Old Firehand - Karl May 2 стр.


Plötzlich zog sie die Zügel an.

»Ihr seid ein Deutscher?«

»Ja. Spreche ich das Englische mit so bösem Accent, daß Ihr meine Abstammung so genau bestimmen könnt?«

»Nein, Sir. Euer Englisch ist rein; aber Euer Verhalten ist ächt deutsch. Erst laut, munter und gemüthlich und jetzt still, nachdenklich und grübelnd. Wenn es Euch recht ist, wollen wir uns unserer Muttersprache bedienen?«

»Wie? Auch Ihr habt die gleiche Heimath?«

»Vater ist ein Deutscher, geboren bin ich am Quicourt. Meine Mutter war eine Indianerin vom Stamme der Assineboins. Eine Amerikanerin wäre Euch wohl in anderer Weise begegnet.«

Jetzt war mir der eigenthümliche Schnitt ihres Gesichtes und der tiefere Schatten des Teints erklärlich. Ihre Mutter war also todt, und der Vater lebte noch. Hier stieß ich jedenfalls auf außergewöhnliche Verhältnisse, und es war mehr als bloße Neugierde, welche ich jetzt für dieselben empfand.

»Seht da hinüber!« belehrte sie mich mit erhobenem Arme. »Seht Ihr den Rauch wie aus dem Boden aufsteigen?«

»Ah, das ist der Bluff, welchen ich schon längst suchte, und in dessen Senkung New-Venango liegt. Kennt Ihr Emery Forster, den Oelprinzen?«

»Ein Wenig. Er ist der Vater von meines Bruders Frau, welche mit ihrem Manne in Omaha lebt. Ich komme von daher, um den Vater zu sehen und habe hier Absteigequartier genommen. Habt Ihr mit Forster zu thun, Sir?«

»Nein, ich habe im Store (Laden) zu thun, um mich mit Einigem zu versorgen und fragte nur, weil er als einer der bedeutendsten Oelprinzen bekannt ist.«

»Könnte Euch auch nicht viel an ihm empfehlen. Ihr wißt ja, wie diese Leute sind. Doch, laßt uns aus greifen, es wird Abend.«

Nach kurzer Zeit hielten wir am Rande der Schlucht und blickten auf die kleine Niederlassung, deren Häuserzahl wenigstens ich mir höher vorgestellt hatte. Das vor uns liegende Thal bildete eine schmale Pfanne, welche, rings von steil ansteigenden Felsen umschlossen, in ihrer Mitte von einem ansehnlichen Flusse durchströmt wurde, der sich zwischen nahe zusammentretendem Gestein unten einen Ausweg suchte. Das ganze unter uns liegende Terrain war mit Anlagen, wie sie die Petroleumerzeugung erfordert, bedeckt; oben, ganz nahe am Wasser, sah ich einen Erdbohrer in voller Thätigkeit; am mittleren Laufe stand etwas vor den eigentlichen Fabrikräumlichkeiten ein trotz des Interims doch ganz stattliches Wohngebäude, und wo das Auge nur hinblickte, waren Dauben, Böden und fertige Fässer, theils leer, meist aber mit dem vielbegehrten Brennstoff gefüllt, zu sehen.

»Da drüben seht Ihr den Store, Sir, zugleich Restauration und alles sonst noch Mögliche, und hier führt der Weg hinab, ein Wenig steil, so daß wir absteigen müssen, aber doch immer noch ohne Lebensgefahr zu passiren. Wollt Ihr mitkommen?«

Rasch schnellte ich mich aus dem Sattel, um ihr beim Absteigen behülflich zu sein. Aber ich kam zu spät; denn schon stand sie mit aufgenommenem Kleide vor mir und rief mit goldenem Lachen:

»Danke! Man gewöhnt sich hier, dergleichen Aufmerksamkeiten nicht zu beanspruchen. Nehmt Euer Thier an die Hand.«

»Swallow kommt von selbst nach, Miß; erlaubt mir das Eurige.«

Ich ergriff die Zügel der Stute, und während mein Mustang ohne besondere Aufforderung nachfolgte, hatte ich Gelegenheit, an der Vorangehenden die Gewandheit und Sicherheit des Schrittes zu bewundern. Diese Uebung hatte sie sich ganz bestimmt nicht im Institute aneignen können, und mein Interesse an dem wundervollen Wesen wuchs von Minute zu Minute.

Auf der Sohle des Thales angekommen, bestiegen wir die Pferde wieder und hielten in raschem Tempo auf den Store zu.

»Forster steht unter der Thür; er wird mich wohl nicht vorüberlassen.«

Der Bezeichnete war eine lange, hagere Gestalt mit ächter Yankeephysiognomie.

»Stop, Ellen; hier wird abgestiegen! In welche Gesellschaft bist Du denn da gerathen?«

Es lag in Ton und Wort nicht die mindeste Höflichkeit für mich, und ebenso bekümmerte er sich nicht im mindesten um das Mädchen, sondern trat sofort zu meinem Pferde.

»Hm hm habs gleich von Weitem bemerkt hm hm das Thier muß man kaufen was meint Ihr, Fenders?«

Der Angeredete war ein Mann mit vertrunkenen Gesichtszügen und jedenfalls ein Irländer. Ich vermuthete den Wirth in ihm, schritt aber, ohne die Beiden weiter zu beachten, dem Mädchen nach, welches in den Boarraum gegangen war. Sie empfing mich mit den Worten:

»Wenn Ihr das Pferd ja verkauft, so laßt es mir; ich zahle Euch dasselbe wie Forster.«

»Welches Pferd?« riefen einige Leute, welche am Tische standen und traten, nachdem sie einen Blick durch das Fenster geworfen hatten, hinaus, worauf sich ein lebhafter Wortwechsel draußen erhob, am Schlusse dessen Forster Miene machte, das Thier zur Probe zu besteigen. Ich öffnete das Fenster.

»Swallow!«

Das folgsame Thier schüttelte den Zudringlichen mit einem jähen Seitensprunge ab und kam herbei. Ich band die Zügel an das Fensterkreuz.

»Glaubt Ihr, das ich Euch das Pferd stehlen will, Herr?« fuhr mich der Abgeworfene an. »Ich werde es kaufen und kann also wohl auch erst einmal aufsitzen. Gebt her!«

»Ich denke, es Euch noch nicht angeboten zu haben, Sir. Der Hengst ist müde; laßt ihn in Ruhe!«

»Oho! Ihr scheint ja ein ganz resoluter Junge zu sein. Man muß Euch wirklich einmal näher ansehen!«

Er wandte sich nach der Thür und trat an der Spitze der Uebrigen in das Zimmer. Nach einem kurzen Blick auf mich meinte er mit geringschätzendem Schütteln des Kopfes:

»Würde Euch auch besser stehen, hübsch artig zu sein! Scheint mir ganz, als ob Ihr ein gutes Handgeld gebrauchen könntet.«

»Ist nicht Eure Sache, Mann, sondern die meinige. Werde mit meinen Angelegenheiten schon selbst fertig!«

»Good lack, klingt das wichtig! Doch will ich verständig sein und Euch hundertfünfzig Dollars bieten.«

»Ist mir nicht feil, das Pferd.«

»Hundert fünfundsiebenzig!«

»Ist mir nicht feil!«

»Zwei Hundert, aber nicht fünf Cents mehr.«

»Ist mir nicht feil, zum dritten Male; und nun laßt mich in Ruhe!«

»Ihr seid ein Grobian, der froh sein sollte, wenn ein Gentlemen ihm zu einem ganzen Zeuge verhilft. Wißt Ihr das?«

»Pah!«

Ich begnügte mich, diesen einen Laut auszusprechen, trotzdem ein Anderer jedenfalls zur Waffe gegriffen hätte.

Meine Meinung über das Duell, über Beleidigung und Genugthuung waren eben nicht die landläufigen, und wer daheim ein Paar arme, alte Eltern hat, welche ihre ganze Hoffnung allein nur auf ihn gesetzt haben, der setzt sein Leben nur dann ein, wenn es sich um Würdigeres als die Fausthöflichkeit eines Hinterwäldlers handelt. Freilich mußte mich diese Selbstbeherrschung in den Verdacht eines Feiglings bringen; aber das Urtheil dieser Leute konnte mir ja sehr gleichgültig sein.

Ein Wesen gab es allerdings, dessen Meinung mich nicht empfindungslos lassen konnte, und das war Ellen, wie sie von Forster genannt worden war. Sie hatte unserem kurzen Wortwechsel eine gespannte Aufmerksamkeit gewidmet und jedenfalls ganz bestimmt erwartet, daß ich losbrechen werde. Als das aber nicht geschah, sah ich einen Zug der Enttäuschung über ihr schönes Angesicht gehen, und es lag eine sichtbare Zustimmung in ihrem Blicke, als Forster, verächtlich die Achsel zuckend, meinte:

»Ein Coyote (Schakal), mehr nicht. Laßt ihn stehen, Leute!«

Trotz dieser neuen und größeren Beleidigung hielt ich an mich, und nun war es wirklich die ausgesprochenste Verachtung, mit welcher sich das Mädchen zur Seite wandte und ihren Verwandten zum Aufbruche mahnte.

Mein Auge folgte ihr, bis die letzte Falte ihres Kleides verschwunden war, und dann überkam mich eine Bitterkeit, wie ich sie in meinem ganzen Leben noch nicht empfunden hatte. Ganz gewiß war nur ich allein Schuld an der Unbill, die mir widerfahren; aber warum war ich doch nur so besonnen und überlegsam! Ein Wenig Jähzorn, ein Wenig Leichtsinn ist oft nicht so ganz am unrechten Platze.

So dachte ich in meinem Unmuthe und erhob mich endlich, um denselben im Handel vielleicht zu vergessen.

Als ich mich mit dem Nöthigen versehen hatte und dem Wirthe die geforderte Summe vorzählte, fragte er:

»Wollt Ihr für diese Nacht nicht dableiben? Man wird bei mir gut bedient!«

»Danke; schwärme nicht für Eure Bude.«

»Könntet aber doch dableiben, Mann, nicht blos für heute, sondern für morgen und übermorgen und immer. Ich brauche einen Boardkeeper, der nicht gleich dreinspringt, wenn er einen Tritt bekommt oder zwei. In unserem Geschäfte ist die Ambition oft ein recht überflüssiges und schädliches Ding. Wie gesagt, Ihr könntet hier bleiben; denn ich meine, Ihr seid der beste Mann dazu.«

Eigentlich hätte ich den scharfsinnigen Landlord (Gastwirth) par figura belehren sollen, daß er sich sehr in mir geirrt habe; doch war die Offerte wirklich mehr lächerlich als ärgerlich, und so ließ ich ihn ruhig stehen und trat ins Freie, wo Swallow immer noch meiner wartete.

Der Abend hatte sich mittlerweile über das Thal gebreitet, und es war ziemlich dunkel geworden. Mir war die Lust vergangen, an meiner ursprünglichen Absicht, zu bleiben, festzuhalten. Pferd und Reiter hatten sich ausgeruht, und so konnte es heute noch ein Stück in die offene Prairie hineingehen, wo es sich jedenfalls angenehmer schlafen ließ als in dem nach Petroleum duftendem Thale. Zuvor aber trieb es mich die kurze Strecke abwärts, nach dem Wohngebäude zu, welches ich am Nachmittage von der Höhe aus gesehen.

Der Weg führte dem Flusse entlang, und was ich vorher nicht bemerkt, das fiel mir jetzt, wo meine Aufmerksamkeit nicht von der schönen Begleiterin in Anspruch genommen wurde, sofort auf, nämlich daß in der Nähe des Wassers sich der Oelgeruch verstärkte und der Fluß also eine nicht unbedeutende Quantität des Brennstoffes mit sich führen müsse.

Der Gebäudecomplex lag vollständig schwarz vor mir, aber als ich eine leichte Krümmung des Weges hinter mir hatte und nun das Herrenhaus von vorn nehmen konnte, fiel heller Lichtesglanz von der Veranda herüber, und ich sah, daß dort eine kleine Gesellschaft versammelt sei. Ich sprang vom Pferde, welches ich an eine Fenzstange band und schlich mich leise über die dunklen Stellen des Vorplatzes bis an das niedere Mauerwerk, in welches die Träger der leichten Ueberdachung befestigt waren.

Noch nie in meinen Leben hatte ich den Lauscher gemacht; aber heute trieb mich ein unbestimmtes und bisher ungekanntes Etwas zum unerlaubten Beobachten, und mit Genugthuung bemerkte ich die Gesuchte, welche, von einem leichten Hauskleide umflossen, in einer der Hängematten lag. Eben war sie im Begriff, dem in ihrer Nähe sitzenden Forster eine Auseinandersetzung zu machen.

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