Das Eulenhaus - Eugenie Marlitt 23 стр.


»Niemals, Hoheit!« stotterte sie der Wahrheit gemäß.

»Es gibt derartige nervöse Erscheinungen«, bemerkte der Herzog ruhig, »vielleicht hast du Fräulein von Gerold bereits zu sehr angestrengt?«

»Oh, das wäre möglich. Verzeihen Sie, meine liebe Klaudine, und ruhen Sie sich aus«, rief sichtlich erschreckt die Herzogin. Sie winkte das junge Mädchen zu sich auf das kleine Sesselchen, von dem soeben der Herzog aufgestanden war, um fast unhörbaren Schrittes im Zimmer auf und ab zu gehen.

»Setzen Sie sich so, daß ich Ihr Gesicht erblicken kann«, bat sie. »Wirklich, Sie sehen angegriffen aus, aber jetzt kommt Ihre Farbe wieder. Mein Gott, ich glaube fast, Sie haben sich vor dem plötzlichen Eintritt des Herzogs erschreckt! Adalbert!« lachte sie und bemühte sich, ihren Kopf zu wenden er stand in diesem Augenblick hinter ihrem Sofa. »Du wirst schuld an diesem Verstummen sein. Oh du böser Mann, was richtest du für Sachen an!« Unwillkürlich hatte Klaudine die Augen zu dem Angeredeten erhoben, um sie im nächsten Augenblick tödlich erschreckt zu senken da war er ja wieder, dieser heiße, flehende Blick! Über das Haupt der Gattin hinweg war er zu ihr geflogen, indes seine Stimme so ruhig erklang: »Es sollte mir leid tun, gnädiges Fräulein, ich kann mir aber nicht denken, daß mein Erscheinen hier etwas schreckendes, ungewöhnliches haben soll. Ich «

»O gewiß nicht, Hoheit«, erwiderte Klaudine laut und richtete sich empor, »ich war in dem Augenblick ermüdet, ich hatte ein wenig Kopfschmerz. Es ist mir jetzt viel besser.«

»Um so besser!« lächelte die Herzogin, »und nun wollen wir plaudern. Du bist so stumm, Adalbert. Wie kam es, daß du dein Jagdvergnügen aufgabst? Erzähle! War es wirklich nur, weil du diesen Abend bei mir sein wolltest?« Sie folgte ihm, wenn er wieder an ihr vorüberschritt, mit glückseligen Augen, und ohne eine Antwort abzuwarten, plauderte sie weiter: »Denke dir, Adalbert, der Erbprinz hat ein Gedicht gemacht, seine ersten Verse, der Doktor ließ es mir heute zugehen, er hat es in seinem Lateinheft gefunden. Willst du es lesen? Liebste Klaudine, dort, auf meinem Schreibtisch unter dem Briefbeschwerer nein, dort unter dem mit der Statuette des Herzogs. Danke sehr. Würden Sie es uns vorlesen? Es ist so kindlich geschrieben und so ernst empfunden.«

Klaudine nahm das Blatt, trat zum Fenster und las beim sinkenden Tageslicht die großen kindhaften Schriftzüge:

»Wenn ich ein Mann erst werde sein,
Hab' ich ein Wörtlein mir erkoren
Das schreibe ich ins Herz mir ein,
Daß niemals werde es verloren:
Treu will ich sein, das ist mein Wort,
Treu meinem Volk, treu meinem Gott,
Treu meinen Freunden immerfort,
Treu meiner Pflicht, mir selber treu,
Daß treu stets meine Treue sei!«

Klaudine konnte das Gesicht der Herzogin nicht erblicken, aber sie sah, wie sie die Hand nach dem Gatten ausstreckte, und hörte, wie eine leisbebende Stimme flüsterte: »Dein Sohn, Adalbert!« Und laut fragte sie: »Ist es nicht köstlich?«

Klaudine nahm das Blatt, trat zum Fenster und las beim sinkenden Tageslicht die großen kindhaften Schriftzüge:

»Wenn ich ein Mann erst werde sein,
Hab' ich ein Wörtlein mir erkoren
Das schreibe ich ins Herz mir ein,
Daß niemals werde es verloren:
Treu will ich sein, das ist mein Wort,
Treu meinem Volk, treu meinem Gott,
Treu meinen Freunden immerfort,
Treu meiner Pflicht, mir selber treu,
Daß treu stets meine Treue sei!«

Klaudine konnte das Gesicht der Herzogin nicht erblicken, aber sie sah, wie sie die Hand nach dem Gatten ausstreckte, und hörte, wie eine leisbebende Stimme flüsterte: »Dein Sohn, Adalbert!« Und laut fragte sie: »Ist es nicht köstlich?«

Er hatte sein Umherwandern eingestellt. »Ja, es ist köstlich, Elise. Möge der liebe Gott ihn so führen, daß es ihm niemals schwer falle, die Treue zu halten.«

»Das kann nicht schwer fallen, Adalbert, niemals!«

»Niemals?« fragte er.

Sie schüttelte den Kopf.

»Niemals! Was sagen Sie, Klaudine?«

»Hoheit, es kann Fälle geben«, begann das schöne Mädchen, »wo es einen schweren Kampf kostet, die Treue zu halten.«

»Aber dann ist's keine Treue, die durch Liebe bedingt wurde«, unterbrach die fürstliche Frau und ihre Wangen wurden heiß, »dann ist es eine künstliche Treue.«

»Ja«, sagte der Herzog halblaut. Sie klang eigentümlich, diese einfache Bestätigung.

»Dann ist es eben keine Treue, dann ist es Pflichtgefühl«, erklärte die Herzogin eifriger.

»Treue in der Pflicht ist vielleicht der höchste Grad der Treue, Hoheit«, sprach Klaudine sanft.

»Ach, das ist ja ein Streiten um des Kaisers Bart, bestes Kind«, unterbrach abermals die Herzogin. »Eine Treue, die erst mit sich kämpfen muß, hat überhaupt ihre Bedeutung verloren. Wenn zum Beispiel wenn der Herzog«, sie stockte einen Augenblick und ein schalkhaftes Lächeln glitt über ihr Gesicht, »wenn nun, wenn er mit seinen Gedanken zuweilen sagen wir einmal bei Ihnen, Klaudine, wäre, dann würde doch seine Gattentreue keinen Wert mehr haben, und wäre er tatsächlich der tadelloseste Ehemann. Hörst du, Adalbert? Dann hättest du, nach meiner Ansicht, überhaupt schon die Treue gebrochen.«

Der Herzog hatte sich umgewendet und schaute zum Fenster hinaus, Klaudine saß mit fast entstellten Zügen da. Die Herzogin bemerkte es nicht, sie lachte jetzt, es war ein so drolliger Gedanke, den sie eben ausgesprochen hatte. Und sie lachte weiter, so kindlich glücklich, wie nur der zu lachen versteht, der ein großes Glück sein eigen nennt und spielend von einem möglichen Verlust spricht, weil er sicher weiß, daß dies niemals sein kann.

»Klaudine!« rief sie dazwischen, »wie sehen Sie aus! Ängstigen Sie sich nicht, es ist kein Hochverrat. Nicht wahr, Adalbert, du weißt, wie ich oft necke? Mein Gott und nun tut mir die Brust weh o das Lachen. Klaudine! Klaudine!« Das Wort erstarb in einem heftigen Hustenanfall. »Wasser! Wasser!« stieß sie hervor.

Das erschreckte Mädchen war aufgesprungen und zu dem Tischchen geeilt, das stets eine Wasserflasche trug. Frau von Katzenstein, die in das Zimmer gestürzt war, hielt die nach Atem Ringende in den Armen. Der Herzog stand mit finsterer Miene neben dem Ruhebett, die Leidende hatte seine Hand wie im Krampf erfaßt.

Sie war wie geschüttelt von dem Husten und vermochte nicht zu trinken. Mit leisem Schritte kam der herbeigerufene Arzt durch das Zimmer. Klaudine trat zur Seite und gab dem alten liebenswürdigen Herrn Raum.

»Lieber Doktor Westermann!« stieß die Kranke hervor, »es wird schon besser, es geht vorüber. Oh mein Gott, ich atme wieder!«

Die allerletzte graue Dämmerung füllte das Zimmer. Klaudine hatte sich in die Fensternische zurückgezogen, sie stand wie auf glühenden Kohlen und sah, fast abwesend, auf die Gruppe inmitten des Gemaches.

Jetzt trat der Herzog zurück, und die Leidende fragte mit matter Stimme: »Habe ich dich sehr erschreckt, Adalbert? Vergib mir!«

»Hoheit müssen sich sogleich niederlegen«, erklärte der Arzt.

Der Herzog, der sich bereits der Tür genähert hatte, kam plötzlich zurück. Frau von Katzenstein stützte die Kranke, die sich gehorsam erheben wollte. Sie winkte freundlich zu Klaudine hinüber: »Auf Wiedersehen! Ich werde Sie bald rufen lassen, Liebste! Gute Nacht, mein Freund«, wendete sie sich dann zum Herzog, »morgen bin ich wieder ganz wohl.«

Der Arzt trat, nachdem die Kranke hinter dem Vorhang verschwunden war, zum Herzog.

»Hoheit, es ist nichts ängstliches, nur muß die hohe Kranke sehr geschont werden keine aufregenden Gespräche, keine geistlichen Debatten, wie Ihre Hoheit es lieben. Das Temperament Ihrer Hoheit spielt mir ohnehin schon böse Streiche, ebenmäßig langweilig soll die Kranke leben.«

»Bester Herr Medizinalrat, Sie kennen ja die Herzogin. Eben hat sie übrigens bloß ein wenig gelacht.«

»Ich erlaube mir nur, Eure Hoheit nochmals darauf aufmerksam zu machen«, erwiderte der alte Mann sich verbeugend.

Der Herzog winkte sichtlich zerstreut und ungeduldig mit der Hand. »Guten Abend, lieber Westermann.«

Klaudine erschrak. Sie preßte sich tiefer hinein in die Dämmerung der Fensternische und blickte dem sich entfernenden Arzte mit seltsam bangen Augen nach. Sie war allein, allein mit dem Herzog. Das, was sie stets klug zu vermeiden gewußt, was er unverkennbar gesucht, heiß gesucht hatte, war geschehen. Aber vielleicht hatte er ihre Gegenwart vergessen, denn er schritt so erregt auf und ab im Zimmer. O, er würde sie nicht bemerken, das einzige Licht des Armleuchters genügte kaum, den nächsten Umkreis des Kamins zu erhellen, und sie stand geborgen hinter dem seidenen Vorhang der Fensternische.

In atemloser Angst verharrte sie, wie ein verfolgtes Reh, das dem Jäger nicht mehr zu entrinnen weiß. Sie hörte das Klopfen ihres Herzens so deutlich, wie seine gedämpften Schritte dort auf dem weichen Teppich. Dann zuckte sie empor, die Schritte näherten sich. Eine hohe Gestalt war unter den Vorhang getreten und eine Stimme, welche von einer leidenschaftlichen Aufregung seltsam klanglos gemacht wurde, nannte ihren Namen: »Klaudine«.

Sie trat furchtsam einen Schritt seitwärts, als wollte sie eine Gelegenheit erspähen, um zu fliehen.

»Klaudine«, wiederholte er und bog sich herab zu ihr, so daß sie trotz der tiefen Dämmerung den flehenden Ausdruck seiner Augen sehen mußte. »Die Szene tat Ihnen weh? Sie war nicht meine Schuld, ich möchte Sie um Verzeihung bitten.«

Er wollte nach ihrer Hand fassen, sie barg sie in den Falten ihres Kleides. Kein Wort kam aus ihrem fest geschlossenen Munde. So stand sie in stummer Abwehr, mit den schönen zornigen Augen ihn anblickend.

»Wie soll ich das verstehen?« fragte er.

»Hoheit, ich habe den Vorzug, die Freundin der Herzogin zu sein!« sagte sie dann voll Verzweiflung.

Ein trauriges Lächeln flog einen Augenblick über sein Gesicht. »Ich weiß es! Sie sind im allgemeinen nicht dafür, von heute auf morgen Freundschaft zu schließen. Indessen Sie meinen, man müsse alles benutzen?« »So scheinen Eure Hoheit zu denken!«

»Ich? Auf Ehre nicht, Klaudine! Aber Sie, Sie haben sich mit wahrer Sturmeseile hinter die Schranke geflüchtet, die diese Freundschaft zwischen Ihnen und mir errichtet.«

»Ja!« sagte sie ehrlich, »und ich hoffe, daß Hoheit diese Schranke achten, oder «

Назад Дальше