Hat jemals ein Dichter den Namen deutscher Sänger verdient, so wars Wilhelm Müller. Wander-Lieder Waldhornisten-Lieder Wein-Lieder Griechen-Lieder Müller-Lieder! Ach, die Müllerlieder! Und da sandte der Himmel seinen Franz Schubert, daß er diese Dichtungen in Tönen verkläre Wer die Müller-Lieder von Schubert und Müller in ihrer ganzen Schönheit vernahm; wer sie von Stockhausen singen hörte nun, der mag sich freuen, ein Deutscher zu sein; der mag dankbar erkennen, was Schubert Großes gethan, was Stockhausen (wenn man so sprechen darf), als dritter Dichter daran thut; aber vor Allem soll er nicht vergessen, ihres ersten Dichters und Schöpfers mit voller Liebe zu gedenken; unseres lieben, treuen, deutschen Wilhelm Müller!
I
Dessau, 17ten Oktober 1826.Bei dem neuen Abdruck meiner ersten Gedichtsammlung erinnerte ich mich lebhaft des schönen Nachmittags in Kalckreuths Sommerwohnung an der Elbe, wo ich Ihnen, kurz nach unsrer Bekanntschaft, meine Müllerlieder vorlas und, von Ihrem Urtheil aufgemuntert, den Entschluß faßte, damit in die Welt zu treten. Von diesem Tage an, wie viel verdanke ich Ihnen, mein verehrter Freund! Darum nehmen Sie meine Dedikation, die einfach ist, wie ich selbst, nicht für eine formelle Redensart, sondern für den wahren Ausdruck meiner Dankbarkeit.
Ich habe von Raumer aus mündlicher Mittheilung erfahren, wie es Ihnen geht und was Sie treiben. Das muß mich denn dieses Jahr schadlos halten für den aufgegebenen Besuch in Dresden. Ich habe dafür das alte schöne Nürnberg kennen gelernt und Göthe gesehn, und noch dazu ihm Glück gewünscht zu seinem 77ten Geburtstage. Das ist auch etwas, das quondam meminisse juvabit. Der alte Herr war wohl auf, gut gelaunt, mit mir sehr höflich und freundlich, aber das ist auch Alles, und was ich aus seinem Munde gehört, das kann mir jeder gebildete Minister sagen. Doch auch gut so, und viel besser, als wenn er mir z. B. über Shakspeares Romeo und Julie das gesagt hätte, was im neuesten Hefte seiner Zeitschrift steht. Das ist auf Sie gemünzt.
Ich bin in diesen Tagen in meine neue große und ich darf sagen schöne Dienstwohnung eingezogen. Möchte mir doch das Glück werden, Sie einmal darin zu beherbergen! Und nun kann ich die Frage nicht mehr zurückhalten: Bleiben Sie in Dresden? Ich fühle meinen Egoismus in dem ängstlichen Eifer, mit dem ich diese Frage thue, und doch kann ich nicht anders.
Mich beschäftigt jetzt die Encyklopädie und diese ist gleich wieder ein Stichwort zu der Frage: Liefern Sie mir aus besonderer Freundschaft für den Gegenstand und auch für mich den Artikel Hardenberg? Er ist jetzt bald an der Reihe. Sonst habe ich ein Paar Hundert Epigramme oder Reimsprüche gemacht, wovon 100 in der Eleganten Zeitung abgedruckt zu lesen sind, worüber ich wohl Ihr Urtheil hören möchte. Sie stehn in den Nr. gegen 100 98 bis etwa 102 . Auch in Eger habe ich Verse gemacht, die Loebelln sehr gefielen und in demselben Blatte zu lesen sind. Diesen Winter will ich wieder Shakspeare vorlesen, nicht für Geld, sondern für gute Freunde. In dem Zimmer, wo ich lese, steht Ihre Büste1 mir gegenüber, die soll mich vor gar zu argen Mißgriffen bewahren. Denn durch Sie ist mir der Sinn für Shakspeare zuerst aufgegangen, und wenn ich Ihnen auch weiter nichts schuldig wäre, welche Unendlichkeit der Schuld! Meine Wünsche arbeiten mit Ihnen an der Vollendung des Heinrich VIII., des Macbeth, des Wintermährchens und des mir fast unvollendbar erscheinenden Loves Labours Lost, das ich neulich wieder einmal, und ich darf wohl sagen, mit mehr Genuß, als jemals, gelesen habe.
Meine Häuslichkeit ist in erwünschtem Zustande, Frau und Kinder gesund und fröhlich, wie ich selbst, dem der Egerbrunn fast so wohl gethan hat, als hätte ich ihn sehr nöthig gebraucht. Empfehlen Sie mich dem freundlichen Andenken der Frau Gräfin, Ihrer Gattin und Töchter. Eben darum bittet meine Frau, die mir oft Vorwürfe macht, daß ich, statt nach Eger allein, nicht mit ihr nach Dresden gereist bin. Ich verspreche keinen Besuch wieder, weil ich Ostern habe mein Wort brechen müssen. In jeder Entfernung ist ja doch mein bester Theil viel und oft bei Ihnen.
Mit unveränderlicher Hochachtung und Liebe
Ihrtreu ergebener FreundW. Müller.II
Dessau, den 11ten Juli 1827.Verehrtester Freund!Ich könnte ein wenig empfindlich gegen Sie sein und sollte vielleicht so thun, aber ich will doch lieber wahr sein und Ihnen sagen, daß Ihr Schweigen auf meine Briefe und Dedikationen mir eine Zeit lang nur das unangenehme Gefühl des Wartens, nachher aber die Ueberzeugung gebracht hat, daß Sie aus keinem andern Grunde nicht an mich geschrieben haben, als weil Sie nun einmal ungern schreiben, zumal, wenn Sie es erst lange aufgeschoben haben. Göthen nähm ich ein solches Schweigen übel, einem Könige noch mehr.
Diesen Brief überbringt Ihnen der Fürst zu Lynar, welcher sich nach Ihrer Bekanntschaft sehnt und als Mann von Geist und Eifer für das Schöne, dabei selbst mit Talent für die Poesie ausgestattet, seinen Aufenthalt in Töplitz und Dresden benutzen wird, vorzüglich um Ihnen näher zu kommen und sich Ihrer Mittheilung auch zu eigener Belehrung und Ermunterung zu erfreuen. Ich bin überzeugt, daß auch Ihnen die Bekanntschaft dieses liebenswürdigen Fürsten und seiner Gemahlin, deren lyrische Versuche ausgezeichnet sind, genußreiche Stunden verschaffen wird und freue mich daher, die Erinnerung an mich mit diesem Verhältnisse verknüpfen zu dürfen.
Ich leide seit einiger Zeit an dem Uebel, welches mit dem weiten und schwankenden Namen der Hypochondrie bezeichnet wird. Jedoch geht es jetzt wieder so gut, daß ich den 31ten nach dem Rhein abzureisen gedenke, wo ich wohl ein paar Monat zubringen werde.
Wenn Ihr Versprechen, mir den Artikel Hardenberg zu liefern, Sie drückt und vielleicht gar Schuld ist an Ihrem Schweigen gegen mich, so theile ich Ihnen die Nachricht mit, daß ich, ohne Ihre Absage abzuwarten, den Artikel bereits anderwärts untergebracht habe.
Meine Frau, die mich nach dem Rheine begleitet, empfiehlt sich Ihnen und den Ihrigen bestens und so thue ich als
Ihr treu ergebener Freund und DienerW. Müller.Münch-Bellinghausen, Eligeus Franz Joseph, Freiherr von
Geb. zu Krakau am 21. April 1806. Gegenwärtig k. k. wirkl. Hofrath und Direktor der k. Hofbibliothek in Wien.
Sein Dichtername ist Friedrich Halm.
Griseldis (1834.) der Adept (1836.) König und Bauer, freie Bearb. nach Lope de Vega Camoëns (1837.) I. Lambertazzi (1838) der Sohn der Wildniß (1842.) Sampiero (1844) Maria de Molina (1847.) der Fechter von Ravenna (1854.) u. a. m. Gedichte (1850.).
Diese zwei Briefe sind unschätzbar für Jeden, der eingestehen will, daß berufene Dichter edleren Schlages, wenn sie mit Ernst und Weihe ans Werk gehen, gewöhnlich schon in sich selbst Alles durchgearbeitet und Für und Wider dabei abgewogen haben, was ihnen dann verneinende Kritik als Mangel und Fehler vorzuwerfen gleich bei der Hand ist. Wo bliebe die Negation, wäre ihr nicht erst ein Positives dargeboten, woran sie ihren Scharfsinn übt?
Es läßt sich kaum bescheidener und zugleich fester eine eigene Sache vertreten, als es Halm, den Schluß der Griseldis betreffend, hier gethan.
I
Wien, den 1ten Dezbr. 1836.Ew. Wohlgeboren!Verehrtester Herr Hofrath!Der Hofschauspieler Löwe hat mir die gütigen Bemerkungen mitgetheilt, welche Sie gegen ihn während seines Aufenthaltes zu Dresden im Laufe dieses Sommers über die Griseldis äußerten. Trotz dem Gefühle der Bewunderung und innigsten Verehrung, welche ich mit ganz Deutschland für Sie hege, fehlt es mir an Worten, um die erschütternde Freude zu schildern, die mir die Anerkennung meines geringen Talentes von Seite des Altmeisters deutscher Poesie verursachte. Hinsichtlich Ihrer Einwendungen wider den Schluß der Griseldis erlaube ich mir, mit aller Ehrfurcht, die dem Schüler gegenüber des Meisters ziemt, zu bemerken, daß niemand tiefer fühlen und erkennen kann als ich, wie mißlich für die dramatische Bearbeitung in der Regel das Abweichen von den Grundzügen des gewählten Stoffes ausfallen muß; zumal wenn dieser so vortrefflich ist, als die Griseldis Boccacios. Indeß schienen mir die Motive, die den Markgrafen Saluzzo zur Prüfung seines Weibes bestimmen, durchaus zu wenig theatralisch, ja selbst zu wenig dramatisch, um sie beibehalten zu können; ich suchte und fand neue in der gereizten Eitelkeit und in der krassen Selbstsucht Percivals, welche aber, nach meiner sich gern eines Bessern bescheidenden Meinung, keinen andern versöhnenden Ausgang des Stückes zulassen, als den, der in Erhebung des weiblichen Gemüthes über die Täuschungen der Liebe, in der Rettung seiner menschlichen Würde auf Kosten seines geträumten Glückes liegt. Zudem hatte ich bei meiner innigen Ueberzeugung, daß der dramatische Dichter, wenn er seinem höhern Berufe nachkommen will, nothwendig die Interessen seiner Zeit ergreifen, erwägend und versöhnend in der Brust tragen und in seinen Werken abspiegeln müsse, das ganze Stück hindurch den ewig unentschiedenen Streit zwischen Aristokratie und Demokratie als Grundton angeschlagen, und mein Gefühl sagte mir, nur eine Dissonanz könne seine Modulirungen schließen.
Der Hofschauspieler Löwe hat mir die gütigen Bemerkungen mitgetheilt, welche Sie gegen ihn während seines Aufenthaltes zu Dresden im Laufe dieses Sommers über die Griseldis äußerten. Trotz dem Gefühle der Bewunderung und innigsten Verehrung, welche ich mit ganz Deutschland für Sie hege, fehlt es mir an Worten, um die erschütternde Freude zu schildern, die mir die Anerkennung meines geringen Talentes von Seite des Altmeisters deutscher Poesie verursachte. Hinsichtlich Ihrer Einwendungen wider den Schluß der Griseldis erlaube ich mir, mit aller Ehrfurcht, die dem Schüler gegenüber des Meisters ziemt, zu bemerken, daß niemand tiefer fühlen und erkennen kann als ich, wie mißlich für die dramatische Bearbeitung in der Regel das Abweichen von den Grundzügen des gewählten Stoffes ausfallen muß; zumal wenn dieser so vortrefflich ist, als die Griseldis Boccacios. Indeß schienen mir die Motive, die den Markgrafen Saluzzo zur Prüfung seines Weibes bestimmen, durchaus zu wenig theatralisch, ja selbst zu wenig dramatisch, um sie beibehalten zu können; ich suchte und fand neue in der gereizten Eitelkeit und in der krassen Selbstsucht Percivals, welche aber, nach meiner sich gern eines Bessern bescheidenden Meinung, keinen andern versöhnenden Ausgang des Stückes zulassen, als den, der in Erhebung des weiblichen Gemüthes über die Täuschungen der Liebe, in der Rettung seiner menschlichen Würde auf Kosten seines geträumten Glückes liegt. Zudem hatte ich bei meiner innigen Ueberzeugung, daß der dramatische Dichter, wenn er seinem höhern Berufe nachkommen will, nothwendig die Interessen seiner Zeit ergreifen, erwägend und versöhnend in der Brust tragen und in seinen Werken abspiegeln müsse, das ganze Stück hindurch den ewig unentschiedenen Streit zwischen Aristokratie und Demokratie als Grundton angeschlagen, und mein Gefühl sagte mir, nur eine Dissonanz könne seine Modulirungen schließen.
Nicht ohne Zagen habe ich die Ehre, Ew. Wohlgeboren in der Anlage meinen zweiten dramatischen Versuch, das Trauerspiel der Adept zu übergeben. An ein zweites Werk werden billig höhere Forderungen gestellt, und wenn sie nicht befriediget werden, so geht nur allzuleicht, wie die Erfahrung lehrt, aller Credit des Anfängers mit seiner eigenen Zuversicht zu Grunde. Wie dem auch sey, der Schritt ist gethan, und kann nicht zurückgenommen werden. Meine Absicht war, im Adepten die höhere tragische Region zu betreten und meine Flügel zu prüfen. Trotz seiner im Voraus zu berechnenden minderen Wirksamkeit, und allzuhochgespannter Erwartungen der Menge auf ein lange angekündigtes Werk fand der Adept beim Publikum eine glänzendere Aufnahme, als ich gedacht, aber dagegen bei den Kunstrichtern ein strengeres Urtheil, als ich erwartete.
Einige finden im Adepten zu wenig ansprechende, rührende, verklärte Charaktere; Andere sprechen dem Stück alles Tragische ab, weil es in der Hauptperson nicht hervortritt, ihr Charakter nicht würdig genug gehalten sey, und keine stufenweise Entwickelung desselben vorliege. Was nun die erstere Ansicht betrifft, so beruht die Wirkung der Tragödie nach meiner Meinung nicht in der Entfaltung exceptioneller, himmlisch verklärter Charaktere, sondern in der richtigen Entwickelung der tragischen Idee in ihrer ganzen zermalmenden Größe und Bedeutung, die schon darum die Versöhnung in sich tragen muß, weil sie nicht ohne Hinweisung auf eine moralische Weltregierung stattfinden kann. Das Rührende, das Gemüth Ansprechende wird in der Tragödie nur immer vom Stoffe bedingt, also zufällig vorhanden seyn können, wie es in Lear, Othello u. a. Tragödien erscheint. Hamlet, Macbeth, Julius Cäsar setzen außer allen Zweifel, daß die Aufgabe der Tragödie Erhebung, nicht weichliche Rührung sey. Den Anhängern der letzteren Meinung gebe ich gerne zu, daß im Adepten die Hauptperson kein sogenannter tragischer Held, sondern nur der Hauptträger der Handlung, der Mittelpunkt sey, um welchen sich die übrigen Figuren gruppiren. Nicht auf einer Person, auf der Totalität des Gemäldes beruht im Adepten die Entwickelung der tragischen Idee, und um diese, nicht um einen Helden handelt sichs in der Tragödie. Shakspeares Heinrich 6. kann nicht als tragischer Held angesehen werden, aber um ihn versammeln sich alle Erscheinungen, an ihn knüpfen sich alle Fäden des blutigen Gewirrs des Bürgerkrieges, und die Gesammtheit dieser Züge wird in jedem geweihten Gemüthe die tragische Empfindung hervorrufen.
Nach dem vorleuchtenden Beispiele dieses Vaters der Tragödie wagte ich im heiligen Eifer gegen die Runkelrüben-, Dampfwagen- und Eisenbahn-Richtung unserer Zeit im Adepten alle jene einzelnen Züge der Züggellosigkeit menschlichen Verlangens, alle Phasen der Verirrungen menschlichen Begehrungsvermögens anzuhäufen, und ich glaubte die tragische Wirkung zu erreichen, wenn am Ende derjenige, der vor allen Anderen Alles, das Unermeßliche errungen, der vermessen an Gottes Weltregierung zu bessern sich vorgesetzt hatte, durch das errungene Uebermaaß untergehend, sein Haupt anerkennend vor dem ewigen Gesetz der Beschränkung zu beugen gezwungen ist.
Entscheiden Ew. Wohlgeboren, in wie fern ich mein Ziel erreicht, und ob der Adept zur Darstellung auf der Dresdener Hofbühne, der ich schon für die vollendete Darstellung der Griseldis so vielfach verpflichtet bin, geeignet ist oder nicht.
Erlauben Sie mir mit der Bitte um die Fortdauer Ihres Wohlwollens die Versicherung der unbegränzten Verehrung zu verbinden, mit der ich die Ehre habe zu seyn
Ew. Wohlgeborengehorsamster DienerFreiherr von Münch.II
Wien, den 12ten April 1837.Euer Wohlgeboren!Verehrtester Herr!Ich habe mit übergroßer Freude aus einem von dem Schauspieler Kriete an Herrn Lembert gerichteten Brief entnommen, daß der Adept Gnade vor Ihren Augen gefunden hat, und dieß reicht vollkommen hin, mich über die kühlere Aufnahme des Stückes auf einigen Bühnen zu trösten. Auf der hiesigen ist es unlängst zum zwölftenmale bei übervollem Hause gegeben worden.
In der Anlage wage ich, Ihrer Einsicht und Beurtheilung mein dramatisches Gedicht Camoëns zu übergeben.
Wenn ich schon einmal bei Gelegenheit der Griseldis vor Ihrer Bemerkung über diese Novelle des Boccacio in den dramaturgischen Blättern zu zittern und zu beben hatte, so scheint dieß jetzt noch mehr der Fall seyn zu müssen, da meine schwache Schülerhand einen Camoëns zu schaffen wagte, nachdem bereits ein so großer unerreichter Meister ein unsterbliches Gemälde jener Zeit und jenes Mannes hingestellt.
Man würde indeß Unrecht thun, wenn man mir das Erscheinen des Camoëns in dieser Beziehung als Anmaßung anzurechnen versucht wäre, indem dieß Stück schon seit zehn Jahren in meinem Pulte liegt, und den Grundzügen nach bereits fertig gewesen ist, ehe Sie vielleicht noch an Ihren Camoëns gedacht hatten. Uebrigens glaube ich, muß auch die Verschiedenheit der Form bei jedem Billigdenkenden meinen Camoëns vor dem Wahnsinn einer Vergleichung mit dem Ihrigen schützen. Wenn Sie den Stoff in reicher epischer Fülle entfalten, uns ein bis in die kleinsten Züge vollendetes Gemälde jenes Zeitalters, jenes Volkes, seiner Gesinnungen und seiner Sitten aufrollen, uns in einem rührenden Stilleben die Heroengestalt des vaterländischsten aller Dichter mit würdevoller Erhebung, mit allen zerstörten Hoffnungen seines sturmbewegten Lebens abschließend vor die Seele führen konnten; wenn Sie mit einem Worte: uns der Gegenwart entrücken, und in eine frischere, lebenskräftigere Vergangenheit versetzen durften; so war es meine Aufgabe, die Gegenwart nie vergessend, sie vielmehr nur in den Gestalten der Vergangenheit abzuspiegeln. Das Drama, dessen Natur Kampf und Versöhnung ist, zwang mich der Sage zu folgen, und den Zuschauer an das Sterbebett Camoëns im Hospitale zu führen. Sie gaben mit dem Sehergeiste des Dichters Camoëns, wie er war; ich mußte mich bemühen, ihn zu geben, wie er damals sein konnte, und wie er unter gleichen Verhältnissen heute gewesen seyn würde. Ich mußte, um den Interessen der Gegenwart getreu, meine Ideen über Dichterberuf, Dichterpflicht und Dichterlohn in einer Zeit entwickeln zu können, die so oft und in so vielen Beziehungen an den Tag gelegt hat, wie sehr sie die Wesenheit der Dichternatur mißversteht ich mußte alle zuckenden Fibern des zerrissenen Dichtergemüthes aufdecken, in alle offnen Wunden der Dichterbrust meine Finger legen, und die Versöhnung von Oben herabholen, wo Sie nur die Narben der Wunden zu zeigen, und die Verklärung schon vorausgesetzt und gegeben im Stoffe zu entwickeln brauchten.