Ja, ja, gewiß!
Es darf auch Ihre werte Familie von dem Plan nichts erfahren!
Aber, Hundertpfund! Meine Familie steht mir doch am nächsten!
Gewiß! Aber ein einziges unvorsichtiges Wort der Damen oder des jungen Herrn, und alles ist verloren! Wenn die Konkurrenz unsern Plan nur zu ahnen beginnt, ist er schon verloren!
O, Gott! Sie haben nicht Unrecht! Aber kann ich mich denn in eine so kostspielige Sache einlassen, über eine solche Riesensumme disponieren, ohne meine Familie zu verständigen?! Ich müßte ja das ganze Vermögen hinein stecken! Stürbe ich vor Vollendung des Planes, meine Familie würde bettelarm sein!
Bitte, das ist denn doch eine Übertreibung! In Ihren Jahren und bei solcher Rüstigkeit! Auch brauchen Sie sicher nicht mehr wie ein Drittel der Anlagekosten bar zu zahlen, den Rest in Wechseln auf lange Frist! Doch wie Herr Chef wollen! Ich habe ja nur das Gedeihen und Wachsen der meiner Leitung anvertrauten Fabrik im Auge, und unter diesem Gesichtspunkt, angeregt durch die Proteste der Straßenbauern, habe ich den gewichtigen Vorschlag gemacht!
Ja, das verkenne ich nicht! Ich danke Ihnen auch herzlich! Und es soll über den Plan geschwiegen werden! Nur mit dem Bezirkshauptmann und Domänenverwalter will ich Rücksprache pflegen!
Ich möchte raten, zuerst durch einen Mittelmann den benötigten Grund für die erste, wichtigste Stütze zu kaufen. Dann erst ist es opportun, mit den Behörden in Unterhandlung zu treten. Immer zuerst mit den Querköpfen verhandeln, diese sind am gefährlichsten, wenn sie eine Absicht merken!
Nach herzlicher Verabschiedung entfernte sich der umsichtige, im Geschäft weitblickende Fabrikleiter.
Ratschiller sen. blieb in einer Art Betäubung im Sorgenstuhl sitzen. Der Plan erdrückt ihn schier, und dennoch däucht er ihm ein Geschenk des Himmels, eine Erlösung aus einer wahrhaftigen Misere zu sein. Aber 80000 Gulden! Unwillkürlich erhob sich der Chef, öffnete den gepanzerten Geldschrank und begann den Barbestand zu zählen, dessen Totalsumme ein Hohn auf die Riesensumme des Luftbahnplanes ist. Freilich steckt viel im Grund und Boden, nahezu alles, und eine gewaltige Summe umfassen die Außenstände für gelieferten Cement. Taufende und Abertausende stecken in laufenden Wechseln und rollen im Clearingverkehr der Post. Ein Vermögen hat der Ankauf von Berggründen zum Abbau und zur Mergelgewinnung für die Cementbereitung gekostet. Und jetzt der Riesenplan! Ein Teufelskerl, dieser Hundertpfund!
Der alte Herr vermochte nicht länger in dem kleinen Komptoir zu verbleiben, es ist ihm zu enge geworden, er braucht Luft und Bewegung. Zum maßlosen Erstaunen der Komptoiristen verläßt Ratschiller das Haus noch vor Beendigung der Büreauzeit, und just am Eingang traf er mit seinem Sohne Franz zusammen, der eben notgedrungen seine Arbeitsstube aufsuchen wollte.
Franz, komm mit! Ich habe mit dir zu reden! sprach ernst der alte Herr.
Verdutzt gehorchte der Sohn und blickte scheu von der Seite auf den Vater. Auf einen Rüffel war Franz gefaßt, die Aufforderung zu einem Spaziergang während der Büreauzeit wirkt verblüffend auf den jungen Mann. Beide schlugen einen Wiesenpfad ein, der alte Herr voraus, aufmerksam das Gelände betrachtend, über welches nach dem Plan seines Fabrikleiters die Luftseilbahn einmal führen soll. Wie Ratschiller sen. den weiten Raum bis zur Höhe des Bergrückens überblickte, eine wahrhafte Riesenentfernung für den gedachten Zweck, entschlüpft ihm unwillkürlich der Satz. Es geht decht nicht.
Franz hatte eben an sein Heiratsprojekt gedacht und platzte bei Vaters Worten in der Meinung, daß die Bemerkung seinem Plan selbst gelte, heraus. Um Gotteswillen, Vater, sag' nicht nein! Ich würde grenzenlos unglücklich werden!
Du? fragte überrascht der alte Herr.
Ja, gewiß, lieber Vater! Seit Tagen ringe ich mit mir selbst, ich fand den Mut nicht, dir einzugestehen, was mein ganzes Denken und Empfinden ausfüllt!
Der Alte pfiff durch die Zähne und trocken sagte er dann. Dein Büreauschwänzen muß allerdings einen gewichtigen Grund haben!
Kleinlaut bat Franz: Verzeih' mir, Vater! Es ischt so jäh und stark über mich gekommen, mit einer Macht, die stärker war als ich! Ich konnte nicht anders, und nun ich das beglückende Wort vernommen, bitte ich dich recht inständig um deine Einwilligung!
So? Wozu denn? Was soll ich bewilligen?
So ahnst du's nicht, was mich bewegt?
Nein!
Großer Gott! Steh' mir bei!
Du wirst doch nicht Schulden gemacht haben?
Nein, nein! Lieber Vater, verzeihe mir: Ich habe mich verlobt!
Der Alte blieb stehen wie versteinert. Auf dieses Geständnis war er nicht vorbereitet.
Verzeih' mir, Vater!
Mit wem hast du dich verlobt?
Mit Emmy Ehrenstraßer!
Ein Lächeln flog über das faltige Gesicht des alten Herrn, verschwand aber schnell, und kühl klang die Erwiderung. Das Mädchen ischt brav, ein Engel, hat aber nichts!
Ich will arbeiten, Vater! Ich stelle meinen Mann und kann mit eigener Arbeit eine Frau ernähren!
Es geht nicht! Jetzt schon gar nicht! Von deinem Salär kannst du allein nicht leben, geschweige denn mit Weib und Kind! Mehr zu geben ischt mir unmöglich. Die Zeiten sind zu schlecht, die Ausgaben riesig, wie die Projekte.
Welche Projekte?
Das ischt meine Sache! Ich kann dir kein Kapital ausfolgen, es steckt alles im Geschäft!
Vater, guter Vater! Gieb mir nur die Prokuristenstelle und ich werde es dir danken immerdar! Mach' mich nicht unglücklich, Vater!
Es geht nicht! Das wird Ehrenstraßer selbst einsehen! Hast du mit Emmys Vater schon gesprochen?
Nein! Erst wollte ich deine Einwilligung haben! Am Sonntag möchte ich Herrn Ehrenstraßer bitten!
Das kannst du thun! Seines Nein bin ich sicher! Vielleicht kuriert dich das von deinen Schwärmereien. Doch nun wollen wir umkehren! Geh' nach Hause, Franz! Ich will noch zum Kommissionär Pfahler, hab' mit ihm ein Wort zu sprechen!
Gehorsam entfernte sich Franz und ließ betrübt den Kopf hängen. Im Herzen des Vaters regte sich etwas wie Mitleid, doch rief Ratschiller den Sohn nicht zurück, er murmelte nur. Soll nur etwas zappeln! Schlecht ischt seine Wahl nicht! Wollen sehen! Es paßt nur nicht in den Riesenplan!
Gemächlich begab sich der Fabrikherr zum Kommissionär Pfahler, der sein Büreau in der Nähe des Bahnhofes hatte, und traf ihn eben im Begriff, das Geschäft zu schließen. Beim Anblick des Fabrikanten öffnete Pfahler bereitwillig wieder die Thüre und bat Ratschiller einzutreten.
Bitte, nein! Ich will Sie nicht abhalten, die Knödel würden hart werden! sagte gelassen Ratschiller.
O nein, Herr Ratschiller! Bitte sehr! Wir haben übrigens nur Gröstel, Sie wissen, das bescheidene Tiroler Nationalgericht aus Fleischresten und Schmorkartoffeln, wie es sich ziemt für einen armen Kommissionär! Aber bitte, womit kann ich dienen? Bitte, nehmen Sie gefälligst Platz! Bitte sehr! Apropos, habe schon gehört, gratuliere!
Wozu wollen Sie mir gratulieren?
O, bitte sehr! Frau von Bauerntanz, Sie wissen, die hübsche Doktorin, war so freundlich, mir zu erzählen, Ihr Herr Sohn sei mit Fräulein Emmy vom Bezirksrichter verlobt. Also baldige Hochzeit, giebt ein feines Paar, wie geschaffen für einander. Gratuliere bestens! Kann ich irgendwie dienen, ich stehe zu Diensten!
Ratschiller sen. fühlte eine scharfe Zurechtweisung auf der Zunge sitzen, doch drückte er das Wort zurück, und blitzschnell überlegte er, daß ein Dementi der Verlobung durch den schwatzhaften Kommissionär ein heilloses Durcheinander im Städtchen hervorrufen könnte. Und noch ein Gedanke fuhr dem Fabrikherrn durch den Kopf. Hören Sie, Pfahler! Ich danke Ihnen für Ihren gutgemeinten Glückwunsch! Aber man ischt noch nicht so weit! Das Paar hat ja noch gar kein Nest! Sie wissen, ich bin in meinem Hause arg beschränkt, könnte Zuwachs absolut nicht brauchen! Die Komptoirs sollen eine Vergrößerung erfahren.
Wozu wollen Sie mir gratulieren?
O, bitte sehr! Frau von Bauerntanz, Sie wissen, die hübsche Doktorin, war so freundlich, mir zu erzählen, Ihr Herr Sohn sei mit Fräulein Emmy vom Bezirksrichter verlobt. Also baldige Hochzeit, giebt ein feines Paar, wie geschaffen für einander. Gratuliere bestens! Kann ich irgendwie dienen, ich stehe zu Diensten!
Ratschiller sen. fühlte eine scharfe Zurechtweisung auf der Zunge sitzen, doch drückte er das Wort zurück, und blitzschnell überlegte er, daß ein Dementi der Verlobung durch den schwatzhaften Kommissionär ein heilloses Durcheinander im Städtchen hervorrufen könnte. Und noch ein Gedanke fuhr dem Fabrikherrn durch den Kopf. Hören Sie, Pfahler! Ich danke Ihnen für Ihren gutgemeinten Glückwunsch! Aber man ischt noch nicht so weit! Das Paar hat ja noch gar kein Nest! Sie wissen, ich bin in meinem Hause arg beschränkt, könnte Zuwachs absolut nicht brauchen! Die Komptoirs sollen eine Vergrößerung erfahren.
Ja, ja, die Fabrik wächst, sie wird noch die Perlmooser überflügeln!
Reden Sie keinen Unsinn, Pfahler! Immer hübsch solid bei der Stange bleiben! Aber man wird daran denken müssen, dem Paare, wenn es zur Heirat kommt, ein Häuschen, so eine kleine Villa zu bauen. Dazu habe ich aber keinen geeigneten Grund. Wissen Sie einen feilen Baugrund?
In rasender Eile zählte Pfahler die Namen käuflicher Grundstücke auf.
Das ischt nichts für mich. Es soll eher etwas sein, das an meine Liegenschaften stößt und anrondiert werden kann. Mein Sohn soll nicht zu weit ins Komptoir haben.
Darf es Wiesengrund sein? Freilich arg sonnig dann, bis die Pflanzbäume einmal Schatten geben!
Nu, man kann ja größere Bäume kaufen!
Hm! Wie wäre es am Anger, der stößt an Ihre Gründe an, die Entfernung zum Büreau ischt minimal und viel dürfte der Angerer kaum verlangen. Soviel ich weiß, schwebt eine Klage gegen ihn in einer Schuldsache; er wird froh sein, Bargeld zu bekommen.
Nein, nein! Ich möchte dem Mann nichts abdrücken!
Wie weit dürfte ich gehen in der Vermittelung?
Ich weiß nicht, ob ich dieser Sache näher treten soll!
Wieviel Decimalen brauchen Sie?
Unter etlichen Tagwerken wird es nicht gehen! Wer weiß, ob der Mann so viel Grund abgiebt!
Aber ich bitte, Herr Ratschiller! Es ischt ja schlechter Wiesengrund, der Angerer wird froh sein, wenn er ihn zu halbwegs anständigem Preise losbringen kann.
Nun gut, ich nehme, so viel Grund er abgiebt. Den Preis soll er nennen. Aber wie gesagt, es muß nicht sein, denn aufgeboten ischt das Paar noch nicht. Ich weiß also nicht, ob es zum Villenbau kommt. Übrigens ein Prozent Provision und ein Trinkgeld, Sie wissen ja, wie immer!
Danke bestens, werde den Auftrag prompt besorgen. Der Grund gehört schon Ihnen! 'pfehl mich bestens, habe die Ehre, wünsche wohl zu speisen, gehorsamster Diener!
Leicht grüßend verließ der Fabrikherr den Kommissionär, um sich nach Hause zu begeben.
IV.
Bezirksrichter Ehrenstraßer hielt in seiner Kanzlei den der Zeugin abgenommenen Vorladungszettel in der Hand, warf einen Blick in den offen ausgelegten Akt, bedeutete dem Aktuar, das Protokoll zu führen, und fragte. Sie sind also die vorgeladene Zeugin Walburga Deng, Witib des vulgo Lusner?
Die Zeugin nickte.
Sie haben laut und vernehmlich zu antworten!
Ja, gnä' Herr!
Es genügt ja oder nein, alles übrige ischt überflüssig!
Ja!
Was können Sie zum Falle Kirchhammer vorbringen?
Ich möcht' decht sagen, es ischt schon so, wie es die Aignerin behauptet. Der Kirchhammer Bauer ischt wohl nicht recht richtig im Schädel, aber stark in der Lieb' zu der Aignerin war er decht.
Der Bauer bestreitet das!
Soll er nur, sell ischt recht kammod, wo er zahlen soll für sein Kind! Wird eahm nicht viel nutzen, dem Saggra!
Was haben Sie wahrgenommen über den Verkehr des Bauers mit der Söldnerin Aigner?
Wird nicht langen, ischt er dreimal im Tag zu ihr kommen charmieren, der Loder!
Haben Sie derlei Besuchgänge selber beobachtet?
Freilich und wie!
Sie wohnen also in nächster Nähe und haben den Bauer öfters kommen und gehen sehen?
Ja, gewiß auch noch!
Wie weit ischt Ihr Wohnort vom Kirchhammerhof entfernt?
Ja, so genau kann ich sell nicht sagen. Aber gesehen hab' ich woltern alleweil viel!
Was zum Beispiel?
Grad aufs bussen war er aus, der Saggra!
Haben Sie das in der Wohnung der Aignerin oder von der Entfernung aus beobachtet?
Wie Sie wollen, Herr Stadt- und Landrichter!
Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Sie als Zeugin nichts als die reine Wahrheit zu sagen haben. Ich mache Sie auf die Heiligkeit des Eides und die Bestrafung des Meineides aufmerksam. Alles, was Sie jetzt hier aussagen, haben Sie zum Schlusse zu beschwören!
Ein Jurament, ganz recht! Den schwersten Eid kann ich schwören, wann Sie nur wollen!
Wie lange ischt es her, daß Sie Ihre Beobachtung und Wahrnehmung gemacht haben wollen?
Wird etwa in der Zeit gewesen sein, wie der Loder verliebt war. Später hat die Lieb' woltern nachlassen.
Die Aignerin ischt nebst ihrer Mutter wegen Betrug, Kindsunterschiebung, angeklagt. Wann haben Sie mit der noch auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten das letzte Mal verkehrt?
Herr, sell weiß ich nimmer!
Ischt es so lange schon her?
Ah, beleib!
Also gestern?
Etliche drei Tag' kann's schon gewesen sein.
Was hat die Aignerin zu Ihnen gesagt?
Unschuldig will sie sein und ich glaub's! Ich hab' ja mit eigenen Augen gesehen, wie der Bauer sie drangsaliert hat mit seiner Lieb'!
Also mit eigenen Augen haben Sie das gesehen? Sie scheinen gute Augen zu haben und recht weit zu sehen. Ihr Witibgütl ischt von der Sölderhütte der Aignerin eine gute Viertelstunde entfernt. So weit ischt ein Verkehr in der angedeuteten Art kaum mit freiem Auge zu beobachten. Haben Sie in der Aignerhütte selbst gelegentlich eines Besuches den Bauer angetroffen?
Nein, nie!
Wie weit ischt Ihre Wohnung von der Aignerhütte entfernt?
Wird decht bei grobem Wetter 1½ Stund' sein!
Ein scharfer, durchdringender Blick musterte die Zeugin. Der Richter hat bereits Verdacht geschöpft, doch will er gründlich und gewissenhaft vorgehen. Gelassen fragt er weiter: Wie lange sind Sie schon Witwe?
Ich? Ja mein', sell kann ich nimmer raiten!
Wie hat Ihr Mann mit seinem Hausnamen geheißen?
Wie ich selm!
Hm! Wo wohnen Sie gewöhnlich?
In Die Zeugin schwieg plötzlich.
Das genügt! Nun wandte sich der Richter zum Protokollführer und fragte ihn, wie weit er mit dem Nachschreiben gekommen sei.
Nur noch wenige Minuten, Herr Bezirksrichter! antwortete der Gefragte.
Schön! Sie, Zeugin! Gelt, schlechte Zeiten haben wir halt allweil?
Freilich, Herr! Heutzutag' muß man um jeden Kreuzer froh sein und für jede Gelegenheit, wo's was zu verdienen giebt!
Freilich, freilich! Na, fünf Gulden war die Sach' schon wert?
Die Zeugin horchte auf und sprach hastig: So, meint Ihr? Ischt mir schon recht, wenn ich noch amol einen Fünfer krieg'!