Briefe an Ludwig Tieck 3 - Various 11 стр.


Deshalb bleibe das Andenken des armen Mannes in Ehren!

Sestine

Wer säumt, die herbe Schlehe hinzugeben,
Wird ihm die süße Traube dargeboten?
So tauschen heißt fürwahr, ein Fest begehen.
Auch mir ist solch ein schönes Loos gefallen:
Drum laß ich jetzt die Lust, die nektarreiche,
Durch der Sestine Echopforten ziehen.

Wohl manches Jahr sah ich vorüberziehen,
Seit ich antiker Dichtung mich ergeben!
Nur Hellas Rhythmus konnte mir gefallen,
Der Mythen Sprache, ha! die bilderreiche;
Mit Spreas Schwan, der mir den Gruß geboten,
Mocht ich so gern im Tempel mich ergehen.

Doch endlich sollte diese Nacht vergehen,
Herauf ein helles Morgenroth mir ziehen,
Vom Auge sollten mir die Schuppen fallen,
Des argen Wahnes sollt ich mich begeben,
Daß Poesie die höchste Stuf erreiche,
Wenn Griechheit drin die Kräfte aufgeboten.

Dich sah ich, Tieck, den leichtbeschwingten Boten
Aus Südens Zone, der Romantik Reiche,
Im blüthenvollen Frühlingswalde gehen:
Da lag mir das Antike schnell zerfallen!
Mit Dir, mit Dir mußt ich den Wald durchziehen,
Und Deines Liedes Zauber mich ergeben.

O, könnt ich halb den Ton nur wiedergeben,
Den Ton, geschaffen, tief ins Herz zu gehen,
Den Du im Octavianus ließest fallen!
Der Märchenwelt, der herrisch Du geboten,
O könnt ich meine Muse ihr erziehen,
Aufschließen Wunder in dem Wunderreiche!

Umsonst! ich bin nicht mehr der Jugendreiche,
Dem Irrlicht hab ich meinen Lenz gegeben!
Die Furche naht, die Stirn mir zu beziehen,
Die Locke will zur Bleichung übergehen.
Dir nachzujagen ist mir drum verboten;
Mein Schloß der Phantasie steht fast verfallen.

So oft des Lenzes Boten aber ziehen,
Und Blüthen fallen, will zum Wald ich gehen,
Und Deine reiche Dichtung neu mir geben.

Friedrich Raßmann.

Raumer, Karl v

Geb. am 9. April 1783 zu Wörlitz; zur Zeit der bekannten Turnstreitigkeiten Professor in Breslau; seit 1827 an der Universität in Erlangen; gelehrter und berühmter Verfasser zahlreicher geognostischer und geographischer Werke; auch einer Geschichte der Pädagogik, 3 Bde. (2 Aufl. 184652.)

Da wir leider keinen Brief seines Bruders Friedrich mehr vorfanden, weil diesem vertrautesten Freunde Tiecks sämmtliche Blätter von seiner Handschrift geziert zu eigner Verwendung zurückgestellt wurden, so wären an und für sich diese beiden Schreiben des Herrn Prof. Karl von Raumer schon höchst willkommen gewesen, damit solch hochgeachteter Name in der Sammlung nicht fehle. Doppelter Gewinn ist es nun, daß die Zuschrift von 1832 durch ihren tiefen Gehalt unschätzbaren Werth besitzt, und zu einem der anziehendsten Stücke im bunten Gemisch so verschiedenartiger Expektorationen wird.

Für diejenigen, welche den Familienverhältnissen fremd blieben, sei noch erwähnt, daß Frau von Raumer, eine Tochter Reichardts, die Schwester der verstorbenen Johanna Steffens, und daß Ludwig Tiecks Gemahlin ihrer Mutter Schwester war.

I

Erlangen d. 26ten Obr. 1832.

Liebster T., was mußt Du und die gute Tante von mir denken, daß ich schon mehrere Wochen zu Hause bin, ohne ein freundliches Wort über Eure so überaus freundliche Aufnahme zu schreiben. Doch denke ich, Ihr müßt mirs angemerkt haben, wie mir bei Euch so wohl war, da ich, nach dem überaus unruhigen Leben in Berlin, wieder allmählig still wurde.  Ja danke Dir, liebster T., daß Du mir so viel Zeit schenktest; mögen wir auch über manches verschieden denken, ich fühlte doch, daß ich mit Dir getrost und friedlich auch über die Differenzpunkte sprechen könnte. Ja ich fühle eine Sehnsucht, den Gedankenstrich auszufüllen, den wir am ernsten Schluß eines Abendgesprächs machten und welcher Schluß ist denn wohl ganz geschlossen? welcher ist nicht der Prolog eines spätern Stücks!  Ich schreibe nun freilich so spät, weil ich hier viele Geschäfte vorfand, weil eine vortreffliche Frau aus unserer Bekanntschaft starb doch der wahre Grund ist, daß ich immer damit umgieng, durch einen langen Brief jenen Gedankenstrich zu ersetzen, dazu kam ich aber nicht und komme ich auch jetzt nicht.

Ich kenne Dich und Deine Werke nun schon seit 30 Jahren, und darf sagen: ich kenne Dich nicht wie ein kühler Leser, sondern ich habe Dich innig lieb gewonnen. Deine Dichtungen haben in mein Leben eingegriffen und mich selbst auf die einsamsten Gebirgsreisen begleitet. Deine Vorlesung des Alten vom Berge war recht geeignet Alles zur Sprache zu bringen, was ich zu besprechen auf dem Herzen hatte: den Zauber der Natur, die Gewalt der Sünde, den Scheideweg zur Verzweiflung oder zur Gnade. Du hast so tief in den schauderhaften Abgrund des menschlichen Daseyns geblickt.

Wohl dem den tief die heilgen Schmerzen trafen,
Die tief im Weltall schlafen.

Der Schmerz über das verlorene Paradies erweckt die Sehnsucht nach dem neuen, nach dem Erlöser.  Immer muß ich Dich wieder fragen, warum müssen kraft Deiner Prädestination so viele Kinder Deines Geistes verloren gehn Tannhäuser, Ekbert, Walter, Christian, der Alte vom Berge &c. Warum hast Du nicht Gott ähnlich keinen Gefallen am Tode des Sünders, sondern willst daß er lebe? Ich kann der Berufung auf die innere Nothwendigkeit des Individuums nicht beipflichten. Kannst Du mit Gewißheit von einem lebenden Menschen sagen: er falle der Hölle anheim!? Wer ergründet die Kraft der Gnade, die sich (scheinbar inconsequent) des Schächers am Kreuze erbarmte, wer begreift die Intensität der Sterbestunde, welche viele lange matte Jahre aufwiegt. Ja die Gnade, welche blutrothe Sünde schneeweiß macht, spottet alles poetischen Calculs der Consequenz, auch der Dichter kann von seinen Menschen nicht sagen: sie seyen verdammt. Winchester auf dem Sterbebette ist eine furchtbare Ausnahme das Tragischste, was ich kenne, denn da spielt das Stück über den 5ten Act hinüber in die Ewigkeit. Hiernach dürfte nach christlichen Principien der Aesthetik entschieden werden, was Tragödie und tragisch sey. (Divina Comedia dagegen.)

Ich vergas auch mit Dir über Deine Verlobten zu sprechen, oder verschob es auch mit, besorgt Du möchtest mich selbst zu den Pietisten rechnen. Ich meine die falschen Pietisten kommen bei Dir viel zu gut weg, die aufrichtigen Christen aber schon dadurch schlimm, daß sie vom Publicum (wie ichs erfahren) mit jenen falschen Deiner Verlobten in eine Klasse gestellt werden. Gegen eine solche Interpretation diente eine getreue Charakterschilderung eines ehrlichen Christenmenschen als die beste Widerlegung.

Das Wichtigste worüber ich mit Dir sprechen möchte, bleibt der Gegensatz von Natur zu Gnade, Geburt und Wiedergeburt. (Joh. 3. Nikodemus.) Der Teufel macht uns weiß, daß mit dem Absterben des alten Menschen die schönsten Gottesgaben verloren giengen als wenn Sonne und Mond und Sterne für den verloren giengen, der sich von Anbetung derselben zur Anbetung Gottes wendet. Im Gegentheil wird durch Christus die Naturgabe verklärt, geheiligt ja unsterblich während auch die größte Gabe, ohne solche Wiedergeburt, wie eine Blume des Feldes blüht und verwelkt. Geister wie Seb. Bach, Kepler, Eyk &c. trösten am besten und zeigen den Weg.

Doch genug mein liebster T., nimm dies als eine flüchtige Andeutung dessen, worüber ich eben gern gesprochen hätte. Du bist zu tief, als daß Du Dich selbst mit dem Trost des oberflächlichen Volks beruhigen und befriedigen könntest auch helfen die Scherze, wie die gegen das Ende des Alten vom Berge nicht. Als die alte Schütz im Sarge lag, kam die Hendel Schütz zum Alten, und sagte ihm: er solle doch die Leiche noch einmal sehen. Sie hatte das Todtengesicht geschminkt! Der Alte sagte: der Anblick versetze ihn in seine Jugend zurück. Bald darauf meldete der Todtengräber: er könne es vor Gestank der ins Gewölbe beigesetzten Leiche nicht aushalten, und die Alte mußte nachträglich unter die Erde wandern.

Soll ich mit der scheuslichen Geschichte schließen?  lieber ganz getrost mit 1 Corinther 15. Die herzlichsten Grüße der lieben Tante, der Dor., der verehrten Gräfin. Auch an St. der mir so freundlich entgegenkam viele Grüße. Den besten Dank noch für den trefflichen Wein, welcher mich Nachts besonders erquickte.

Leb recht wohl.Dein K. Raumer.

II

Erlangen d. 27ten Aug. 1840.Liebster Tieck,

Herr Durand Stud. Theol. aus Lausanne reist von hier über Wien nach Dresden und wünscht sehr Dich kennen zu lernen. Er ist ein lieber Mensch, der unter A. mit französischem Feuer die Volkslieder seines Vaterlandes zur Guitarre singt. Auch soll er improvisiren; ein deutscher Freund in Lausanne empfahl ihn mir als einen Troubadour, was ich nicht wiederhole, um durch die Empfehlung nicht zu schaden.  Wir hören so gar nichts mehr von Dir und Deinem Hause. Mein Bruder ist auch so schreibfaul, daß ich wohl seit ½ Jahre keinen Brief erhielt und wir ganz abgeschnitten von unsrer Familie sind.  Sonst geht es uns gut, nur leidet Rikchen etwas an den Augen. Mein Rudolph ist Privatdocent und liest nächstes Semester Nibelungen, im jetzigen hat er eine Geschichte der deutschen Gramm. vorangeschickt. Hans studirt (im letzten Jahre). Dorothee will ich morgen besuchen, sie ist wohl wie meine übrigen 3 Mädchen.

Reisest Du gar nicht mehr? Kommst Du mit den lieben Cousinen nicht noch einmal nach Er., Deinen alten Lehrer Mehmel findest Du nicht mehr, er starb im 80sten Jahre an demselben Tage mit dem Könige von Preußen.

Vielleicht besuche ich Dich im künftigen Jahre, ich sehne mich recht darnach.

Rikchen grüßt mit mir Euch aufs Herzlichste.

Dein Raumer.

Recke, Elisa von der

Geboren zu Schönburg in Kurland am 20. Mai 1754, gestorben zu Dresden am 13. April 1833.

Der entlarvte Cagliostro (1787.) Reise nach Italien, 4 Bde. (1815.) Gebete und Lieder (1783.) Gedichte (1806.)

Dies Briefchen ist zwar an Gräfin Henriette F. gerichtet, doch aber nur für Tieck bestimmt, gehört also hierher, und mußte schon deshalb eingereiht werden, weil der gleichzeitige Aufenthalt Tiecks und Tiedges (bei seiner Freundin Elisa lebend) in Dresden, zu manch ergötzlichen Qui pro quos Veranlassung gab, deren vorzüglich reisende Engländer und Engländerinnen, denen es nur um die obligate Quittung über glücklich absolvierte Celebritäten und Merkwürdigkeiten für ihre Notizbücher zu thun ist, die ergötzlichsten lieferten.

Dresden d. 22. Ap. 1821.

An Sie, Theure Freundin, wende ich mich, um von Ihnen zu erfahren, ob unser Freund Tieck, den nächsten Donnerstag, das ist, d. 26 dieses Monathes, die Stunden von 12 bis 5 Uhr freyhat; und ob unser Freund mir dann den Genuß geben könnte, in den Mittagsstunden von ihm das Trauerspiel seines Freundes Kleist lesen zu hören. Nur in den Mittagsstunden bin ich eines solchen Genusses fähig: wenn die sechste Abendstunde herannaht, dann drückt mich eine Schläfrigkeit, die mich jedes geistigen Genusses unfähig macht. Noch bitte ich auf diesen Fall einige wenige Freunde, die unsern Tieck noch nicht lesen gehört haben, diesen Genuß zu verschaffen. Es werden nur wenige seyn, denn immer noch werden meine Kopfnerven schmerzhaft gereitzt, wenn ich viele Persohnen um mich sehe; Sie Theure Gräfin müssen mir aber die Freude machen, unsern Tieck herzubegleiten, denn es ist mir ein doppelter Genuß, wenn ich bey jeder schönen Stelle auf Ihrem Gesichte die edlen Empfindungen Ihrer Seele lesen kann.  Können Sie beyderseits mir Donnerstag Ihre Gegenwart schenken, so wird mein Wagen Sie vor der 12ten Mittagsstunde abholen, und nach beendigter Lektüre genießen wir dann in kleinem Kreise, ein frugales Mittagsmahl.

Im Geiste freue ich mich heute schon dieser schönen Aussicht; denn ich bin dessen fest überzeugt, daß wenn Ihre beyderseitige Gesundheit es gestattet, meine Bitte erfüllt werden wird.  Mit herzinniger Hochachtung

IhreIhren Werth fühlendeElisa von der Recke.

Regis, Johann Gottlob

Geboren zu Leipzig 1791 an Shakspeare´s Geburtstage; gestorben 1854 zu Breslau einen Tag nach Goethe´s Geburtstage.

Aus dem Englischen, aus dem Italienischen, aus dem älteren Französischen, gab dieser sehr gelehrte, tief in den Geist der Zeit wie der Sprache eindringende Forscher Uebersetzungen, die vielleicht nur den Fehler haben mögen, daß sie dem ungelehrten Leser zu hoch stehen. Sowohl Shakspeares Sonette (geläufiger scheint uns sein Timon von Athen) als den Bojardo, vorzüglich aber den Rabelais muß der Deutsche aus Regis Verdeutschung sich gewissermaßen noch einmal übersetzen. Und deshalb dürften den ganzen unschätzbaren Werth dieser Riesenarbeit nur diejenigen vollkommen anzuerkennen fähig sein, die seine gewissenhaften Uebersetzungen als Schlüssel betrachten, der ihnen den Zugang zum Verständniß der Originale eröffnet und erleichtert.

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