Aus meinem Leben. Zweiter Teil - August Bebel 4 стр.


Die Erklärung in der Deutschen Brüsseler Zeitung, auf die hier Marx und Engels sich bezogen, lautete:

Wenn eine gewisse Fraktion deutscher Sozialisten fortwährend gegen die liberale Bourgeoisie gepoltert hat, und zwar in einer Weise, die niemandem Vorteil brachte als den deutschen Regierungen, wenn jetzt Regierungsblätter wie der Rheinische Beobachter, auf die Phrasen dieser Leute gestützt, behaupten, nicht die liberale Bourgeoisie, sondern die Regierung repräsentiere die Interessen des Proletariats, so haben die Kommunisten weder mit der ersteren noch mit der letzteren etwas gemein.

Das Volk oder, um an die Stelle dieses weitsichtigen, schwankenden Ausdrucks den bestimmten zu setzen, das Proletariat räsoniert ganz anders, als man im geistlichen Ministerium sich träumen läßt. Das Proletariat fragt nicht, ob den Bourgeois das Volkswohl Nebensache oder Hauptsache sei, ob sie die Proletarier als Kanonenfutter gebrauchen werden oder nicht. Das Proletariat fragt nicht, was die Bourgeois bloß wollen, sondern was sie müssen. Es fragt, ob der jetzige politische Zustand, die Herrschaft der Bureaukratie, oder der von den Liberalen erstrebte, die Herrschaft der Bourgeoisie, ihm mehr Mittel bieten wird, seine eigenen Zwecke zu erreichen. Dazu hat es nur nötig, die politische Stellung des Proletariats in England, Frankreich und Amerika mit der in Deutschland zu vergleichen, um zu sehen, daß die Herrschaft der Bourgeoisie dem Proletariat nicht nur ganz neue Waffen zum Kampfe gegen die Bourgeoisie in die Hand gibt, sondern ihm auch eine ganz andere Stellung, eine Stellung als anerkannte Partei verschafft.

Es heißt weiter: Das Volk kann sich nicht für die ständischen Rechte interessieren. Aber ein Landtag, der Geschworenengerichte, Gleichheit vor dem Gesetz, Aufhebung der Frondienste, Preßfreiheit, Assoziationsfreiheit und eine wirkliche Repräsentation verlangt, ein Landtag, der ein für allemal mit der Vergangenheit gebrochen und seine Forderungen nach den Bedürfnissen der Zeit eingerichtet hat statt nach alten Gesetzen, solch ein Landtag kann auf die kräftigste Unterstützung des Proletariats rechnen.

Am 4. März schlossen sich Georg Herwegh und Wilhelm Rüstow der Erklärung von Marx und Engels ausdrücklich an. Am 5. März erklärte Fr. Reusche in der Rheinischen Zeitung seinen Rücktritt von der Mitarbeiterschaft am Sozialdemokrat, wobei er unter anderem bemerkte, er habe wiederholt die Redaktion aufgefordert, das Junkertum rücksichtslos zu bekämpfen. Rüstow habe Anfang Februar eine eingehende Kritik der Militärfrage an die Redaktion gesandt; aber trotz der wiederholten Anfragen von Rüstow und ihm erschienen weder diese noch ein von ihm eingesandter Artikel gegen den königlich preußischen Regierungssozialismus. Bald habe es geheißen, es sei kein Raum vorhanden, bald, man wolle warten, bis die Zeit geeignet wäre. Am 11. März erklärte Jean Philipp Becker in Genf im Hamburger Nordstern, dem Vorgehen von Marx und Engels sich anzuschließen. Liebknecht hatte sich gleichzeitig mit den letzteren von Schweitzer und dem Sozialdemokrat losgesagt. Professor Wuttke in Leipzig gab zwar keine öffentliche Erklärung ab, stellte aber seine Mitarbeiterschaft am Sozialdemokrat ein. Der einzige, der von dem ganzen Mitarbeiterstab einstweilen noch dem Sozialdemokrat verblieb, war Moritz Heß in Paris. Er schied Ende 1866 aus. Eine zweite Erklärung von Marx und Engels, datiert London den 15. März und abgedruckt in der Berliner Reform vom 19. März 1865, richtete sich gegen einen Artikel, den Schweitzer aus der Neuen Frankfurter Zeitung im Sozialdemokrat abgedruckt hatte, in dem nachgewiesen werden sollte, wie inkonsequent und innerlich haltlos das Verfahren der Herren Marx und Engels dem Sozialdemokrat gegenüber ist. Marx konstatiert: Schweitzer habe am 11. November 1864 ihm das Erscheinen des Sozialdemokrat angezeigt und habe bei dieser Gelegenheit geschrieben:

Wir haben uns an etwa sechs bis acht bewährte Mitglieder der Partei oder derselben wenigstens nahestehende Männer gewandt, um sie für die Mitarbeiterschaft zu gewinnen. Allein für ungleich wichtiger halten wir es, daß Sie, der Begründer der deutschen Arbeiterpartei und ihr erster Verfechter, uns Ihre Mitwirkung angedeihen lassen. Wir hegen die Hoffnung, daß Sie einem Verein, der, wenn auch nur indirekt, auf Ihre eigene Wirksamkeit zurückzuführen ist, nach dem großen Verlust, der ihn betroffen, in seinem schweren Kampfe zur Seite stehen werden.

In dem Prospekt habe der Name Lassalle nirgends gestanden. Der Prospekt habe nur drei Punkte enthalten: Solidarität der Völkerinteressen, Das ganze gewaltige Deutschland ein freier Volksstaat, Abschaffung der Kapitalherrschaft. Daraufhin hätten er und Engels ihre Mitarbeit zugesagt. Am 28. November habe Schweitzer ihm geschrieben, daß seine und Engels' Zusage in der Partei, soweit sie überhaupt eingeweiht sei, die freudigste Sensation hervorgerufen. Marx erzählt weiter, wie er im Laufe des Januar gegen die Taktik Schweitzers im Sozialdemokrat protestierte und daß, als trotz Schweitzers Beruhigungsschreiben die Taktik im Blatte dieselbe geblieben, er aufs neue protestiert habe, worauf Schweitzer ihm am 15. Februar folgendes geschrieben:

Wenn Sie mir wie im letzten Schreiben über theoretische Fragen Aufklärung geben wollen, so würde ich solche Belehrung von Ihrer Seite dankbar entgegennehmen. Was aber die praktischen Fragen momentaner Taktik betrifft, so bitte ich Sie, zu bedenken, daß, um diese Dinge zu beurteilen, man im Mittelpunkt der Bewegung stehen muß. Sie tun uns daher unrecht, wenn Sie irgendwo und irgendwie Ihre Unzufriedenheit mit unserer Taktik aussprechen. Dies dürfen Sie nur dann tun, wenn Sie die Verhältnisse genau kennen. Auch vergessen Sie nicht, daß der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein ein konsolidierter Körper ist und bis zu einem gewissen Grade an seine Tradition gebunden bleibt. (Der Verein war damals kaum 22 Monate alt und hatte nur einige tausend Mitglieder. A.B.) Die Dinge in concreto schleppen eben immer irgend ein Fußgewicht mit sich herum.

Es war also selbstverständlich, daß Marx, Engels und Genossen handeln mußten, wie sie gehandelt haben. Schweitzer scheint geglaubt zu haben, daß er seinen Mitarbeitern eine ähnliche Rolle zumuten dürfe, wie sie Lothar Bucher im Einverständnis mit Bismarck Marx im Staatsanzeiger zugemutet hatte. Sie sollten Mitarbeiter sein, aber kein Recht haben, über die Taktik mitzusprechen, die mit dem Programm, auf Grund dessen sie ihre Mitarbeiterschaft zugesagt hatten, im schneidendsten Widerspruch stand. Schreibt so radikal wie möglich für Sozialismus und Kommunismus, je radikaler, desto besser; ihr seid dann die Flagge, unter der ich meine Konterbande decke. So ungefähr mochte Schweitzer räsonnieren. Es war daher eine Unverschämtheit, wenn er auf die Beschwerde von Marx und Engels über die Haltung des Blattes erklärte: sie im Ausland könnten die Dinge in Deutschland nicht beurteilen. Diese konnten aber selbst Personen durchaus richtig beurteilen, die den Marx und Engels nicht das Wasser reichten. Eines konnte man damals Bismarck nicht vorwerfen, daß er seine Politik verschleierte und mit verdeckten Karten spielte.

Bucher hat später, im Herbst 1878, als anläßlich des bevorstehenden Sozialistengesetzes seine Einladung von Marx, für den Staatsanzeiger zu schreiben, Gegenstand der öffentlichen Erörterung wurde, die Marxsche Darlegung dieser Einladung bestritten. Darauf antwortete Marx in der Daily News unter anderem:

Bucher hat später, im Herbst 1878, als anläßlich des bevorstehenden Sozialistengesetzes seine Einladung von Marx, für den Staatsanzeiger zu schreiben, Gegenstand der öffentlichen Erörterung wurde, die Marxsche Darlegung dieser Einladung bestritten. Darauf antwortete Marx in der Daily News unter anderem:

Der Brief, worin mich Herr Bucher für den Staatsanzeiger zu kirren suchte, datiert vom 8. Oktober 1865. Es heißt darin unter anderem:

In betreff des Inhaltes versteht es sich von selbst, daß Sie nur Ihrer wissenschaftlichen Ueberzeugung folgen; jedoch wird die Rücksicht auf den Leserkreis haute finance , nicht auf die Redaktion, es ratsam machen, daß Sie den innersten Kern nur eben für den Sachverständigen durchscheinen lassen. Dagegen besagt die Berichtigung des Herrn Bucher, daß er bei Herrn Marx anfrug, ob er die gewünschten Artikel liefern wolle, indem es auf eine objektive Behandlung ankäme. Von des Herrn Marx eigenem wissenschaftlichen Standpunkt steht nichts in meinem Briefe.

Ferner heißt's in dem Briefe Buchers:

Der Staatsanzeiger wünscht monatlich einen Bericht über die Bewegungen des Geldmarktes (und natürlich auch des Warenmarktes, soweit beide nicht zu trennen). Ich wurde gefragt, ob ich nicht jemanden empfehlen könnte, und erwiderte, niemand würde das besser machen als Sie. Ich bin infolgedessen ersucht worden, mich an Sie zu wenden.

Klassisch ist der Schluß der Bucherschen Einladung, die Marx in jener Erklärung ebenfalls abdruckt:

Der Fortschritt (er meinte die liberale oder Fortschrittsbourgeoisie) wird sich noch oft häuten, ehe er stirbt; wer also während seines Lebens noch innerhalb des Staates wirken will, der muß sich ralliieren um die Regierung.

Das war also der Grund, der Bucher Bismarck in die Arme trieb und der ihn veranlaßte, bei anderen das gleiche zu versuchen.

Nach einer Erklärung, die Liebknecht am 24. März in der Rheinischen Zeitung veröffentlichte, habe Schweitzer nach dem Tode Lassalles Marx zum Präsidenten des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins vorgeschlagen. Marx habe abgelehnt, sich mit einer Bewegung zu identifizieren, deren Taktik er für grundverkehrt hielt, auch habe er keine Neigung gehabt, unter den obwaltenden politischen Zuständen nach Deutschland überzusiedeln. Schweitzer habe sich verpflichtet, daß das neue Blatt die Lassallesche Taktik nicht befolgen, jedes Kokettieren mit der Reaktion vermeiden sollte, unter dieser Bedingung, und nur unter dieser, habe er sich zur Mitarbeiterschaft bereit erklärt, vorausgesetzt, daß auch Marx und Engels sich beteiligen würden. Beide hätten sich schließlich nur mit dem größten Widerstreben dazu verstanden, und nur auf seine wiederholte Versicherung, daß er an die Loyalität Schweitzers von dem er sehr schlimme Dinge gehört glaube.

Die Politik des Sozialdemokrat trug rasch die gewünschten Früchte. Bereits Anfang Februar 1865 hielt ein Mitglied des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins, Peter Rex, in Köln eine Rede, worin er sagte: ihm sei die jetzige Regierung lieber als ein Fortschrittsministerium. Der Sozialdemokrat druckte ohne ein Wort der Kritik diese Aeußerungen ab. Am 12. März erklärte der Rheinisch-Westfälische Arbeitertag zu Barmen sich mit der Haltung des Sozialdemokrat einverstanden, auch sei es durchaus zu billigen, die Vorschläge der preußischen Regierung, die bei verschiedenen Gelegenheiten die Verbesserung der Lage der arbeitenden Klassen durch die Gesetzgebung versprochen habe, abzuwarten, bevor man über dieselbe aburteile, indem es keineswegs unmöglich sei, daß dieselbe das Dreiklassenwahlgesetz aufhebe und statt desselben das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht, wie es das von Lassalle, dem Begründer der deutschen Arbeiterpartei, vorgezeichnete nächste Ziel der jetzigen deutschen Arbeiterbewegung sei, einführe.

Form und Inhalt dieser Resolution sprachen dafür, daß Schweitzer sie verfaßt hatte, auch empfahl der Sozialdemokrat, überall dieselbe zur Abstimmung zu bringen, ein Akt, der einem Vertrauensvotum für die preußische Regierung gleichkam.

Bereits begann aber auch die Opposition im Verein sich bemerkbar zu machen. In seiner Nr. 38 polemisierte der Sozialdemokrat gegen die offenen Feinde und falschen Freunde, die Zwietracht in die Partei zu säen suchten. Und da die Opposition auch begann, gegen die diktatorischen Organisationsbestimmungen im Vereinsstatut zu polemisieren, so mußte die Organisation als das ureigenste Werk Lassalles mit einer Art Glorienschein umgeben werden. Der Lassallekultus wurde von jetzt ab systematisch gefördert und jeder als eine Art Schänder des Heiligsten gebrandmarkt, der andere Ansichten zu hegen wagte. Es waren namentlich die Worte im Lassalleschen Testament: Dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein empfehle ich, den Frankfurter Bevollmächtigten, Bernhard Becker, zu meinem Nachfolger zu wählen. Er soll an der Organisation festhalten; sie wird den Arbeiterstand zum Siege führen, die das Schibolet wurden, das den echten von dem falschen Lassalleaner unterschied. Und Schweitzer unterstützte diese allmählich ans Idiotenhafte grenzenden Anschauungen, die schließlich eine Art religiöser Glaubenssätze wurden. Kam es doch im Laufe der Jahre dahin, daß das Thema Christus und Lassalle das Thema für die Tagesordnung zahlreicher Volksversammlungen wurde. F.W. Fritzsche erhielt sogar 1868 in Berlin eine Anklage wegen eines Vortrags über dieses Thema, in dem der Staatsanwalt eine Gotteslästerung erblickte. Fritzsche wurde nur freigesprochen, weil ihm der Dolus nicht nachgewiesen werden konnte.

Wie Schweitzer innerlich über dieses von ihm geförderte Treiben dachte, bedarf keiner Auseinandersetzung.

In einem merkwürdigen Gegensatz zu den Bismarckartikeln veröffentlichte der Sozialdemokrat in seiner Nr. 43 vom 5. April 1865 eine Schlußbetrachtung über die österreichischen Staatsverhältnisse, worin es hieß:

Die Deutsche Volkspartei ist, wie in allem, so auch in der deutschen Einheitssache radikal, das heißt sie will die ganze und ausnahmslose Verwirklichung der als gut und richtig erkannten Idee.

Die Deutsche Volkspartei also will das ganze Deutschland zum freien Volksstaat vereinen.

Das ganze Deutschland! sagen wir. Nicht ein Dorf, nicht ein Meierhof, nicht die kleinste Hütte im fernsten Winkel darf uns fehlen!

Der kleindeutsche Gedanke eines einigen Deutschland ohne die deutsch-österreichischen Provinzen ist ein Hochverrat an der Nation und ihrer Zukunft. (Auch im Text gesperrt gedruckt.)

Ein einiges Deutschland bedingungslos, ausnahmslos!

Das war eine der Doppelzüngigkeiten, womit Schweitzer bezweckte, die Opposition zum Schweigen zu bringen, die sich anläßlich der Bismarckartikel innerhalb und außerhalb des Vereins geltend machte. Er sah, daß er sich zu weit vorgewagt hatte. Ein solches Manöver wiederholte er regelmäßig, sobald er wegen seines Verhaltens öffentlich Angriffen ausgesetzt war. Alsdann warf er sich wieder auf die linke Seite und schrieb mit einem Radikalismus, der nichts zu wünschen übrig ließ. Er konnte so, aber auch anders.

Und er nicht allein, auch der eine und der andere seiner Anhänger. In derselben Nummer des Sozialdemokrat, in der der oben zitierte Artikel über Oesterreich stand, veröffentlichte Tölcke einen spaltenlangen Bericht über eine Königsgeburtstagsfeier, welche die Mitglieder des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins in Iserlohn veranstaltet hatten und in der Tölcke ein Hoch auf den König von Preußen ausgebracht hatte. In diesem Toast führte Tölcke aus, der Wille, den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein vernichten zu wollen wie das der Iserlohner Bürgermeister durch maßlos brutale Unterdrückungsmaßregeln versucht hatte sei vergeblich.

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