Gefunden - Морган Райс 7 стр.


Caitlin und Caleb hatten sich ihnen so leise genähert—besonders mit dem Wellenrauschen im Hintergrund—dass sie sie immer noch nicht bemerkt hatten. Caitlin räusperte sich, um sie nicht zu erschrecken.

Sie alle wirbelten zu ihr herum, und sie konnte sehen, wie überrascht sie waren. Sie konnte es ihnen nicht verdenken: sie mussten ein schockierender Anblick sein, sie beide, von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet, in moderner Kampfmontur in Leder. Sie mussten ausgesehen haben, als wären sie direkt vom Himmel gefallen.

„Es tut uns leid, Sie zu stören“, fing Caitlin an, „aber sind wir in Kapernaum?“, fragte sie den, der ihr am Nächsten stand.

Er blickte von ihr au Caleb, dann zurück zu ihr. Langsam nickte er zur Antwort.

„Wir suchen jemanden“, fuhr Caitlin fort.

„Und wer soll das sein?“, fragte der andere Fischer.

Caitlin war kurz davor, „meinen Vater“ zu sagen, doch sie hielt sich zurück, da sie erkannte, dass das nutzlos sein würde. Wie sollte sie ihn schon beschreiben? Sie wusste nicht einmal, wer er war oder wie er aussah.

Also nannte sie stattdessen die einzige Person, die ihr einfiel, die sie erkennen könnten: „Jesus.“

Sie rechnete fast damit, dass sie sie verspotten würden, sie auslachen, sie ansehen, als wäre sie verrückt—oder dass sie keine Ahnung haben würden, wer Jesus war.

Doch zu ihrer Überraschung schienen sie von ihrer Frage nicht überrascht; sie nahmen sie ernst.

„Er ist vor zwei Wochen abgereist“, sagte einer von ihnen.

Caitlins Herz setzte kurz aus. Also. Es stimmte. Er lebte tatsächlich. Sie waren tatsächlich in seiner Zeit. Und er war wirklich hier gewesen, in diesem Dorf.

„Und alle seine Anhänger mit ihm“, sagte der andere. „Nur die alten Leute wie wir und die Kinder blieben zurück.“

„Also ist er echt?“, fragte Caitlin schockiert. Sie konnte es immer noch kaum glauben; es war fast zu viel, um es zu erfassen.

Der Junge trat nahe an Caitlin heran.

„Er hat die Hand meines Opas wieder gut gemacht“, sagte der Junge. „Schau nur. Er hatte Lepra. Jetzt ist er gesund. Zeig es ihr, Opa“, sagte der Junge.

Der alte Mann drehte sich langsam herum und zog den Ärmel zurück. Seine Hand sah völlig normal aus. Genauer gesagt, als Caitlin genau hinsah, wirkte es, als würde eine Hand deutlich jünger aussehen als die andere. Es war unheimlich. Er hatte die Hand eines 18jährigen. Rosig und gesund—als hätte man ihm eine neue Hand gegeben.

Caitlin konnte es nicht glauben. Jesus war echt. Er konnte wirklich Leute heilen.

Die Hand dieses Mannes anzusehen, der einst ein Leprakranker war, sie völlig geheilt zu sehen, jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Es machte alles real. Zum ersten Mal hatte sie Hoffnung, dass sie ihn wirklich finden würde, und wirklich ihren Vater finden könnte, und das Schild. Und dass sie sie zu Scarlet führen konnten.

„Wisst ihr, wohin er gegangen ist?“, fragte Caleb.

„Jerusalem, soweit wir gehört haben“, rief einer der anderen Fischer über das Rauschen der Wellen hinweg.

Jerusalem, dachte Caitlin. Es fühlte sich so weit weg an. Sie waren den ganzen Weg hierher nach Kapernaum geflogen. Und nun schien es, als wäre das völlig sinnlos gewesen. Nach all dem würden sie umkehren und mit leeren Händen davonziehen müssen.

Doch sie konnte den Davidstern in ihrer Hand brennen spüren, und sie war sich sicher, dass es einen Grund geben musste, warum sie nach Kapernaum geschickt worden waren. Sie hatte das Gefühl, dass da noch mehr war, was sie finden mussten.

„Einer seiner Apostel ist noch hier“, sagte ein Fischer. „Paulus. Ihn könnt ihr fragen. Es kann sein, dass er genau weiß, wohin sie unterwegs sind.“

„Wo ist er?“, fragte Caitlin.

„Da, wo sie sich alle aufgehalten haben. In der alten Synagoge“, sagte der Mann. Er deutete mit dem Daumen über seine Schulter hinweg.

Caitlin blickte über ihre Schulter und sah auf einem Hügel, den Ozean überblickend, einen wunderschönen kleinen Tempel aus Kalkstein. Selbst in dieser Zeit sah er bereits uralt aus. Mit kunstvollen Säulen verziert blickte er über das Meer hinaus, mit direktem Ausblick auf die rauschenden Wellen. Selbst von hier konnte Caitlin spüren, dass es ein heiliger Ort war.

„Es war die Synagoge von Jesus“, sagte einer der Männer. „Dort verbrachte er all seine Zeit.“

„Danke“, sagte Caitlin und machte sich auf, auf sie zuzugehen.

Als sie losging, streckte der Mann die Hand aus und packte sie mit seiner neuen, gesunden Hand am Arm. Caitlin blieb stehen und sah ihn an. Sie konnte die Energie spüren, die durch seine Hand in ihren Arm pulsierte. Es war anders als alles, was sie je gefühlt hatte. Es war eine heilende, tröstliche Energie.

„Du bist nicht von hier, nicht wahr?“, fragte der Mann.

Caitlin spürte ihn in ihre Augen blicken und konnte erkennen, dass er etwas ahnte. Ihr wurde klar, dass es sinnlos war, ihn anlügen zu wollen.

Langsam schüttelte sie den Kopf. „Nein, das bin ich nicht.“

Er starrte sie eine lange Zeit an, dann nickte er langsam, zufriedengestellt.

„Du wirst ihn finden“, sagte er zu ihr. „Ich kann es spüren.“

*

Caitlin und Caleb wanderten den Strand hinauf, neben ihnen das Wellenrauschen, der Geruch von Salz schwer in der Luft. Die kühle Brise war erfrischen, besonders nach so viel Zeit in der Wüstenhitze. Sie stiegen einen kleinen Hügel hinauf, auf dessen Kuppe die uralte Synagoge eingebettet war.

Caitlin blickte auf, als sie sich näherten: aus abgetragenem Kalkstein erbaut, schien es, als stünde sie schon seit tausenden Jahren hier. Sie konnte die Energie spüren, die von dem Ort ausging; dies war ein heiliger Ort, das konnte sie jetzt schon feststellen. Sein großes gewölbtes Tor stand offen und knarrte im Wind, von der Meeresbrise hin und her bewegt.

Auf ihrem Weg den Hügel hinauf passierten sie kleine Grüppchen von Wildblumen, die scheinbar direkt aus dem Felsen heraus wuchsen, in einer Reihe bunter Wüstenfarben. Es waren die schönsten Blumen, die Caitlin je gesehen hatte, so unerwartet, so unwahrscheinlich an diesem kargen Ort.

Sie erreichten die Hügelkuppe und gingen direkt auf das Tor zu. Caitlin spürte den Davidstern in ihrer Tasche brennen und sie wusste, das war es.

Sie blickte hoch und sah über dem Torbogen, in den Stein eingebettet, einen riesigen goldenen Davidstern, von hebräischen Buchstaben umringt. Es war erstaunlich, darüber nachzudenken, dass sie kurz davor stand, einen Ort zu betreten, an dem Jesus so viel Zeit verbracht hatte. Irgendwie hatte sie erwartet, eine Kirche zu betreten—aber das ergab natürlich, wenn sie genauer nachdachte, keinen Sinn, da Kirchen natürlich nicht bis nach seinem Tod gebaut wurden. Es schien seltsam, sich Jesus in einer Synagoge vorzustellen—aber immerhin wusste sie, dass er Jude gewesen war, und ein Rabbi, also ergab es durchaus Sinn.

Doch welche Relevanz hatte all das für die Suche nach ihrem Vater? Nach dem Schild? Sie fühlte zunehmend, dass all dies verbunden war, all die Jahrhunderte und Zeiten und Orte, all das Suchen in den Klostern und Kirchen, all die Schlüssel, all die Kreuze. Sie hatte das Gefühl, dass es einen durchgehenden roten Faden gab, direkt vor ihren Augen. Und doch wusste sie nicht, was es war.

Sichtlich gab es an dem, was sie finden musste, irgend ein heiliges, spirituelles Element. Was ihr auch seltsam erschien, denn immerhin war dies die Welt der Vampire. Doch dann wiederum, als sie so darüber nachdachte, wurde ihr klar, dass dies ebenso ein spiritueller Krieg war, zwischen übernatürlichen Kräften von Gut und Böse, von jenen, die die menschliche Art beschützen wollten und jenen, die ihr schaden wollten. Und sichtlich würde was immer sie finden würde riesige Auswirkungen haben, nicht nur auf die Art der Vampire, sondern auch auf die Art der Menschen.

Sie blickte auf die offenstehende Türe und fragte sich, ob sie einfach hineinspazieren sollten.

„Hallo?“, rief Caitlin aus.

Sie wartete einige Sekunden, ihre Stimme widerhallend. Keine Antwort.

Sie sah Caleb an. Er nickte, und sie konnte sehen, dass auch er das Gefühl hatte, sie wären am richtigen Ort. Sie legte ihre Hand auf die uralte Holztüre und drückte sanft dagegen. Sie öffnete sich knarrend, und sie betraten das verdunkelte Gebäude.

Es war kühler hier drin, geschützt von der Sonne, und Caitlin brauchte einen Moment, bis ihre Augen sich angepasst hatten. Langsam taten sie das, und sie betrachtete den Raum vor ihr.

Er war prachtvoll, anders als alles, was sie je gesehen hatte. Er war nicht protzig wie so viele andere Kirchen, die sie gesehen hatte; es war vielmehr ein bescheidenes Gebäude, aus Marmor und Kalkstein erbaut, verziert mit Säulen und mit kunstvollen Schnitzereien an der Decke. Es gab keine Kirchenbänke, keine Sitzplätze—nur einen großen offenen Raum. Am anderen Ende stand ein schlichter Altar—doch an Stelle eines darüber hängenden Kreuzes war da ein Davidstern. Dahinter stand ein kleiner goldener Schrank, in den Abbildungen von zwei großen Schriftrollen graviert waren.

Nur ein paar wenige kleine gewölbte Fenster durchbrachen die Wände, und obwohl Sonnenlicht stellenweise hereinströmte, war es doch düster. Dieser Ort war so still, so ruhig. Caitlin konnte nur das ferne Rauschen der Wellen hinter sich hören.

Caitlin und Caleb tauschten einen Blick aus, dann schritten sie langsam durch den Raum, dem Altar entgegen. Ihre Schritte schallten auf dem Marmor, und Caitlin wurde das Gefühl nicht los, dass sie beobachtet wurden.

Sie erreichten das Ende des Raumes und standen vor dem goldenen Schränkchen. Caitlin studierte die Diagramme, die in das Gold graviert waren: sie waren so detailreich, so komplex, dass sie sie an diese Kirche in Florenz erinnerten, den Duomo mit seinen goldenen Toren. Es schien, als hätte auch hier jemand sein Leben damit verbracht, dies zu gravieren. Zusätzlich zu den Abbildungen der Schriftrollen waren hebräische Buchstaben überall rundum eingebettet. Caitlin fragte sich, was sich darin befand.

„Die Torah“, kam eine Stimme.

Cailtin wirbelte herum, schockiert darüber, eine andere Stimme zu hören. Sie verstand nicht, wie irgendjemand so leise hätte sein können, es schaffen konnte, von ihnen unentdeckt zu bleiben—und wie irgendjemand darüberhinaus ihre Gedanken lesen konnte. Nur eine äußerst besondere Person konnte dies bewerkstelligen. Entweder ein Vampir, oder eine heilige Person, oder beides.

Auf sie zu kam ein Mann in weißer Robe und zurückgeschlagener Kapuze, mit langem, zerzaustem hellbraunem Haar und einem passenden Bart. Er hatte wunderschöne blaue Augen und ein mitfühlendes Gesicht, das von einem Lächeln erhellt wurde. Er wirkte alterslos, vielleicht Mitte 40, und kam mit einem leichten Hinken auf sie zu, einen Gehstock in der Hand.

„Es sind die Schriftrollen des Alten Testaments. Die fünf Bücher Mose. Das ist es, was hinter diesen goldenen Türen liegt.“

Er kam weiter auf sie zu, bis er nur wenige Schritt entfernt war, dann blieb er vor Caitlin und Caleb stehen. Er starrte direkt auf sie, und Caitlin konnte die Intensität spüren, die von ihm ausging. Dies war sichtlich keine gewöhnliche Person.

„Ich bin Paulus“, sagte er, ohne die Hand auszustrecken, die stattdessen auf seinem Gehstock ruhte.

„Ich bin Caitlin, und dies ist mein Ehemann Caleb“, antwortete sie.

Er lächelte breit.

„Ich weiß“, antwortete er.

Caitlin kam sich dumm vor. Es war offensichtlich, dass dieser Mann, der so einfach ihre Gedanken lesen konnte, viel mehr über sie wusste, als sie über ihn. Es war ein unheimliches Gefühl, dass all diese Leute, in all diesen Jahrhunderten und Orten, von ihr wussten, alle auf sie warteten. Es gab ihr noch stärker das Gefühl, einen Zweck zu haben, eine Mission. Doch es machte es umso frustrierender für sie, dass sie nicht wusste, was diese war, oder wohin sie als Nächstes gehen musste.

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