Er ging schneller bis er so schnell lief, dass die Scheinwerfer der Autos, die auf ihn zukamen, sich plötzlich hinter ihm von ihm entfernten. Das rote Leuchten der Rücklichter erhellte die StraÃe für wenige Sekunden, ehe auch das verschwand. Er war früher nie so schnell gewesen, aber mit der Laune, in der er sich in letzter Zeit befunden hatte, hatte er den Anstieg seiner Macht einfach ignoriert.
Im Moment wollte er einfach nur alleine in seiner eigenen Blase sein und nicht in Michaels Gegenwart und auch nicht mit wem auch immer sein bester Freund Schrägstich Bruder an seiner Seite hatte. Er war nicht sicher, ob er es schaffen würde, seine âIch bin wieder bei Verstandâ-Maske zu tragen⦠nicht heute Nacht. Sein wahres Ich war nahe an der Oberfläche und das war etwas, was Michael nicht zu sehen brauchte.
Kane steckte seine Hände in seine Taschen und versuchte weiterhin, die spionierenden Mistkerle, die ihm folgten, zu ignorieren. Er hatte eine gehobene Gegend der Stadt erreicht und näherte sich dem Teil, wo die meisten Clubs waren. Er brauchte etwas zu trinken und vielleicht eine kleine Schlägerei, auch wenn er sie selbst beginnen musste. Die Clubs würden ihm die hirntötende Flüssigkeit liefern und es sollte einfach sein, ein Vampirnest zu finden, wo er das Andere bekommen konnte.
Als er um eine Ecke auf eine belebte StraÃe bog, fing Kane einen süÃen Geruch im Wind auf und blieb stehen, lieà die Anblicke und die Geräusche der Stadt wieder auf sich wirken. Er konnte sie ganz in seiner Nähe riechen und sah sich suchend um, um herauszufinden, wo sie war. Er atmete tief ein, wollte mehr von ihr, dann fragte er sich, ob er ein Masochist war, dass er sich selbst so quälte.
Er wusste, dass er ihr fernbleiben sollte, nachdem er wie ein Leuchtturm, der den Weg zum Heimathafen anzeigte, auf Dämonen zu wirken schien, aber seine andere Seite warf sofort ein, dass seine Seelenfreundin ziemlich gut dabei war, auch selbst Probleme zu finden. Wenn sie verrückt genug war, hier zwischen all den Dämonen herumzulaufen, dann sollte er vielleicht ihre Erinnerungen wieder auffrischen, damit sie nicht vergaÃ, was für eine dumme Idee das wirklich war.
Sein scharfer Blick landete auf einem Club, der Silk Stalkings hieÃ, und er runzelte die Stirn, wusste, dass dort der Gefallene Engel, Kriss, als Tänzer arbeitete. Es war ein interessanter Beruf für einen Gefallenen Engel, aber Kane urteilte nicht schnell über Leute. Resignierend seufzend überquerte Kane die StraÃe und betrat den Club, damit er Tabatha nach Hause bringen konnte, ehe sie noch mehr Probleme bekam.
Kapitel 2
Tabatha trat durch den Eingang des Silk Stalkings und sah sich um. Sie war hergekommen, um Kriss zu suchen⦠und betete, dass sie ihn finden würde. Er war vor ein paar Tagen verschwunden und hatte nicht einmal angerufen⦠und er war ihr schon davor aus dem Weg gegangen. Sie vermisste ihn und begann, sich Sorgen zu machen. In der Vergangenheit hatte er zumindest immer angerufen, um ihr zu sagen, dass es ihm gut ging, wenn er längere Zeit weggegangen war.
Wenn sie nur einen kurzen Blick auf ihn erhaschen könnte, würde das ihre Angst, dass Misery ihn gefressen oder irgendwo in eine Höhle gesperrt hatte, beruhigen.
Sie setzte sich an einen der hohen Tische und sah der Vorstellung zu, hoffte, dass Kriss kommen würde, und seine eigene Show abziehen würde. Fast eine Stunde war vergangen, ehe ihr klar wurde, wie spät es war, und dass Kriss schon längst auftreten hätte müssen. Einer der Kellner ging an ihr vorbei und berührte sie vorsichtig am Arm, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen.
âBrauchen Sie etwas, Fräulein?â, fragte er.
Tabatha lächelte. âIch hoffe, dass Sie mir helfen können. Ich suche Kriss Reed. Können Sie mir sagen, wann er wieder zum Arbeiten eingeteilt ist?â
Der Kellner seufzte und schüttelte seinen Kopf. âSie sind schon die sechste Frau diese Woche, die nach ihm fragt. Leider hat er vor einigen Tagen gekündigt und niemand hat ihn seither gesehen.â
Tabatha fühlte sich, als hätte jemand sie ins Gesicht geschlagen. Ihr Herz sank mehrere Zentimeter tiefer und ihr Magen verkrampfte sich unangenehm, sie senkte ihren Kopf, um die Tränen zu verbergen, die sich in ihren Augen sammelten⦠sie hatte ihren besten Freund verloren.
âGeht es Ihnen gut?â, fragte der Kellner leise.
Tabatha hob den Kopf und lächelte ihn an, wischte die Feuchtigkeit weg, die ihre Wimperntusche ruinieren wollte. âJa, alles in Ordnung. Aber können Sie mir einen Malibu mit Ananas bringen?â
Der Kellner sah sie fragend an, ehe er seufzte und zurück zur Bar ging. Er erkannte Tabatha als eine von Krissâ engen Freundinnen und nahm an, dass Kriss die Stadt verlassen hatte, ohne ihr Bescheid zu sagen. Welche Schande⦠sie schien ein nettes Mädchen zu sein, und dass Kriss sie verlassen hatte, hatte sie offensichtlich verletzt.
Tabatha nahm sich viel Zeit um ihr kleines Schminktäschchen aus ihrer Handtasche zu holen und ihr Make-Up zu betrachten. Er hatte sie verlassen, ohne auch nur Tschüss zu sagen⦠als sie mit Devon und Envy nach Florida geflogen waren, hatte er versprochen, dass er sie nie verlassen würde. Sie waren einander nach ihrer Entführung sogar noch näher gekommen⦠so viel näher.
âBitte sehrâ, sagte der Kellner, als er ihr Getränk vor sie stellte.
Tabatha senkte ihren Spiegel und lächelte ihn an. âSie können schon einmal eine Rechnung beginnen⦠ich werde eine Weile bleiben.â
Der Mann nickte und bediente wieder die anderen Gäste, stellte sicher, dass alle alles hatten, was sie wollten, während er regelmäÃig zu seinem neusten Gast blickte, um rechtzeitig einschreiten zu können, bevor die Frau sich um den Verstand trank.
Tabatha leerte ihr Glas schnell und stellte es wieder ab. Wieso machte sie sich überhaupt Sorgen? Kriss war ein Gefallener Engel⦠er hatte bessere Dinge zu tun, als sich mit Menschen abzugeben⦠und erst recht Menschen, die seine Freunde waren. Oh Mann, sie hasste es, gleichzeitig verärgert zu sein und zu schmollen⦠es erzeugte ein verstörendes Gefühl.
Ein weiteres Getränk erschien vor ihr und sie leerte auch dieses schnell. Nach etwa sechs weiteren Gläsern war sie schön beschwipst. Sie schielte zur Bühne und schmollte, als sie einen neuen Typen sah, der auf die Bühne kam, bekleidet nur mit einem silbernen Tanga und Flügeln. Sie fragte sich, wo der weinende, betrunkene Guru war, wenn man einen brauchte und ihre Augen wurden schmal vor Hass auf den Tänzer, der sie unwissend verspottete.
âNoch einer, und dann gehe ich?â, fragte sie den Kellner, der seit sie sich gesetzt hatte, in ihrer Nähe geblieben war.
Der Kellner lächelte freundlich und schüttelte den Kopf. âIch denke, Sie hatten schon mehr als genug. Soll ich Ihnen ein Taxi rufen?â
âNeinâ, sagte Tabatha, griff nach ihrer Handtasche und stand auf. âKönnen Sie Kriss ausrichten, dass er mich anrufen soll, falls er sich daran erinnert, wer seine Freunde sind.â
Natürlich meinte sie es nicht so, aber im Moment war sie richtig wütend auf Kriss⦠verletzt, dass er ihre Freundschaft nicht einmal genug schätzte, um ihr zu sagen, dass er wegging⦠oder entführt wurde. Sie öffnete ihre Handtasche, nahm ihre Geldtasche heraus und wollte ihre Getränke bezahlen, aber der Kellner schüttelte wieder den Kopf.
âIhre Rechnung wurde schon bezahltâ, sagte er. âJetzt gehen Sie nach Hause, und schlafen Sie sich den Rausch aus⦠ich bin sicher, er wird bald anrufen.â
Tabatha holte ihre Autoschlüssel hervor und lieà sie zu Boden fallen. âVerdammt!â, zischte sie, denn sie wollte dringend hier raus, ehe sie etwas Dummes tat, wie in der Ãffentlichkeit zu heulen.
Sie bückte sich, um sie aufzuheben, aber eine andere Hand kam ihr zuvor. Tabathas Blick folgte der Hand zu einem Arm und einer Schulter. Ihre Augen weiteten sich, als sie auf Kanes schönem Gesicht landeten.
âKomm, Lieblingâ, sagte er, als er sah, wie sich das Licht in ihren hellblauen Augen brach. Sie war kurz davor zu heulen. Scheinbar war er nicht der einzige, der heute Nacht schlecht gelaunt war. âWir bringen dich nach Hause.â
Tabathas Unterlippe zitterte, als sie zu ihm hochsah und sie hängte sich an seinem Arm ein, fühlte sofort seine Kraft. Ihr gutaussehender Stalker war gekommen, um sie zu holen, und ausnahmsweise⦠war sie froh darüber.
Kane nickte über Tabathas Kopf dem Kellner zu, ehe er sie aus dem Club führte. Er knurrte innerlich, denn er wusste, weshalb sie diesen Club gewählt hatte. Sie wollte den Gefallenen Mistkerl finden, der sich vor ihr versteckte.
War es Kriss denn egal, was seine Vernachlässigung mit Tabatha anstellte, oder hatte er sich selbst zu ihrem potentiellen Feind anstelle ihres besten Freundes ernannt? Kane legte einen Arm um Tabathas Schultern und hielt ihren anderen Arm fest umklammert, als sie in ihren Stöckelschuhen beinahe stolperte.
âHast du ihn gesehen?â, fragte Tabatha und sah hoch zu Kane.
Kane schüttelte traurig seinen Kopf. âNein, habe ich nicht.â Er verzichtete darauf, ihr zu sagen, dass das letzte Mal, wo er Kriss über den Weg gelaufen war, er Dean auf ihm riechen hatte können⦠dem Gefallenen Engel ging es gut.
âEr ist weg.â Tabatha wischte auf kindische Art eine Träne weg, die schlieÃlich doch entkommen war. âWas, wenn Misery ihn gefressen hat?â
Kane versuchte bei dieser betrunkenen, aber ehrlich besorgten Frage nicht zu kichern. âMisery meint, dass die Gefallenen Engel ekelig schmeckenâ, wiederholte er Miserys eigene Worte.
âWieso hat er sich dann nicht verabschiedet?â Tabatha senkte ihren Blick zum Boden, während sie gingen.
Kane antwortete nicht, sondern half Tabatha einzusteigen und ging zur Fahrerseite herum. Bilder davon, wie er diese seidigen, weichen Flügel von Krissâ Rücken riss, liefen in seinem Kopf Amok, aber Kane schob sie zur Seite. Rache konnte warten⦠im Moment musste er seinen persönlichen Engel sicher nach Hause bringen, ehe die Drehtür seiner Persönlichkeit seine dunkle Seite zum Vorschein beförderte.
Tabatha verhielt sich still, während sie fuhren. Das blaue Licht des Armaturenbretts tauchte das Innere des Autos in ein sanftes Licht, als wollte es sie herausfordern, den Mann am Steuer zu betrachten. Sie war nie jemand gewesen, der eine Herausforderung abgelehnt hätte und obwohl sie Alkohol besser vertrug als die meisten Frauen⦠halfen die Getränke, eine gesunde Angst zu unterdrücken.
Langsam drehte sie ihren Kopf und starrte mutig genau auf Kane. âWieso meinte Misery, dass ihr dir gehörte?â
Kanes Kopf wirbelte schnell herum und er spieÃte sie mit seinem Blick auf. Sie hätte sich nicht daran erinnern sollen, was in jener Nacht passiert war⦠er hatte ihr diese Erinnerungen genommen. Wie, zum Teufel, konnte sie sich an etwas erinnern, was sie vergessen hätte sollen? Als er Scheinwerfer sah, die genau auf ihr Gesicht schienen, schielte er schnell zurück auf die StraÃe und riss das Auto gerade noch rechtzeitig herum, um dem entgegen kommenden Auto auszuweichen.
Ihre Hand legte sich instinktiv auf den Türgriff, als sie seine Reaktion auf ihre Frage sah, aber sie hielt sich zurück. Sie war noch nicht betrunken genug, um aus einem fahrenden Auto zu springen. Die Angst, die über ihren Rücken krabbelte, verstärkte nur ihren Mut bis zu einem Punkt der Dummheit.
âBleib auf einer Spur!â Tabatha grinste und blinzelte, wollte sich selbst ohrfeigen. âVerdammtâ, dachte sie innerlich. âGroÃartig, du Dummkopf, verärgere den Typen mit den spitzen Zähnen.â
âDu erinnerst dich an jene Nacht?â, fragte Kane, konnte sich nicht davon abhalten.
âNa und?â, fragte sie und zuckte leicht die Schultern. âWas ist schon dabei, dass ich mich erinnere? Nun⦠an das Meiste zumindest. Vielleicht bist du nicht so gut dabei, Leute zu verzaubern, wie du meinst.â
âVielleicht werde ich nächstes Mal nicht so sanft seinâ, warnte Kane und sah, wie sie bei seinen finsteren Worten zitterte.
Tabatha richtete ihren Blick auf seinen stoischen Gesichtsausdruck. Wie konnte er es wagen, ihren gespielten Mut in Frage zu stellen?
âNun, bevor du deine Gehirnwäsche wieder an mit probierst, wie wäre es, wenn du mir die Antwort auf Miserys Rätsel sagst?â, forderte sie und verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust, obwohl ihr bewusst war, dass sie ihren Ãrger darüber, dass Kriss sie sitzengelassen hatte, an Kane auslieÃ⦠aber vielleicht verdiente Kane ihn auch. Sie wusste nicht einmal, ob nicht Kane vielleicht sogar derjenige war, der Kriss gefressen hatte.
âEntweder du erzählst mir, was sie gemeint hat, oder ich schwöre, ich werde ein groÃes, saftiges Kuhherz um meinen Hals hängen und mich auf die Lauer legen bis Misery mich findet, damit ich sie selbst fragen kann.â
Sie schrie leise auf und hielt sich schnell am Armaturenbrett fest, als Kane das Auto herumriss, sodass es von der StraÃe in den StraÃengraben fuhr. Er trat fest auf die Bremse und sie schleuderten ein Stück über den Schotter neben der StraÃe, wobei das Auto sich einmal um die eigene Achse drehte, ehe es stehenblieb.
Kane beugte sich über sie, ehe das Auto zum Halten kam. Tabatha konnte sich nicht davon abhalten, in sein Gesicht zu sehen und die geraden Züge seines starken Kiefers⦠die violette Farbe seiner Augen zu bewundern. Ihr Blick senkte sich zu seinen perfekten Lippen und sie fragte sich, ob sie eiskalt oder heià wie Feuer waren.
Kane war mehr als nur wütend und wollte die Frau erwürgen dafür, dass sie an so eine Sache auch nur dachte. Er biss sich auf seine eigene Zunge, bis er sein Blut schmecken konnte, ehe er Tabathas Lippen in einen heiÃen Kuss einfing. Unter normalen Umständen würde er töten, um dies tun zu können⦠aber sie musste nüchtern sein, damit es zählte. Der einzige Grund, weshalb er sie jetzt so tief küsste, war, um die gefährlichen Pläne aus ihrem Kopf zu vertreiben, die der Alkohol dort hinterlassen hatte.
HeiÃ, seine Lippen waren heià und diese köstliche Hitze wirbelte durch sie, ehe sie sich zwischen ihren Beinen sammelte. Tabatha fühlte plötzlich die Angst, die ihr vor wenigen Augenblicken gefehlt hatte. Sie spülte in wilden Wellen über sie und sie fühlte, wie ihre Zehen sich verkrampften, als sich Panik in ihrem Magen breitmachte. Ihre Gedanken übergaben sich der Angst und sie drückte so fest sie konnte gegen ihn. Leider hatte das denselben Effekt, als wenn sie ein Haus aufheben hätte wollen.
Kane fühlte ihre Hände, die in seine Brust drückten, aber wenn dies ihr letzter Kuss sein würde, dann würde er ihn noch einen Augenblick länger genieÃen. Er atmete ihren warmen Atem ein, als sein Kuss weicher wurde, ehe er ihn schnell wieder vertiefte.
Tabatha wurde überwältigt von dem süÃen, salzigen Geschmack von Kanes Blut und das dringende Bedürfnis, tief in ihn zu klettern, verdrängte die Angst. Dieses Bedürfnis wurde nur noch stärker, als seine Hand sich um ihre Hüfte schloss und sie von ihrem Sitz hob und sie in dem engen Auto fest an sich drückte. Ihre Oberschenkel gingen in Flammen auf und ehe sie sich aufhalten konnte, krabbelte eine ihrer Hände über seine Brust hoch und kam zu seinem Hals, wo sie sein schneeweiÃes Haar fest umklammerte.
Kane zitterte, als er ihre Nägel über seine sensible Haut kratzen fühlte, sodass sich seine Hüften reflexartig beugten und ein Knurren sich tief in seiner Brust aufbaute. Er wollte sie⦠oh Gott, er wollte sie so sehr. Ein Hupen ertönte und Kane erinnerte sich plötzlich wieder daran, wo sie waren. Es kostete ihm mehr Kraft, als er gedacht hatte, dass er besaÃ, ihren Körper wieder loszulassen und sich selbst praktisch in den Fahrersitz zu schmeiÃen.