Das Mädchen Der Verbotenen Regenbögen - Rosette 4 стр.


Melisande.

Er mimte eine unbeholfene Verbeugung. Es freut mich sehr, dich kennenzulernen, Melisande Rotschopf. Dein Name ist wirklich seltsam, es ist kein schottischer Name Obwohl du scheinst mir schottischer zu sein als ich.

Ich lächelte aus reiner Höflichkeit und versuchte, an ihm vorbei zu kommen, immer noch in der Angst, zu spät zu kommen. Aber er versperrte mir den Weg, fest mit breiten Beinen stand er mitten im Flur. Nur durch das rechtzeitige Einschreiten einer dritten Person konnte die verfahrene Situation entwirren.

Miss Bruno! Ich kann Verzögerungen nicht ausstehen! Der Ruf kam zweifellos von meinem neuen Arbeitgeber und ich bekam eine Gänsehaut im Nacken.

Kyle trat schnell zur Seite und ließ mich vorbei. Viel Glück, Melisande Rotschopf. Du wirst es brauchen.

Ich warf ihm einen wütenden Blick zu und lief auf die Tür am Ende des Flurs zu. Sie stand halb offen, und eine Rauchwolke drang aus ihr heraus.

Sebastian Mc Laine saß hinter dem Schreibtisch, genau wie am Vortag, eine Zigarre zwischen den Fingern, mit unnachgiebigem Gesicht.

Schließen Sie die Türe, bitte. Und dann setzen Sie sich. Wir haben schon genug Zeit damit vergeudet, dass Sie mit dem Rest des Personals Freundschaft schließen. Sein Ton klang hart und beleidigend.

Eine innerer Aufruhr trieb mich zu einer Antwort, ein waghalsiges Lamm vor dem Schlachtbeil.

Es war reine Höflichkeit. Oder bevorzugen Sie vielleicht eine ungehobelte Sekretärin? In diesem Fall kann ich die Zelte auch sofort abbrechen.

Meine Impulsantwort erwischte ihn völlig unvorbereitet. In seinem Gesicht blitzte ein Funken Überraschung auf, wahrscheinlich der gleiche, den mein Gesicht wiederspiegelte. Ich war noch nie so wagemutig gewesen.

Und ich hatte Sie schon als zahnlosen Schosshund eingestuft ... Da war ich wohl voreilig ... Wirklich voreilig.

Ich konnte mich kaum noch auf meinen wackeligen Beinen halten und setzte mich ihm gegenüber, völlig zerknirscht über meine rücksichtslose Offenheit. Und angsterfüllt über die möglichen explosiven Folgen.

Mein Arbeitgeber schien alles andere als beleidigt zu sein. Er lächelte. Wie ist Ihr Vorname, Miss Bruno?

Melisande, antwortete ich automatisch.

Nach Debussy, nehme ich an. Waren Ihre Eltern Musikliebhaber? Musiker vielleicht sogar?

Mein Vater war Bergmann, gab ich ungern zu.

Melisande ... Ein ausgefallener Name für die Tochter eines Bergmanns, stellte er mit vibrierenden Stimme eines zurückhaltenden Lachens fest. Er machte sich über mich lustig, und trotz der Vorsätze des Tages zuvor, war ich nicht sicher, ob ich das zulassen wollte. Oder es wäre zu seiner Lieblingsbeschäftigung geworden.

Ich straffte die Schultern und versuchte die verlorene Fassung wiederzuerlangen. Und Sebastian, warum? Vom Heiligen Sebastian vielleicht? Wirklich nicht unbedingt eine passende Wahl.

Er nahm den Schlag hin und kräuselte die Nase für den Bruchteil einer Sekunde. Zieh deine Krallen wieder ein, Melisande Bruno. Ich führe keinen Krieg mit dir. Wenn es so wäre, hättest du keine Chance zu gewinnen. Nie. Nicht einmal in deinen kühnsten Träumen.

Ich träume nie, Sir, antwortete ich so würdevoll wie es möglich.

Er schien von meiner Antwort beeindruckt, die vor Aufrichtigkeit triefte. Du kannst dich glücklich schätzen. Träume sind immer irgendwie Betrug. Wenn es Albträume sind, rauben sie dir den Schlaf. Wenn sie schön sind, ist das Erwachen doppelt bitter. Alles in allem ist es besser nicht zu träumen. Seine betörenden Augen lösten sich nie von den meinen. Du bist eine interessante Person Melisande. Klein aber oho, und noch dazu witzig, fügte er neckend hinzu.

Schön, dann habe ich ja die notwendigen Qualifikationen für diese Arbeit, sagte ich trocken.

Ich zerbiss mir mit den Zähnen die Unterlippe, schon wieder von Reue geplagt. Was geschah mit mir? Ich hatte noch nie mit so schamloser Unüberlegtheit reagiert. Ich musste das unterbinden, bevor ich vollständig die Kontrolle verlor.

Er grinste nun von einem Ohr zum anderen, grenzenlos amüsiert. Die hast du tatsächlich. Ich bin sicher, dass wir gut miteinander auskommen werden. Eine Sekretärin, die nicht träumen kann, genauso wie ihr Chef. Da besteht wohl eine Wahlverwandtschaft zwischen uns, Melisande. Seelenverwandt, in einem gewissen Sinne. Abgesehen davon, dass einer von uns mehr als eine hat, und das schon seit langer Zeit ... .

Bevor ich seinen obskuren Worten einen Sinn geben konnte, wurde er wieder ernst, mit gleichgültigem Blick, einem unergründlicher Ausdruck im Gesicht, weit weg und ohne ein Funken Leben.

Du musst ein Fax mit den ersten Kapiteln des Buchs an meinen Verleger senden. Weißt du, wie das geht?

Ich nickte, und mit einem Stich im Herzen wurde mir klar, dass ich unser verbales Duell jetzt schon vermisste. Ich wünschte, es wäre von unendlicher Dauer. Ich hatte aus diesem Schlagaustausch eine für mich neu entdeckte Energie aus einer Wunderquelle geschöpft, die mich mit einer Vitalität erfüllte, die mich fast bersten ließ.

Die nächsten zwei Stunden vergingen wie im Flug. Ich verschickte mehrere Faxe, öffnete die Post, schrieb Ablehnungsbriefe für verschiedene Einladungen und räumte seinen Schreibtisch auf. Er, in aller Stille, schrieb am Computer, runzelte die Stirn, die Lippen fest aufeinander gepresst, die weißen eleganten Hände flogen über die Tastatur. So gegen Mittag rief er meine Aufmerksamkeit mit einer Handbewegung auf sich.

Du kannst eine Pause machen, Melisande. Vielleicht möchtest du etwas essen, oder einen Spaziergang machen.

Vielen Dank, Sir.

Hast du mit dem Buch begonnen, das ich dir gegeben habe? Sein Gesicht war noch weit weg, bewegungslos, aber ein Funken guter Laune blitzte in den schwarzen Augen auf.

Sie hatten Recht, Sir. Es ist nicht gerade mein Ding, gab ich in aller Aufrichtigkeit zu.

Seine Mundwinkel hoben sich leicht und formten ein schiefes Lächeln, das meinen Schutzpanzer durchdrang. Und ich dachte immer, er wäre härter als Stahl.

Ich zweifelte nicht daran. Ich wette, du bist eher ein Romeo-und- Julia-Typ. Es lag kein bisschen Ironie in seiner Stimme, er machte nur eine Beobachtung.

Nein, Sir. Es war die natürlichste Sache für mich, ihm zu widersprechen, als ob wir uns schon ewig kannten, und ich konnte einfach nur ich selbst sein, ohne Ausflüchte oder Masken. Ich liebe einfach nur Geschichten mit Happy End. Das Leben an sich ist schon bitter genug, um es mit einem Buch noch schlimmer zu machen. Wenn ich schon nicht nachts träumen kann, dann will ich es zumindest am Tag tun. Wenn ich schon nicht im Leben träumen kann, dann will ich es zumindest mit einem Buch tun.

Er wägte meine Worte mit Bedacht ab, und nahm sich dafür so lange Zeit, dass ich dachte, er würde mir keine Antwort mehr geben. Als ich im Begriff war mich zu verabschieden, hielt er mich zurück.

Hat Mrs. Mc Millian dir die Herkunft des Namens dieses Hauses erklärt?

Sie hat es vielleicht getan, gab ich mit einem verhaltenen Lächeln zu. Ich fürchte jedoch, dass ich ihr nur mit halbem Ohr zugehört habe.

Gut gemacht, ich schalte auch immer nach dem zehnten Wort ab, lobte er mich ganz ohne Ironie. Ich war noch nie ein gutes Opfer. Ich bin durch und durch Egoist.

Manchmal muss man ein Egoist sein, sagte ich, ohne nachzudenken. Oder man wird von den Erwartungen der Anderen zerdrückt werden. Und es endet damit, dass man nicht das eigenen Leben lebt, sondern das, das andere für einen entschieden haben.

Sehr weise, Melisande Bruno. Du hast mit deinen zweiundzwanzig Jahren den Schlüssel zur spirituellen Gelassenheit gefunden. Das schafft nicht jeder.

Gelassenheit? wiederholte ich bitter. Nein, die Weisheit etwas zu verstehen, heißt nicht unbedingt, diese zu akzeptieren. Weisheit kommt aus dem Kopf, das Herz folgt anderen Wegen, unabhängige und gefährliche Wege. Es neigt dazu, fatale Umwege zu machen.

Er bewegt sich mit dem Rollstuhl auf meine Seite des Schreibtischs mit einem Blick, der mich durchbohrte. Und? Was ist? Wollen Sie nun wissen, was es mit dem Namen Midnight Rose auf sich hat, oder nicht?

Mitternachtsrose, übersetzte ich, während ich mit meiner inneren Aufregung kämpfte, die mir seine Nähe verursachte. Ich vermied schon lange Zeit jede Art von männlicher Gesellschaft, seit meiner ersten und einzigen Verabredung. Dies war so katastrophal verlaufen, dass ich für immer geheilt war.

Genau. In dieser Gegend erzählt man sich eine Legende, seit Jahrhunderten, vielleicht auch seit Jahrtausenden, die besagt, dass wenn wir die Blüte einer Rose um Mitternacht erleben, unser größter und geheimster Wunsch wie durch einen Zauber erfüllt wird. Auch wenn es sich um einen dunklen und verfluchten Wunsch handelt.

Er ballte die Hände zu Fäusten, fast als ob er mich mit seinem Blick herausforderte.

Wenn der Wunsch, den Zweck hat, uns glücklich zu machen, dann ist er nie dunkel und verflucht, sagte ich leise.

Er starrte mich aufmerksam an, als ob er seinen Ohren nicht trauen könnte. Ihm entwich ein fast dämonisches Lachen. Ein Schauer lief mir eiskalt über den Rücken.

Sehr weise, Melisande Bruno. Das gestehe ich dir zu. Das sind abscheuliche Worte für ein Mädchen, das keiner Fliege etwas zu leid tun würde, ohne eine Träne zu vergießen.

Eine Fliege vielleicht. Bei einer Stechmücke hätte ich keine Skrupel, gab ich lapidar zu Antwort.

Erneut wurde er aufmerksam, eine kleine Flamme, die die Kälte seiner dunklen Augen wärmte. Was habe ich schon alles über Dich erfahren, Miss Bruno. In wenigen Stunden habe ich entdeckt, dass Du die Tochter eines Bergmanns bist, der gerne Debussy hört, dass du nicht im Stande bist zu träumen und Stechmücken hasst. Warum nur, frage ich mich. Was haben dir diese armen Geschöpfe nur angetan? Der Spott in seiner Stimme war nicht zu verkennen.

Von wegen arme Geschöpfe, antwortete ich prompt. Sie sind Parasiten, Blutsauger. Es sind nutzlose Insekten, im Gegensatz zu Bienen und auch nicht so nett wie Fliegen.

Er schlug sich auf die Schenkel und lachte. Nette Fliegen? Du bist schon sehr seltsam, Melisande, und wirklich spaßig.

Launischer als jegliches Aprilwetter wechselte seine Laune drastisch. Das Lachen verendete in einem Hustenanfall und er schaute mich erneute durchdringend an. Stechmücken sind Blutsauger, weil sie keine andere Wahl haben. Es ist ihre einzige Ernährungsquelle, kann man ihnen das etwa verdenken? Sie haben sehr feine Geschmacksnerven im Vergleich zu den vielgerühmten Fliegen, die sich in menschlichen Abfällen suhlen.

Ich starrte auf den mit Papier überladenen Schreibtisch, und fühlte mich unter dem Blick seiner kalten Augen unbehaglich.

Was würdest du anstelle der Stechmücke machen, Melisande? Würdest du darauf verzichten, dich zu ernähren? Würdest du lieber vor Hunger sterben, um nicht Parasit genannt zu werden? Sein Ton war fordernd, so als ob er eine Antwort erwartete.

Und ich gab nach. Wahrscheinlich nicht. Aber ich bin mir nicht so ganz sicher. Ich müsste eine Mücke sein, um ganz sicher zu gehen. Ich würde gerne glauben, dass ich eine Alternative finden könnte. Ich vermied es sorgfältig ihn anzusehen.

Es gibt nicht immer Alternativen, Melisande. Einen Augenblick lang zitterte seine Stimme unter dem Gewicht eines Leidens, von dem ich keine Ahnung hatte, mit dem er sich seit fünfzehn langen Jahre jeden Tag abfinden musste. Wir sehen uns um zwei Uhr, Miss Bruno. Seien sie pünktlich.

Als ich mich zu ihm umdrehte, hatte er den Rollstuhl schon gewendet, sein Gesicht hatte er von mir weggedreht.

Im Bewusstsein einen Fauxpas begangen zu haben, fühlte sich mein Herz an, als ob es von einem Schraubstock zerquetscht würde, aber es gab keine Möglichkeit der Abhilfe.

Schweigend verließ ich den Raum.

Drittes Kapitel

Punkt zwei Uhr erschien ich im Büro. Kyle kam gerade mit einem unberührten Tablett in den Händen heraus. Er verströmte die Atmosphäre von jemandem, der alles liegen und stehen lassen und sich ans andere Ende der Welt verziehen möchte.

Er hat sehr schlechte Laune und will nichts essen, murmelte er.

Der Gedanke, dass ich die unfreiwillige Ursache seiner Stimmung sein könnte, versetzte mir einen Stich im tiefsten Inneren, in jeder Faser meines Körpers, in jeder einzelnen Zelle. Ich hatte noch nie jemandem etwas angetan, ich bewegte mich fast auf Zehenspitzen, um niemanden zu stören und achtete aufmerksam auf jedes Wort, um ja niemanden zu verletzen.

Ich trat über die Schwelle, mit einer Hand an der Tür, die Kyle offen gelassen hatte. Als ich eintrat, hob er seinen Blick. Ah, Sie sind es. Kommen Sie herein, Miss Bruno. Legen Sie bitte einen Zahn zu.

Ohne weitere Zeit zu verschwenden, gehorchte ich ihm.

Er presste einige mit einer feinen männlichen Kalligraphie beschriebenen Blätter auf den Schreibtisch. Versenden Sie diese Briefe. Einen an den Direktor meiner Bank und die anderen an die unten aufgeführten Adressen.

Sofort, Mister Mc Laine, antwortete ich mit Ehrerbietung.

Als ich in sein Gesicht blickte, stellte ich mit Freude fest, dass das Lächeln zurückgekehrt war.

Wie sind wir auf einmal so förmlich, Miss Bruno. Es besteht keine Eile. Die Briefe sind nicht wirklich wichtig. Es geht bei ihnen nicht um Leben oder Tod. Ich führe eh' schon seit vielen Jahren das Leben eines Toten.

Trotz der Härte seiner Aussage schien er seine gute Laune wiedergefunden zu haben. Sein Lächeln war ansteckend und wärmte meine aufgewühlte Seele. Zum Glück schmollte er nie zu lange, auch wenn seine Wutausbrüche jähzornig und heftig waren.

Können Sie Auto fahren, Melisande? Ich müsste Sie in die Dorfbücherei schicken, um einige Bücher abzuholen. Sie wissen schon, Recherche. Das Lächeln wurde durch eine Grimasse ersetzt. Ich kann natürlich nicht hingehen, fügte er hinzu, als ob es eine Erklärung bedurfte.

Verlegen ballte ich die Blätter in meinen Händen und lief Gefahr, sie völlig zu zerknittern. Ich habe keinen Führerschein, Sir, entschuldigte ich mich.

Die Überraschung veränderte seine wunderschönen Gesichtszüge. Und ich dachte, dass die heutige Jugend es nicht erwarten könnte, erwachsen zu werden nur um offiziell fahren zu dürfen. Sie tun es ja ohnehin schon vorher, heimlich halt.

Ich bin anders, Sir, sagte ich lakonisch. Und das war ich wirklich. Fast schon außerirdisch, mit meinem Anderssein.

Er schaute mich forschend mit diesen schwarzen Augen an, die fast noch durchdringender als Röntgenstrahlen waren. Ich hielt seinem Blick stand und versuchte so aus dem Stehgreif eine plausible Ausrede zu finden.

Ich habe Angst zu fahren, und deswegen würde ich wahrscheinlich nur eine Katastrophe nach der anderen verursachen, erklärte ich schnell, während ich die Blätter glättete, die ich selbst zuvor zerknittert hatte.

Nach so viel Aufrichtigkeit Ihrerseits, klingt das mir eher nach einer Ausrede, befand er.

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