Dann packte sie auch noch einige Flaschen Limonade und Mandeln mit Schokoladenüberzug für Suki und Sennin. Kyoko grinste, sie fühlte sich viel besser, jetzt, wo sie wusste, dass es Shinbe bald wieder gut gehen würde. Dennoch⦠sie würde ein ernstes Gespräch mit Toya führen müssen, darüber, dass er mit seinem eigenen Bruder gekämpft, und ihn beinahe getötet hatte. Sie fragte sich im Stillen, wie Shinbe durch das Herz der Zeit gelangen hatte können. Der Schrein würde ihn nicht ohne Grund passieren lassen.
âWahrscheinlich damit ich den Kampf unterbrechen konnteâ, murmelte Kyoko zu sich selbst.
Sie packte dann auch noch die übliche Ausrüstung, die sie ihnen normal brachte, wie Verbandszeug und Aspirin. Als sie sich in der Küche umsah, fragte sie sich, ob sie noch ein letztes Mal nach Shinbe sehen sollte, aber entschied sich dann dagegen. Es war so schon schwer genug, ihn zurückzulassen. Sie konnte noch immer den bittenden Ausdruck in seinen violetten Augen sehen, als würde er sie bitten, nicht zu gehen, aber sie würde nur für ein paar Stunden weg sein. GroÃvater und Tama würden sich inzwischen um ihn kümmern. Sie schloss ihren Rucksack und machte sich auf den Weg zum Schreinhaus.
*****
Die kleine Gruppe hatte die letzten Stunden damit verbracht, Shinbe zu suchen. Sie konnten nicht einmal seine Spur riechen, also hatten sie keine Ahnung, wo sie suchen mussten. Sie konnten nur das Schlimmste befürchten, auch wenn sie keine Anzeichen für irgendeinen Kampf fanden. Es machte sie buchstäblich verrückt vor Sorge. Um alles noch schlimmer zu machen, war auch Toya nicht mehr zu der Hütte zurückgekommen, sodass sie denken mussten, dass er vielleicht an dem Verschwinden beteiligt war.
Als er mehrere Stunden lang nicht zurückgekommen war, war Suki sicher, dass es so war. Und nachdem auch Kyoko noch weg war, erschien es alles nur noch schlimmer. âIch schwöre, wenn Toya jemals zurückkommt, werde ich ihn persönlich umbringenâ, schluchzte Suki in ihre Hände, während Sennin sie sanft festhielt.
Kamui saà still neben ihr als Gedanken von Shinbe, der irgendwo tot lag, durch seine Gedanken blitzten. Aber er würde es wissen, wenn Shinbe gestorben wäre⦠nicht wahr? Er und Kaen hatten gewusst, dass es etwas gab, was nicht ausgesprochen wurde, sobald sie die Lichtung betreten hatten⦠etwas mit den Schwingungen in der Gegend stank nach Wut und etwas Anderem, das er nicht wirklich benennen konnte.
Ein weiteres Anzeichen war, dass die Steine um die Jungfernstatue ausgegraben worden waren. 'Und wo war Kyoko?' Dieser Gedanke brachte Kamui dazu, sich zu fragen, was genau passiert war⦠war auch Kyoko verletzt? Sie war noch nicht zurückgekommen und er begann sich Sorgen zu machen. Er seufzte, wissend, dass Kaen noch immer drauÃen war und suchte.
âHallo, jemand zu Hause?â, fragte Kyoko mit fröhlicher Stimme, als sie die Tür der Hütte öffnete. Sie sah sofort, wie gequält Suki aussah. Sie warf ihren Rucksack an der Tür ab und rannte zu Suki. âWas ist los? Was ist passiert?â Sie ging neben ihrer Freundin in die Hocke, denn Suki weinte nie⦠sie war viel zu stark für so mädchenhafte Dinge.
Suki schniefte und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. Ihre Lippen öffneten sich und sie versuchte zu sprechen: âOh, Kyoko.â Sie drehte sich wieder von ihr weg, unfähig ihrer Freundin von ihren Ãngsten zu erzählen.
Sennin legte seine Hand auf Kyokos Schulter, sah auf seine Tochter und sprach dann mit einer leisen Stimme: âKyoko, kann ich drauÃen mit dir sprechen?â
Kyoko sah von Sennin zu Suki und stand dann langsam auf. 'Etwas Schreckliches muss passiert sein', überlegte Kyoko besorgt. 'War Toya etwas passiert, oder hatten sie Neuigkeiten über das Verschwinden von Sukis Bruder Hikaru gehört?' Ein sehr, sehr schlechtes Gefühl kroch über ihren Rücken.
Sie folgte Sennin nach drauÃen. âWas ist es Sennin? Was ist passiert?â Kyoko kam es gar nicht in den Sinn, dass sie sich um Shinbe Sorgen machen könnten. Sie dachte, dass Toya ihnen erzählt haben würde, wo sie ihn finden konnten.
Sennin drehte Kyoko den Rücken zu, wissend, dass er nun mit noch einer Herzschmerz-Szene zu tun bekommen würde. Es war zu viel für ihn. Es würde Kyokos Herz brechen, wenn sie herausfand, dass Toya vielleicht Shinbe umgebracht hatte. Er beschloss, ihr einfach ihre Ãngste zu erzählen.
âKyoko, wir glauben, dass Toya vielleicht Shinbe verletzt hat⦠und wir können keinen der beiden finden.â Seine Stimme klang noch älter als normal und war voller Trauer und etwas angeschlagen. Er wartete auf das schmerzvolle Kreischen, das gleich von seiner jungen Freundin kommen musste. Als es nicht kam, drehte er sich um, gerade rechtzeitig um zu sehen, wie Kyoko zurück in die Hütte ging.
Kyoko setzte sich neben Suki auf den Boden und nahm ihre Freundin in die Arme. âSuki, es ist gut. Shinbe geht es gut.â Sie streichelte das Haar ihrer Freundin. âIrgendwie⦠ist er mit Toya auf die andere Seite des Herzens der Zeit gekommen. Er ist verletzt, aber es wird alles wieder gut.â
Suki hörte einen Moment auf zu atmen, dann atmete sie scharf ein und riss sich los, starrte Kyoko an während sie mit der Hand über ihre Augen fuhr. âShinbe⦠ist nicht tot?â Sie starrte Kyoko weiterhin an.
Kyoko runzelte die Stirn. âNein, er hat viele Verletzungen, aber er ist nicht tot. Ich bin zurückgekommen um euch zu sagen, dass er sich erholt.â Sie fragte sich im Stillen, wieso Toya ihnen nicht gesagt hatte, was passiert war.
Kamui hörte Kyokos Worte und wunderte sich darüber. Nun wusste er, wieso er Shinbe nicht spüren konnte⦠er war nicht einmal in dieser Welt. Er verlieà die Hütte um Kaen zu suchen und ihm zu sagen, dass er die Suche einstellen konnte. Er wünschte sich, dass seine anderen Brüder, Kotaro und Kyou irgendwie auftauchen und ihm helfen würden, das wieder in Ordnung zu bringen, was auch immer los war. Seine Gedanken wanderten wieder zurück zu Kyoko.
âSo lange sie nur einander verletzen und nicht sieâ, flüsterte Kamui, aber der Knoten in seiner Brust wollte sich nicht auflösen. Wenn er musste⦠würde er sie ganz alleine beschützen.
Suki stand auf. âEr, er war die ganze Nacht bei dir, Kyoko? Wir, wir sahen Toya mit Blut an seinen Händen.â Sie erzitterte und hielt inne. Wut staute sich in ihr auf, auf Kyoko gerichtet, weil sie es geheim gehalten hatte.
Kyoko stand auf. âWo ist Toya überhaupt? Wenn ich ihn in die Hände bekomme, werde ichâ¦â Suki schnitt ihr den Satz ab.
âEr war die ganze Zeit bei dir? Shinbe war bei dir in deiner Zeit?â Sukis Stimme enthielt einen anklagenden Ton und Kyoko war sprachlos. âDu hast so lange gewartet, ehe du kamst um es uns zu sagen. Meinst du nicht, dass wir um ihn besorgt waren?â
Kyoko schüttelte den Kopf. âEs tut mir leid, Suki. Ich wollte ihn nicht alleine lassen, ehe ich wusste, dass erâ¦â Sie sah wie Sukis Gesicht rot wurde und zog sich zurück.
âSchon gut? Den ganzen Morgen haben wir ihn gesucht, hatten Angst, dass er tot war, oder irgendwo verletzt lag! Nun kommst du zurück, ganz fröhlich und erzählst mir, er ist bei dir!â Sie zeigte anklagend mit dem Finger auf ihre Freundin. âDu hättest früher kommen sollen. Du hättestâ¦â Sie brach ab, als ein Schluchzen aus ihr ausbrach, aus Erleichterung darüber, dass es Shinbe gut ging.
Kyoko legte einen Arm um die Frau um sie zu beruhigen. âEs tut mir leid, Suki. Ich habe nicht daran gedacht. Seine Verletzungen waren ziemlich schlimm. Ich hatte Angst, ihn alleine zu lassen, ehe er aufwachte. Ich hatte solche Angst, dass ich ihn verlieren würde.â
Suki riss sich von Kyoko los, ihr Zorn kochte wieder als sie Kyokos Worte hörte. âDu⦠dachtest, du würdest ihn verlieren?â Sie starrte Kyoko an während sie ihre Tränen weg blinzelte. âWorum haben sie überhaupt gekämpft, Kyoko? Um dich?â
Kyoko wurde durch die Frage überrascht. Sie wusste nicht, wie sie antworten sollte. Sie konnte Suki nicht sagen, dass sie Shinbe geküsst hatte, und dass Toya sie gesehen hatte. Das hier war Suki, ihre Freundin, die insgeheim in Shinbe verliebt war. Schuldgefühle übermannten sie. Betrog sie ihre Freundin? Sie sah hinunter auf den Holzboden, den sie plötzlich sehr interessant fand.
Sie war nicht in Shinbe verliebt, aber sie⦠'Mann, was denke ich da?' Sie ballte ihre Hände zu Fäusten, wurde zornig auf sich selbst, weil sie so über Shinbe dachte, wo doch diejenige, die ihn wirklich liebte, genau vor ihr stand. Sie musste wissen, was Suki wirklich fühlte.
âSuki, liebst du Shinbe?â, fragte sie schnell, nicht weil sie der Frage, weshalb die zwei Beschützer gekämpft hatten, ausweichen wollte.
Suki wandte ihr den Rücken zu als ihre Wangen bei der Frage erröteten. Liebte sie ihn? Das wollte sie auch wissen. Ja, sie hatte Gefühle für ihn, aber Liebe, wie Kyoko meinte? Sie schüttelte den Kopf. Sie würde nie einen Mann lieben. Und schon gar nicht Shinbe. Das kam einfach nicht in Frage. Vielleicht könnte sie ihn lieben, wenn sie Hyakuhei tatsächlich töten und Shinbes Fluch auslöschen könnten. Aber⦠nein, sie konnte sich einfach nicht in ihn verlieben. Sie könnte noch mehr Herzschmerz nicht ertragen.
Verwirrt über ihre eigenen Gefühle drehte sie sich wieder zurück zu Kyoko. âDu weichst der Frage aus, Kyoko! Ich habe gefragt, ob sie um dich gekämpft haben?â Nun war sie diejenige, die einer Frage auswich, aber es war eine, die sie wirklich nicht beantworten wollte, oder auch nur darüber nachdenken.
Kyoko seufzte und zuckte die Schultern. âIch weià es nicht. Hat Toya euch nicht erzählt, was passiert ist?â Sie sah zur Tür und fragte sich, wieso er nicht da war. âWo ist Toya überhaupt? Geht es ihm gut?â Kyoko fröstelte plötzlich als ihr klar wurde, dass Toyas Abwesenheit der Grund war, wieso sie nicht wussten, was passiert war.
Suki explodierte: âWas?!! Toya lief weg, nachdem wir ihn gefunden haben. Seine Klauen waren blutig, Kyoko! Er warâ¦â Suki wurde unterbrochen als Sennin in die Hütte kam.
âWillst aufhören zu brüllen, Suki?â Er setzte sich auf die Matte, nahm einen Ast und stocherte damit in dem Feuer vor ihm herum. âKyoko, komm, setz dich. Und erzähl uns alles, was weiÃt.â
Kyoko sah zu Suki. Es gefiel ihr nicht, dass ihre Freundin sauer auf sie war. Wieso stritten sie plötzlich alle miteinander? Sie hatten immer zusammen gehalten und einander verteidigt⦠etwas stimmte nicht. Sie setzte sich hin und begann, zu erzählen, was passiert war, von dem Moment bei der Quelle bis zu Shinbes Erscheinen in ihrer Zeit.
Natürlich erzählte sie ihnen nichts von dem Kuss, nur dass Toya wütend war, weil sie in ihrer Unterwäsche gewesen war.
âNun, das war eigentlich alles. Er ist schlieÃlich aufgewacht, gerade bevor ich hierher kam. Es geht ihm aber wirklich nicht gut.â Sie schüttelte ihren Kopf und sah hinunter auf ihre Hände. âGroÃvater sagt, dass es zumindest einige Tage dauern wird, bevor er wieder aufstehen und sich bewegen kann.â
Sukis Kopf hob sich ruckartig. âWas? Er kann nicht in deiner Zeit bleiben!â Sie senkte sofort wieder den Blick und fühlte sich merkwürdig. Woher kam diese Eifersucht plötzlich?
Sennin legte eine Hand auf Sukis Arm. âBeruhige dich, würdest nicht wollen, dass er reist, wenn er noch verletzt ist.â
Suki seufzte: âAber es ist zu lang. Wir können auch hier für ihn sorgen.â Ihr gefiel die Tatsache nicht, dass die Gruppe zersplittert war.
Sennin kicherte: âUi, aber um ihn hierher zu bekommen, muss er durch das Herz der Zeit reisen. Der Stress, etwas zu tun, was nicht erlaubt ist, könnte zu viel für seine Verletzungen sein.â
Kyoko stand auf. âIch möchte wirklich bleiben, aber ich bin nur gekommen um euch zu sagen, dass es ihm gut geht. Ich sollte wieder zurückgehen, ehe GroÃvater und Tama ihn verrückt machen.â Sie hob ihren Rucksack auf und lächelte nervös als Kamui zurück in die Hütte kam, wobei sich ihre Blicke trafen.
Kamui konnte sich nicht davon abhalten, Kyoko fest zu umarmen. Er fühlte sich nun viel besser, jetzt, wo er wusste, dass Toya Shinbe nicht ernsthaft verletzt hatte. Als Kyoko nicht zurückgekommen war, hatte er schon das Schlimmste befürchtet.
âIch behalte sie von dieser Seite in den Augen. Du geh und bring unseren Shinbe zurückâ, lächelte er wobei Liebe in seinen vielfarbigen Augen tanzte. Er wollte, dass sie wusste, dass er nicht sauer auf sie war, so wie Suki.
Kyoko lächelte zu ihm hoch als sie ihm eine Schachtel Schokolade gab. âAber iss sie nicht alle auf einmal. Ich will nicht, dass du Bauchschmerzen bekommst.â Sie strich mit ihrer Hand durch die seidigen, violetten Strähnen in seinem Haar und umarmte ihn auch. Sie war dankbar dafür, dass wenigstens einer von ihnen nicht sauer auf sie war. Kamui hatte schon immer das weichste Herz gehabt.
Sie flüsterte in sein Ohr, sodass Suki es nicht hören konnte: âWenn Toya zurückkommt, sag ihm, dass ich ihn sehen muss.â
Kamui nickte.
Suki saà mit dem Rücken zu Kyoko gewandt. âSag Shinbe, dass er sich besser beeilen sollte, mit gesund werden.â Sie schniefte und Kyoko fühlte sich plötzlich sehr schuldig. Sie lieà Kamui los und stellte all die Sachen, die sie für sie gebracht hatte, bei der Tür ab, da sie Suki in diesem Moment nicht noch einmal stören wollte. Sie wusste, sie würde die Vorräte und Leckereien später finden. Sie verabschiedete sich und ging alleine zurück zum Schrein während sie sich fragte, wo Toya war.
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Auf der anderen Seite des Zeitportals lag Shinbe mit geschlossenen Augen im Bett und versuchte, GroÃvaters sinnloses Geplapper mit seinen eigenen Gedanken zu ertränken. 'Wann würde Kyoko zurückkommen und ihn retten?' in seinen Gedanken lachte er wie ein Geisteskranker. Ja, sie war die einzige, die ihn nun retten konnte.
Selbst mit seinen Verletzungen konnte er nicht aufhören, an sie zu denken. Dies musste die Bestrafung der Götter für seine Sünden sein. Er war sich dessen sehr bewusst, dass er jetzt nicht mehr atmen würde, wenn Toya die ganze Wahrheit gekannt hätte.
Die anderen, inklusive Toya, hatten immer angenommen, dass er Suki wollte, nur weil das genau das war, was er wollte, dass sie dachten. Suki wollte nichts von Liebe wissen und dadurch war sie gefahrlos gewesen⦠ohne es zu wissen, spielte sie eine groÃe Rolle in seiner Lüge. Er versank langsam wieder in Schlaf während Visionen von Kyoko in seinen Armen durch seine Gedanken blitzten.
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Mit gemischten Gefühlen ging Kyoko langsam zurück zum Jungfernschrein. Wieso war Toya weggelaufen? Und nun fühlte sie sich egoistisch dafür, dass sie die anderen so lange in Sorge alleine gelassen hatte. Es war nur, dass sie gedacht hatte, dass Toya ihnen erzählen würde, was passiert war. Diese ganze Sache geriet auÃer Kontrolle. Sie mussten immer noch die Bruchstücke des Talismans finden und Hyakuhei war irgendwo da drauÃen und plante wahrscheinlich ihr aller Ende. In diesem Moment schien die ganze Bande zu zersplittern.