Waldröschen II. Der Schatz der Mixtekas - Karl May 2 стр.


Dieser Sieg war in weniger als zwei Minuten errungen. Die Pferde der Gefallenen wurden mit leichter Mühe eingefangen.

Jetzt kam der Vaquero herbei, der vom Kanu aus alles beobachtet hatte.

»Verdammt«, meinte er, »das war ein Sieg!« »Pah!« lachte der Deutsche. »Sechs Komantschen, was ist das weiter! Man sollte eigentlich mit Menschenblut sparsamer umgehen, denn es ist der köstlichste Saft, den es gibt; aber diese Komantschen verdienen es nicht anders.«

Man nahm darauf den Komantschen die Waffen ab und warf die Toten in den Fluß, nachdem Bärenherz den beiden, die er getötet, die Skalpe gelöst hatte, um sie sich an den Gürtel zu hängen.

»Was nun?« fragte der Deutsche. »Brechen wir sofort auf?« »Ja«, antwortete der Apache. »Die Schwester meines Freundes soll nicht vergebens auf Hilfe rechnen.« »Nehmen wir den Vaquero mit?«

Bärenherz musterte diesen und erwiderte:

»Tu, was du willst.« »Ich gehe mit!« erklärte der Mexikaner. »Ich glaube nicht, daß wir dich brauchen können«, meinte Helmers, »denn ein Held bist du nicht.« »Ich hatte jetzt ja keine Waffen.« »Aber bei dem gestrigen Überfall bist du doch auch geflohen.« »Nur, um Hilfe herbeizuholen.« »Ach so! Nun, wirst du den Platz wiederfinden können, wo ihr überfallen wurdet?« »Ja.« »So magst du uns begleiten.« »Darf ich mir von den Waffen der Indianer nehmen?« »Ja. Nimm dir auch ein Pferd von ihnen. Das deinige lassen wir frei; es ist zu sehr abgetrieben und würde uns nur hinderlich sein.«

Die drei besten Pferde wurden darauf bestiegen und die übrigen freigelassen, dann setzte sich der kleine Zug in Bewegung.

2. Kapitel

Es ging nach Norden immer dem Rio Pecos zu. Der Weg führte zunächst durch offene Prärie, dann erhob sich eine Sierra vor ihnen, deren Berge mit Wald bestanden waren, sie ritten durch Täler und Schluchten und gelangten gegen Abend auf eine Höhe, von der aus man eine kleine Savanne überblicken konnte.

»Ugh!« rief der Apache, der voranritt. »Was gibt es?« fragte der Deutsche. »Siehe!«

Bärenherz streckte die Hände aus und deutete nach unten.

Dort lagerte ein Trupp Indianer, in dessen Mitte man die Gefangenen erblickte. Der Deutsche nahm ein kleines Fernrohr aus der Tasche, stellte es, hob es an das Auge und blickte hindurch.

»Was sieht mein weißer Bruder?« fragte der Apache. »Neunundvierzig Komantschen.« »Pshaw«, sagte der Apache geringschätzend. »Und sechs Gefangene.« »Sind die Frauen mit dabei?« »Ja, zwei.« »Wir werden sie befreien.«

Diese Worte sagte der Häuptling mit so großer Seelenruhe, daß man glauben mußte, es verstehe sich von selbst, daß er es ganz allein mit einem Schock Komantschen aufnehme. »Am Abend?« fragte der Deutsche. »Ja«, nickte der Apache. »Aber wie?« »Wie ein Häuptling der Apachen!« sagte Bärenherz stolz. »Ich bin dabei. Diese neunundvierzig Komantschen können nicht hundert Wachen aufstellen.« »Wir wollen uns verbergen.« »Warum?« fragte der Vaquero. »Willst du dich etwa sehen lassen?« antwortete Helmers. »Nein. Aber hier können sie uns ja gar nicht sehen!« »Es können ja auch noch andere außer dir entkommen sein. Die hat man gewiß auch verfolgt, und wenn die Verfolger zurückkehren, können sie uns sehr leicht bemerken. Halte die Pferde. Wir beide wollen zunächst dafür sorgen, daß unsere Fährte verwischt wird.«

Helmers kehrte mit Bärenherz eine Strecke weit auf dem Weg, den sie gekommen waren, zurück, um die Hufspuren unsichtbar zu machen; dann wurde in dem dichtesten Gebüsch der Anhöhe ein Versteck ausgesucht und auch gefunden, worin sie sich mit ihren Tieren verbargen.

Die Sonne ging unter, und es wurde Abend. Die finstere Nacht brach an, und noch regte sich nichts in dem Versteck. Die beste Zeit zum Überfall war kurz nach Mitternacht. »Nun, hast du dir ausgesonnen, wie es zu machen ist?« fragte der Deutsche den Apachen. »Ja«, antwortete dieser. »Wir wollen wie tapfere Männer handeln. Kannst du eine Wache töten, ohne daß sie einen Laut von sich gibt?« »Ja.« »Gut. So schleichen wir uns hinzu, töten die Wachen, schneiden die Fesseln der Gefangenen durch und entfliehen mit ihnen.« »Natürlich zu Pferde?« »Ja.« »So wird es Zeit, zu beginnen, denn das Anschleichen ist eine langweilige Sache.« »Aber dieser Vaquero bleibt zurück?« fragte der Apache. »Ja, er hat die Pferde zu halten.« »Wo erwartet er uns?« »Da, wo wir die Komantschen zuerst erblickten. Wir müssen dort vorüber, da wir doch jedenfalls nach dem Rio Grande zurückkehren.« »So laß uns beginnen.«

Die beiden mutigen Männer ergriffen darauf ihre Gewehre und schritten, nachdem sie dem Vaquero die nötigen Instruktionen erteilt hatten, davon.

Unten im Tal brannte ein einziges Wachtfeuer; rund um dasselbe lagen die schlafenden Komantschen und bei ihnen die gefesselten Gefangenen. Die Wachtposten waren jedenfalls außerhalb dieses Kreises zu suchen. Als die beiden das Tal erreichten, sagte Bärenherz:

»Ich gehe links, und du gehst rechts.« »Gut. Auf alle Fälle befreien wir zunächst die beiden Frauen.«

Dann trennten sie sich.

Helmers umschritt das Lager nach der rechten Seite hin. Natürlich geschah dies nicht in aufrechter Stellung, sondern in der Weise, wie sie in der Prärie gebräuchlich ist. Man legt sich nämlich dabei auf den Boden nieder und schiebt sich wie eine Schlange langsam weiter. Man darf dabei weder gehört, noch gesehen werden, auch muß man dafür sorgen, daß die Pferde keine Witterung bekommen, weil sie sonst durch ihr ängstliches Schnauben die Nähe des Feindes verraten.

So tat es Helmers. Erst einen weiten Bogen schlagend, machte er denselben allmählich enger, bis er eine dunkle Gestalt erblickte, die langsam auf und nieder schritt. Das war eine Wache. Er schlich sich mit der größten Vorsicht heran. Es war ein Glück, daß die Nacht finster war und das Feuer nicht mehr leuchtete. So kam er ungesehen der Wache bis auf fünf Schritt nahe, dann schnellte er sich plötzlich auf dieselbe zu, packte sie von hinten mit der Linken bei der Kehle, schnürte diese so fest zu, daß ein Laut unmöglich war, und stieß ihr mit der Rechten das lange Bowiemesser in die Brust. Der Mann sank, ohne eine Wort zu sagen oder das leiseste Geräusch machen zu können, nieder.

So gelang es Helmers, nach vielleicht einer Viertelstunde eine zweite Wache unschädlich zu machen, dann stieß er mit Bärenherz zusammen, der auf dieselbe Weise auch zwei Komantschen getötet hatte.

»Nun die Frauen!« flüsterte der Indianer. »Vorsicht!« bat der Deutsche. »Pshaw! Der Apache ist mutig, aber auch vorsichtig. Vorwärts!« war die Antwort.

Sie wandten sich vollständig unhörbar durch das fußhohe Gras nach dem Feuer hin. Die Frauen waren an der hellen Farbe ihrer Kleidung leicht zu unterscheiden. Helmers erreicht sie zuerst und näherte seine Lippen dem Ohr der einen. Dabei sah er trotz der Dunkelheit, daß sie die Augen offenhielt und ihn beobachtet hatte.

»Erschrecken Sie nicht und halten Sie sich still!« flüsterte er. »Erst wenn ich auch Ihrer Freundin die Fesseln durchschnitten habe, eilen Sie zu den Pferden hin.«

Sie verstand ihn. Die Frauen lagen nebeneinander und waren an Händen und Füßen gefesselt. Der Deutsche durchschnitt die Riemen, die ihnen in das Fleisch gedrungen waren.

Sobald der Apache bemerkte, daß der Deutsche sich der Damen annahm, suchte er die männlichen Gefangenen auf. Es waren ihrer vier, sie lagen in der Nähe. Er kroch zu ihnen heran. Auch sie schliefen nicht. Er nahm das Messer zur Hand, um auch ihre Riemen zu durchschneiden. Schon hatte er dies bei zweien getan, da erhob sich ganz plötzlich in der Nähe einer der Indianer. Er hatte die Bewegungen des Apachen im halben Schlaf gehört. Zwar erhob Bärenherz sofort sein Messer und stieß es ihm in die Brust, aber der zum Tode Getroffene fand noch Zeit, einen lauten Warnungsruf auszustoßen.

»Vorwärts, zu den Pferden! Mir nach!« rief der Apache, indem er blitzschnell die Banden der übrigen löste.

Sie sprangen empor und stürzten zu den Pferden.

»Schnell, schnell, um Gottes willen!« rief auch der Deutsche und ergriff hüben und drüben eine der Damen und riß sie zu den Pferden hin; aber ihre Hand- und Fußgelenke waren von den Fesseln so eingeschnürt gewesen, daß sie kaum gehen konnten.

»Bärenherz!« rief da der Deutsche in höchster Angst. »Hier!« ertönte die Stimme des Apachen. »Schnell herbei!«

Im nächsten Augenblick war der Häuptling da. Er ergriff eine der Frauen, hob sie empor und eilte mit ihr zu den Pferden. Helmers tat es ebenso. Sie sprangen auf, zogen die Frauen auf das Pferd, schnitten die Lassos durch, an denen die Tiere angepflockt waren und jagten davon.

Das alles war in größter Angst, aber mit der Schnelligkeit des Blitzes geschehen, doch keinen Augenblick zu früh, denn in dem Moment, in dem sie die Tiere antrieben, krachten hinter ihnen die Schüsse der Komantschen.

Diese hatten gar nicht an die Möglichkeit eines Überfalls gedacht und darum fest geschlafen. Jetzt sprangen sie empor und griffen zu den Waffen. Sie bildeten ein wirres Durcheinander und merkten erst dann, was geschehen war, als die Gefangenen bereits davonsprengten. Nun warfen auch sie sich auf die noch übrigen Pferde und jagten den Entflohenen nach.

Helmers und der Apache ritten an der Spitze. Sie kannten den Weg, und jeder von ihnen hatte ein Mädchen vor sich liegen. Oben auf der Höhe wartete der Vaquero auf sie. Als er sie kommen hörte, stieg er auf und nahm die beiden anderen Pferde am Zaum.

»Uns nach!« rief ihm Helmers zu, der ihn halten sah.

So ging die wilde Jagd bei voller Dunkelheit jenseits wieder in das Tal hinab, voran die Flüchtlinge und hinter ihnen die Komantschen, die ohne Aufhören ihre Gewehre abschossen, ohne jemand zu treffen. Da endlich erreichte man die freie Prärie, und nun konnte man an eine Gegenwehr denken.

»Können Sie reiten, Señorita?« fragte Helmers seine Dame. »Ja.« »Hier ist der Zügel! Immer geradeaus!«

Damit sprang er ab und stieg auf sein Pferd, das der Vaquero am Zügel führte. Der Apache tat ganz dasselbe. Sie bildeten nun die Nachhut und hielten mit ihren vortrefflichen Büchsen die Indianer in Schach. So ging es fort, bis der Morgen graute und es sich zeigte, daß die Komantschen weit zurückgeblieben waren, teils aus Vorsicht, teils wohl auch deshalb, weil sie ihre Tiere jetzt noch nicht so antreiben wollten wie die Flüchtigen. »Wollen wir langsamer reiten?« fragte der Vaquero. »Nein«, antwortete der Deutsche. »Immer fort, so schnell wie möglich, damit wir den Strom zwischen uns und die Komantschen bringen.«

Helmers konnte jetzt die beiden befreiten Frauen deutlich sehen und also genauer betrachten. Die eine war eine Spanierin und die andere eine Indianerin, aber beide von ausgezeichneter Schönheit.

»Können Sie den Ritt noch aushalten, Señorita?« fragte er die erstere. »So lange, als Sie wollen«, antwortete sie. »Wie soll ich Sie nennen?« »Mein Name ist Emma Arbellez. Und der Ihrige?« »Ich heiße Helmers.« »Helmers? Das klingt deutsch.« »Ich bin auch wirklich ein Deutscher.« »Woher?« »Aus Mainz.« »Ah, haben Sie Verwandte dort, die ebenso heißen?« »Einen Bruder.« »Ist er Steuermann?«

Helmers blickte ganz erstaunt zu ihr hinüber.

»Allerdings.« »Den kenne ich.« »Woher?« »Ich bin mit ihm gefahren.« »Das wäre ja ein wunderbares Zusammentreffen!« »Ja. Ich ging mit dem Vater nach dem Kontinent. Wir mußten eines Sturmes wegen auf Helena landen, um ein Leck auszubessern. Dort lag auch die Jeffrouw Mietje »Ja, das ist sein Schiff.« »Und Kapitän Dangerlahn nahm uns mit nach Hull.«

Dieses abgerissene Zwiegespräch war von einem Pferd herab zum anderen hinüber während des eiligsten Ritts geführt worden. Jetzt ergriff der Deutsche den Zügel der Spanierin.

»Wollen Sie sich mir anvertrauen?« »Gern.« »Auch auf dem Wasser, ganz so wie meinem Bruder?« »Ja. Werden wir denn Wasser haben?« »Wir müssen über den Fluß.« »Wird uns das gelingen?« »Ich hoffe es. Leider sind nur drei von uns bewaffnet; doch liegen dort am Rio Grande noch die übrigen Waffen, die wir gestern den Komantschen abgenommen haben.« »Sie haben schon gestern gekämpft?« »Ja. Wir trafen den Vaquero und hörten von ihm das Nähere. Wir erlegten seine Verfolger und beschlossen, auch Sie zu befreien.« »Zwei Männer gegen so viele?«

Es traf Helmers ein leuchtender Blick aus ihren dunklen Augen, und er bemerkte, daß diese mit Wohlgefallen an seiner stattlichen Gestalt herabglitten, damit aber war auch die Unterredung beendet.

Als die fliehende Truppe den Rio Grande erreichte, hatte sie die Verfolger so weit hinter sich gelassen, daß man sie ganz aus den Augen verloren hatte. Die Waffen der erschossenen Indianer lagen noch hier und wurden unter diejenigen verteilt, die unbewaffnet waren. Die vier männlichen Geretteten waren drei Vaqueros und ein Majordomo oder Hausmeister.

»Was tun wir?« fragte der letztere. »Erwarten wir die Indianer hier, um ihnen einen Denkzettel zu geben? Wir haben jetzt acht Gewehre.« »Nein, wir setzen über. Drüben haben wir den Fluß als Verteidigungslinie vor uns. Die Damen nehmen im Kanu Platz.«

So geschah es. Der Majordomo ruderte die Damen hinüber, während die anderen zu Pferde in das Wasser gingen. Es ging alles ganz glücklich vonstatten. Und als man drüben anlangte, wurde das Kanu versenkt und Anstalt zur Verteidigung getroffen. Dabei hielt sich Emma Arbellez immer an der Seite des Deutschen.

»Warum reiten wir nicht sofort weiter, Señor?« fragte sie. »Die Klugheit verbietet uns das«, antwortete er. »Wir haben einen Feind hinter uns, der uns an Zahl bedeutend überlegen ist.« »Aber acht Gewehre«, meinte sie mutig. »Gegen fünfzig, die der Feind hat. Bedenken Sie, daß wir Damen zu beschützen haben.« »So meinen Sie, wir wollen uns hier belagern lassen?« »Nein. Die Komantschen glauben sicher, daß wir nach unserem Übergang sofort weitergeritten sind. Sie werden also auch sogleich in das Wasser gehen, und wenn ihrer genug im Fluß sind, können wir ihre Zahl derart lichten, daß sie von der Verfolgung ablassen müssen.« »Wenn sie nun aber vorsichtig sind?« »Inwiefern?« »Erst Kundschafter herüberzuschicken?« »Hm, wahrhaftig, es ist möglich, daß sie das tun.« »Welche Maßregeln werden Sie dagegen treffen?« »Wir reiten weiter und kehren auf einem Umweg zurück. Vorwärts also, ehe sie kommen.«

Man stieg wieder zu Pferde und sprengte in vollster Karriere in die jenseitige Ebene hinein. Dort schlug man einen Bogen und kehrte zurück. Man erreichte den Fluß etwas oberhalb der Stelle, wo man übergesetzt hatte. Das war kaum geschehen, so ließ sich drüben lauter Hufschlag hören.

»Sie kommen«, sagte der Majordomo. »Haltet den Pferden die Nüstern zu, damit sie nicht wiehern!« rief Helmers.

Das kluge Mädchen hatte doch richtig geahnt. Die Komantschen suchten drüben die Spuren ab, und dann ritten zwei von ihnen vorsichtig in den Fluß, kamen herüber, suchten auch hier und fanden die Fährte, die weiterführte.

»Ni-uake, mi ua o-o, ni esh miushyame hier sehen wir sie, ihr könnt kommen!« riefen sie hinüber.

Auf diese Aufforderung ging der ganze Trupp, ein Mann nach dem anderen, in das Wasser. Der Fluß war so breit, daß der erste Komantsche das eine Ufer noch nicht erreicht hatte, als der letzte das andere verließ. Die Flüchtlinge lagen in dem Gebüsch versteckt. Jetzt war es Zeit für sie.

»Wohin zielen wir?« fragte der Majordomo. »Auf die ersten im Wasser. Die beiden, die bereits drüben halten, sind uns sicher.« »Nur nicht zwei auf einen Mann schießen!« warnte der Apache. Zählt allemal acht ab. Wir schießen so auf sie in der Reihe, wie wir hier in der Reihe stehen.« »Gut, vortrefflich«, sagte Helmers. »Fertig?« »Ja«, flüsterte es achtfach als Antwort. »Dann Feuer!«

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