cortejo zuckte die Achsel.

»Hm, es fragt sich, was man unter Mesalliance versteht. Die Kenntnisse und der Ruf dieses Arztes wiegen einen Fürstentitel auf.« »So kennen Sie diesen Sternau?« fragte Wagner erfreut. »Ja.« »Ich habe von ihm gehört. Können Sie ihn mir beschreiben?« »Gewiß. Er ist ein langer, breiter, athletisch gebauter, aber schöner Mann, ein wahrer Riese. Dabei besitzt er das Herz und Gemüt eines Kindes.« »Das stimmt. Wo lernten Sie ihn kennen?« »In Rodriganda.« »Er war dort?« »Ja. Er operierte den Grafen Emanuel von einem ebenso schweren wie schmerzhaften Leiden.« »So lernte er wohl damals die Condesa kennen?« »Ja.« »Und auch Sie kannten den Grafen Emanuel?« »Schon seit längerer Zeit.« »Ich denke, sein Sachwalter war damals ein gewisser Cortejo?«

Cortejo zog eine Miene, als ob er einen sehr verhaßten oder verachteten Namen gehört habe, und antwortete:

»Ja, Cortejo hatte die laufenden Geschäfte zu besorgen, die Kleinigkeiten, sozusagen. Bei wichtigeren Veranlassungen aber hatte ich die Ehre, den Grafen bei mir in Barcelona zu empfangen.« »Ach so also! Sie kannten Cortejo ganz genau?« »Sehr genau, genauer als mir lieb war und ist.« »Das klingt ja recht unsympathisch!« »Soll es auch sein.« »Sie hatten ihn nicht lieb?« »Ganz und gar nicht. Ich will nicht sagen, daß ich ihn haßte, aber ich verachtete ihn.« »Warum?« »Warum? Lassen sich Gefühle erklären? »Wohl schwerlich, aber Veranlassungen gibt es doch.« »Das war hier allerdings der Fall. Ich hielt und halte diesen Cortejo zu jeder Schandtat fähig.«

Der Kapitän nickte.

»Das habe ich auch gehört«, sagte er. »Wirklich? Wo?« »Das erzähle ich Ihnen später. Erlauben Sie mir vorher erst noch einige Fragen.« »Mit dem größten Vergnügen.« »Hat nicht dieser Cortejo einen Bruder?« »Ja.« »In Mexiko.« »Allerdings. Der eine heißt Gasparino und der andere Pablo.« »Was für ein Kerl ist dieser Pablo Cortejo?« »Ein abenteuernder Schurke.« »Wirklich?« »Ganz gewiß. Ich reise ja gerade seinetwegen nach Mexiko.« »Ah! Das ist mir hochinteressant!« »Wirklich? Ich komme nämlich, ihm ein klein wenig auf die schmutzigen Finger zu sehen.« »Ich wünsche Ihnen viel Glück dazu! Waren Sie in Rodriganda, als Graf Emanuel starb?« »Ja. Ich habe ihn mit beigesetzt.« »Er soll keines natürlichen Todes gestorben sein?« »Nein. Er litt an einer Art unerklärlichen Wahnsinns. In einem Anfall desselben entwich er und stürzte sich in einen Abgrund. Natürlich war er sofort tot.« »Zerschmettert sogar.« »Ja.« »Man scheint damals so allerlei gemunkelt zu haben.«

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