Wehr und Waffen? Die haben mir noch gefehlt. Zum Geschäftsführer bitte links herum, dann zweite Tür rechts, Beschwerdebuch in Saffian[11] gebunden. Und solltest du je hier Spiegeleier bestellen, und sollte ich gerade in der Küche sein, wenn die Bestellung durchkommt, dann werde ich mir eine Ehre daraus machen, dir höchstpersönlich in die Pfanne zu spucken. Dann bekommst du meine Liebeserklärung in natura[12], mit zerschmolzener Butter vermischt. Gern geschehen, gnädiger Herr.
„Ich sagte ja schon, mein Herr. Hier links herum, dann zweite Tür rechts, die Geschäftsführung. Beschwerdebuch in Saffian gebunden. Sie möchten angemeldet werden? Gern. Vermittlung. Bitte den Herrn Direktor für Portier. Herr Direktor, ein Herr – wie war doch der Name? – Nettlinger, Verzeihung, Dr. Nettlinger möchte Sie dringend sprechen. In welcher Angelegenheit? Beschwerde über mich. Ja, danke. Der Herr Direktor erwartet Sie. Jawohl, gnädige Frau, heute abend Feuerwerk und Aufmarsch, die erste Straße links, dann die zweite rechts, wieder die dritte links, und Sie sehen schon das Schild: Zu den römischen Kindergräbern. Keine Ursache, gern geschehen. Vielen Dank.“ Eine Mark, die ist nicht zu verachten, aus so ’ner ehrlichen alten Lehrerinnenhand. Ja, sieh nur, wie ich das kleine Trinkgeld schmunzelnd annehme und das große ablehne. Römische Kindergräber sind eine klare Sache. Das Scherflein der Witwe wird hier nicht verschmäht. Und Trinkgeld ist die Seele des Berufs. „Ja, dort herum – ganz recht.“ Sie sind noch nicht aus dem Taxi gestiegen, da weiß ich schon, ob’s Ehebrecher sind. Ich rieche es aus der Ferne, kenne selbst die freieste aller freien Touren. Da gibt es die Schüchternen, denen man es so deutlich ansieht, dass man ihnen sagen möchte: ist ja nicht so schlimm, Kinder, ist alles schon vorgekommen; ich bin fünfzig Jahre im Fach und werde euch das Peinlichste ersparen. Neunundfünfzig Mark achtzig, einschließlich Trinkgeld, für ein Doppelzimmer, dafür könnt ihr getrost ein bisschen Entgegenkommen erwarten, und wenn euch die Leidenschaft gar zu sehr plagt, fangt möglichst nicht im Aufzug schon an. Im Prinz Heinrich wird hinter Doppeltüren geliebt… nicht so schüchtern die Herrschaften, nicht so bange; wenn ihr wüsstet, wer alles in diesen Räumen, die durch hohe Preise geheiligt sind, schon mit seiner sexuellen Not fertig geworden ist, da gab’s Fromme und Unfromme, Böse und Gute. Doppelzimmer mit Bad, eine Flasche Sekt aufs Zimmer. Zigaretten. Frühstück um halb elf. Sehr wohl. Bitte, hier unterschreiben, der Herr, nein, hier – und hoffentlich bist du nicht so blöde und schreibst deinen richtigen Namen hin. Das Ding geht wirklich zur Polizei, wird dann gestempelt, ist ein Dokument und hat Beweiskraft. Trau nur nicht der Diskretion der Behörden, mein Junge. Je mehr es davon gibt, desto mehr Futter brauchen sie. Vielleicht bist du auch mal Kommunist gewesen, dann sei doppelt vorsichtig. Ich bin’s auch mal gewesen, und katholisch war ich auch. Das geht nicht raus aus der Wäsche. Ich lass auch heute auf bestimmte Leute noch nichts kommen, und wer bei mir ’ne dumme Bemerkung über die Jungfrau Maria macht oder auf Vater Kolping schimpft, der kann was erleben. Boy, Zimmer 42. Dort geht es zum Aufzug, der Herr.
Auf die hab ich gerade gewartet, das sind die frechen Ehebrecher, die nichts zu verbergen haben, aller Welt zeigen wollen, wie frei sie sind. Aber wenn ihr nichts zu verbergen habt, warum müsst ihr dann so freche Gesichter machen und das Nichts-zu-verbergen-Haben so fingerdick auftragen? Wenn ihr wirklich nichts zu verbergen habt, braucht ihr’s ja nicht zu verbergen. Bitte, hier unterschreiben, der Herr, nein, hier. Na, mit dieser dummen Gans möchte ich nichts zu verbergen haben. Mit der nicht. Mit der Liebe ist es wie mit Trinkgeldern. Reine Instinktsache. Das sieht man doch ’ner Frau an, ob sich’s lohnt, mit der was zu verbergen zu haben. Mit der lohnt sich’s nicht. Kannst es mir glauben, mein Junge. Die sechzig Mark für Übernachtung, plus Sekt aufs Zimmer und Trinkgeld und Frühstück und was du ihr alles noch schenken musst: lohnt sich nicht. Da kriegst du von “nem anständigen ehrbaren Straßenmädchen, das sein Gewerbe gelernt hat, wenigstens was geliefert. Boy, Zimmer 43 für die Herrschaften. Ach Gott, sind die Menschen dumm. „Jawohl, Herr Direktor, ich komme sofort, jawohl, Herr Direktor.“
Natürlich sind Leute wie du zum Hoteldirektor wie geboren; das ist wie bei Frauen, die sich gewisse Organe herausnehmen lassen; da gibt es keine Probleme mehr, aber was wäre die Liebe ohne Probleme, und wenn sich einer das Gewissen rausnehmen lässt, bleibt nicht einmal ein Zyniker übrig. Ein Mensch ohne Trauer, das ist doch kein Mensch mehr. Dich habe ich als Boy ausgebildet, du bist vier Jahre lang unter meiner Fuchtel gewesen, hast dir dann die Welt angesehen, Schulen besucht, Sprachen gelernt, hast in nichtalliierten und alliierten Offizierskasinos den barbarischen Späßen besoffener Sieger und Besiegter beigewohnt, bist prompt hierher zurückgekommen, und deine erste Frage, als du glatt geworden, fett geworden, ohne Gewissen hier ankamst: ‚Ist der alte Jochen noch da?‘ Ich bin noch da, immer noch, mein Junge.
„Sie haben diesen Herrn gekränkt, Kühlgamme.“
„Nicht willentlich, Herr Direktor, und eigentlich war’s keine Kränkung. Ich könnte Ihnen Hunderte nennen, die es sich zur Ehre anrechnen würden, von mir geduzt zu werden.“
Krone der Unverschämtheit. Unglaublich.
„Es ist mir einfach entschlüpft, Herr Dr. Nettlinger. Ich bin ein alter Mann und stehe so halbwegs unter dem Schutz des Paragraphen einundfünfzig.“
„Der Herr verlangt Genugtuung…“
„Auf der Stelle. Ich rechne es mir, wenn Sie gestatten, nicht zur Ehre an, von Hotelportiers geduzt zu werden.“
„Bitten Sie den Herrn um Entschuldigung.“
„Ich bitte den Herrn um Entschuldigung.“
„Nicht in diesem Ton.“
„In welchem Ton denn? Ich bitte den Herrn um Entschuldigung, ich bitte den Herrn um Entschuldigung, ich bitte den Herrn um Entschuldigung. Das sind die drei Töne, die mir zur Verfügung stehen, und nun suchen Sie sich bitte den Ton, der Ihnen passt, aus. Sehen Sie, mir kommt’s gar nicht auf ’ne Demütigung an. Ich knie mich glatt hin, auf den Teppich hier, schlag mir an die Brust, ein alter Mann, der allerdings auch auf eine Entschuldigung wartet. Bestechungsversuch, Herr Direktor. Die Ehre unseres altrenommierten Hauses stand auf dem Spiel. Ein Berufsgeheimnis für dreißig lumpige Mark? Ich fühle mich in meiner Ehre getroffen und in der Ehre dieses Hauses, dem ich schon mehr als fünfzig Jahre diene, genau gesagt: sechsundfünfzig Jahre.“
„Ich bitte Sie, diese peinliche und lächerliche Szene abzubrechen.“
„Führen Sie den Herrn sofort ins Billardzimmer, Kühlgamme.“
„Nein.“
„Sie führen den Herrn ins Billardzimmer.“
„Nein.“
„Es würde mich betrüben, Kühlgamme, wenn das uralte Dienstverhältnis, das Sie mit diesem Haus verbindet, an der Verweigerung eines einfachen Befehls scheitern sollte.“
„In diesem Haus, Herr Direktor, ist nicht ein einziges Mal der Wunsch eines Gastes, ungestört zu bleiben, missachtet worden. Ausgenommen natürlich die Fälle höherer Gewalt. Geheime Staatspolizei. Da waren wir machtlos.“
„Betrachten Sie meinen Fall als einen Fall höherer Gewalt.“
„Sie kommen von der geheimen Staatspolizei?“
„Ich verbitte mir eine solche Frage.“
„Sie werden den Herrn jetzt ins Billardzimmer führen, Kühlgamme.“
„Wollen Sie, Herr Direktor, als erster das Banner der Diskretion beflecken?“
„Dann werde ich selber Sie ins Billardzimmer führen, Herr Doktor.“
„Nur über meine Leiche, Herr Direktor.“
Man muss so korrupt sein wie ich, so alt wie ich, um zu wissen, dass es Dinge gibt, die nicht käuflich sind; Laster ist nicht mehr Laster, wenn es keine Tugend mehr gibt, und was Tugend ist, kannst du nicht wissen, wenn du nicht weißt, dass es sogar Huren gibt, die gewisse Kunden abweisen. Aber ich hätte es wissen müssen, dass du ein Schwein bist. Wochenlang hab ich mit dir oben in meinem Zimmer geübt, wie man diskret ein Trinkgeld entgegennimmt, mit Groschenstücken, mit Markstücken und mit Scheinen; das muss man können: Geld diskret in Empfang nehmen, denn Trinkgeld ist die Seele des Berufs. Ich hab’s mit dir geübt, war eine Mordsarbeit, dir das beizubringen, aber du wolltest mich dabei beschwindeln, wolltest mir weismachen, wir hatten zum Üben nur drei Markstücke gehabt, aber es waren vier, und du wolltest mich um eins beschwindeln. So ein Schwein bist du schon immer gewesen, du wusstest nie, dass es das gab: ‚So was tut man nicht‘, und tust jetzt wieder was, was man nicht tut. Hast das Trinkgeldannehmen inzwischen gelernt, und sicher sind’s nicht einmal dreißig Silberlinge gewesen.
„Sie gehen jetzt sofort zum Empfang zurück, Kühlgamme, ich übernehme diese Sache. Treten Sie beiseite, ich warne Sie.“
Nur über meine Leiche, und es ist doch schon zehn vor elf, und in zehn Minuten wird er sowieso die Treppe herunterkommen. Ihr hättet nur ein bisschen nachzudenken brauchen, dann wäre uns das ganze Theater erspart geblieben, aber auch für zehn Minuten: Nur über meine Leiche. Ihr habt nie gewusst, was Ehre ist, weil ihr nicht wusstet, was Unehre ist. Hier steh ich, Jochen, Hotelfaktotum, korrupt, von oben bis unten voll lasterhaften Wissens, aber nur über meine Leiche kommt ihr ins Billardzimmer.
Kapitel III
Er spielte schon lange nicht mehr nach Regeln, wollte nicht Serien spielen, Points sammeln; er stieß eine Kugel an, manchmal sanft, manchmal hart, scheinbar sinnlos und zwecklos. Sie hob, indem sie die beiden anderen berührte, für ihn jedesmal eine neue geometrische Figur aus dem grünen Nichts; Sternenhimmel, in dem nur wenige Punkte beweglich waren; Kometenbahnen, weiß über grün, rot über grün geschlagen; Spuren leuchteten auf, die sofort wieder ausgelöscht wurden; zarte Geräusche deuteten den Rhythmus der gebildeten Figur an: fünfmal, sechsmal, wenn die angestoßene Kugel die Bande oder die anderen Kugeln berührte; nur wenige Töne hoben sich aus der Monotonie heraus, hell oder dunkel; die wirbelnden Linien waren alle an Winkel gebunden, unterlagen geometrischen Gesetzen und der Physik; die Energie des Stoßes, die er durch das Queue dem Ball mitteilte, und ein wenig Reibungsenergie; alles nur Maß; es prägte sich dem Gehirn ein; Impulse, die sich zu Figuren umprägen ließen; keine Gestalt und nichts Bleibendes, nur Flüchtiges, löschte sich im Rollen der Kugel wieder aus; oft spielte er halbe Stunden lang nur mit einem einzigen Ball: weiß über grün gestoßen, nur ein einziger Stern am Himmel; leicht, leise, Musik ohne Melodie, Malerei ohne Bild; kaum Farbe, nur Formel.
Der blasse Junge bewachte die Tür, lehnte gegen das weißlackierte Holz, die Hände auf dem Rücken, die Beine gekreuzt, in der violetten Uniform des Prinz Heinrich.
„Sie erzählen mir heute nichts, Herr Doktor?“
Er blickte auf, stellte den Stock ab, nahm eine Zigarette, zündete sie an, blickte zur Straße hin, die im Schatten von Sankt Severin lag. Lehrjungen, Lastwagen, Nonnen: Leben auf der Straße; graues Herbstlicht fiel von dem violetten Samtvorhang fast silbern zurück; von Velourvorhängen eingerahmt, frühstückten verspätete Gäste; selbst die weichgekochten Eier sahen in dieser Beleuchtung lasterhaft aus, biedere Hausfrauengesichter wirkten in diesem Licht verworfen; Kellner, befrackt, mit einverstandenen Augen, sahen aus wie Beelzebubs[13], Asmodis[14] unmittelbare Abgesandte; und waren doch nur harmlose Gewerkschaftsmitglieder, die nach Feierabend beflissen die Leitartikel ihres Verbandsblättchens lasen; sie schienen hier ihre Pferdefüße unter geschickten orthopädischen Konstruktionen zu verbergen; wuchsen nicht elegante kleine Hörner aus ihren weißen, roten und gelben Stirnen? Der Zucker in den vergoldeten Dosen schien nicht Zucker zu sein; Verwandlungen fanden hier statt, Wein war nicht Wein, Brot nicht Brot, alles wurde zum Ingrediens geheimnisvoller Laster ausgeleuchtet; hier wurde zelebriert; und der Name der Gottheit durfte nicht genannt, nur gedacht werden.
„Erzählen, Junge, was?“
Seine Erinnerung hatte sich nie an Worte und Bilder gehalten, nur an Bewegungen. Vater, das war sein Gang, die kokette Kurve, die das rechte Hosenbein mit jedem Schritt beschrieb, rasch, so dass das dunkle blaue Stoßband nur für einen Augenblick sichtbar wurde, wenn er morgens an Gretzens Laden vorüber ins Cafe Kroner ging, um dort zu frühstücken; Mutter, das war die kompliziert – demütige Figur, die ihre Hände beschrieben, wenn sie sie auf der Brust faltete, immer kurz bevor sie eine Torheit aussprach: wie schlecht die Welt sei, wie wenig reine Herzen es gebe; ihre Hände schrieben es in die Luft, bevor sie es aussprach; Otto, das waren seine marschierenden Beine, wenn er durch den Hausflur ging, in Stiefeln, die Straße hinunter; Feindschaft, Feindschaft, schlug der Takt auf die Fliesen, schlugen diese Füße, die in den Jahren davor einen anderen Takt geschlagen hatten: ‚Bruder, Bruder.‘ Großmutter: die Bewegung, die sie siebzig Jahre lang gemacht hatte, und die er viele Male am Tag von seiner Tochter ausgeführt sah; jahrhundertalte Bewegung, die sich vererbte und ihn jedesmal erschrecken ließ; seine Tochter Ruth hatte ihre Urgroßmutter nie gesehen; woher hatte sie diese Bewegung? Ahnungslos strich sie sich das Haar aus der Stirn, wie ihre Urgroßmutter es getan hatte.
Und er sah sich selbst, wie er sich nach den Schlaghölzern bückte, um seins herauszusuchen; wie er den Ball in der linken Hand hin und her rollte, her und hin, bis er ihn griffig genug hatte, ihn im entscheidenden Augenblick genau dorthin zu werfen, wo er ihn haben wollte; so hoch, dass die Fallzeit des Balles genau der Zeit entsprach, die er brauchte, um umzugreifen, auch die linke Hand ums Holz zu legen, auszuholen und den Ball zu treffen, mit gesammelter Kraft, so, dass er weit fliegen würde, bis hinters Mal.
Er sah sich auf den Uferwiesen stehen, im Park, im Garten, gebückt, richtete sich auf, schlug zu. Es war alles nur Maß; sie waren Dummköpfe, wussten nicht, dass man die Fallzeit errechnen konnte, dass man mit denselben Stoppuhren auch erproben konnte, wie lange man braucht, den Griff zu wechseln; und dass alles weitere nur eine Frage der Koordinierung und der Übung war; ganze Nachmittage lang, auf den Wiesen, im Park, im Garten geübt; sie wussten nicht, dass es Formeln gab, die man anwenden, Waagen, auf denen man Bälle wiegen konnte. Nur ein bisschen Physik, ein bisschen Mathematik und Übung; aber sie verachteten ja die beiden Fächer, auf die es ankam; verachteten Training, mogelten sich durch, turnten wochenlang auf knochenweichen Sentenzen umher, fuhren Kahn auf nebulosem Dreck, fuhren Kahn sogar auf Hölderlin; sogar ein Wort wie Lot wurde, wenn sie es aussprachen, zu breiigem Unsinn; Lot, so etwas Klares; eine Schnur, ein Stück Blei, man warf es ins Wasser, spürte, wenn das Blei den Boden erreichte, zog die Schnur heraus und maß an ihr die Tiefe des Wassers ab; doch wenn sie loten sagten, klang es wie schlechtes Orgelspiel; sie konnten weder Schlagball spielen noch Hölderlin lesen. Mitleidend bleibt das ewige Herz doch fest[15]. Sie zappelten vorn an der Linie herum, wollten ihn beim Schlag stören, riefen: ‚Los, Fähmel, mach voran, los‘; unruhig strich eine andere Gruppe ums Mal, zwei schon weit hinterm Spielfeld, wo seine Bälle herunterzukommen pflegten, gefürchtete Bälle; sie kamen meistens an der Straße aus, wo jetzt gerade an diesem Sommersamstag 1935 die dampfenden hellroten Pferde das Brauereitor verließen; dahinter der Bahndamm, eine Rangierlok puffte kindlich weiße Wolken in den Nachmittagshimmel; rechts an der Brücke zischten aus der Werft die Schneidbrenner, schweißten die Arbeiter in Überstunden einen Kraft-durch-Freude-Dampfer zusammen; bläuliche, silberne Funken zischten, und Niethämmer, Niethämmer schlugen den Takt; in den Schrebergärten kämpften frisch aufgestellte Vogelscheuchen vergebens gegen Spatzen, blasse Rentner mit erloschenen Tabakspfeifen warteten sehnsüchtig auf den Monatsersten – die Erinnerung an die Bewegungen, die er damals gemacht hatte, sie erst brachte Bilder und Worte und Farben hervor; hinter Formeln war es verborgen, das ‚Los, Fähmel, los‘, und er hatte den Ball schon an der richtigen Stelle liegen, nur leicht gehalten zwischen Fingern und Handballen, der Ball würde den geringstmöglichen Widerstand finden; er hatte sein Schlagholz schon in der Hand, das längste von allen (niemand kümmerte sich um die Hebelgesetze), es war oben mit Leukoplast umwickelt. Rasch noch einen Blick auf die Armbanduhr: drei Minuten und dreißig Sekunden, bis der Turnlehrer abpfeifen würde – und immer noch hatte er die Antwort auf die Frage nicht gefunden: Wie kam es, dass die vom Prinz-Otto-Gymnasium nichts gegen ihren Turnlehrer als Schiedsrichter beim Entscheidungsspiel eingewendet hatten? Er hieß Bernhard Wakiera, aber sie nannten ihn nur Ben Wackes, er sah melancholisch aus, war dicklich, stand im Ruf, Knaben platonisch zu lieben, mochte gern Sahnekuchen und träumerisch süße Filme, in denen starke blonde Knaben Flüsse durchschwammen, dann auf Wiesen lagen, Grashalme im Mund, und zum blauen Himmel hinaufblickten, auf Abenteuer warteten; dieser Ben Wackes liebte vor allem eine Nachbildung des Antinouskopfes[16], die er zu Hause zwischen Gummibäumen und Bücherregalen voll Turnlehrerliteratur zu kosen pflegte, sie angeblich jedoch nur abstaubte; Ben Wackes, der seine Lieblinge Jüngelchen, die anderen Bengels nannte.