Im Lande des Mahdi III - Karl May 6 стр.


»Stirb, Hund! Willst du dem Stricke entgehen, so trifft dich meine Kugel!«

Er drückte ab und traf mich nicht, wie mit fast absoluter Sicherheit zu erwarten gewesen war. Wer aus solcher Entfernung und auf einem Ochsen galoppierend mich treffen wollte, mußte ein besserer Schütze sein und jedenfalls auch eine bessere Waffe haben. Die Pistole hatte nur einen Lauf. Er steckte sie in den Gürtel und zog die andere. Noch einmal schoß er und fehlte wieder. Jetzt gehörte der Mann mir; darauf hätte ich jede Wette eingehen mögen.

Er steckte auch die zweite Pistole ein und riß das Messer aus dem Gürtel. Aus Wut über die beiden Fehlschüsse und im grimmigen Verlangen, meiner habhaft zu werden, verlor er das richtige Augenmaß und vergaß, sein Tier im richtigen Augenblicke zu zügeln. Es blieb nicht bei mir halten, sondern schoß eine kleine Strecke über mich hinaus. Er riß in die Zügel und versäumte dabei, sich nach mir umzusehen. Es waren nur wenige Augenblicke, welche er verlor, doch genügten sie mir vollständig, seine Unvorsichtigkeit zu benutzen. Ich rannte ihm nach, und noch hatte er den Ochsen nicht vollständig zum Stehen gebracht, so sprang ich hinter ihm auf und preßte ihm mit meinen Armen die seinigen fest an den Leib, das Tier erschrak und rannte in erneutem Laufe weiter.

»Hund!« brüllte er, »laß mich los, sonst brechen wir beide Hals und Beine!«

»Ich breche nichts,« lachte ich; »aber dir zerknicke ich die Knochen. Laß das Messer fallen, sonst drücke ich dir die Rippen ein!«

Er hielt mit beiden Händen die Zügel und nebenbei das Messer in der Rechten. Er ließ es fallen, als ich bei meinen Worten die Arme fester um ihn schlang.

»Halt ein!« stöhnte er, »du zermalmst mir die Brust!«

»Falls du gehorchst, geschieht dir nichts; im ersten Augenblicke des Ungehorsams aber zerquetsche ich dich wie eine faule Frucht. Du hast die Zügel. Lenke den Ochsen mehr nach links!«

Seine Leute waren immer noch so weit zurück, daß ich sie nicht zu beachten brauchte. Meine beiden Begleiter hatten die Savanne durchquert; sie näherten sich, wie ich sah, dem jenseitigen Walde und konnten nicht mehr belästigt werden. Es handelte sich nur noch darum, ihnen zu folgen, und zwar nicht allein; der Muza'bir mußte mit. Darum zwang ich ihn, nach links einzubiegen, in die Richtung, welche mich zu unserm Boote führte. Ich preßte ihm die Rippen so zusammen, daß er gezwungen war, meinen Befehl auszuführen. Er stöhnte laut unter meinem Griffe, gehorchte aber, ohne ein Wort zu sagen.

Der Ochse stürmte in vollem Laufe über die Prairie dahin und dem Walde zu. Die Sklavenjäger schlugen hinter uns unter der Leitung des Mokkadem dieselbe Richtung ein. Sie schrieen wie besessen, konnten mir aber nun nicht die geringste Sorge mehr machen. Wir hatten beinahe den Wald erreicht, da hob der Muza'bir das eine Bein, um es auf die andere Seite des Ochsen zu bringen und dadurch vielleicht meiner Umarmung zu entschlüpfen. Ich war keineswegs gewillt, mich damit zu begnügen, daß ich meinen Feinden entkommen war. Hatte ich diesen Menschen einmal in meinen Händen, so sollte er auch in denselben bleiben. Darum ließ ich ihn für einen kurzen Augenblick los, faßte ihn mit der Linken am Halse und schlug ihm die Faust gegen die rechte Schläfe. Er ließ das bereits erhobene Bein wieder sinken und wollte mit dem Oberkörper nach vorn fallen. Ich riß die Zügel aus seinen erschlaffenden Händen und zog mit der andern Hand seinen jetzt wie leblosen Körper wieder an mich.

In diesem Augenblicke hatte ich den Wald erreicht und mußte den Ochsen zügeln. Er gehorchte und schritt langsamer vorwärts. Dennoch war es nicht leicht, mich auf seinem Rücken zu halten, ohne den Muza'bir fallen oder mich von dem Gezweig abstreifen zu lassen. Später, als die Bäume dichter zusammentraten, sah ich mich gezwungen, abzusteigen. Ich ließ den Ochsen laufen, nahm den Muza'bir auf die Schulter und eilte der Stelle zu, an welcher ich das Boot wußte.

Es lag noch da. Ben Nil und Selim saßen, meiner ängstlich wartend, darin.

»Hamdulillah!« rief mir der erstere, als er mich sah, entgegen. »Wie gut, daß du kommst! Wir hatten große Sorge um dich, Effendi. Aber wen bringst du da getragen? Das ist -bei Allah, das ist ja der Muza'bir!«

»Allerdings! Er wollte uns haben, und da haben wir ihn!«

»Welch ein Glück! Welch ein Streich von dir! Wie hast du das fertig gebracht?«

»Davon später. Jetzt müssen wir rasch fort, denn die Verfolger werden bald da sein.«

»Sie haben unsere Waffen und Sachen. Wollen wir ihnen das lassen?«

»Nur für einstweilen. Jetzt gilt es, von hier fortzukommen.«

»Direkt über den Maijeh?«

»Nein. Sie würden uns sehen und also erfahren, wohin wir uns wenden. Wir rudern immer nahe am Ufer zurück, wo sie uns nicht entdecken können. Sind wir dann unserer Nilpferdfalle gegenüber angekommen, so ist es inzwischen dunkel geworden, daß sie unser Boot nicht mehr sehen können, wenn es quer über den Maijeh geht.«

Ich war während dieses kurzen Wortaustausches in das Boot getreten, hatte den besinnungslosen Muza'bir niedergelegt und mich dann an das Steuer gesetzt. Die beiden legten sich in die Ruder, und wir flogen, uns so nahe wie möglich an das Ufer haltend, unter den Bäumen dahin. Die Sonne stand schon tief hinter dem jenseitigen Walde, und mußte in einigen Minuten hinter dem Horizonte verschwinden. Wir beeilten uns, bis dahin diejenige Stelle zu erreichen, an welcher wir, der Nilpferdfalle gegenüber, vorhin gelandet waren und vergeblich nach Federwild gesucht hatten. Während die beiden fleißig ruderten, erzählte ich ihnen, auf welche Weise es mir gelungen war, mich des Muza'bir zu bemächtigen. Als ich diese Mitteilung beendet hatte, sagte Ben Nil:

»Wer hätte das gedacht! Als man uns fortschleppte und von unserm Tode sprach, glaubte ich alles verloren. Und nun ist das Gegenteil geschehen; wir kehren als Sieger zurück, denn wir haben den Muza'bir gefangen.«

Er war meines Lobes voll; sein Mund floß über. Selim aber verhielt sich schweigend; er sagte kein Wort, sodaß Ben Nil ihm unwillig zurief:

»Und du bist still? Kannst du dem Effendi nicht danken? Ohne ihn hingst du jetzt, gerade wie ich auch, an einem Baume!«

Selim begann nun wieder seine gewöhnlichen Prahlereien; ich gebot ihm aber Schweigen, weil wir an der ins Auge gefaßten Stelle angekommen waren und der Muza'bir sich zu regen begann. Wir legten an und fesselten den letzteren mit seinem eigenen Gürtel. Er ließ das geschehen, ohne einen Laut von sich zu geben oder nur den leisesten Versuch des Widerstandes zu machen.

Die Schatten des Waldes lagen schon längst auf dem Wasser; jetzt begann es zu dunkeln, und wir stießen nun wieder ab, um den Kiel gerade nach der Nilpferdfalle zu richten, wo das Schiff im Dunkel des Abends lag. In Anbetracht der Feinde, denen wir entkommen waren, war es mir lieb, daß kein Licht auf demselben brannte. Sie hätten es vielleicht doch drüben sehen können.

Der Reis Effendina hatte Posten ausgestellt, befand sich aber bei den Tokuls der Bor. Wir begaben uns dorthin, indem wir den Muza'bir so fest zwischen uns nahmen, daß es keine Möglichkeit des Entkommens für ihn gab. Wie staunte der Emir, als er ihn sah und von mir hörte, was geschehen war! Man hatte schon ein Feuer angezündet. Er nahm den Gefangenen beim Arme, schob ihn näher zu der Flamme, warf einen finstern, forschenden Blick auf ihn und fuhr ihn dann an:

»Kennst du mich?«

Als der Gefragte nicht antwortete, wiederholte er:

»Weißt du, wer ich bin? Antworte, sonst laß ich dich hauen, daß dir das Fleisch von den Knochen fällt!«

»Du bist der Reis Effendina,« erklang es in trotzigem Tone.

»Kennst du mich?«

Als der Gefragte nicht antwortete, wiederholte er:

»Weißt du, wer ich bin? Antworte, sonst laß ich dich hauen, daß dir das Fleisch von den Knochen fällt!«

»Du bist der Reis Effendina,« erklang es in trotzigem Tone.

»Ja, der Reis Effendina, der bin ich. Aber weißt du denn auch, was das für dich bedeutet? Als Reis Effendina bin ich dein Richter, und du wirst von mir gehört haben, daß ich nicht zu fackeln pflege.«

»Ich habe dich nicht zu fürchten!«

»Ob du dich vor mir fürchtest oder nicht, das ist deine Sache; die meinige aber ist, den Stab der Gerechtigkeit zu schwingen.«

»Falls du gerecht bist, mußt du mich entlassen. Ich habe dir nichts gethan.«

»Du bist Sklavenjäger!«

»Beweise es mir! Bringe mir einen Sklaven, den ich gefangen habe!«

»Belle nur, Hund; bald wirst du winseln! Hast du nicht diesem Effendi nach dem Leben getrachtet?«

»Er lügt. Und selbst wenn es wahr wäre, müßte er sich nicht an dich, sondern an seinen Konsul wenden.«

»Du irrst. Du bist Unterthan des Vizekönigs, an dessen Stelle ich hier vor dir stehe. Deine Missethaten sind mir alle bekannt. Der Effendi hatte sehr oft Nachsicht mit euch; ich aber wußte, daß du in dem Augenblicke, an welchem ich dich fassen würde, verloren seist. Jetzt habe ich dich, folglich ist es aus mit dir.«

»Bringe mir Beweise! Was andere sagen, geht mich nichts an. Ich kann Zeugen dafür bringen, daß ich nichts gethan habe und fälschlicherweise angeschuldigt werde.«

»Ich will mich durch deine Worte nicht erzürnen lassen, weil du in meinen Augen bereits eine Leiche bist und ich mich über einen Toten unmöglich ärgern kann. Deine Zeugen gelten nichts; ich glaube denen, die deine Ankläger sind. Mein Gesetzbuch ist dasjenige der Wüste: Gleiches mit Gleichem. Wehe dem, der wehe thut! Aziz, bringe einen Strick!«

Aziz war bekanntlich der Liebling und Urteilsvollstrecker des Reis Effendina. Er ging in einen Tokul, um den verlangten Strick zu holen. Als er ihn brachte, rief der Muza'bir aus:

»Effendina, willst du etwa Ernst machen? Bedenke die Verantwortung! Der Mokkadem der heiligen Kadirine ist mein Freund. Er weiß, daß ich unschuldig bin, und würde dich wegen meines Todes vor den Vizekönig fordern!«

»Dieser Mokkadem ist auch mein Freund und wird, noch ehe es Morgen wird, zu seinem Vergnügen hier neben dir hängen. Hinauf mit ihm an den Ast!«

Drei Asaker hielten den Muza'bir fest; Aziz legte ihm die Schlinge um den Hals, um das andere Ende des Strickes zwei andern Asakern, welche auf den nächsten Baum kletterten, zuzuwerfen. Der Verurteilte versuchte, sich zu wehren. Er schrie und heulte, in einem fort seine Unschuld beteuernd. Ich konnte es nicht unterlassen, den Emir um Gnade zu bitten, erhielt aber, wie zu erwarten stand, die zornige Antwort:

»Schweig'! Du weißt, wie oft ich dir zuliebe Milde walten ließ. Hätte ich das nicht gethan, so wären wir längst mit diesen Hunden fertig. Kommst du nun, da wir fast am Schlusse stehen, mir wieder mit solchen Bitten der Schwachheit und des Unverstandes, so begiebst du dich in die Gefahr, mich in der Weise zu erzürnen, daß ich nichts mehr von dir wissen mag. Halte also den Mund, und entferne dich, wenn du es nicht vertragen kannst, einen solchen Halunken hängen zu sehen!«

Nun, das war deutlich genug! In dieser Weise hatte noch kein Freund zu mir gesprochen. Ich verzichtete natürlich auf jedes weitere Wort und wendete mich schweigend ab. Es widerstrebte mir zwar, Augenzeuge der Hinrichtung zu sein, doch war es keineswegs Schwäche, welche mir meine Bitte diktiert hatte. Darum blieb ich seitwärts stehen, um zuzusehen.

Der Muza'bir bekam einen zweiten Strick unter den Armen hindurch, an welchem er emporgezogen wurde; dann band man den ersten Strick, dessen Schlinge ihm um den Hals ging, an einem starken Aste fest. Nun wurde der vorige Strick losgelassen, und die Schlinge zog sich fest; die Arme und Beine bewegten sich eine kurze Zeit krampfhaft in der Luft, worauf sie schlaff herabhingen. Als dies geschehen war, kam der Emir zu mir. Sein Zorn war so schnell verraucht, wie er gekommen war.

»Effendi, die Gerechtigkeit ist befriedigt, doch nicht vollständig,« sagte er. »Wir müssen auch den Mokkadem noch haben. Hoffentlich wirst du mir dabei deine Hilfe nicht versagen?«

»Wie kommst du zu dieser Frage?«

»Infolge deiner sogenannten Humanität. Du wolltest vorhin den Muza'bir freibitten, und ich muß dir aufrichtig sagen, daß ich den Mokkadem, sobald wir ihn haben, an dem selben Baume aufhängen lassen werde. Ist dir das nicht recht, so mag Ben Nil uns nach der neuen Seribah führen, und du bleibst hier, damit dein zartes Gewissen dir später keine Vorwürfe machen kann.«

»Mein Gewissen ist ebenso kräftig wie das deinige. Laß tausend Menschen hängen, ich sehe ruhig zu, wenn sie es verdient haben. Wenn aber ich es bin, an dem sie sich versündigten, so halte ich es für meine Pflicht, wenigstens ein gutes Wort für sie einzulegen. Fruchtet das nichts, so habe ich eben meine Schuldigkeit gethan und brauche mir nichts vorzuwerfen.«

»So bist du einverstanden, daß ich den Mokkadem auch hängen lasse, und wirst mitgehen?«

»Ja.«

»Das ist mir sehr lieb, denn du bist ein besserer Führer und Berater, als Ben Nil es sein würde. Ich muß dich sogar schon jetzt um deinen Rat bitten. Denkst du, daß wir die Schufte ergreifen werden?«

»Ich bin überzeugt davon.«

»Und ich befürchte, daß sie entflohen sein werden. Sie können sich doch denken, daß du zurückkommst!«

»Wenn sie dies denken, so glauben sie doch jedenfalls nicht, daß ich so bald komme. Ich habe dafür gesorgt, daß sie sich heute noch sicher fühlen. Sie glauben, du seist anderthalbe Tagereise von hier entfernt. Ich muß, da man uns die Waffen abgenommen hat, auf deine Ankunft warten, ehe ich etwas gegen sie unternehmen kann. Ich bin ihnen entflohen, jedenfalls weit fort, um von ihnen nicht gefunden zu werden. Das ist ihre Ansicht, und darum werden sie sich auf ihrer neu angelegten Seribah so sicher fühlen, als ob heute gar nichts geschehen wäre.«

»Wenn du dich nicht irrst, so sind wir allerdings sicher, ihrer habhaft zu werden. Wann brechen wir auf?«

»Möglichst bald. Ich bin schon jetzt bereit dazu. Wir haben zwei Boote und brauchen uns nur eins noch von den Bot zu borgen, so fassen sie mehr Leute, als wir brauchen, um diese wenigen Gegner zu überwältigen.«

»Da müssen wir aber einen anderen Weg nehmen, daß sie unser Kommen nicht bemerken.«

»Natürlich! Sie wissen, daß wir in westlicher Richtung geflohen sind, und werden also, falls sie überhaupt aufpassen, ihre Aufmerksamkeit nach dieser Gegend wenden. Wir müssen von Osten kommen. Um dies zu können, rudern wir im Schatten der Bäume immer nahe am diesseitigen Ufer hin, bis wir über die jenseits liegende neue Seribah hinaus sind. Dann fahren wir quer über den Maijeh, landen, lassen die Boote zurück und schleichen uns zu Fuße zu ihnen hin.«

»Können wir uns nicht verirren?«

»Nein. Der Mond geht bald auf. Dann ist der dunkle Wald am jenseitigen Ufer leicht von der Savanne zu unterscheiden, an deren Rande die Seribah liegt. Nimm außer mir und Ben Nil zwanzig Mann mit. Das genügt.«

»Ich denke auch, daß wir nicht mehr brauchen. Die Waffen, welcher du bedarfst, kannst du von jedem zurückbleibenden Askari erhalten. Laß dir sie geben!«

»Ich mag keine. Ich hole mir die meinigen. Nähme ich jetzt andere mit, so müßte ich sie zurücktragen.«

»Aber wenn es zum Kampfe kommt und du bist unbewaffnet, so kann es dir leicht schlimm ergehen!«

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