Ritus Der Schwerter - Морган Райс 3 стр.


Mit noch lauterem Geschrei folgten ihnen Kendrick und seine Männer und jagten sie durch ganz Lucia hindurch aus den Toren hinaus.

Wer vom Bataillon des Empire noch übrig war – und es waren noch immer hunderte von Männern – ritt in einem wenig organisierten Chaos um sein Leben in Richtung Horizont.

Lauter Jubel brandete von den befreiten Gefangenen in Lucia auf. Kendricks Männer zerschnitten ihre Fesseln und befreiten sie und die Männer zögerten nicht, den gefallenen feindlichen Kriegern die Waffen abzunehmen, auf ihre Pferde zu springen und sich Kendricks Männern anzuschließen.

Kendricks Armee wuchs zu fast doppelter Größe an und die Männer jagten den feindlichen Kriegern über die Hügel hinterher. O’Connor und die anderen Bogenschützen trafen hier und da den ein oder anderen auf der Flucht.

Die Jagd ging weiter und Kendrick fragte sich, wohin sie flohen, bis er uns seinen Männer auf die Spitze eines besonders hohen Hügels kamen und von dort die größte der Städte des MacGil Reiches östlich von Silesia sahen – Vinesia – eingebettet zwischen zwei Berge, schmiegte sich die Stadt in ein malerisches Tal. Es war eine bedeutende Stadt, wesentlich grösser als Lucia mit dicken Steinmauer und verstärkten Eisentoren. Hierhin flüchteten also die verbliebenen Männer des Empire Bataillons – denn die Stadt wurde von zehntausenden von Andronicus Männern beschützt.

Kendrick stand mit seinen Männern auf dem Hügel und nahm die Situation in sich auf. Vinesia war eine große Stadt und sie waren weit in der Unterzahl. Er wusste, dass es töricht gewesen wäre, es zu versuchen, dass es am sichersten war, nach Silesia zurückzukehren und dankbar für den heutigen Sieg zu sein.

Doch Kendrick war nicht in der Stimmung für die sichere Wahl – genauso wenig wie seine Männer. Sie wollten Blut. Sie wollten Rache. Und an einem Tag wie heute war es nicht mehr wichtig, ob sie in der Unterzahl waren oder nicht. Es war an der Zeit, dem Empire zu zeigen, woraus die MacGils geschmiedet waren.

„ANGRIFF!“ schrie Kendrick.

Lautes Geschrei brandete auf und tausende von Männern stürmten voran und stürzten sich tollkühn den Hügel hinunter auf die Stadt zu, bereit alles für Ehre und Tapferkeit zu riskieren und ihr Leben dafür zu geben.

KAPITEL VIER

Gareth hustete und keuchte während er über die öde Landschaft stolperte, seine Lippen waren aufgesprungen vom Durst und seine Augen lagen tief in den Höhlen mit dunklen Ringen darunter. Die letzten Tage waren furchtbar gewesen, und er hatte mehr als einmal geglaubt, sterben zu müssen.

Gareth war haarscharf Andronicus Männern in Silesia entkommen, indem er sich in einem Geheimgang versteckt gehalten und abgewartet hatte. Er hatte wie eine Ratte zusammengerollt in der Dunkelheit auf seine Gelegenheit zur Flucht gewartet. Er hatte das Gefühl gehabt, Tage in dem Loch verbracht zu haben. Er hatte alles mitangesehen, hatte mit Unglauben gesehen, wie Thor auf dem Rücken dieses Drachen angekommen war und all die Männer des Empire getötet hatte. In der allgemeinen Verwirrung und dem Chaos das daraufhin ausgebrochen war, hatte Gareth seine Gelegenheit zur Flucht genutzt. Er war aus einem der Nebentore von Silesia geschlichen als niemand hingesehen hatte und hatte die Straße gen Süden entlang des Canyons genommen, wobei er sich meistens im Dickicht bewegte, um nicht entdeckt zu werden. Doch das war ziemlich egal – die Straße war ohnehin leer. Alle waren unterwegs gen Osten um in der großen Schlacht um den Ring zu kämpfen. Während Gareth seines Weges zog bemerkte er die verkohlten Körper von Andronicus Männern, die die Straße säumten und wusste, dass die Schlacht hier im Süden schon geschlagen worden war. Gareth ging weiter in Richtung Süden. Sein Instinkt trieb ihn zurück nach King’s Court – oder was davon noch übrig war. Er wusste, dass Andronicus Männer die Stadt verwüstet hatte, dass sie höchstwahrscheinlich in Trümmern lag, doch er wollte nach King’s Court zurück. An den Ort, den alle anderen aufgegeben hatten. Den Ort, an dem er, Gareth, einst geherrscht hatte.

Nachdem er tagelang gewandert war, schwach und verwirrt vor Hunger, kam Gareth endlich an den Rand des Waldes und sah King’s Court in der Ferne. Da lag es – und die Mauern standen noch immer, zumindest zu Teil, auch wenn sie verkohlt waren und verfielen. Überall lagen die Leichen von Andronicus Männern herum, ein Beweis, dass Thor hier gewesen war. Davon abgesehen lag es verlassen, und außer dem Pfeifen des Windes war nichts zu hören.

Das war Gareth gerade recht. Er wollte nicht in die Stadt gehen. Er wollte zu einem kleinen, versteckten Gebäude außerhalb der Stadt, einem Ort, an den er als Kind immer gerne gekommen war. Ein rundes Gebäude aus Marmor, das sich nur wenige Meter über dem Boden erhob mit kunstvoll verzierten Statuen auf dem Dach. Es war die Gruft der MacGils. Der Ort an dem sein Vater begraben worden war – und dessen Vater vor ihm.

Gareth war sich sicher, dass die Gruft nicht zerstört worden war. Wer würde sich schon die Mühe machen, ein Grab anzugreifen? Es war der eine Ort, an dem niemand nach ihm suchen würde und an dem er Unterschlupf finden konnte. Ein Ort, an dem er sich verstecken konnte und in Ruhe gelassen wurde. Ein Ort, an dem er mit seinen Vorfahren alleine sein konnte. So sehr Gareth seinen Vater auch hasste so sehr wollte er ihm in diesen Tagen nahe sein.

Gareth eilte über das offene Feld; ein kalter Windstoß ließ ihn erschaudern und er zog den verschlissenen Mantel enger um seine Schulter. Er hörte den schrillen Ruf eines Wintervogels und sah die große, furchteinflößende schwarze Kreatur, die über ihm kreiste und mit jedem Ruf erwartete, dass er zusammenbrach und ihr nächstes Mahl wurde. Gareth konnte es ihr nicht verübeln. Er hatte kaum mehr Kraft und war sich sicher, dass er eine erstklassige Mahlzeit für den Vogel darstellen würde.

Endlich erreichte Gareth das Gebäude, griff den schweren eisernen Türgriff mit beiden Händen und drückte ihn mit beiden Händen nach unten. Die Welt drehte sich um ihn und er war vor Erschöpfung schon fast im Delirium. Die Türe öffnete sich einen Spalt weit, und er musste all seine Kraft aufzubringen, sie weiter aufzuziehen.

Gareth eilte in die Finsternis und zog die schwere Tür hinter sich zu. Der Klang hallte im alten in dem alten Gemäuer lang nach.

Er griff in der Finsternis nach einer Fackel an der Wand – er wusste genau, wo sie befestigt war, schlug einen Feuerstein und entzündete sie. Sie gab gerade genug Licht, damit er die Stufen hinabsteigen konnte, immer tiefer in Finsternis hinab. Es wurde immer kälter und zugiger je tiefer er kam, der kalte Winterwind fand seinen Weg durch die schmalsten Ritzen. Er hatte das Gefühl, dass seine Vorfahren ihn anheulten, ihn tadelten.

„LASST MICH IN RUHE!“ schrie er zurück.

Seine Stimme hallte von den Wänden der Gruft wieder.

„IHR WERDET EUREN PREIS SCHON FRÜH GENUG BEKOMMEN!“

Doch der Wind blies weiter.

Gareth war wütend und stieg tiefer hinab, bis er endlich die große marmorne Kammer mit ihrer drei Meter hohen Decke erreichte, in der all seine Vorfahren in marmornen Sarkophagen lagen. Gareth durchschritt feierlich den Raum, auf die gegenüberliegende Seite zu, wo sein Vater lag. Seine Schritte hallten vom marmornen Boden und den Wänden wider.

Der alte Gareth hätte den Sarkophag seines Vaters zertrümmert. Doch plötzlich begann er, so etwas wie Zuneigung ihm gegenüber zu spüren. Er konnte es kaum verstehen. Vielleicht ließ die Wirkung des Opiums nach; oder vielleicht war es auch, weil er wusste, dass er selbst bald tot sein würde.

Gareth erreichte den großen Sarkophag und beugte sich darüber. Er legte seinen Kopf auf den kalten Stein und bemerkte überrascht, dass er weinte.

„Ich vermisse dich Vater“, weinte er, und seine Stimme hallte in der Einsamkeit der Gruft.

Er weinte und weinte, Tränen liefen ihm über das Gesicht, bis schließlich seine Beine müde wurden und er erschöpft zusammensank und an das Grab seines Vaters gelehnt am Boden saß. Der Wind heulte, als ob er ihm antworten wollte und Gareth legte seine Fackel nieder, die immer schwächer brannte – eine winzige Flamme, die von der Schwärze umfangen wurde. Gareth wusste, dass bald alles Finster sein würde und dass er bald bei denen sein würde, die er am meisten liebte.

KAPITEL FÜNF

Steffen wanderte still den einsamen Waldweg entlang und entfernte sich langsam vom Tower of Refuge. Es brach ihm das Herz, Gwendolyn dort zurückzulassen, die Frau, die er mit seinem Leben zu beschützen geschworen hatte. Ohne sie war er nichts. Seitdem er sie getroffen hatte, hatte er das Gefühl gehabt, endlich einen Sinn für sein Leben gefunden zu haben: Über sie zu wachen, und sein Leben den Dienst an ihr zu widmen, dafür, dass sie ihm, einem einfachen Diener, erlaubt hatte sich über alle Ränge und Stände hinweg zu erheben; doch am meisten dafür, dass sie die erste Person in seinem Leben war, die ihn nicht für seine Erscheinung verabscheute und unterschätzte.

Steffen hatte ein Gefühl von Stolz verspürt, dafür, dass er ihr geholfen hatte, den Tower sicher zu erreichen. Doch sie dort zurückzulassen, ließ ihn eine tiefe Leere spüren. Wohin sollte er nun gehen? Was sollte er tun?

Ohne Gwendolyn zu beschützen schien sein Leben wieder einmal ohne Ziel. Er konnte nicht nach King’s Court zurückgehen oder nach Silesia. Andronicus hatte beide geschlagen, und er erinnerte sich an die Zerstörung, die er gesehen hatte, als sie aus Silesia geflohen waren. Das letzte, an das er sich erinnerte war, dass sein gesamtes Volk gefangen oder versklavt worden war. Zurückzukehren war sinnlos. Außerdem wollte Steffen den Ring nicht noch einmal durchqueren und so weit von Gwendolyn fort gehen.

Daher lief er stundenlang recht ziellos umher, folgte den Waldwegen und versuchte seine Gedanken zu sammeln, bis ihm endlich einfiel, wohin er gehen konnte. Er folgte der Landstraße gen Norden, einen Hügel hinauf, und von dort aus entdeckte er eine kleine Stadt, die in der Ferne an einen anderen Hügel geschmiegt lag. Er ging in diese Richtung, und als er sie erreichte, sah er, dass die Stadt alles hatte, was er brauchte: Einen perfekten Blick auf den Tower of Refuge. Wenn Gwendolyn ihn jemals verlassen würde, wollte er sicher sein, dass er in der Nähe war um sie zu begleiten und sie zu beschützen. Seine Treue galt ihr. Nicht einer Armee oder einer Stadt, sondern ihr. Sie war alles, was er hatte.

Als Steffen in dem kleinen, bescheidenen Ort ankam, entschied er sich, dort zu bleiben, wo er immer den Tower sehen konnte und ein Auge auf sie haben konnte. Als er durch die Tore kam, sah er einen unauffälligen, armen Ort, ein kleines Städtchen am Rande des Rings, so versteckt im Südlichen Wald, dass Andronicus Männer sich nicht einmal die Mühe gemacht hatten, hierher zu kommen.

Steffen kam unter den Blicken von dutzenden von Dorfbewohnern an, in ihren Gesichtern spiegelte sich Ignoranz und der Mangel an Mitgefühl wider. Sie starrten ihn mit weit aufgerissenen Mündern und der wohlbekannten Verachtung und Spott im Blick an, den er von Geburt an kannte. Als sie ihn betrachteten, konnte er es ihn ihren Blicken sehen.

Steffen wollte umkehren und davonlaufen, doch er zwang sich zu bleiben. Er musste um Gwendolyns Willen in der Nähe des Towers bleiben, und er würde alles dafür tun. Ein Dorfbewohner, ein korpulenter Mann in den Vierzigern, der wie die anderen in Lumpen gekleidet war, kam auf ihn zu.

„Was haben wir denn hier? Eine Art von verunstaltetem Männchen?“

Die anderen lachten, und kamen näher.

Steffen blieb ruhig; er hatte diese Art der Begrüßung erwartet – so war er schon sein ganzes Leben lang begrüßt worden. Er hatte festgestellt, je provinzieller die Leute waren, umso mehr Freude schienen sie daran zu finden, sich über ihn lustig zu machen.

Steffen versicherte sich, dass sein Bogen über seine Schulter hing, für den Fall, dass diese Dorfbewohner nicht nur brutal mit ihren Worte waren, sondern womöglich auch gewalttätig. Er wusste, dass er mehrere von ihnen in einem einzigen Wimpernschlag töten konnte, wenn es sein musste. Doch er wollte keine Gewalt. Er suchte Unterkunft.

„Vielleicht ist er nur eine ganz gewöhnliche Missgeburt, oder nicht?“ fragte ein anderer, als ihn eine wachsende Gruppe von Dorfbewohnern bedrohlich umringte.

„Die Rüstung die er trägt sieht aus wie eine königliche Rüstung.“

„Und der Bogen – das ist feines Leder!“

„Ganz abgesehen von den Pfeilen. Die haben goldene Spitzen, nicht wahr?“

Sie blieben ein paar Meter vor ihm stehen und sahen bedrohlich auf ihn herab. Sie erinnerten ihn an die anderen Kinder, die ihn als Jungen gequält hatten.

„Sprich, Missgeburt, wer bist du?“, sagte einer von ihnen.

Steffen holte tief Luft und bemühte sich, ruhig zu bleiben.

„Ich will euch nichts Böses.“, fing er an.

Die Gruppe brach ihn wildes Gelächter aus.

„Böses? DU? Was könntest du uns schon antun?“

„Du könntest nicht einmal unseren Hühnern etwas anhaben!“ brüllte ein anderer.

Steffen wurde rot als das Gelächter lauter wurde, doch er konnte nicht zulassen, dass sie ihn provozierten.

„Ich brauche eine Unterkunft und Essen. Ich habe starke Hände und kann arbeiten. Gebt mir eine Aufgabe und ich werde sie erfüllen. Ich brauche nicht viel. Nicht mehr als jeder andere Mann auch.“

Steffen war bereit, wieder niedrige Arbeiten zu leisten, so wie all die Jahre im Keller von König MacGil. Das würde ihn ablenken. Er konnte hart arbeiten und ein anonymes Leben führen, so wie er es getan hatte, bevor er Gwendolyn begegnet war.

„Du nennst dich selbst einen Mann?“, lachte einer.

„Vielleicht können wir einen Nutzen für ihn finden.“, schrie ein anderer.

Steffen sah ihn hoffnungsvoll an.

„Vielleicht kann er ja gegen unsere Hunde und Hühner kämpfen!“

Die Männer brüllten vor Lachen.

„Ich würde gutes Geld bezahlen, um das sehen zu können!“

„Hier draußen herrscht Krieg, falls ihr das noch nicht bemerkt habt.“, gab Steffen kühl zurück. „Ich bin sicher, dass ihr selbst in einem ländlichen und einfachen Ort wie diesem jede Hand gebrauchten könnt, um die Ernährung sicherzustellen.“

Die Dorfbewohner sahen einander sprachlos an.

„Natürlich wissen wir, dass wir ihm Krieg sind.“, sagte einer. „Doch unser Ort ist zu klein. Keine Armee wird sich die Mühe machen, hierher zu kommen.“

„Ich mag nicht wie du redest“, sagte ein anderer. „So hochtrabend? Klingt als hättest du ne Bildung. Denkst wohl, du bist besser als wir!“

„Ich bin nicht besser als jeder andere Mann“, sagte Steffen.

„Na das ist ja offensichtlich.“, lachte ein anderer.

„Genug der Stichelei!“ rief einer der Dorfbewohner in ernstem Ton.

Er trat vor und schob die anderen beiseite. Er war älter als die anderen und sah ernst aus. Die Menge verstummte in seiner Anwesenheit.

„Wenn du meinst, was du sagst“, sagte der Mann in einer tiefen, rauen Stimme, „kann ich gut ein extra Paar Hände in meiner Mühle gebrauchen. Ich zahle einen Sack Körner pro Tag und einen Krug Wasser. Du schläfst im Heuschober mit dem Rest der Jungen. Wenn du einverstanden bist, hast du Arbeit gefunden.“

Steffen nickte und war froh, endlich einen ernstzunehmenden Mann zu sehen.

„Ich will nicht mehr als das.“, sagte er.

Назад Дальше