Ich war an allem schuld, ich hatte meine Freunde an diesen höllischen Ort geschleppt, meinetwegen waren sie gestorben. Wenn ich auf sie gehört hätte, würden wir jetzt gerade aus Italien zurückkommen mit einem Haufen Fotos von Venedig und einigen Postkarte aus der Toskana. Meine Schuld, das war alles meine Schuld.
Ich hatte Durst und mein Magen knurrte unaufhörlich. Ich hatte die Wahl: sollte ich ausreichend essen, um wieder zu Kräften zu kommen oder sollte ich die wenigen Nahrungsmittel, die mir zur Verfügung standen, aufbewahren auch auf die Gefahr hin, dass mir etwas passierte? Man sollte meinen, dass es im Urwald leicht sein müsste etwas zu Essen und Wasser zu finden, oder zumindest ging in diesem Augenblick davon aus und da ich so großen Hunger hatte, entschied ich mich dafür, eines der Erfrischungsgetränke zu trinken, das belegte Brötchen und die angeknabberten Kekse zu essen, nachdem ich die Ameisen von ihnen runtergepustet hatte. Damit linderte ich ein wenig den hartnäckigen Appetit. Das Quittengelee bewahrte ich auf, da ich annahm, dass es nicht so schnell verderben würde. Danach schlief ich ein, vor Erschöpfung, und weil ich die letzte Nacht nicht hatte schlafen können.
Als ich aufwachte hörte ich ganz in der Nähe ein Zischen. Neben mir musste eine Schlange sein. Ich verhielt mich ganz still und versuchte meine Ohren zu spitzten, um herauszufinden, wo sie sich befand. Mein Magen krampft sich vor Angst zusammen und es fiel mir schwer zu atmen. Ich hatte einmal eine Reportage über ein Schlange gesehen, die man die drei-Schritte-Schlangen nannte, denn wenn man von ihr gebissen wurde, hatte man nur noch Zeit drei Schritte zu gehen, bevor man tot umfiel. Im Grunde war das in dieser Situation gar nicht das schlechteste, aber wenn ich von einer gebissen wurde, deren Gift mir einen stundenlangen Todeskampf bescherte, bei dem ich Stück für Stück die Kontrolle verlor und am Ende dem Wahnsinn verfiel ich hatte so große Angst zu leiden, so panische Angst vor Schmerzen. Wenn ich sterben sollte, wollte ich, dass es schnell ginge, fast wünschte ich mir das, um aus der Lage, in der ich mich befand befreit zu werden. Das hatte ich verdient. Das Zischen schien mir immer näher zu kommen, auch konnte ich bei ihren Bewegungen das Rascheln des Laubes hören, sie bewegte sich in meine Richtung, dessen war ich mir sicher. Fast konnte ich spüren, wie sie über meinen Körper glitt, sich von meinem Bein in Richtung Hals hinaufarbeitete, sie war beinahe angekommen, gleich würde sie mich beißen. Einen Augenblick lang schloss ich die Augen und atmete tief durch, und versuchte mich so zu beruhigen. Dann öffnete ich sie wieder, und ohne mich auch nur einen Zentimeter zu bewegen sah ich in alle Richtungen und versuchte sie auszumachen. Schließlich konnte ich sie sehen. Sie verhielt sich ruhig und hatte sich in ungefähr zwei Meter Höhe um einen Ast eines Baumes gewickelt, der etwa drei Meter rechts von mir stand. Nur den Kopf bewegte sie von einer Seite zur anderen, als würde sie irgendetwas bewachen. Sie war grün mit einem leichten Blaustich und an den Seiten etwas gelblich, sie hatte einen langen Schwanz und einen schlanken Körper von etwas mehr als einem Meter Länge, der seitlich etwas zusammengedrückt war. Sie war fast unsichtbar zwischen den Blättern8. Als sie sich von dem Ast gleiten ließ, konnte ich sehen, dass ihr Bauch weißlich war.
Ich blieb noch eine Weile bewegungslos sitzen und lauschte, bis ich davon überzeugt war, dass ich nur diese eine Schlange gehört hatte, und dass alles andere Produkte meiner Fantasie gewesen waren. Ich stand langsam auf und beobachtete dabei aufmerksam den Boden auf der Suche nach anderen Schlangen, aber das war die einzige, die ich sah. Zumindest, die einzige, die ich entdecken konnte. Zuerst wollte ich einen weiten Bogen um sie herummachen und weitergehen, aber dann erinnerte ich mich, dass man sagte, Schlangenfleisch würde wie Hühnchen schmecken und wäre sehr lecker. Auf jeden Fall sagten das die Großeltern immer, wenn sie Geschichten vom Bürgerkrieg erzählten und davon, wie hungrig sie gewesen waren. Es erschien mir eine gute Gelegenheit, um etwas zu Essen zu bekommen, und wenn es dann noch gut schmeckte, umso besser. Ich hielt nach einen langen Stock Ausschau, dessen Spitze wie ein V geformt war, damit wollte ich versuchen ihren Kopf festzuhalten. Ich holte auch das Taschenmesser aus der Tasche, öffnete es und steckte es mir in den Gürtel meiner Bermuda-Shorts. Ich fand einen abgebrochenen Ast, der geeignet war, ich musste ihm nur noch die richtige Form geben, in dem ich an einem Ende eine Einkerbung in Form eines V schnitt. Dabei verlor ich die Schlange aber nie aus den Augen. Die Vorbereitungen erschienen mir unendlich lang und erschöpften mich aufs Äußerste, auch wenn es in Wirklichkeit keiner großen körperlichen Anstrengung bedurfte.
Als ich bereit war, näherte ich mich vorsichtig der Schlange. Sie schien nichts zu merken oder ignorierte mich, aber auf jeden Fall schenkte sie mir keinerlei Beachtung. Als ich nur noch etwa einen halben Meter von ihr entfernt war, hob ich den Stock und schlug ihr mit aller Kraft auf den Kopf. Beim ersten Schlag blieb sie halb im Baum hängen und ich schlug noch zweimal zu, bis sie auf den Boden fiel. Danach klemmte ich ihr den Kopf mit der Einkerbung an der Spitze des Stockes ein und drückte ihn ganz fest auf den Boden. Die Schlange wandte sich krampfhaft und zischelte ohne Unterlass und ich war völlig verängstigt. Wenn ich sie losließ, um aus der Entfernung mit dem Stock auf sie einzuschlagen, könnte sie mich angreifen. Die andere Möglichkeit bestand darin, noch dichter an sie heranzugehen und sie mit dem Messer zu durchbohren. Ich nahm all meinen Mut zusammen, ging noch näher an sie heran und trat ihr mit aller Kraft auf den Schwanz, drückte sie auf den Boden und versuchte, sie auf diese Weise ruhig zu halten. Ich beugte mich nach vorne und stieß der Schlange das Messer unterhalb ihres Kopfes in den Körper, so dass sie, immer noch durch den Stock fixiert, am Boden festgenagelt war. Aber auch so hörte sie immer noch nicht auf sich zu winden, deshalb zog ich das Taschenmesser heraus und säbelte so lange an ihrem Hals, bis ich den Kopf vom Körper abgetrennt hatte. Dann machte ich einen Satz nach hinten, da ich Dummkopf fürchtete, sie könne mich immer noch angreifen. Der Körper schlug weiterhin ohne Unterlass um sich, und dort, wo der Kopf gewesen war, spukte er Blut. Ich schlug noch ein paar Mal mit dem Stock nach ihr, aber das änderte nichts und so entschied ich, sie für eine Weile in Ruhe zu lassen. In weniger als einer halben Minute hört sie nach und nach auf sich zu bewegen, bis sie sich gar nicht mehr rührte. Ich stupste sie ein paar Mal mit dem Stock an, aber sie bewegte sich nicht. Sie war definitiv tot. Endlich konnte ich ruhig durchatmen.
Mein erster Triumph im Urwald. Der Mensch hatte die Bestie besiegt. Ich war vollkommen euphorisch, für einen Augenblick hatten sich all meine Problem in Luft aufgelöst. Jetzt wusste ich, ich würde überleben und es schaffen hier herauszukommen. Ich war ein wahrer Abenteurer, ein geborener Überlebenskünstler. Nichts würde mich daran hindern den Ausweg aus diesem grünen Labyrinth zu finden und ich würde nach Hause, in mein Heim zurückkehren. Ich war von Mutter Natur herausgefordert worden und ich hatte meinen Wert, meine Anpassungs- und Überlebensfähigkeit bewiesen. Jetzt wusste ich es, ich war der Sieger in diesem ungleichen Kampf gegen mich selbst und gegen die feindlichen Elemente.
Ich nahm die Schlange und schnitt sie mit dem Taschenmesser in der Mitte auf, um ihre Eingeweide so gut ich konnte zu entfernen, wobei ich mich heftig ekelte. Dafür nahm ich sie an einem Ende hoch und drehte mich so schnell es ging um mich selbst, so dass die Eingeweide in allen Richtungen herausflogen. Dann dachte ich, dass das gegen meinen Plan verstieß, diskret zu sein und keine Aufmerksamkeit zu erregen, aber jetzt waren die Reste der Schlange überall verteilt und ich hatte keinerlei Lust sie wieder einzusammeln. Was noch übriggeblieben war, kratzte ich mit dem Taschenmesser heraus, wobei ich einige Male würgen musste, es so war ekelhaft. Danach zog ich ihr die Haut ab. Als sie bereits fertig vorbereitet war, bemerkte ich, dass ich ein Problem hatte. Ich konnte kein Feuer machen, um sie zu braten, sonst würde man von meiner Existenz erfahren und meinen Standort entdecken, also musste ich sie roh essen. Ich sah mir das blutige Fleisch zweifelnd an. Ich schnitt ein gutes Stück ab und steckte es in den Mund. Wenn Tiere rohes Fleisch aßen, dann konnte ich das auch. Ich kaute ein paar Mal und spuckte alles wieder aus. Es war widerlich! Es hatte die Konsistenz von Plastik, als würde ich versuchen eine Puppe meiner Schwestern oder einen halb zerkochten Knorpel zu essen. Ich hatte schon immer gut durchgebratenes Fleisch gemocht, ich habe es noch nie blutig essen können und so, ganz roh noch viel weniger. Was mich schon immer am meisten angewidert hatte, waren Lebensmittel mit der Konsistenz dieses Fleisches: weiche Hühnchenhaut, Speck, Kutteln,
Völlig desillusioniert sammelte ich alle Reste der Schlange und die meines Essens ein und vergrub sie. Danach warf ich einige Blätter darüber, um es besser zu verbergen. Wozu nützte es mir, Nahrung zu finden, wenn ich sie nicht essen konnte? Wozu das Risiko eingehen, dass ich von einer Schlange gebissen und getötet werde? Außerdem war da noch das Problem mit dem Wasser. Ich musste welches finden, denn ich hatte immer noch fürchterlichen Durst und mir blieben nur noch zwei Getränkedosen. Ich schwitzte heftig wegen der anstrengenden Jagd auf die Schlange und ließ mich auf den Boden fallen. Geschlagen trank ich eine der beiden Dosen aus und warf sie weg. Sollten sie mich doch finden, letztendlich war es besser, durchlöchert zu werden, als zu verhungern, das ging schneller. Abgesehen davon waren die Schlangeneingeweide in einem Umkreis von zwei Metern verteilt. Auf Wiedersehen Sieger, auf Wiedersehen geborener Überlebenskünstler, hallo Versager, der in einem wilden Garten sterben würde. Das hatte ich verdient, also konnte ich mich nicht beschweren. Ich hatte meine beiden besten Freunde umgebracht. Wie auch immer, ich wusste jedenfalls, dass ich im Fernsehen etwas über Wasser im Urwald gesehen hatte, ich erinnerte mich, dass gesagt wurde, es wäre an einem bestimmten Ort, auf eine bestimmte Weise einfach zu finden, aber ich erinnerte mich nicht mehr wo.
Eine Zeitlang, ich weiß nicht, wie lange, blieb ich auf dem Boden sitzen, die Arme auf die Knie gestützt und den Kopf gesenkt, mit leerem Kopf und ließ mich gehen. Resignation, Annahme meines Schicksals, Mutlosigkeit, verlorener Lebensmut. Der Flugzeugabsturz und Alex Tod, zu sehen, wie Juan durchlöchert wird, die Euphorie über die Schlange und die darauffolgende Enttäuschung, die Erschöpfung, der Traum zu viele Dinge in nicht einmal vierundzwanzig Stunden, zu viele intensive Gefühle. Warum war Juan so dumm gewesen und auf diese Weise weggelaufen? Warum hatten sie mich allein gelassen? Wenigsten wären wir zu zweit und alles wäre anders, aber nein, er musste versuchen auf diese so, so Weise zu fliehen. Ich wollte zurück nach Hause, die Augen schließen, und wenn ich sie wieder öffnete in meinem Bett liegen und alles wäre nur ein Albtraum gewesen, wenn auch realistischer als normalerweise. Ein schlechter Traum, wie jeder andere, eine Anekdote, die man am abends, wenn man sich mit seiner Freundin und seinen Freunden trifft erzählen würde. Ich fing an zu weinen, aber es kamen fast keine Tränen.
Verloren, entmutigt, ernüchtert und geschwächt vor Erschöpfung und Müdigkeit. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Schließlich vergrub ich aus reiner Gewohnheit die Dose, die ich weggeworfen hatte und stand auf, um weiter zu gehen, aber jetzt ließ ich mich in einem viel gemächlicheren Rhythmus fast schlurfend treiben. Ich lief und blieb stehen, immer abwechselnd, bis es fast acht Uhr abends war. Die Pausen dauerten immer länger, die Phasen, in denen ich lief wurden immer kürzer. Ich benutze den Stock, den ich für die Schlange gebraucht hatte als Wanderstab, so konnte ich mein verletztes Knie entlasten, auch wenn ich meine Beine zu dem Zeitpunkt nicht mal mehr spürte. Gehen um des Gehens Willen, ohne den Versuch meine Richtung festzulegen, letztendlich wusste ich nicht sicher, wie ich das machen sollte und ich konnte schon fast sagen, dass es mir auch egal war. Warum hatte ich sie überreden müssen, mit mir hierher zu kommen, warum? Nie hörte ich auf jemanden, immer musste ich meinen Kopf durchsetzen. Guck mal, wohin mich mein Wunsch alles zu kontrollieren, über alles zu bestimmen gebracht hatte. Juan, du Idiot, warum musstest du auf diese Art wegrennen und damit Selbstmord begehen? Das war deine Schuld, damit hatte ich nichts zu tun. Deine Schuld. Deine.
Als ich nicht mehr konnte, aß ich eine ganze Packung Quittengelee und trank die letzte Dose aus, danach versteckte ich alle Reste ebenso wie eine der Decken, die ich noch besaß. Wofür brauchte ich zwei? Je weniger Gewicht ich zu tragen hatte, desto besser. Außerdem war es sehr heiß und während ich den Rucksack trug, hatte ich den Eindruck, mein Rücken würde gekocht und das T-Shirt klebte mir vor lauter Schwitzen die ganze Zeit am Körper, was sehr lästig war. Auch war mir so langsam dauerhaft übel, wahrscheinlich weil ich durch das fehlende Wasser dehydriert war. Das erstaunte mich nicht. Man sagte, dass Erfrischungsgetränke für den Moment den Durst löschten, aber wenig zum Flüssigkeitshaushalt beitrugen. Den Jojo-Effekt nannte das einer meiner Schulfreunde, aufgrund des Zuckers, wie er sagte.
Da die Nacht hereinbrach und ich keine Lust hatte, wieder so unbequem auf einem Baum zu schlafen, suchte ich mir einen etwas geschützten Platz mit trockenem Boden und baute mir ein provisorisches Lager aus Blättern und grünen Zweigen, rollte mich zusammen, deckte mich mit der kleinen Decke so gut es ging zu, nahm den Rucksack als Kopfkissen und schlief ein. Ich hatte meinen ersten vollen Tag im Urwald verbracht und ich war es jetzt schon mehr als Leid, war völlig erschöpft und wünschte mir, dass es auf welche Art auch immer endete.
TAG 3
WIE MEINE LEIDEN BEGINNT
Irgendetwas griff mich an, ich merkte, wie es mich am ganzen Körper pikste. Mit einem Satz sprang ich schreiend auf und war sofort hellwach. Ich sah auf meine Hände, sie waren mit roten Ameisen, deren Köpfe sehr groß waren, übersät, mein ganzer Körper war voll von ihnen. Sie bissen mich überall hin, wieder und wieder. Ich zog mich aus, riss mir beinahe die Kleider vom Leib und begann die Ameisen wie wild mit den Händen vom Körper zu wischen, begann zu hüpfen, mich zu schütteln und zu winden wie eine Schlange, ich schrie und wimmerte vor Schmerzen. Einige drangen in meinen Mund ein, so dass ich immer wieder ausspucken musste, ich spürte welche in der Nase, in den Ohren, überall. Es war, als hätte ein ganzes Bienenvolk beschlossen, mich gemeinsam anzugreifen. Stück für Stück gelang es mir, die Ameisen loszuwerden, aber ich brauchte etwa zehn Minuten, bis ich merkte, dass keine mehr ungestraft über meinen Körper lief. Wo ich gelegen hatte verlief eine endlose Ameisenstraße9. Mein ganzer Körper war rot von den Schlägen, mit denen ich die Ameisen von mir heruntergefegt hatte und übersät von noch stärker geröteten Punkten von den Bissen, die mir diese verfluchten Insekten zugefügt hatten. Es juckte mich überall so heftig, dass ich nicht einmal wusste, wo ich mit dem Kratzen anfangen sollte. Auch wenn nicht eine einzige mehr auf mir war, hatte ich immer wieder das Gefühl, als würde irgendwo etwas auf mir herumkrabbeln und ich begann sofort wieder mich wie wild zu schütteln.
Als ich meine Wut und meinen Frustration etwas unter Kontrolle hatte, griff ich nach meinem Rucksack und schüttelte alle Ameisen heraus, das gleiche machte ich mit der Decke und der Kleidung, die ich über den ganzen Boden verstreut hatte. Ich zog nur meine Turnschuhe an und verstaute den Rest im Rucksack. Ich packte einige Steine und Äste und warf sie voller Wut auf die geordnete Ameisenstraße, während ich sie gleichzeitig beschimpfte. Einen Augenblick lang verlor ich die Kontrolle, die Wut übermannt mich. Ja, die Ameisen waren an allem schuld, ich musste die Ameisen fertigmachen, sie hatten mich in diese blöde Situation gebracht, sie würden dafür bezahlen. Ich trat immer wieder auf sie ein, wütend, rasend, wie ein von einer unaufhaltsamen Zerstörungswut Besessener. Einige krabbelten an meinen Beinen hoch und bissen mich erneut, aber ich fühlte nichts mehr, der Schmerz hatte für einen Augenblick aufgehört zu existieren. Es gab nur einen einzigen Gedanke in meinem Kopf: vernichte die Ameisen. Ich trampelte, ich stampfte auf denen, die am Boden waren herum und zerdrückte die, die auf meinem Körper herumliefen mit heftigen Schlägen, zerquetschte sie an meinen Beinen, meinen Armen oder meiner Brust. Einige Minuten lang war das mein einziger Krieg, meine einzige Welt: Tritte, Schläge mit der Hand, Schreie vor Wut und zu lange zurückgehaltener Frustration. Ein vor Wut rasender Gulliver, der Liliput zerstört. Danach entfernte ich mich einige Schritte, sackte auf dem Boden zusammen und war eine Zeitlang wie weggetreten, völlig meinem Schicksal überlassen, blind für alles, was um mich herum geschah, für nichts anderes zu erreichen als dem Nichts, der innere Leere. Schließlich kam ich zu mir. In der Nacht hatte ich gemeint, das Plätschern eines nahen Wasserlaufs zu hören, also machte ich mich auf, ihn zu suchen, nackt, lustlos, zitternd, mit Juckreiz am ganzen Körper, den Wanderstock in der Hand und den Rucksack auf der Schulter. Hinter mir eine Myriade von zerquetschten Ameisen und noch viele mehr, die in ihrem besonderen Tanz wie verrückt wild durcheinanderliefen.