Lichtenstein - Вильгельм Гауф 9 стр.


"Und der Herzog?" fragte Georg.

"Von Blaubeuren ist er weggeritten, wohin weiß man nicht. In den Schlössern aber liegt die Ritterschaft, sie zu verteidigen; bis der Herzog vielleicht andere Hilfe bekommt."

Der alte Johann unterbrach hier den Boten und meldete, daß der Junker auf zwei Uhr in den Kriegsrat beschieden sei, der in Frondsbergs Quartier gehalten werde; Georg war nicht wenig erstaunt über diese Nachricht; was konnte man von ihm im Kriegsrat wollen? Sollte Frondsberg schon ein Mittel gefunden haben; ihn zu empfehlen?

"Nehmt Euch in acht, Junker", sprach der Bote, als der alte Johann das Gemach verlassen hatte, "und bedenkt das Versprechen, das Ihr dem Fräulein gegeben; vor allem erinnert Euch, was sie Euch sagen ließ: Ihr sollt Euch hüten, weil man etwas mit Euch vorhabe. Mir aber erlaubt, als Euer Diener in diesem Haus zu bleiben; ich kann Euer Pferd besorgen und bin zu jedem Dienst erbötig."

Georg nahm das Anerbieten des treuen Mannes mit Dank an; und Hans trat auch sogleich in seinen Dienst, denn er band seinem jungen Herrn das Schwert um und setzte ihm das Barett zurecht. Er bat ihn noch unter der Tür, seines Schwures und jener Warnung eingedenk zu sein.

Dem unbegreiflichen Ruf in den Kriegsrat und der sonderbar zutreffenden Warnung Mariens nachsinnend, ging Georg dem bezeichneten Haus zu; man wies ihn dort eine breite Wendeltreppe hinan, wo er im ersten Zimmer rechts die Kriegsobersten versammelt finden sollte. Aber der Eingang in dieses Heiligtum wurde ihm nicht so bald verstattet; ein alter bärtiger Kriegsmann fragte, als er die Tür öffnen wollte, nach seinem Begehr und gab ihm den schlechten Trost, es könne höchstens noch eine halbe Stunde dauern, bis er vorgelassen werde; zugleich ergriff er die Hand des jungen Mannes und führte ihn einen schmalen Gang hindurch, nach einem kleinen Gemach, wo er sich einstweilen gedulden sollte.

Wer je in besorgter Erwartung einsam und allein auf der Marterbank eines Vorzimmers saß, der kennt die Qual die Georg in jener Stunde auszustehen hatte. Da geht endlich eine Tür, gewichtige Schritte kommen den Gang herauf, die Klinke der Tür bewegt sich nach langer Zeit wieder.

"Georg von Frondsberg läßt Euch seinen Gruß vermelden", sprach der alte Kriegsmann, der nach so langer Zeit wieder zu Georg kam, "es könne vielleicht noch eine Weile dauern, doch sei dies ungewiß, darum sollt Ihr hierbleiben. Er schickt Euch hier einen Krug Wein zum Vespern."

Der Diener setzte den Wein auf den breiten Fenstersims des Zimmers, denn ein Tisch war nicht vorhanden und verließ das Gemach.

Georg sah ihm staunend nach; er hätte dies nicht für möglich gehalten; über eine Stunde war schon vergangen, und noch nicht? Er griff zu dem Wein; er war nicht übel, aber wie konnte ihm in seiner traurigen Einsamkeit das Glas munden?

Kein Wunder daher, daß Georg, als er nach zwei tödlich langen Stunden in den Kriegsrat abgeholt wurde, nicht in der besten Laune war. Er folgte schweigend dem ergrauten Führer, der ihn hierher geleitet hatte, den langen Gang hin.

An der Tür wandte sich jener um und sagte freundlich: "Verschmäht den Rat eines alten Mannes nicht, Junker, und legt die trotzige, finstere Miene ab; es tut nicht gut bei den strengen Herren da drinnen."

Georg war in dem Augenblick zuwenig Herr über sich, als daß er den wohlgemeinten Rat hätte befolgen können; er dankte ihm durch einen Händedruck, ergriff dann rasch die gewaltige eiserne Türklinke, und die schwere eichene Zimmertür drehte sich ächzend auf.

Um einen großen, schwerfälligen Tisch saßen acht ältliche Männer, die den Kriegsrat des Bundes bildeten. Einige davon kannte Georg. Jörg Truchseß, Freiherr von Waldburg, nahm als Oberster Feldleutnant den obersten Platz am Tisch ein, zu beiden Seiten von ihm saßen Frondsberg und Franz von Sickingen, von den übrigen kannte er keinen außer den alten Ludwig von Hutten; aber die Chronik hat uns ihre Namen treulich aufbewahrt; es saßen dort noch Christoph Graf zu Ortenberg, Alban von Closen; Christoph von Frauenberg und Diepolt von Stein, bejahrte, im Heer angesehene Männer.

Georg war an der Tür stehengeblieben, Frondsberg aber winkte ihm freundlich, näher zu kommen. Er trat bis an den Tisch und überschaute nun mit dem freien kühnen Blick, der ihm so eigen war, die Versammlung. Aber auch er wurde von den Versammelten beobachtet, und es schien, als fänden sie Gefallen an dem schönen, hochgewachsenen Jüngling, denn mancher Blick ruhte mit Wohlwollen auf ihm, einige nickten ihm sogar freundlich zu.

Der Truchseß von Waldburg hob endlich an "Georg von Sturmfeder, wir haben uns sagen lassen, Ihr seid auf der Hochschule in Tübingen gewesen, ist dem so?"

"Ja, Herr Ritter", antwortete Georg.

"Seid Ihr in der Gegend von Tübingen genau bekannt?" fuhr jener fort.

Georg errötete bei dieser Frage; er dachte an die Geliebte, die ja nur wenige Stunden von jener Stadt entfernt auf ihrem Lichtenstein war; doch faßte er sich bald und sagte: "Ich kam zwar nicht viel auf die Jagd, auch habe ich sonst die Gegend wenig durchstreift, doch ist sie mir im allgemeinen bekannt."

"Wir haben beschlossen", fuhr Truchseß fort, "einen sicheren Mann in jene Gegend zu schicken, auszukundschaften, was der Herzog von Württemberg bei unserem Anzug tun wird. Es soll auch über die Befestigung des Schlosses Tübingen, über die Stimmung des Landvolkes in jener Gegend genaue Nachricht eingezogen werden; ein solcher Mann kann dem Württemberger durch Klugheit und List mehr Abbruch tun als hundert Reiter, und wir habenEuch dazu ausersehen."

"Mich?" rief Georg voll Schrecken.

"Euch, Georg von Sturmfeder; zwar gehört Übung und Erfahrung zu einem solchen Geschäft, aber was Euch daran abgeht, möge Euer Kopf ersetzen."

Man sah dem Jüngling an, daß er einen heftigen Kampf mit sich kämpfte. Sein Gesicht war bleich, sein Auge starr, seine Lippen fest zusammengepreßt. Die Warnung Mariens war ihm jetzt auf einmal klar; aber wie fest er auch bei sich beschloß, den Antrag auszuschlagen, wie erwünscht beinahe diese Gelegenheit erschien; um dem Bund zu entsagen; so kam ihm die Entscheidung doch zu überraschend, er scheute sich, vor den berühmten Männern seinen Entschluß auszusprechen.

Der Truchseß rückte ungeduldig auf seinem Stuhl hin und her, als der junge Mann so lange mit seiner Antwort zögerte: "Nun? Wird's bald? Warum besinnt Ihr Euch so lange?" rief er ihm zu.

"Verschont mich mit diesem Auftrag", sagte Georg nicht ohne Zagen, "ich kann, ich darf nicht."

Die alten Männer sahen sich erstaunt an, als trauten sie ihren Ohren nicht. "Ihr dürft nicht, Ihr könnt nicht?" wiederholte Truchseß langsam, und eine dunkle Röte, der Vorbote seines aufsteigenden Zornes, lagerte sich auf seiner Stirn und um seine Augen.

Georg sah, daß er sich in seinen Ausdrücken übereilt habe; er sammelte sich und sprach mit freierem Mut: "Ich habe Euch meine Dienste angeboten, um ehrlich zu fechten; nicht aber um mich in Feindesland zu schleichen und hinterrücks nach seinen Gedanken zu spähen. Es ist wahr, ich bin jung und unerfahren, aber so viel weiß ich doch, um mir von meinen Schritten Rechenschaft geben zu können; und wer von Euch der Vater eines Sohnes ist, möchte ihm zu seiner ersten Waffentat raten, den Kundschafter zu machen?"

Der Truchseß zog die dunklen, buschigen Augenbrauen zusammen und schoß einen durchdringenden Blick auf den Jüngling, der so kühn war, anderer Meinung zu sein als er. "Was fällt Euch ein, Junker!" rief er. "Eure Reden helfen Euch jetzt nichts, es handelt sich nicht darum, ob es sich mit Eurem kindischen Gewissen verträgt, was wir Euch auftragen; es handelt sich um Gehorsam, wir wollen es, und Ihr müßt!"

"Und ich will nicht!" entgegnete ihm Georg mit fester Stimme. Er fühlte, daß mit dem Zorn über Waldburgs beleidigenden Ton sein Mut von Minute zu Minute wuchs, er wünschte sogar, der Truchseß möchte noch weiter in seinen Reden fortfahren, denn jetzt glaubte er sich jeder Entscheidung gewachsen.

Der Truchseß zog die dunklen, buschigen Augenbrauen zusammen und schoß einen durchdringenden Blick auf den Jüngling, der so kühn war, anderer Meinung zu sein als er. "Was fällt Euch ein, Junker!" rief er. "Eure Reden helfen Euch jetzt nichts, es handelt sich nicht darum, ob es sich mit Eurem kindischen Gewissen verträgt, was wir Euch auftragen; es handelt sich um Gehorsam, wir wollen es, und Ihr müßt!"

"Und ich will nicht!" entgegnete ihm Georg mit fester Stimme. Er fühlte, daß mit dem Zorn über Waldburgs beleidigenden Ton sein Mut von Minute zu Minute wuchs, er wünschte sogar, der Truchseß möchte noch weiter in seinen Reden fortfahren, denn jetzt glaubte er sich jeder Entscheidung gewachsen.

"Ja freilich, freilich!" lachte Waldburg in bitterem Grimm. "Das Ding hat Gefahr, so allein im Feindesland herumzureiten Ha! Ha! Da kommen die Junker von Habenichts und Binnichts und bieten mit großen Worten und erhabenen Gesichtern ihren Kopf und ihren tapferen Arm an, und wenn es drauf und dran kommt, wenn man etwas von ihnen haben will, so fehlt es an Herz. Doch Art läßt nicht von Art, der Apfel fällt nicht weit vom Stammund wo nichts ist, da hat der Kaiser das Recht verloren."

"Wenn dies eine Beleidigung für meinen Vater sein soll", antwortete Georg erbittert, "so sitzen hier Männer, die ihm bezeugen können, daß er in ihrem Gedächtnis als ein Tapferer lebt. Ihr müßt viel getan haben in der Welt, daß Ihr Euch herausnehmt, auf andere so tief herabzusehen!"

"Soll ein solcher Milchbart mir vorschreiben, was ich reden soll?" unterbrach ihn Waldburg. "Was braucht es da das lange Schwatzen? Ich will wissen, Junkerlein, ob Ihr morgen Euer Pferd satteln und Euch nach unseren Befehlen richten wollt oder nicht!"

"Herr Truchseß", antwortete Georg mit mehr Ruhe, als er sich selbst zugetraut hatte, "Ihr habt durch Eure scharfen Reden nichts gezeigt, außer daß Ihr kaum wißt, wie man mit einem Edelmann, der dem Bund seine Dienste anbot, wie man mit dem Sohn eines tapferen Vaters sprechen müsse. Ihr habt aber als Oberster dieses Rates im Namen des Bundes zu mir gesprochen und mich so tief beleidigt, als ob ich Euer ärgster Feind wäre, darum kann ich nichts tun als, wie Ihr selbst befehlt, mein Roß satteln, aber gewiß nicht zu Eurem Dienst. Es ist mir nicht länger Ehre, diesen Fahnen zu folgen nein, ich sage mich los und ledig von Euch für immer; gehabt Euch wohl!"

Der junge Mann hatte mit Nachdruck und Festigkeit gesprochen und wandte sich zu gehen.

"Georg", rief Frondsberg, indem er aufsprang, "Sohn meines Freundes!"

"Nicht so rasch, Junker", riefen die übrigen und warfen mißbilligende Blicke auf Waldburg; aber Georg war, ohne sich umzusehen, aus dem Gemach geschritten, die eiserne Klinke schlug klirrend ins Schloß und die gewaltigen Flügel der eichenen Pforte lagerten sich zwischen ihn und den wohlmeinenden Nachruf der besser gesinnten Männer; sie schieden Georg von Sturmfeder auf ewig vom schwäbischen Bund.

Kapitel 10

Georg fühlte sich leichter, als er auf seinem Zimmer über das Vorgefallene nachdachte. Jetzt war ja entschieden, was zu entscheiden er so lange gezögert hatte, entschieden auf eine Weise, wie er sie besser nicht hätte wünschen können. So hatte er jetzt einen guten Grund, das Heer sogleich zu verlassen, und der Oberst-Feldleutnant mußte die Schuld sich selbst beimessen.

Wie schnell hatte sich doch alles in den vier Tagen gewendet; wie verschieden waren die Gesinnungen, mit denen er in diese Stadt einzog, von denen, die ihn aus ihren Mauern hinaustrieben! Damals, als der Donner der Geschütze, der feierliche Klang aller Glocken, die lockenden Töne der Trompeten ihn begrüßten, wie schlug da sein Herz dem Kampf entgegen, um Marien zu verdienen! Und als er das erste Mal vor jenen Frondsberg geführt wurde, wie erhebend war der Gedanke, unter den Augen dieses Mannes zu streiten, aus seinem Mund sich Ruhm zu erwerben!Und wie erkaltete bald darauf sein Eifer, als der Bund in seinen Augen jenen Glanz verlor, mit welchem ihn seine jugendliche Phantasie umgeben hatte; wie schämte er sich, sein Schwert für die zu ziehen, die, nur von Eigennutz und Habgier getrieben, das schöne Land sich zur Beute ausersehen hatten! Wie schrecklich war ihm der Gedanke, Marie und die Ihrigen auf der feindlichen Seite zu wissen, treu ergeben dem unglücklichen Fürsten, den auch er aus seinen Grenzen zu jagen helfen sollte? Um eine solche Sache sollte er jenes teure Herz brechen, das unter jedem Wechsel treu für ihn schlug? "Nein! Du hast es wohl mit mir gemeint", sprach er, indem sein Auge dem Strahl der Abendsonne, der durch die runden Scheiben hereinfiel, hinauf zu dem blauen Himmel folgte, "Du hast es wohl mit mir gemeint; was jedem anderen, der heute an meiner Stelle stand, zum Verderben gewesen wäre, hast Du für mich zum Heil gelenkt!" Jene Heiterkeit, die, seit er wußte, wie furchtbar sich das Geschick zwischen ihn und die Geliebte stellte, einem trüben Ernst gewichen war, kehrte wieder auf seine Stirn, um seinen Mund zurück; er sang sich ein frohes Lied, wie in seinen frohesten Augenblicken.

Erstaunt betrachtete ihn der eintretende Herr von Kraft. "Nun, das ist doch sonderbar", sagte er, "ich eile nach Haus, um meinen Gast in seinem gerechten Schmerz zu trösten und finde ihn so fröhlich wie nie; wie reime ich das zusammen?"

"Habt Ihr noch nie gehört, Herr Dietrich", entgegnete Georg, der es für geratener hielt, seine Fröhlichkeit zu verbergen, "habt Ihr nie gehört, daß man auch aus Zorn lachen und singen kann?"

"Gehört hab' ich es schon, aber gesehen nie bis zu diesem Augenblick", antwortete Kraft.

"Nun, und Ihr habt also auch schon von der verdrießlichen Geschichte gehört?" fragte Georg. "Man erzählt es sich gewiß schon auf allen Straßen?"

"Oh nein", antwortete der Ratsschreiber, "man weiß nirgends etwas davon, man hätte ja zugleich Eure geheime Sendung nach Württemberg damit ausposaunen müssen. Nein! Ich habe, Gott sei Dank, so meine eigenen Quellen und erfahre manches noch in der Stunde, wo es getan oder gesprochen wurde. Aber nehmt mir's nicht übel, Ihr habt da einen dummen Streich gemacht!"

"So", antwortete Georg lächelnd, "und warum denn?"

"Bot sich Euch nicht die schönste Gelegenheit, Euch auszuzeichnen? Wem wären die Bundesobersten mehr Dank schuldig als"

"Sagt es nur heraus", unterbrach ihn Georg "als dem Kundschafter in des Feindes Rücken. Es ist nur schade, daß mein Vater und die Ehre meines Namens mich vor und nicht hinter den Feind bestimmt haben, es sei denn, daß er vor mir fliehe."

"Dies sind Bedenklichkeiten, die ich nicht bei Euch gesucht hätte. Wahrlich, wenn ich so bekannt in jener Gegend wäre wie Ihr, man hätte es mir nicht zweimal sagen dürfen."

"Ihr habt hierzulande vielleicht andere Grundsätze über diesen Punkt" sagte Georg nicht ohne Spott, "als wir in unserem Franken, das hätte Truchseß von Waldburg bedenken und einen Ulmer schicken sollen."

"Ihr bringt mich da eben noch recht auf etwas anderes. Der Oberfeldleutnant! Wie habt ihr ihn Euch so zum Feind machen mögen, denn daß dieser Euch das Geschehene in seinem Leben nicht verzeiht, dürft Ihr gewiß sein."

"Das ist mein geringster Kummer", antwortete Georg "aber eines tut mir weh, daß ich den übermütigen, der schon meinem Vater Böses getan, wo er konnte, nicht vor meine Klinge stellen und ihm zeigen kann, daß der Arm nicht so ganz zu verachten ist, den er heute von sich gestoßen hat."

"Um Gottes willen", fiel Kraft ein, "sprecht nicht so laut, er könnte es hören. Überhaupt müßt Ihr Euch sehr zusammennehmen, wenn Ihr ferner im Heer unter ihm dienen wollt."

"Ich will den Herrn Truchseß von meinem verhaßten Anblick bald befreien. So Gott will, habe ich die Sonne zum letzten Mal in Ulm untergehen sehen."

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