»Chloe? Eine Dame, die ihr Vermögen verschleuderte, um ein übles Subjekt wieder flottzumachen, ja, ich erinnere mich, von ihr gehört zu haben. Ist sie noch hier? Und ruiniert natürlich.«
»Im Portemonnaie, ja.«
»Und die Reputation ging mit dem Gelde.«
»Chloes Beschützer gibt zu, daß sie allen Gefahren der Unklugheit ausgesetzt ist. Um so heller strahlt ihre angeborene Reinheit, ihre Herzensgüte, ihre Treue. Das ist eine Frau, deren große Seele in der Erniedrigung zu leuchten beginnt.«
»Ich glaube wohl, daß sie ihre Schönheit bewahrt hat,« bemerkte der Herzog mit einem Lächeln.
»Ja, bis auf die Rosen, die gingen, weil sie nicht ihres Herzens Geduld hatten. Nun blüht die Lilie. So soll Chloe der Herzogin Gesellschaft sein während ihres Aufenthaltes, und wenn nicht der Teufel selber dazwischen kommt, verbürge ich mich Ihrer Durchlaucht gegen jeden schlimmeren Schaden als Erfahrung. Und diese,« fügte der Beau hinzu, als der Herzog bei dem gefürchteten Wort Erfahrung die Arme in die Höhe hob. »und diese soll von der milden Art sein. Sie will natürlich spielen, das ist sicher. Setzen Euer Durchlaucht mit tausend Pfund eine Grenze. Wir entwerfen ihr eine Folge erlaubbarer Dummheiten, und sie spielt dann peu à peu die Tausend herunter, und ihr eheliches Gewissen wird sich so wohl befinden als nur möglich.«
»Tausend Pfund,« sagte der Herzog, »das ist ja nicht viel. Mir fällt nun eine Beschreibung dieser schönen Chloe ein, die mir ein Enthusiast gab. Eine Brünette, nicht? Mit eleganten Manieren, aus guter Familie und reicher. Hat es aber mit alldem für besser gehalten. Ihren Namen zu verschweigen und das wird unsere Schwierigkeit sein, mein lieber Cousin Beamish.«
»Damals, als ich hier noch regierte, nannte sie sich Mademoiselle Martinsward.« sagte der Beau. »Sie kam her als ganz junges Mädchen, und mit einem Schlag waren ihre Kavaliere Legion. Wie Frauen sind, wählte sie den unwürdigsten unter ihnen, und diesem Sieur Caseldy opferte sie das Vermögen, das sie von einem Onkel mütterlicherseits geerbt hatte. Alle seine Schulden zahlte sie, um ihn aus dem Schuldgefängnis loszubekommen, ein ganzer Berg von Rechnungen mit dem Advokaten oben drauf, Pelion auf Ossa, wenn ich unsere Dichter zitieren darf. Mit einer Seele, ganz aufgeweicht in generösen Gefühlen, hat sie tatsächlich die Ungerechtigkeit begangen, sich selbst auszuplündern unter Verachtung aller Anstandsgesetze des Eigentums. Das passierte, als sie majorenn wurde und machte allen Beziehungen zu ihrer Familie ein radikales Ende. Seitdem lebt sie hier in Wells, verarmt und respektiert selbst von den lüderlichsten Subjekten. Ich habe sie Chloe getauft, und jeder und jede, die ihr nicht höflich begegnet, packt seine Koffer. Ein Opfer ihrer Anwandlung zu sein, davor konnte ich sie nicht bewahren, aber gegen die Geschosse der Bosheit und Unart kann ich sie schützen.«
»Sie hat keine Leidenschaft für das Spiel?«
»Sie nährt eine Leidenschaft für den Mann, um den sie geblutet hat, und die schließt alles andre aus. Sie lebt, und ich möchte sagen, es ist ihr Motiv, jeden Tag aufzustehn und sich anzukleiden, in Erwartung, daß er kommt.«
»Vielleicht ist er tot.«
»Nein, das Vieh lebt. Und soll nicht aufgehört haben, der hübsche Caseldy zu sein. Unter uns, Herzog, da ist etwas, das ihr das Herz brechen könnte, dieser Frau. Er war der Graf Caseldy der kontinentalen Spieltische und ist seit kurzem Sir Martin Caseldy, im Vollbesitz des väterlichen Erbes an Geld und Gut, das sie ihm frei und intakt gemacht hat.«
»Eine triste Personnage.«
»Mit einem schwärzeren Mal jeden Morgen, an dem er über sein Besitztum schaut und sie dahinschwinden läßt. Sie bekommt noch Heiratsanträge, ich bin glücklich, das zur Ehrenrettung unseres Geschlechts sagen zu können. Die unvergleichliche Anziehung ihrer Person übt die natürliche Herrschaft der Schönheit aus. Aber sie schlägt alle aus. Ich nenne sie den schönen Selbstmord. Sie ist für Liebe gestorben und ist nur mehr ein Geist, ein guter Geist, ein lieblicher, aber doch nur ein Geist. Eine Kerze auf einem Altar.«
Der Herzog zeigte sich hier beunruhigt. Ob Chloes Konversation nicht etwas melancholisch sei, fragte er. Und ob der Gegenstand Ihrer Unterhaltung nicht auf Liebe und Liebhaber beschränkt sei, glückliche oder unglückliche. Er wünschte, sagte er, seine Herzogin über lustigere Dinge unterhalten, und Liebe sei ein Thema, das er sich reservieren möchte. »Dieser Monat,« machte er mit Emphase und jammernd, als ob er ihn prophezeien sollte, »wäre nur dieser Monat schon vorbei und daß wir von ihm gerechtfertigt und geklärt wären!«
Beau Beamish beruhigte Ihn. Der Witz und die Lebhaftigkeit Chloens wären so berühmt, daß mans schon wie ein Medikament ansehe. Sie sei gesucht für ihre Gesellschaft. Sie komponiere und sänge improvisierte Verse, und Harfe spiele sie und Harpsychord und die Guitarre auch, und tanze, tanze wie der silbrige Mond auf den Wassern des Mühlteiches. Und sagte zum Schluß noch, sie sei beides, menschlich und verständig, einfach und amüsant, tugendhaft, aber nicht säuerlich, mutig, doch kein Hitzkopf, mit einem Wort die beste Gesellschaft, die ideale für Ihre Durchlaucht, die junge Herzogin. Überdies nehme er sich die Freiheit, vorzuschlagen, daß die Herzogin während ihres Aufenthalts in den Wells ein Pseudonym nehme, einen andern Namen, der sie wie eine Maske verbergen solle. Man würde ihr selbstverständlich trotzdem alle Ehren erweisen.
»Ihr kommt meinen Wünschen zuvor.« sagte der Herzog, »ja, alle Ehren und den vordersten Platz und mein Zorn auf jeden, der ihn ihr streitig machen sollte.«
»Bitte, Herzog: mein Zorn,« sagte der Beau.
»Vielmals um Entschuldigung, Cousin natürlich, in keine sichereren Hände wüßte ich es zu legen als in Eure und bin Euch sehr verbunden, sehr. Chloe also. Übrigens, sie hat doch einen dezenten Respekt vor dem Alter?«
»Sie ist respektvoll aus Instinkt.«
»Ganz recht, aber nicht das. Ich wollte fragen, ob sie nicht so eine Schwätzerin ist, die von den Vorzügen und Annehmlichkeiten der Jugend schwärmt?«
»Sie hat einen jungen Anbeter, den ich den Chevalier Alonzo benannte, sie bemerkt kaum seine Anwesenheit.«
»Sehr gut, sehr gut das. Alonzo hm. Ein treuer Schäfer?«
»Das Leben ist der Baum, in dessen Rinde er unermüdlich die Initialen seiner Schönen schneidet.«
»Sie soll nicht zu grausam sein. Ich erinnere mich meiner früheren Tage, ich war Wenn junge Leute von einer Frau lange geringschätzig behandelt werden, so übertragen sie gerne ihre Affektionen und glühen stärker für ihre zweite Flamme als für ihre erste. Seid auf der Hut, Cousin. Er ist viel um sie, sagtet Ihr? Dies verliebte Geschmachte und Getue in der Nähe einer ganz unschuldigen Frau übt seinen Einfluß.«
»Um so früher werden Ihre Durchlaucht den Weg zum heimatlichen Herd wieder nehmen.«
»Oder weg davon, möge sie mir verzeihen. Ich komme mir vor wie einer von König Johanns Juden, der gezwungen wird, seinen Goldschatz ohne Sicherstellung auszuleihen. Was für eine Welt heutzutage! Nichts, Beamish, nicht das geringste Annehmliche besitzen wir, das nicht ein Gegenstand der Begierde wird! Gewinnt einen saftigen Einsatz und schon seid Ihr mit Euresgleichen auf dem Kriegsfuß und müßt von dem Moment ab Euch defendieren. Freudliches Besitzen, so was gibts auf dieser Welt nicht. Und erst gar, wenn es eine schöne, junge Frau ist, ah «
»Der Championringer fordert jeden Gegner heraus, der sich auf seinen Boden begibt,« meinte der Beau stärkend.
Der Herzog stimmte gedrückt diesen kraftvollen Worten zu.
»Gewiß, oder er wird herausgefordert, nicht? Gibt es nicht irgendeine Geschichte, die diesen Alonzo bei Chloe, der wir sie erzählen, unmöglich macht? Ihr könntet ihn eigentlich für den Monat wegschicken, mein lieber Beamish.«
Der Herzog stimmte gedrückt diesen kraftvollen Worten zu.
»Gewiß, oder er wird herausgefordert, nicht? Gibt es nicht irgendeine Geschichte, die diesen Alonzo bei Chloe, der wir sie erzählen, unmöglich macht? Ihr könntet ihn eigentlich für den Monat wegschicken, mein lieber Beamish.«
»Ich begehe keine Ungerechtigkeit ohne einen zureichenden Grund. Er ist ein schätzenswerter Junge, wie seine Ergebenheit gegenüber einer ganz einzigartigen Frau zeigt. Ihr seinen Namen und sein Vermögen zu schenken, sind alle seine Gedanken.«
»Ich sehe, ich sehe, ein ganz vortrefflicher, junger Mann. Ich fange an, diesen Alonzo gern zu haben. Ihr dürft meiner Herzogin nicht erlauben, sich über ihn zu mokieren. Enkuragiert sie vielmehr, daß sie seine Absicht auf Chloe begünstige. Die Einfalt eines jungen Mannes sollte ihr kein übler Anblick sein. Also Chloe. Gut. Ihr habt mich völlig beruhigt in diesem Punkte, Beamish. Und es ist nur noch eine Verbindlichkeit zu dem Berge der andern. Ich spreche nur deshalb nicht von Bezahlung, weil ich weiß, daß Ihr nicht meinen Bankrott wollt.«
Was der Herzog und Beau Beamish sonst sprachen, betraf das Datum von Ihrer Durchlaucht Ankunft in den Wells, wo sie wohnen sollte und andere kleine Arrangements für Dero Wohlbefinden, wobei der Herzog fortwährend bemerkte: »Aber ich überlasse alles völlig Euch,« nachdem er darin ganz genaue Instruktionen gegeben hatte, die sich bis auf die Kaufläden und den Apotheker, den Modenhändler und den Juwelier erstreckten, bei denen sie ihre Einkäufe machen sollte. Er erinnerte sich aus seinen frühern Tagen in den Wells, daß sich da mancher Baron seiner Bekanntschaft für einen Tag in einen Kaufmann verwandelt und auf diese Weise eine Dame, schön wie Venus und eifersüchtig überwacht, gewonnen hatte. »Ich hätte ja mit der Göttin abgeräumt, wenn sie meine Frau gewesen wäre,« schrie er und fiel so von der Höhe seines Enthusiasmus herunter, wie jene windgeblähten Schweinchen Ihren allzu kurzen Ton mit einem Klagegekrächz schließen. »Aber ich verlasse mich da ganz auf Euch, Beamish.« Allso wie ein großer Feldherr, der alles zum Siege getan hat, was peinlichste Voraussicht ihm eingibt, sich der göttlichen Providenz ganz anheimstellt, in der Hoffnung, sich das unentzifferbare und geheimnisvolle »vielleicht« günstig zu stimmen.
Drittes Kapitel
Eine glänzende Karosse mit sechs Pferden und Livree in Scharlach und Grün fuhr an einem sonnigen Tag Herrn Beamish fünf Meilen die Chaussee lang, da er die junge Herzogin an der Grenze seines Reiches treffen und feierlich nach den Wells bringen sollte. Chloe saß neben ihm und empfing Ratschläge hinsichtlich ihrer bevorstehenden Pflichten.
Er war an diesem Tage der vollendete Beau, leutselig, aber königlich, und seine Art zu sprechen war majestätisch wie seine Haltung.
»Spähen Sie den Horizont ab und setzen Sie mich in Kenntnis, falls Sie irgendwo einen Wagen wahrnehmen,« sagte er, als sie auf die Höhe eines langhin abfallenden Hügels gekommen waren, wo die staubige Landstraße mit den braunen Hecken zur Seite sich in Kornäcker senkte, in Kleefeldern verschwand, um in der Entfernung einer Meile etwa wieder ansteigend sichtbar zu werden. Chloe schaute aus, während der Beau, sich abzukühlen, den Hut lüftete, und mit einem Blick auf das schwüle Land, über dem die Sonne kochte, bemerkte: »Die Augen schwitzen einem.«
Da sagte Chloe: »Ein Wölkchen Staub. Es kommt dort was Jetzt erkenn ich Pferde ein Fuhrwerk eine Kutsche.«
Man hieß die Spitzenreiter die Hörner blasen.
Aber beide, Chloe und der Beau, schnitten ein Gesicht bei dem höchst ordnungslosen Getön der dreifachen Hörner, deren Geschmetter Säure in die Luft spritzte statt Süßigkeit.
»Man möchte sagen Hofhunde, die den Mond anbellen,« erklärte der Beau, sich windend. »Und da habe ich, wie Sie wissen, selber die Kerle einexerziert! Vier Stunden hatte ich sie auf einer Wiese draußen, hab sie gebraten und eingeweicht in Sonne und Regen, damit sie ihre angeborene Kakophonie los werden. Aber sie lieben sie, wie sie Schinken mit Bohnen lieben. Der musikalische Stand des Volkes bei uns ist noch in der Phase des primitiven Appetites für Lärm, und davon kann es auch nie genug bekommen.«
»Vielleicht klingt es von fern ganz angenehm,« meinte Chloe.
»Nja, und ist entfernter desto angenehmer. Kommt man näher?«
»Man hält. Am linken Wagenfenster ist ein Reiter. Nun zieht er den Hut.«
»Mit großer grüßender Geste?«
Chloe beschrieb den Halbkreis eines großen Grußes in der Luft.
Der Beau zog die Augenbrauen in die Höhe. »Himmlische Mächte! Kaum ist sie von einer Hand der andern übergeben, kommt mittenwegs ein Kavalier dazwischen. Wir haben nicht auf die Habichte gerechnet. Also wir habens mit einem Kavalier zu tun! Dies bedeutet, meine liebe Chloe, daß ich sofort die Leidenschaft des Nebenbuhlers affektieren muß, wenn ich mit dem Menschen fertig werden will. Nichts weniger.«
»Er ist im Galopp fortgeritten,« sagte Chloe.
»Wem sie nach mir begegnet, das geht mich nichts an,« erklärte der Beau mit einer verachtenden Geste. »Aber es hat ein Intervall gegeben, das gefährlich war für eine unschuldige Dame wie Eva. Kommt sie näher?«
»Die Kalesche kommt den Hügel im Trab herunter. Der Reiter ist den Weg zurückgeritten. Sie hat keine Diener zu Pferd bei sich.«
»Die sind auf meinen Befehl zehn Meilen von hier fortgeschickt worden: zum großen Vorteil für die Herren Ritter möchte es scheinen. Frauen gegenüber, Chloe, ist das Blinken des Augenlids eine Versäumnis gegen die Wachsamkeit.«
»Ein Axiom, das man im Harem des Großtürken aufschreiben sollte.«
»Der Großtürke könnte uns nützliche Unterweisungen geben für unsern Handel mit dem Frauenzimmer.«
»Mißtraut uns, und der Krieg ist erklärt.«
»Euch trauen, und der Stöpsel ist dem Riechfläschchen verlorengegangen.«
»Wir sind Frauen, Herr Beamish, aber wir haben Seelen.«
»Ein schöner Schutz! Der Butz im Apfel, schützt er seine roten Backen davor, daß der von ihnen verlockte kleine Tommy den Garten plündert?«
»Sie gehen davon aus, daß die Männer unsere Feinde sind.«
»Ich behaupte nur, daß sie es sind, die das Banner der Tugend schwingen.«
»Oh, Beamish, ich gebe mich auf!«
»Ich verbiete Ihnen das für meine Lebenszeit, Chloe, denn ich wünsche im Glauben an eine Frau zu sterben.«
»Bitte keine Schmeichelei für mich auf Kosten meiner Schwestern.«
»Dann gehen Sie in ein Kloster, Chloe. Denn jede Schmeichelei ist auf jemandes Kosten, Kind. Die Schmeichelei ist eine Essenz, ein Extrakt der Menschlichkeit. Nach ihr zu leben, wie es manche Leute tun, ist schlecht, ja, es ist geradezu kannibalisch, aber es ist gestattet, unser Taschentuch mit ihr zu besprengen und wir sollen, wenn wir Lust haben, unsern Nasen mit einem Geruche wohltun. Gesellschaft, Chloe, das ist Wildheit auf einer höhern Stufe, und wir müssen unsere Opfer haben. Was sagen Sie zum Beispiel von mir neben unsern gestiefelten und gespornten Bauerntölpeln, die da reiten und tuten?«
»Hundert davon sind Sie wert, Beamish.«
»Das nenn ich ein Holokaust von Ehrenmännern, kondensiert um des Extraktes meines Leibes willen, und dazu haben Sie die Halunken nicht einmal zwischen die gigantischen Urweltsknochen gepreßt nach druidischem Brauche. Seien Sie philosophisch und nehmen Sie Ihr Ihnen Zukommendes hin. Und lassen Sie uns das unsere. Ich bin fest entschlossen, diese junge Herzogin zu bewahren, und ich weiß voraus, mein Unterfangen ist schwierig. Ich trage die erwähnte Standarte, das versichere ich Ihnen, und in aller Demut. Es ist ein Irrtum des Pöbels, daß alles Drache sei in den Kinnbacken des Drachen.«