Satan und Ischariot I - Karl May 6 стр.


Er hielt mir seine Hand hin. Ich hob die meinige, als ob ich einschlagen wolle, zog sie aber langsam zurück und fragte:

»Ist es denn wirklich Ihr Ernst, oder scherzen Sie nur mit mir? Es erscheint mir als ein Wunder, daß Sie einem fremden Menschen, welcher kaum seine Blöße decken kann, ein so großartiges Anerbieten machen.«

»Es ist auch beinahe ein Wunder, und darum rate ich Ihnen, ja nicht zu zögern, sondern schleunigst zuzugreifen.«

»Das möchte ich wohl, wie Sie sich denken können, doch möchte ich natürlich vorher etwas Näheres erfahren. Wo liegt denn die Hazienda, nach welcher Sie mich schicken wollen?«

»Nicht schicken will ich Sie, sondern ich werde Sie hinbringen.«

»Das ist mir noch lieber. Kostet die Reise viel Geld?«

»Sie haben keinen Centavo auszugeben, denn ich bezahle alles. Sobald Sie Ihre Zusage erteilt haben, sind Sie nicht nur von jeder Ausgabe entbunden, sondern ich bin sogar erbötig, Ihnen eine Prenda, auszuzahlen. Der Haziendero ist mein Freund. Er heißt Timoteo Pruchillo und ist der Besitzer der Hazienda del Arroyo.«

»Wo liegt die Hazienda?«

»Jenseits Ures. Man fährt von hier per Schiff nach Lobos und hat dann bis zum Ziele einen herrlichen Landweg, eine kurze, sehr angenehme Reise, auf welcher Sie viel Unterhaltung und Belehrung finden werden, zumal es dabei zahlreiche Gesellschaft aus Ihrem Vaterlande geben wird.«

»Wieso das? Gesellschaft aus meinem Vaterlande?«

»Ja, aus Preußen, welches doch in Deutschland liegt. Der Indianer ist kein ausdauernder und zuverlässiger Arbeiter; darum mangelt es hier an Leuten, welche zu der Beschäftigung, wie eine Hazienda sie erfordert, tauglich sind. Sennor Timoteo hat sich deshalb Leute aus Deutschland verschrieben. Es sind gegen vierzig Arbeiter, welche morgen hier ankommen werden und zum großen Teile auch ihre Weiber und Kinder mitbringen. Sie haben die Kontrakte unterzeichnet und sind so gestellt, daß sie in kurzer Zeit wohlhabende Leute sein werden. Der Haziendero hat mich gesandt, sie hier zu empfangen und über Lobos ihm zuzuführen.«

»Aus welcher Gegend Deutschlands kommen sie?«

»Das weiß ich nicht genau, aber ich vermute, daß sie aus der Gegend von Polonia oder Pomerania sind. Ich glaube, die Stadt, aus deren Umgebung sie stammen, wird Cobili genannt.«

»Eine Stadt dieses Namens giebt es dort nicht. Hm! Pommern oder Polen! Meinen Sie vielleicht den Namen Kobylin?«

»Ja, ja, so wie Sie sagen, wird er richtig klingen. Unser Agent hat die Leute nach Hamburg auf das Schiff gebracht. Der große Dampfer hat sie in San Franzisko gelandet, von wo aus sie morgen auf einem kleinen Segelschiffe hier ankommen werden. Das Fahrzeug legt hier nur an, um mich aufzunehmen, und segelt dann wieder ab. Wenn Sie sich noch besinnen wollen, so kann ich Ihnen nur Zeit bis morgen früh geben. Haben Sie sich dann noch nicht entschieden, so ziehe ich meinen Antrag zurück, und Sie können dann solange hier sitzen bleiben, wie es Ihnen beliebt.«

»Hoffentlich würde der Kapitän mich mit bis Lobos nehmen?«

»Nein, selbst gegen die beste Bezahlung nicht, da das Schiff nur für diese Auswanderer gemietet ist und keine Passagiere aufnehmen darf. Warum also noch lange überlegen? Es wäre geradezu Verrücktheit von Ihnen, mich mit meiner Offerte abzuweisen.«

Er sah mich erwartungsvoll an, sichtlich überzeugt, eine zusagende Antwort zu bekommen. Ich befand mich in Verlegenheit. Es war meine Absicht gewesen, ihn erst reden zu lassen und dann auszulachen; davon mußte ich nun aber absehen. Wie wollte ich sonst von hier fortkommen? Schon aus diesem Grunde war es geboten, ihm keine abschlägige Antwort zu erteilen. Es gab aber außerdem noch eine Veranlassung für mich, die Fahrt mit ihm zu machen. Er erwartete Landsleute von mir, wahrscheinlich aus der Provinz Posen stammend und durch irgend eine Art Vertrag herübergelockt. Mußte mich der letztere Umstand schon lebhaft für sie interessieren, so kam noch dazu, daß mir die Route auffiel, welche er mit ihnen einschlagen wollte. Ich wußte, daß Ures, in dessen Nähe die Hazienda zu suchen sein sollte, am Rio Sonora liegt; der kürzeste und bequemste Weg hätte also zunächst nach Hermosillo und dann den Sonorafluß aufwärts geführt; der Mormone wollte aber bis Lobos, also wohl dreißig Leguas weitersegeln. Den Landweg von dort aus hatte er mir zwar als reizend beschrieben, doch vermutete ich, obgleich ich denselben gar nicht kannte, daß er mich damit belogen habe. Selbst wenn er die Wahrheit gesagt hatte, so handelte es sich um einen so bedeutenden Umweg, daß ich einen besonderen Grund dahinter ahnte, und da man einen solchen Umweg nicht mit Leuten macht, welche Frauen und Kinder bei sich haben, so glaubte ich, annehmen zu müssen, daß dieser Grund kein lauterer sei. Es war mir infolgedessen der Gedanke gekommen, daß den Auswanderern irgend eine Gefahr drohe, und ich fühlte das Bedürfnis, dieselbe zu erforschen und sie dann zu warnen. Dies konnte ich aber nicht, wenn ich in Guaymos sitzen blieb. Ich mußte also mit. Aber wie? Binden konnte ich mich unmöglich, am allerwenigsten durch einen schriftlichen Kontrakt. Überdies war mir selbstverständlich auch der Umstand im höchsten Grade verdächtig, daß der Mormone mir, den er für einen heruntergekommenen oder gar nichtsnutzigen Menschen hielt, eine so gute Anstellung förmlich an den Hals werfen wollte. Schon dies setzte eine Absicht voraus, welche ich leider jetzt noch nicht durchschauen konnte. Es gehörte Zeit dazu, dieselbe kennen zu lernen, und diese Zeit mußte ich zu gewinnen suchen. Darum antwortete ich auf seine letzte Bemerkung:

»Sie haben recht, Sennor. Es würde nicht nur eine Dummheit von mir, sondern auch die abscheulichste Undankbarkeit gegen Sie sein, wenn ich Ihre Güte zurückweisen wollte. Ich würde darum augenblicklich ja sagen, wenn ich mich nicht gezwungen sähe, ein sehr begründetes Bedenken dagegen zu hegen.«

»Ein Bedenken? Möchte doch wissen, welcher Art dies sein könnte. Wollen Sie sich aussprechen?«

»Natürlich! Ich habe noch nie ein Buch geführt und noch nie auf einer Hazienda gelebt. Ich zweifle also den Ansprüchen des Haziendero genügen zu können.«

»Schweigen Sie doch damit!« unterbrach er mich. »Ich habe Ihnen ja gesagt, daß es eine wahre Kinderarbeit ist, die Sie zu leisten haben, eine reine Spielerei. Sie tragen ein, was in den Apfelsinengärten und auf den Feldern geerntet wird, und welchen Preis Sennor Timoteo dafür bekommt. Sie schreiben ferner auf, wieviel junge Füllen und wieviel Kälber zu Welt kommen. Das ist die ganze Arbeit, die man von Ihnen verlangt.«

»Und dafür soll ich vollständige freie Station und monatlich hundert Pesos erhalten?«

»Wenigstens hundert!«

»So möchte ich allerdings augenblicklich in Ihre Hand schlagen; aber ich möchte doch lieber erst sehen, ob ich eine solche Gage auch verdiene.«

»Damit beweisen Sie, daß Sie ein Deutscher sind. Als einem Heiligen der letzten Tage geht mir Gottesfurcht und Rechtschaffenheit über alles; Sie aber treiben die Ehrlichkeit gar zu weit. Ihr Deutschen seid doch merkwürdige Leute!«

»Mag sein, Sennor, doch wollen Sie bemerken, daß ich Ihr Anerbieten nicht zurückweise. Ich gehe mit, wenn auch um mich erst dann vollständig zu binden, wenn ich zu der Einsicht gelange, daß ich das, was man mir zahlt, auch wirklich verdiene.«

»Das ist eine Albernheit. Aber wenn Sie nicht anders wollen, so mag es auch in dieser Weise sein. Aber wie steht es denn mit Ihrer Kasse, auf deren Boden Sie wohl angelangt sein werden? Da Sie nur bedingungsweise mitgehen, sind Sie nicht fest engagiert, und ich habe nicht die Pflicht, für Sie zu zahlen. Freie Fahrt auf dem Schiffe ist alles, was ich Ihnen unter diesen Umständen bieten kann.«

»Ich bin zufrieden damit und habe glücklicherweise noch einige Pesos, welche wohl ausreichen werden, bis wir auf der Hazienda eintreffen.«

»Aber in Ihrem jetzigen Aufzuge kann ich Sie unmöglich mitnehmen. Können Sie einen neuen Anzug erschwingen?«

»Ja, denn bei der jetzigen Hitze kauft man nur, was leicht und billig ist.«

»So besorgen Sie das morgen mit dem Frühesten, damit ich nicht auf Sie zu warten brauche. Jetzt gute Nacht!«

Er nickte mir kurz zu und ging, ohne mir die Hand zu reichen, nach seiner Hängematte. Die Kinder schliefen schon; Sennorita Felisa schnarchte; Donna Elvira pustete, und der kleine Geronimo gab im ersten Schlummer Töne von sich, welche ganz genau denen einer nicht geölten Thürangel glichen. Ich blies also das Licht aus, und suchte den Hof und mein liebes Maisstrohlager auf, wo mich der Hund, welcher sich an mich gewöhnt hatte, mit freundlichem Händelecken empfing. Obgleich ich am andern Morgen sehr zeitig erwachte und in das Gastzimmer kam, als die liebe Wirtsfamilie noch schlief und in der angegebenen Weise sich akustisch beschäftigte, konnte ich den Mormonen weder sehen noch sprechen, denn er hatte das Hotel bereits verlassen. Wo hielt er sich während des ganzen Tages auf? Niemand wußte es. Auch das war auffällig, denn wer auf ehrlichen Wegen geht, braucht sein Thun nicht in ein solches Dunkel zu hüllen.

Nachdem ich Sennorita Felisa geweckt hatte, um zu der berühmten Morgenschokolade zu kommen, machte ich, der ich heute die dreißigste Tasse trank, die nun leider zu spät kommende Entdeckung, daß die Liebliche das Getränk mit demselben Wasser bereitete, mit welchem sie ihre zarten Finger und ihr reizendes Gesicht gewaschen hatte. Ich zollte dieser häuslichen und ganz im Verborgnen blühenden Sparsamkeit meine Anerkennung, indem ich vorgab, Magenweh zu haben und darum auf die Schokolade verzichten zu müssen; die Sennorita beglückte mich mit einem zärtlichen Augenaufschlage, führte die Tasse an den Mund, trank sie aus, wischte sich mit der Außenseite der Hand die blühenden Lippen und sagte in tief zu Herzen dringendem Tone:

»Sennor, Sie sind der nobelste, der feinste Kavalier, der mir vorgekommen ist, und werden, wenn Sie heiraten, Ihre Sennora sehr glücklich machen. Jammerschade, daß Sie abreisen. Könnten Sie denn nicht hier bleiben?«

»Wünschen Sie das vielleicht?« fragte ich neckisch.

»Ja,« antwortete sie unter einem leichten Erröten.

»Und was ist die Ursache dieses Wunsches, Sennorita? Das Glück, von dem Sie soeben sprachen, oder die Schokolade, welche ich Ihnen so gern abgetreten habe?«

»Beides,« hauchte sie mit entzückender Wahrheitsliebe,

Wahrscheinlich erwartete sie, daß ich den Anfang dieses Morgengespräches zu einem glücklichen Ende führen werde, leider aber hielt ich die Anschaffung eines neuen Anzuges für weit dienlicher, als eine Stegreifverlobung, und ging, um einen Baratillero, aufzusuchen. Der Laden desselben glich einer wahren Trödelbude, doch fand ich glücklicherweise, was ich suchte, Hose, Weste und Jacke von ungebleichtem Linnen und einen Strohhut, dessen Krämpe so breit war, daß, falls ich auf die Absicht der Sennorita Felisa eingegangen wäre, ich mit ihr und sämtlichen Hochzeitsgästen darunter Platz gefunden hätte. Auch kaufte ich ein Stück billigen Stoffes, um mir mit Hilfe von Nadel und Zwirn, welch beides ich stets bei mir führte, ein Futteral für meine Gewehre anzufertigen. Das hatte einen guten Grund: Der Mormone sollte mich noch für einige Zeit für den Menschen halten, für den er mich bisher gehalten hatte. Da er viel von Old Shatterhand gehört zu haben schien, war es leicht möglich, daß er auch wußte, was für Gewehre derselbe bei sich führte, und darum sollte er sie wenigstens nicht genau zu sehen bekommen. Auch ein Paar derbe Lederschuhe kaufte ich mir. Als ich dann, mit solcher Eleganz ausgestattet, in das Hotel zurückkehrte, schlug Don Geronimo vor Verwunderung die Hände zusammen und rief aus:

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