Waldröschen VII. Die Abenteuer des schwarzen Gerard 2 - Karl May 7 стр.


Josefas Augen sprühten, ihre Selbstbeherrschung und ihre Verstellung waren vorüber.

»Aber, Señorita«, sagte der Vaquero verwundert »ich begreife Euch nicht!« »Oh, Ihr sollt mich und alles andere sogleich begreifen! Nicht wahr, Ihr habt gesagt, daß Ihr mit Eurem Haziendero zu Juarez haltet?« »Ja, freilich!« »Nun, wenn alle Anhänger dieses Juarez so dumm sind wie Ihr und Euer Herr, so wird er ohne allen Zweifel in sehr kurzer Zeit hängen. Wißt Ihr, wo Arbellez ist?« »Nun, geflohen, denke ich«, antwortete der Vaquero, ganz betreten von der plötzlichen Veränderung, die mit diesem Mädchen vorgegangen war. »Und das laßt Ihr Euch weismachen? Ihr seid wirklich dümmer als dumm!«

Der Vaquero zögerte, zu antworten; er war zu ehrlich, um an eine solche Verlogenheit sogleich glauben zu können, dann aber sagte er langsam und zögernd:

»Aber Ihr habt es mir ja selbst gesagt!« »Ja, aber ich dachte nicht, daß Ihr so einfältig wäret, es zu glauben. Haltet Ihr Cortejo wirklich für so unvorsichtig, Arbellez entkommen zu lassen?« »Es ist ja mit Eurer Hilfe geschehen!« »Nein, mit meiner Hilfe ist im Gegenteil Arbellez gefangengenommen worden!« »Gefangengenommen?«

Die Augen des Vaquero vergrößerten sich; seine Lippen preßten sich zusammen.

»Ja. Er steckt unten im Keller. Er ist verurteilt, langsam zu verhungern.« »Treibt keinen so grausamen Scherz, Señorita!« »Oh, wenn Ihr wüßtet, wer ich bin, so würdet Ihr es nicht für Scherz halten!« »Wer seid Ihr denn? Ihr habt es mir ja gesagt!« »Um Euch zu täuschen, um aus Euch herauszulocken, was ich erfahren wollte. Und das ist mir glänzend gelungen. Ratet, wer ich bin!«

Bei dieser Aufforderung ruhte Josefas Auge mit einem triumphierenden Blick auf dem Vaquero.

Dieser war zwar ein einfacher, ehrlicher Mann, aber doch keineswegs ein Idiot. Es ging ihm eine plötzliche Ahnung durch die Seele.

»Mein Gott, ahne ich recht?« rief er erschrocken. Ihr seid Ihr seid Himmel, wenn es wahr wäre!« »Nun, heraus damit!« »Ihr seid Señorita Josefa »Ja!« entgegnete sie frohlockend, »ich bin die Tochter Cortejos.« »So sei mir die heilige Madonna gnädig! Was habe ich getan!« »Ja, sie mag Euch gnädig sein! Ich habe alles erfahren, alles, was ich nicht erfahren sollte. Und wißt Ihr, was ich nun tun werde?« »Nun?« fragte er in höchster Bestürzung. »Ich werde nach Fort Guadeloupe senden und den Grafen ermorden lassen « »Mein Gott!« »Ich werde nach El Refugio senden und den Engländer nebst seiner Tochter ebenso ermorden lassen « »Das möge Euch nicht gelingen!« stöhnte der Alte. »Ich wäre schuld daran!« »Ja, Ihr tragt die Schuld daran! Ich werde ferner Juarez und allen, die bei ihm sind, auflauern lassen. Sie müssen sterben, alle alle alle!«

Es glühte auf Josefas sonst so bleichem Gesicht eine so boshafte, höllische Freude, daß der Vaquero sich entsetzte. Beschwörend erhob er die gefesselten Arme und sagte:

»Señorita, bedenkt, daß es einen Gott im Himmel gibt!« »Einen Gott? Ah!« lachte sie, den Kopf schüttelnd. »Der alles belohnt oder bestraft, je nachdem es gut oder böse ist!« »Das sind Ammenmärchen!« »Oh, lästert nicht!« »Ammenmärchen!« wiederholte sie. »Seht Ihr denn nicht, daß gerade Gott mich beschützt? Er hat mich Eure Anschläge wissen lassen. Aber ich brauche seine Hilfe gar nicht; ich weiß allein, was ich tue. Sie werden alle fallen. Und Ihr, wißt Ihr, was mit Euch geschieht?« »Ich stehe in Gottes Hand«, antwortete er. »Nein, Ihr befindet Euch zunächst in meiner Hand. Ihr werdet hängen, wirklich hängen, so wie ich es Euch versprochen habe. Ich pflege Wort zu halten.« »Ich habe lange genug gelebt. Meine Tage waren ja bereits gezählt. Wollt Ihr um eines alten Vaquero willen Eure Schuld vergrößern, so tut es.« »Ja, ich werde es tun!« »Ihr seid eine Teufelin!« »Nicht wahr? Ihr habt recht; das sollt Ihr an Euch selbst erfahren. Ihr sollt nämlich nicht sogleich gehangen werden, ich will Euch erst ein kleines Vergnügen gönnen.« »Dieses Vergnügen wird eine Folter sein?« »Meint Ihr? Ja, das ist möglich. Ihr sollt nämlich Arbellez verhungern sehen.« »Meinen Haziendero? Ah, das werdet Ihr doch nicht tun, Señorita!« »O doch! Auch diese Marie Hermoyes wird vor Euren Augen verschmachten.« »Ihr wollt mich nur martern!« »Hofft auf keine Schonung! Ihr habt vorhin gesagt, daß ich ein Ausbund von Schlechtigkeit sei, und ich werde Euch den Gefallen tun, Euch zu beweisen, daß ich dies auch wirklich bin. Arbellez und Marie Hermoyes sind unten im Keller eingeschlossen. Sie erhalten weder Speise, noch Trank. Ihr werdet zu ihnen gesteckt werden und Nahrung erhalten, bis sie tot sind. Dann werdet Ihr gehängt.« »Das wäre höllisch.« »Meinetwegen! Ihr werdet übrigens da unten sehr gute Unterhaltung haben. Arbellez wird musikalische Vorträge halten mit Stöhnen und Wimmern. Er kann kein Glied regen, denn ich habe ihn schlagen lassen, daß das Blut in der Stube umherlief und ihm der Atem ausging.«

Da färbte sich das Gesicht des Vaqueros rot und seine Muskeln spannten sich.

»Ist dies wahr?« fragte er. »Ihr habt ihn wirklich schlagen lassen?« »Ja.« »Bis aufs Blut?« »Freilich!« »Mein Gott! Wäret Ihr doch ein Mann und nicht ein Weib, dann würde ich Euch für diese freche Grausamkeit bestrafen!« »Ihr mich?« rief sie. »Ja«, antwortete er drohend. »Oder glaubt Ihr, daß ein Vaquero machtlos ist, weil ihm die Hände gebunden sind? Ihr seid ein Weib, ich verachte Euch. Aber das Blut meines Herrn schreit zum Himmel auf, und Gott wird es hören und rächen.« »Packt Euch fort, Alter! Dieses Blut schreit höchstens zu dem Ast auf, an dem Ihr hängen werdet Herein!«

Dieser letzte Ruf galt den beiden Männern, die vor der Tür standen, und die jetzt eintraten. Josefa fragte sie:

»Habt ihr gehört, was gesprochen wurde?« »Nein, Señorita«, antwortete der eine. »Gut. Bringt diesen Menschen in den Keller hinab, wo sich die beiden anderen Gefangenen befinden. Diese müssen hungern und dürsten, er aber erhält täglich soviel, daß er gerade am Leben bleibt. Verstanden?« »Ja.« »Aber er erhält Speise und Trank nicht in das Loch hinein, sonst würde er den anderen davon geben. Er wird vor der Kellertür gefüttert.« »Ich werde das genau besorgen, Señorita!« »Gut. So schafft ihn fort! Morgen aber wird diese Marie Hermoyes herausgeholt, um fünfzig Hiebe zu erhalten.«

Josefa sagte dies nur, um den alten Vaquero zu ärgern; dieser aber nahm es für ernst. Er wandte sich zu ihr und fragte:

»Wie, Ihr wollt auch diese schlagen lassen?« »Ja.« »Oder droht Ihr bloß?« »Pah, Alter! Es ist mein Ernst!«

Da schwoll die Ader an seiner Stirn.

»So seid Ihr allerdings kein Weib, das man schonen muß, sondern ein Satan, den man vertilgen muß. Fahrt zur Hölle!«

Damit erhob der Vaquero den Fuß. Die Männer sahen es und fielen über ihn her; aber dennoch gelang es ihm, dem Mädchen mit solcher Gewalt gegen den Unterleib zu treten, daß es über das Zimmer hinüber an die Wand flog.

»Kerl, was hast du gemacht!«

Mit diesen Worten wurde der Vaquero von den Kreaturen Josefas niedergerissen. Sie nahmen ihre Lassos ab und banden ihn fester als vorher.

Von der Wand her aber erscholl ein Wimmern. Rasch trat einer der beiden Männer zu Josefa, die die Augen geschlossen hielt und stöhnte.

»Fehlt Euch etwas, Señorita?«

Josefa öffnete die Lider, sah ihn an, holte schmerzlich Atem, antwortete aber nicht.

»Tut Euch etwas weh?« fragte er. »Ja«, hauchte sie. »Die Brust.«

Bei diesen Worten hob sie leise die Hand und legte sie auf die schmerzende Stelle.

»Donnerwetter, Ihr werdet doch nichts gebrochen haben!« rief er. »Ich weiß es nicht«, lispelte sie. »Habt Ihr denn irgendwo Schmerzen?« »Da«, entgegnete Josefa und legte die Hand auf die Stelle, wohin der Tritt des Vaquero sie getroffen.

»Ja, das war ein Fußtritt. Und wir haben keinen Doktor hier. Was macht man da? Señorita, versucht doch einmal, ob Ihr aufstehen könnt.«

Der Mann umfaßte die Verletzte und versuchte, sie emporzurichten.

»O Gott!« rief Josefa da, denn diese Bewegung hatte ihr große Schmerzen verursacht. »Jetzt ruft sie zu Gott«, höhnte der Vaquero. »Still, du Schuft!« rief sein Wächter. »Du wirst den Tritt teuer bezahlen müssen.« »Wo tut es jetzt weh, Señorita?« fragte der andere. »Hier«, erwiderte sie, nach der linken Brust zeigend. »An, so habt Ihr einige Rippen gebrochen. Wollen einmal sehen, wie es mit den Armen und Beinen steht.«

Der nicht eben sanfte Samariter zerrte an den erwähnten Gliedern hin und her und sagte dann beruhigend:

»Na, die sind noch ganz, und das mit den Rippen hat nichts zu bedeuten. Man drückt und quetscht ein wenig daran herum, und sie sind zurechtgeschoben. Kommt! Ich lege Euch da auf die Hängematte.«

Josefa schüttelte den Kopf.

»Wohin sonst?« »Setzt mich dort auf den Stuhl an den Tisch!«

Sie sprach nur mit Mühe. Das Atmen und infolgedessen auch das Reden fielen ihr schwer! Der Mann faßte sie an, hob sie empor und ließ sie auf den Stuhl nieder. Sie wimmerte dabei, er aber sagte:

»Na, es geht ja. Haltet Euch nur aufrecht Ich werde Euch eine Magd schicken. Vorher aber müssen wir diesen Kerl nach dem Loch bringen. Welche Strafe soll er für den Tritt erhalten, Señorita?«

Josefa schüttelte mit dem Kopf und winkte mit der Hand von sich ab.

»Keine?« fragte er verwundert. »Doch«, antwortete sie leise. »Aber jetzt nicht.« »Ah, das ist etwas anderes. Also später. Fort mit dir, Halunke, du wirst bald erfahren, was du dir da für einen Braten an den Spieß gesteckt hast«

Der Vaquero wurde von den Männern erfaßt und hinausgestoßen. Sie schleppten ihn zwei Treppen tiefer, bis vor die Tür des Loches. Erst als sie die Riegel zurückgeschoben hatten, bemerkten sie das Hängeschloß.

»Donnerwetter, das habe ich vergessen, ich muß wieder hinauf«, rief der eine.

Mit diesen Worten eilte er zurück.

»Nun, was macht die Señorita?« fragte ihn sein Kamerad, als er wiederkam. »Sie lag mit dem Kopf auf dem Tisch und spuckte Blut.« »Ah, so sind wirklich Rippen entzwei. Mein Oheim war Bader, weißt du das?« »Nein. Also Bader! Da konnte er wohl gebrochene Rippen wieder ganz machen?« »Ja, natürlich.« »Aber was kann das uns hier nützen?« »Siehst du denn das nicht ein?« »Hm. Lebt denn dein Oheim noch, und ist er hier auf der Hazienda?« »Nein, er ist tot. Er hat den Hals gebrochen, und den konnte er sich selbst nicht einrichten.« »Nun also, was haben wir da von deinem Oheim?« »Kannst du das nicht einsehen?« »Nein.« »Ich will es dir sagen. Wenn er mein Oheim war, was war ich da von ihm?« »Ach, doch nicht etwa sein Lehrjunge?« »Oh, gerade das bin ich gewesen!« »Donnerwetter, so bist du ja auch Bader!« »Nein.« »Was denn sonst?« »Ich war nur eine Woche in der Lehre. Da zog ich einem statt des kranken zwei gesunde Zähne aus und bekam dafür solche Prügel, daß ich auf und davon lief. Mit der Baderei war es also für immer zu Ende.« »O weh!« »Warte es ab. Während meiner Lehrzeit nun kam es gerade vor, daß einer zwei oder drei Rippen brach « »Ah, während dieser acht Tage?« »Ja.« »Welch ein Glück.« »Das nennst du Glück? Wohl für den, der die Rippen gebrochen hatte?« »Unsinn. Was gehen mich die Rippen dieses Kerls an? Ich meine für uns.« »Da kannst du allerdings recht haben, denn mein Oheim mußte diese Rippen einrichten.« »Und du warst dabei?« »Natürlich. Ich mußte mithelfen. Der Kerl brüllte zwar etwas, aber daraus darf man sich nicht viel machen. Die Rippen wurden eingerichtet.« »Wie fingt ihr dies an?« »Sehr einfach. Der Kerl mußte sich auf die Erde legen. Mein Oheim hielt ihm dann die Arme fest, und nun mußte ich ihm auf die Rippen treten.« »Was? Auf die gebrochenen Rippen?« »Unsinn! Auf die gesunde Seite. Sobald man nämlich auf dieser Seite acht- bis zehnmal auf- und niederspringt, kommt die Brust in eine solche Bewegung, daß die herausgebrochenen Rippen wieder einschnappen.« »Das wäre allerdings höchst einfach. Der Kerl wurde also gesund?« »Leider nicht; er war in vierzehn Tagen tot.« »Ah! Also gelang die Heilung der Rippen nicht?« »Unsinn, sie gelang vollständig. Als er nämlich tot war, stellte es sich heraus, daß der Kerl die Rippen gar nicht gebrochen hatte.« »Donnerwetter! Was denn?« »Das Bein, unweit der Hüfte. Da kam der Brand dazu, und so mußte er ins Gras beißen. Hätte er dem Oheim nicht weisgemacht, daß er die Rippen gebrochen habe, so hätten wir ihm anstatt der Rippen das Bein eingerichtet; der Brand wäre nicht gekommen, und der Mann lebte heute noch.« »Das ist gewiß. Und solche Leute wollen Patienten sein. Hast du dir das mit den Rippen genau gemerkt?« »Sehr genau!« »Getraust du dir, sie auch der Señorita einzurichten?« »Ganz gewiß. Ganz ausgezeichnet. Nur eins muß ich sicher wissen, ob es nämlich auch wirklich die Rippen sind, die sie gebrochen hat.« »Was anderes soll sie denn gebrochen haben?« »Vielleicht den Hals?« »Da wäre sie tot.« »Oder ein Bein!« »Nein; an den Beinen habe ich sehr stark gezogen und gezerrt.« »Oder einen Arm.« »Sie kann sie ja alle zwei bewegen.« »Nun, so können es also nur die Rippen sein.« »Es fragt sich, ob sie es erlaubt, daß du auf sie trittst und springst.« »Das ist gar nicht nötig.« »Nicht? Warum denn nicht?« »Eine Señorita ist viel zarter gebaut wie ein Mann; da braucht man nicht zu treten und zu springen. Es genügt, wenn man mit den Fäusten tüchtig drückt und trommelt. Dann schnappen die Rippen von selber ein.« »Und einer muß halten.« »Ja, natürlich; damit sie mich nicht stört.« »Wen wirst du dazu nehmen?« »Ich weiß noch nicht Du hättest wohl Lust?« »Ja. Die Señorita wird jedenfalls ein gutes Geschenk geben, wenn sie wieder gesund ist. Willst du mich ihr vorschlagen?« »Ja; aber nur unter der Bedingung, daß du sie festhältst. Sie mag schreien, weinen, bitten, räsonnieren, wie sie will; du darfst nicht darauf hören, sondern du mußt festhalten, bis du die Rippen schnappen hörst« »Hört man dies denn?« »Ja; sie geben einen lauten Knacks, den man nicht gut überhören kann.« »Gut Ich werde so festhalten, daß zehn Pferde nichts machen könnten.« »So sind wir also einig. Du gehst nun zu ihr und sagst daß ich ein Bader bin.« »Ja. Und du sagst ihr nachher, daß ich dir helfen soll.« Während dieses grotesk-komischen Gesprächs hatten die beiden Kerle sich Mühe gegeben, das Hängeschloß zu öffnen. Jetzt endlich gelang es. Die Tür wurde aufgetan und, nachdem der Vaquero hineingestoßen worden war, wieder hinter ihm verschlossen. Dann hörte man, daß die Männer sich entfernten.

6. Kapitel

Gleich im ersten Augenblick war der Alte auf eine Gestalt getreten, die zusammengekauert an der Mauer zu sitzen schien. Bei dem zweiten Schritt stieß er an eine Person, die auf dem Boden lag. Erkennen konnte er nichts, denn es war vollständig dunkel.

Er wartete nun, bis die Schritte verhallt waren, dann sagte er:

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