William Shakespeare
König Heinrich der vierte / Der Erste Theil
Personen
König Heinrich der vierte.
Heinrich, Prinz von Wales, und Johann, Herzog von Lancaster,
Söhne des Königs.
Worcester, Northumberland, Hot-Spur, Mortimer, Erzbischoff von York,
Dowglas, Owen Glendower, Sir Richard Vernon und Sir Michell,
Feinde des Königs.
Westmorland, Sir Walter Blunt und Sir John Falstaff, von des
Königs Parthey.
Poins, Gadshill, Peto und Bardolph, Falstaffs Cameraden.
Lady Percy.
Lady Mortimer, Glendowers Tochter.
Die Wirthin Quikly.
Ein Scheriff, verschiedne Bediente im Wirthshaus, Fuhrleute,
Reisende, und andre stumme Personen.
Die Scene liegt in England.
Erster Aufzug
Erste Scene
(Der Hof in London.)
(König Heinrich, der Herzog von Lancaster, der Graf von Westmorland, und andre Lords treten auf.)
König HeinrichVon Sorgen erschüttert und von blassem Kummer abgehärmt, finden wir endlich den Augenblik, wo der geschrekte Friede wieder zu Athem kommen kan, um in abgebrochenen Accenten von neuen Arbeiten zu reden, die an weit entfernten Ufern unsern Muth beschäftigen sollen. Nicht länger soll diese Erde das Blut ihrer eignen Kinder trinken, nicht länger einheimische Zwietracht ihre Felder verheeren, und mit dem eisernen Tritt des Kriegs ihre blühenden Auen zerstampfen. Diese gegeneinander rükende Schlacht-Ordnungen, die gleich den Meteoren eines witternden Himmels, alle von einerley Natur, von einerley Ursprung, noch kürzlich mit der ganzen Wuth eines Bürgerkrieges auf einander stiessen, sollen nun in gleichlauffenden Linien, in schöner einträchtiger Ordnung, einen Weg ziehen; nicht länger sollen Brüder gegen Brüder, Freunde gegen Freunde stehen; nicht länger der mördrische Stahl, gleich einem übeleingescheideten Messer, seinen eignen Herrn verwunden. Nein, meine Freunde; zu jenem geheiligten Grabe Christi, unter dessen heilbringendem Creuz wir zu streiten geschworen haben, wollen wir mit unserm Englischen Kriegsheer ziehen, um diese Ungläubigen aus jenen heiligen Gefilden zu treiben, über welche die gesegneten Füsse gegangen sind, die vor vierzehnhundert Jahren zu unserm Heil an das bittre Creuz genagelt worden sind. Jedoch dieses unser Vorhaben ist schon ein Jahr alt; es ist unnöthig euch zu sagen, daß wir gehen wollen, und wir sind izo nicht deßhalb zusammen gekommen. Laßt mich also von euch vernehmen, mein geliebter Vetter von Westmorland, was unsre Raths- Versammlung gestern wegen dieser wichtigen Unternehmung geschlossen hat.
WestmorlandGnädigster Herr, man betrieb diese Geschäfte mit grossem Eifer, und es wurden verschiedne Überschläge der Unkosten entworfen: Als ein ganz unverhofter Courier, mit verdrießlichen Zeitungen beladen, dazwischen kam, von denen die schlimmste war, daß der edle Mortimer, der die Leute von Hereford-Schire gegen den aufrührischen Glendower führte, von den Welschen gefangen, und über tausend von seinen Leuten niedergemezelt worden seyen, an deren todten Körpern die Weiber der Welschen solche Mißhandlungen, eine so viehische schaamlose Verstümmlung ausgeübt, die ohne Erröthen sich nicht erzählen läßt.
König HeinrichEs scheint also, die Nachrichten von diesem Aufstand haben unser Geschäfte nach dem gelobten Lande abgebrochen?
WestmorlandDiese von noch mehrern begleitet, thaten es, Gnädigster Herr; denn es kamen noch mehr ungleiche und mißbeliebige Zeitungen aus Norden an. Am Kreuz-Erhöhungs-Tag geriethen dieser muthreiche Hot-Spur, der junge Heinrich Percy, und Archibald, dieser tapfre und ruhmvolle Schotte, zu Holmedon in ein blutiges Handgemeng, soviel man aus den Anstalten und der Wut des Angriffs schliessen konnte; denn derjenige, der diese Zeitung brachte, eilte mitten in der stärksten Hize des Gefechts davon, ohne den Ausgang abzuwarten.
König HeinrichHier ist ein werther und getreu-eifriger Freund, Sir Walter Blunt, der nur eben von seinem Pferd abgestiegen ist, um uns von Holmedon die willkommne Nachricht zu bringen, daß der Graf von Douglas geschlagen sey. Zehntausend kühne Schotten, und drey und zwanzig Ritter sah Sir Walter auf den Ebnen von Holmedon in ihrem Blute sich wälzen. Mordak, Grafen von Fife, den ältesten Sohn des geschlagnen Douglas, und die Grafen von Athol, Murry, Angus und Menteith hat Hot-Spur gefangen bekommen. Ist das nicht eine schöne Beute? Eine edle That? Ha, Vetter, ist es nicht?
WestmorlandIn der That, ein Sieg, worauf ein Prinz stolz zu seyn Ursach hätte.
König HeinrichO warum nennst du dieses Wort, um traurige Gedanken in mir zu erregen, und mich zur Sünde des Neids zu reizen, daß Milord Northumberland der Vater eines so würdigen Sohns seyn soll; eines Sohns, dessen Namen der Ruhm stets im Munde fährt; der gleich dem höchsten Baum in einem Hayn, über alle andre emporragt; der Liebling des Glüks, und ihr Stolz; indeß daß ich mit eben dem Blik, der seinen Ruhm übersieht, zügellose Schwelgerey und Schande die Stirne meines jungen Harry besudeln sehe. O könnt' es bewiesen werden, daß irgend eine nächtliche trippelnde Fee unsre Kinder in der Wiege verwechselt, und meinen Sohn Percy, den Seinigen Plantagenet genennt hätte! Aber laßt mich diesen Gedanken nicht nachhängen Was denkt ihr Vetter, von dieses jungen Percy Stolz? Er behält die Gefangenen, die er in diesem Gefechte machte, für sich zurük; und läßt mir sagen, daß ich keinen als Mordake, den Grafen von Fife, haben soll.
WestmorlandDas ist seines Oheims Eingebung, das ist Worcester, der allen Anscheinungen nach übel gegen euch gesinnt ist; der ists, der ihn seine Federn aufblähen, und seinen jungen Kamm gegen eure Hoheit emporsträuben macht.
König HeinrichIch habe nach ihm geschikt, um ihn deßwegen zur Verantwortung zu ziehen, und das ist die Ursach, weswegen wir genöthigt sind, unser heiliges Vorhaben nach Jerusalem aufzuschieben. Vetter, wir wollen auf nächsten Mittwoch unsern grossen Rath in Windsor versammeln. Benachrichtiget die Lords hievon, aber eilet schleunig zu uns zurük; dann es muß noch mehr gesagt und gethan werden, als uns der Unwille izt zu sagen erlaubt.
WestmorlandIch gehorche, mein gebietender Herr.
(Sie gehen ab.)
Zweyte Scene
(Ein Zimmer des Cron-Prinzen.)
(Heinrich, der Prinz von Wales, und Sir John Falstaff treten auf.)
FalstaffHe, Hal,1 was für Zeit ists am Tage, Junge?
Prinz HeinrichDeine löbliche Gewohnheit, dich in altem Sect zu besauffen, zu fressen, bis du alle Knöpfe aufthun must, und den ganzen Nachmittag auf Bänken zu schnarchen, wikelt deinen Wiz in soviel Fett und Schmeer ein, daß du so gar verlernst, recht zu fragen, was du recht wissen möchtest. Was, zum Teufel, hast du mit der Zeit am Tag zu thun? Ja, wenn die Stunden Becher voll Sect wären, die Minuten Capaunen, die Gloken Zungen von Kupplerinnen, die Uhren Schilde von H**häusern, und die schöne Sonne selbst ein hübsches roßiges Mensch in feuerfarbem Taft, dann liesse sich noch begreiffen, warum du nach der Zeit fragtest.
FalstaffMein Treu, ihr geht mir nah' zu Leibe, Hal; denn wir andern, die vom Beutelschneiden Handwerk machen, und beym Mond und dem Silbergestirn herumgehen, und nicht beym Phöbus, "ihm dem edeln Knecht so schön",2 aber ich bitte dich, mein süsses Närrchen, wenn du einmal König bist wozu Gott deine Gnaden (Majestät wollt' ich sagen, denn Gnade wirst du keine haben)
Wie? Keine?
FalstaffNein, mein Seel, nicht so viel als zu einem Prologus für ein paar
Eyer in Butter nöthig ist.
Prinz HeinrichGut, und wie weiter? Hey da, rund heraus, keine Umstände!
FalstaffSapperment nun dann, Närrchen, wenn du König bist, so sorge hübsch dafür, daß wir andre ehrlichen Kerle, die ihr Handwerk bey Nacht treiben, bey Tage von der Justiz ungeschoren bleiben. Laß uns der Diana ihre Forster bleiben, Ritter vom Schatten, Lieblinge des Monds; und laß die Leute sagen, wir seyen Leute von guter Aufführung, da wir, gleich der See, von unsrer edeln und keuschen Gebieterin, dem Mond, geführt werden3, unter deren Schuz und Anführung wir stehlen.
Prinz HeinrichDu hast recht, und dein Gleichniß paßt nicht übel; das Glük von uns andern Mond-Rittern, nimmt immer ab und zu wie die See, weil es wie die See vom Mond beherrscht wird. Zum Exempel, ein Beutel mit Gold herzhaft weggeschnappt in lezter Montags-Nacht, wird wieder lüderlich durchgebracht am Dienstag-Morgen; mit Fluchen und (leg ab) gewonnen, mit Jauchzen und (bring herein) durchgewonnen; izt in einer so niedrigen Ebbe als der Fuß einer Leiter, und in einem Augenblik in einer so hohen Fluth als der Querbalken eines Galgens.
FalstaffMeiner Six, du hast recht, Junge; und ist meine Wirthin in der
Schenke nicht ein recht angenehmes Mensch?
Prinz HeinrichWie der Honig von Hybla, alter Junge; und ist nicht ein Wamms von
Büffel ein recht angenehmes Stük Kleidung auf die Dauer?
FalstaffWie, was, was willt du damit sagen, närrischer Junge? Was gehen mich deine Sticheleyen und deine Quidditäten an? Was, Pestilenz! hab' ich mit einem Wamms von Büffel zu thun?
Prinz Heinrich. Und was, schwere Noth! Hab ich mit meiner Wirthin in der Schenke zu thun?
FalstaffGut, hast du sie nicht oft und viel zum Abrechnen geruffen?
Prinz HeinrichHab ich dich jemals geruffen, daß du deinen Theil an der Zeche zahlen sollst?
FalstaffNein, die Gerechtigkeit muß ich dir wiederfahren lassen, du hast alles dort bezahlt.
Prinz HeinrichJa, und allenthalben, so lang mein Sekel reichte; und wenn er leer war, so hab ich meinen Credit gebraucht.
FalstaffDas ist wahr, und so gebraucht, daß, wenn es nicht vermuthlich wäre, daß du der vermuthliche Erbe Aber ich bitte dich, Närrchen, willt du auch noch einen Galgen in England stehen lassen, wenn du König bist? Willt du zugeben, daß ein resoluter Kerl von dem alten rostigen grotesken Popanz, Gesez, sich schicanieren lassen soll? Hänge mir ja keinen Dieb, wenn du König bist, das sag' ich dir.
Prinz HeinrichDas will ich auch nicht; du sollt sie hängen.
FalstaffIch? Unvergleichlich! Beym Sapperment! Ich will ein vortrefflicher Richter seyn.
Prinz Heinrich. Du verstehst mich nicht; ich meyne, du sollst in Person die Diebe hängen, und also ein vortrefflicher Henker werden.
FalstaffGut, Hal, gut; das wär' ein Handwerk das sich zu meinem Humor so gut schikte, als bey Hof aufzuwarten, das kan ich dir sagen.
Schlapperment! ich bin so schwermüthig wie ein Kater, oder wie ein Bär, den man bey den Ohren zieht.
Prinz HeinrichOder wie ein alter Löwe, oder wie eines Liebhabers Laute?
FalstaffJa, oder wie die Scharrpfeiffe in einem Lincolnschirer Dudelsak.
Prinz HeinrichWas sagst du zu einem Hasen, oder zur Melancholey einer Koth-Lache?
FalstaffDu hast Gleichnisse von schlimmem Geschmak; und du bist in der That der allerunvergleichlichste ausserordentliche Spizbube von einem artigen jungen Prinzen Aber, Hall, ich bitte dich, plage mich nicht mehr mit solchen eiteln Dingen; ich wollte zu Gott, du und ich wüßten eine Gelegenheit, wo man gute Namen zu Kauff kriegen könnte; ein alter Lord aus dem Staats-Rath kriegte mich lezthin euertwegen auf der Strasse zu paken, Sir; aber ich gab nicht acht darauf was er sagte, ob er gleich sehr weislich sprach, und noch dazu auf der Strasse.
Prinz HeinrichDu thatest wol, denn die Weisheit läßt ihre Stimme hören auf den Gassen, und niemand achtet ihr.
FalstaffO du hast eine verdammte Anziehungs-Kraft, mein Seel, du könntest einen Heiligen verführen. Du hast mir viel böses gethan, Hal, Gott vergeb es dir. Eh ich dich kannte, Hal, wußt' ich nichts; und izt bin ich, wenn einer die Wahrheit sagen wollte, wenig besser als einer von den Schlimmsten. Ich muß diß Leben aufgeben, und ich will es aufgeben; bey G***, wenn ich es nicht thue, so sey ich ein Hunds**! Ich will keinem Königssohn in der Christenheit zulieb zum T** fahren.
Prinz HeinrichWo wollen wir morgen einen Beutel rauben, Hans?
FalstaffWo du willt, Junge, ich mache mit; thue ichs nicht, so heisse mich einen Hunds** und gieb mir Maulschellen.
Prinz HeinrichDie Beßrung deines Lebens geht gut von statten, wie ich sehe; nur erst Stoßseufzer, izt Strassenrauben.
FalstaffWie, Hal, das ist mein Beruf, Hal; es ist einem keine Sünde, in seinem Beruf zu arbeiten. He! wer kommt? Poins! Nun werden wir hören, ob Gadshill etwas ausfündig gemacht hat O wenn die Leute aus Verdienst selig würden, welches Loch in der Hölle wäre heiß genug für diesen da!
Dritte Scene
(Poins zu den Vorigen),
FalstaffDas ist der allgewaltigste Spizbube, der jemals einem ehrlichen Mann Halt! zugeruffen hat.
Prinz HeinrichGuten Morgen, Ned.
PoinsGuten Morgen, mein lieber Hal. Was sagt Monsieur Gewissen? Was sagt Sir John Sect und Zukerhans? Wie habt ihr's mit einander, du und der Teufel, wegen deiner Seele, die du ihm verwichnen Char- Freytag um ein Glas Madera-Wein und einen kalten Capaunen-Schenkel verkauft hast?
Prinz HeinrichSir John hält sein Wort; der Teufel soll seine Waare haben; ihr wißt daß er nie kein Sprüchwort gebrochen hat; er wird dem Teufel geben, was ihm gehört.
PoinsSo wirst du verdammt, wenn du dem Teufel dein Wort hältst?
Prinz HeinrichSonst würde er verdammt, weil er den Teufel betrogen hätte.
PoinsAber, meine Jungens, meine Jungens, morgen früh, um vier Uhr, nach Gadshill; es sind Pilgrims auf dem Weg, die mit reichen Opfern nach Canterbury, und Kauffleute die mit wohlgespikten Beuteln nach London gehen. Ich habe Visiere für euch alle, und ihr habt Pferde für euch selbst. Gadshill ligt diese Nacht zu Rochester, ich hab auf morgen Nachts ein Nacht-Essen in East-Cheap bestellt. Es ist eine Sache die wir so sicher thun können, als schlaffen; wenn ihr gehen wollt, so will ich euch eure Beutel mit Cronen voll stopfen; wollt ihr nicht, so bleibt da, und der Henker hole euch.
FalstaffHört ihr, Yedward; wenn ich daheim bleibe und nicht mit gehe, so will ich euch dafür hängen, daß ihr gegangen seyd.
PoinsWillt du das, Vielfraß?
FalstaffHal, willt du einer von uns seyn?
Prinz HeinrichWer, ich rauben? Ich, ein Dieb? Nein, bey meiner Treu!
FalstaffDu hast weder Ehre noch Tapferkeit im Leibe, wenn du das thust; du willt deine guten Freunde so im Stich lassen? Meiner Six, du hast keinen Tropfen königliches Blut im Leib, wenn du nicht um zehn Schillinge das Herz hast zu ruffen: Halt!