Schmelzendes Eis
Copyright © Elizabeth Johns, 2016
Alle Rechte vorbehalten.
Umschlagsgestaltung von Wilette Youkey
Lektorat Tessa Shapcott
Historische Inhalte von Heather King
Deutsche Übersetzung: Sabine Weiten
Deutsches Lektorat: Petra Milde
Kein Teil dieser Veröffentlichung darf ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Urheberrechtsinhabers vervielfältigt, gespeichert, kopiert oder übertragen werden.
Dies ist eine erfundene Geschichte. Namen, Charaktere, Orte und Begebenheiten sind entweder das Ergebnis der Vorstellungskraft der Autorin oder sind willkürlich und ohne jeglichen besonderen Grund gewählt worden. Jede Ähnlichkeit mit echten Personen (tot oder lebendig), Geschäften, Vorkommnissen oder Örtlichkeiten sind rein zufällig.
Inhalt
Prolog
Eins
Zwei
Drei
Vier
Fünf
Sechs
Sieben
Acht
Neun
Zehn
Elf
Zwölf
Dreizehn
Vierzehn
Fünfzehn
Sechzehn
Siebzehn
Achtzehn
Neunzehn
Zwanzig
Einundzwanzig
Zweiundzwanzig
Epilog
Vorschau auf Mit dem Wind
Danksagungen
Prolog
Das ist das erste Mal, dass wir getrennt sein werden, sagte Beaujolais traurig zu ihren Drillingsschwestern, die auf dem großen Himmelbett in ihrem Londoner Stadthaus saßen. Sie liebten das abendliche Ritual, sich in Margaux Zimmer zu treffen. Anjou, Beaujolais und Margaux waren die drei wunderschönen Töchter, eineiige Drillinge, des Marquess Ashbury und seiner französischen Marchioness.
Es ist nicht für immer, meine Liebe, sagte Margaux tröstend, als sie die langen, ebenholzfarbenen Haare ihrer Schwester bürstete und ihnen einen seidigen Glanz verlieh. Wir werden wieder zusammen sein. Dann gibt es Hauspartys und Feiertage ...
Früher oder später musste es ja passieren. Ich dachte immer, dass wir jetzt schon alle verheiratet wären. Und dennoch, hier sitzen wir immer noch wie im Regal!, rief Beaujolais.
Ich sitze sehr gerne im Regal, wenn das bedeutet, dass ich vom Heiratsmarkt genommen werde! Du musst zugeben, dass ich es verlernt habe, meine Zunge im Zaum zu halten. Wahrscheinlich ist es besser, ich gehe, bevor ich euch alle ruiniere, sagte Margaux lachend.
Ja, meine Liebe, das wissen wir. Aber ein Kloster? Glaubst du wirklich, dass Maman das erlauben würde?, fragte Anjou skeptisch, als sie ihre Schwester mit ihren strahlend blauen Augen ansah.
Nein. Wenigstens erlauben sie mir nach Schottland zu gehen, um dort im Waisenhaus zu helfen, antwortete Margaux, die anscheinend mit ihrem Los zufrieden war.
Ich wette, dass dich Maman in weniger als drei Monaten wieder zurück zitiert, neckte Anjou, während sie gedankenverloren eine Haarsträhne um ihren Finger wickelte.
Wette angenommen. Margaux hielt ihr die Hand hin. Eine schwesterliche Herausforderung lehnte sie niemals ab.
Hört auf, ihr zwei, sagte Beaujolais angewidert. Könntest du nicht hier glücklich sein? Könntest du nicht Maman bitten, dass du einfach zu Hause bleibst?
Margaux schüttelte den Kopf. Als ob unsere Maman, die aristokratischste Gastgeberin im Königreich, erlauben würde, dass ihre unverheiratete Tochter zuhause verkümmert. Davon abgesehen, wäre es mir nicht genug. Ich brauche Freiheit, meine Liebe. Kannst du das verstehen?
Beaujolais schossen die Tränen in die Augen, was ihre violette Augenfarbe verdunkelte. Es tut mir leid, Marg. Ich werde versuchen, mich für dich zu freuen, aber ich kann es nicht verstehen.
Margaux seufzte. Du bist dazu geboren, eine Duchess zu sein, Jolie. Ich überlasse euch beiden die großartigen Hochzeiten.
Hör auf mich damit zu necken, dass ich eine Duchess sei. Davon abgesehen, es gibt nur zwei unverheiratete Dukes im Königreich. Einer ist uralt und der andere ein Einsiedler.
Hast du Angst, dass wir dich verfluchen? Anjou fing nun ebenfalls an, ihre andere Schwester zu necken. Seit sie Kinder waren, war es immer eine Quelle der Freude gewesen, Beaujolais zu necken. Sie hatte immer getan, als sei sie eine Duchess, wenn sie als Kinder gespielt hatten und sich auch meistens so verhalten. Es war nicht unbedingt hilfreich gewesen, dass ihre Mutter sie darin noch bestärkt hatte.
Du hast bereits mindestens einen Baronet, einen Mister, zwei Earls und einen Marquess abgewiesen, fügte Margaux hilfreich hinzu.
Keinen von denen konnte man ernst nehmen! Und ihr beide hattet genauso viele Angebote wie ich, verteidigte sich Beaujolais.
Hatte ich nicht, brüstete sich Anjou.
Und keiner von uns hat sich bereit erklärt, eine Vernunftehe auch nur in Betracht zu ziehen, fügte Margaux hinzu.
Aber auch nur, weil du niemandem erlaubst, dir einen Antrag zu machen, entgegnete Beaujolais.
Ich kann keinen anderen in Betracht ziehen, sagte Anjou und sah zur Seite.
Margaux nahm tröstend ihre Hand. Es sind jetzt schon sechs Jahre ohne ein Wort von Aidan, Anj. Meinst du nicht, du solltest ihn langsam vergessen?, fragte sie freundlich.
Anjou schüttelte den Kopf und ließ es zu, dass ihr die Tränen übers Gesicht liefen. Ich muss etwas tun. Ich kann nicht länger auf Vaters Nachforschungen warten. Sie stieg vom Bett und begann hin und her zu laufen, während sie ihre Tränen fortwischte. Ihre große Liebe, Aidan, war in den amerikanischen Krieg gezogen und sie hatte nach dem Waffenstillstand nichts mehr von ihm gehört.
Was willst du tun?, fragte Jolie mit gerunzelter Stirn.
Ich werde gehen und ihn suchen.
Gehen und ihn suchen?, fragten beide Schwestern ungläubig.
Anjou nickte. Charles hat eingewilligt, mir zu helfen. Ihr Bruder Charles und Aidan waren beste Freunde gewesen.
Maman und Papa werden das niemals gestatten.
Sie haben und sie werden, antwortete Anjou ruhig, ohne ihre Schwestern dabei anzusehen. Sobald Vaters Erkundigungen abgeschlossen sind.
Beaujolais weinte jetzt ernsthaft. Dann ist es wirklich das letzte Mal, dass wir alle zusammen sind!
Keine der Schwestern widersprach, aber sie umarmten sich gegenseitig und fragten sich, wie sich das Leben ändern würde, ohne die anderen Teile ihrer selbst.
Eins
Welcher Mann will schon heiraten, außer, wenn er einen Erben will?, fragte Benedikt ätzend.
Es gibt Leute, die eine Freundschaft, wenn nicht sogar Liebe, zu einer Lady finden, Eure Gnaden, bemerkte Hughes ermunternd, ohne auf den Ton Seiner Gnaden zu achten.
Ladys sind nur für eine Sache nutze, schoss Benedict zurück.
Aber Sie müssen eine heiraten, um einen legitimen Erben zu zeugen.
Muss ich?, fragte er leise mit einer unterschwelligen Herausforderung in der Stimme.
Der letzte Erbe ist gestorben, Eure Gnaden.
Sind Sie sicher?, fragte er rhetorisch.
Ziemlich. Ziemlich sicher. Mr. Norton hat umfassend nachgeforscht. Der Sekretär hielt die verdammten Neuigkeiten hoch, die er gerade vom Anwalt erhalten hatte.
Ich verstehe.
Es muss geschehen, Eure Gnaden.
Benedict Stanton, Duke of Yardley, seufzte laut. Er stand jetzt der einzigen Sache gegenüber, von der er sich geschworen hatte, dass er sie nie wieder tun würde: Heiraten. Er schwieg, verdaute die neu aufgetauchten Informationen zusammen mit seiner Steak- und Nierenpastete, die ihm plötzlich sauer aufstieß.
Der Sekretär des Dukes war das Benehmen Seiner Gnaden gewohnt und blieb ruhig stehen, während sein Arbeitgeber eine Entscheidung traf.
Benedikt atmete hörbar aus.
Ich nehme an, Hughes, dass Sie mir eine Liste gemacht haben?
Ja, Eure Gnaden. Der stets dienstbeflissene Sekretär präsentierte ihm umgehend eine Liste mit zwölf Namen und Lebensläufen, inklusive Blutlinien, Besitztümern und Aussteuer.
Wie Sie sehen können, Eure Gnaden, habe ich sie nach Eignung aufgelistet. Er schwieg.
Benedikt wischte die Liste fort.
Sie können mit der ersten auf der Liste in Verhandlungen treten. Ihre sonstigen Qualitäten interessieren mich nicht, nur die Fortpflanzungsfähigkeit.
Der Sekretär räusperte sich nervös, was eine hochgezogene Augenbraue Seiner Gnaden hervorrief.
Ich habe mir auch die Freiheit genommen, eine Liste mit denen anzulegen, die unpassend sind.
Der Sekretär legte die Liste vor dem Duke auf den Tisch.
Unpassend ist gleichzusetzen mit Idioten, Hughes. Gibt es dafür einen Grund?
Vielleicht nicht auf den ersten Blick, Eure Gnaden. Darf ich taktvoll anmerken, dass einige der in Frage kommenden Ladys nicht unbedingt aus dem besten Hause sind, während andere , sagte er unter Zuhilfenahme des Vokabulars, das eher in der Pferdezucht angewandt wurde, um den Duke zu überzeugen, der die Gesellschaft von Pferden der von Menschen vorzog.
Das Aussehen ist mir egal, gab der Duke zurück.
Ich glaube, dass Sie besser die Entscheidung treffen sollten, Eure Gnaden. Oder soll ich die Duchess ...
Seine Gnaden ignorierte den letzten Seitenhieb, seine Mutter ins Spiel zu bringen. Ich sollte Sie zu Verhandlungen mit , er sah auf den ersten Namen der Liste, Cohens Tochter, einer Lady Mary, schicken, aber ich nehme an, dass Sie nicht damit einverstanden sind?
Lady Mary hat alles, was passend ist, Eure Gnaden, aber sie erinnert stark an Eure besten Araber und sie kichert.
Der Duke zuckte zusammen. Vielleicht wäre ein Blick auf die Äußerlichkeiten doch hilfreich.
Haben Sie alle gesehen?
Der Sekretär wurde rot. Selbstverständlich, Eure Gnaden.
Yardley starrte verblüfft seinen normalerweise seriösen Sekretär an, der rot wurde wie ein Jüngling.
Sehr wohl. Dann machen Sie der ersten, die Sie am Passendsten für meine Bedürfnisse halten, ein Angebot.
Der Sekretär verbeugte sich und verließ den Raum.
Benedict wollte nichts mit irgendeiner Frau zu tun haben, außer, sie hatte vier Beine. Es war fast zehn Jahre her seit seinem ersten Ehefiasko, und der Geschmack in seinem Mund war noch so bitter wie an dem Tag, an dem es passierte.
Er stand auf, warf seine Serviette auf den Tisch und ging zum Fenster, um hinauszusehen. Der einzige Grund, weshalb er in den letzten zehn Jahren nach London gegangen war, war gewesen, um im Parlament gegen etwas zu wählen, was er mit seinem Gewissen nicht vereinbaren konnte.
Ich nehme an, ich muss nach London gehen, sagte er widerwillig zu sich selbst.
Ich muss nach London gehen. Vor Schmerz schloss er seine Augen. Würde er dazu in der Lage sein? Seit der Sache mit Lillian hatte er sich nicht mehr in der gehobenen Gesellschaft blicken lassen. Der Skandal lag schon lange zurück, aber es würde immer Getuschel geben. Er zweifelte nicht daran, dass dies ein Problem geben würde, wenn es zu einer Eheabsprache käme, aber er hatte kein Interesse daran, sich um die Blicke und das Getuschel zu kümmern. Die Gesellschaft war teilweise verantwortlich für das Scheitern seiner ersten Ehe und er hatte nicht vor, dies ein weiteres Mal zuzulassen. Konnte er London vermeiden und auf dem Postwege verhandeln? Eine schäbige Art, um Geschäfte zu machen, aber er brachte es nicht über sich, jemandem mit vorgeheuchelten Gefühlen den Hof zu machen.
Er hatte seinem langjährigen Freund Lord Easton erzählt, dass er seine preisgekrönte Stute zur Zucht mit einem von Eastons Hengsten vorbeibringen wollte. Dessen Familiensitz war in Sussex, nicht weit von London entfernt. Vielleicht könnte er die Gesellschaft so weit wie möglich vermeiden, falls er schon vorher eine Ehe arrangieren konnte. Er sollte es Hughes gegenüber erwähnen, dass er jemanden finden sollte, die nicht erwartete, in London zu leben oder auch nichts für die Gesellschaft übrighatte. Hughes war sicherlich scharfsinnig genug, um so etwas zu wissen.
Falls Benedict sich großzügig genug fühlte, würde er vielleicht auch seine Mutter und seine Schwester besuchen. Wenn sie nicht in London war, bevorzugte seine Mutter das Anwesen in Langdon an der Küste, in der Nähe von Brighton, was Benedict sehr entgegen kam. Er betete sie an, aber über gewisse Dinge konnten sie sich nie einigen - in erster Linie seine Wiederverheiratung - und es war friedlicher, wenn sie an unterschiedlichen Orten wohnten.
Er ging zu seinem Schreibtisch, um seiner Mutter eine Nachricht zu schreiben und eine weitere an Lord Easton, bevor er nach seinem Diener klingelte, dem er Anweisungen gab, für seine Reise zu packen.
Jolie brachte ihr Pferd zum Stehen, als sie den Rand der Kreidesteinfelsen erreichte, und inhalierte den Geruch des Meeres. So sehr sie auch London mochte, der Ausflug zum Haus ihres Cousins, Lord Easton, war ihr sehr willkommen. Die Saison brachte keinerlei neue Anwärter, die sie ernst nehmen konnte, und ihre Familienangehörigen hatten alle England verlassen, so dass sie sich zum ersten Mal, solange sie sich erinnerte, einsam fühlte.