Bevor er Tötet - Блейк Пирс 5 стр.


„Spreche mit mir, Kevin“, sagte sie. „Glaubst du, dass wir zu bald gekommen sind? Glaubst du, dass es gefühllos von uns war, euch zu befragen, so kurz nachdem ihr die Neuigkeiten über eure Mutter erfahren habt?“

„Ein bisschen“, sagte er.

„Bist du jetzt einfach nur nicht in der Stimmung, zu reden?“

„Nein, damit habe ich kein Problem“, meinte er. „Aber der Kerl ist ein Idiot.“

Mackenzie wusste, dass das ihre Chance war. Sie könnte professionell und formell an die Sache herangehen, wie sie es auch normalerweise tun würde – oder sie könnte diese Gelegenheit nutzen, um eine Beziehung zu dem wütenden Teenager aufzubauen. Jugendliche, das wusste sie, schätzten vor allem Ehrlichkeit. Sie konnten, getrieben durch Gefühle, alle Lügen durchschauen.

„Da hast du Recht“, entgegnete sie. „Er ist ein Idiot.“

Kevin starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an. Sie hatte ihn geschockt, offensichtlicherweise hatte er nicht mit dieser Antwort gerechnet.

„Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass ich mit ihm arbeiten muss“, fügte sie hinzu, ihre Stimme war voller Mitgefühl und Verständnis. „Es ändert auch nichts an der Tatsache, dass wir hier sind, um euch zu helfen. Wir wollen denjenigen finden, der eurer Mutter das angetan hatte. Willst du das denn nicht auch?“

Lange Zeit war er still, dann nickte er schließlich.

„Denkst du, du könntest dann mit mir reden?“, fragte Mackenzie. „Es sind nur ein paar schnelle Fragen, dann sind wir hier weg.“

„Und wer kommt danach?“, wollte Kevin etwas reserviert wissen.

„Willst du eine ehrliche Antwort?“

Kevin nickte und sie sah, dass er den Tränen nahe war. Sie fragte sich, ob er sie die ganze Zeit lang zurückgehalten und versucht hatte, für seinen Bruder und seine Tante stark zu sein.

„Also, wenn wir weg sind, werden wir alle Informationen zusammentragen, die wir finden können. Anschließend kommt das Sozialamt und wird sicherstellen, dass Jennifer in der Lage ist, sich um euch zu kümmern, während die Sache mit deiner Mutter abgeschlossen wird.“

„Meistens ist sie cool“, meinte Kevin, während er Jennifer ansah. „Aber sie und meine Mutter standen sich sehr nahe. Sie waren wie beste Freundinnen.“

„Das sind Schwestern manchmal“, erwiderte Mackenzie, doch sie hatte keine Ahnung, ob das stimmte. „Aber für jetzt ist es wichtig, dass wir uns auf meine Fragen konzentrieren. Kannst du das?“

„Ja.“

„Gut. Ich stelle die Frage nur ungern, aber sie ist notwendig. Weißt du, als was deine Mutter arbeitete?“

Kevin nickte und senkte den Blick zu Boden.

„Ja“, antwortete er. „Und ich weiß zwar nicht woher, aber die Kinder in der Schule wissen es auch. Ein notgeiler Vater von ihnen ist wahrscheinlich in den Club gegangen und hat sie von einer Schulveranstaltung oder so erkannt. Es ist schrecklich. Ich wurde deshalb immer aufgezogen.“

Mackenzie konnte sich gar nicht vorstellen, wie sehr er gelitten haben musste, aber es erhöhte auch ihre Achtung vor Hailey Lizbrook um einiges. Natürlich arbeitete sie nachts als Stripperin, aber tagsüber war sie anscheinend eine fürsorgliche Mutter gewesen.

„Okay“, sagte Mackenzie, „da du ihren Beruf kennst, kannst du dir vorstellen, welche Art Männer solche Orte besuchen, nicht wahr?“

Kevin nickte und Mackenzie sah, wie die erste Träne über seine linke Wange rollte. Fast schon wollte sie ihre Hand ausstrecken und die seine nehmen, um ihm Trost zu spenden, aber sie wollte ihn nicht noch mehr quälen.

„Fällt dir ein, ob deine Mutter einmal wirklich wütend oder aufgebracht über etwas war, oder ob irgendwelche Männer…nun ja, ob welche vielleicht mit ihr nach Hause kamen?“

„Sie hat nie jemanden mitgebracht“, entgegnete er. „Und ich habe Mom fast nie wütend oder verärgert gesehen. Nur einmal war sie wegen etwas wirklich aufgebracht, nämlich als sie letztes Jahr mit den Anwälten sprach.“

„Anwälte?“, fragte Mackenzie nach. „Weißt du, warum sie mit den Anwälten gesprochen hat?“

„So in etwa. Ich weiß, dass eines nachts einmal etwas auf der Arbeit geschah, weshalb sie sich an ein paar Anwälte wandte. Ich hörte ein paar Brocken, wenn sie telefonierte. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie mit ihnen über eine einstweilige Verfügung gesprochen hat.“

„Und du denkst, dass das mit ihrer Arbeit zu tun hatte?“

„Ich bin mir nicht sicher“, antwortete Kevin. Er schien ein bisschen heiterer zu sein, jetzt, da er ihr anscheinend helfen konnte. „Aber ich gehe davon aus.“

„Das ist eine große Hilfe, Kevin“, sagte Mackenzie. „Fällt dir sonst noch etwas ein?“

Er schüttelte langsam den Kopf und schaute dann in ihre Augen. Er wollte stark bleiben, doch in den Augen des Jungen lag so viel Traurigkeit, dass Mackenzie nicht verstehen konnte, warum er noch nicht zerbrochen war.

„Mom schämte sich dafür, wissen Sie?“, meinte Kevin. „Tagsüber arbeitete sie von Zuhause aus. Sie war eine Art technische Schreiberin für Webseiten und solche Sachen. Aber ich glaube nicht, dass sie damit viel Geld verdiente. Sie tat das andere, um mehr Geld zu verdienen, weil unser Vater…nun ja, er trennte sich vor langer Zeit. Er schickt auch kein Geld mehr. Deshalb musst Mom…diese andere Arbeit annehmen. Sie tat es für mich und Dalton und…“

„Ich weiß“, entgegnete Mackenzie und diesmal streckte sie ihre Hand nach ihm aus. Sie legte sie auf seine Schulter, wofür er dankbar schien. Sie konnte auch erkennen, dass er seinen Tränen gerne freien Lauf lassen würde, was er sich aber wahrscheinlich vor fremden Menschen nicht erlauben würde.

„Detective Porter“, rief Mackenzie und er trat mit finsterem Blick aus der Küche. „Haben Sie noch weitere Fragen?“ Bei der Frage schüttelte sie leicht mit dem Kopf, in der Hoffnung, dass er den Hinweis erkennen würde.

„Nein, ich glaube, wir sind hier fertig“, antwortete er.

„Okay“, erwiderte Mackenzie. „Nochmal danke für eure Zeit.“

„Ja, danke“, sagte Porter, als er zu Mackenzie ins Wohnzimmer kam. „Jennifer, Sie haben meine Nummer, zögern Sie also nicht, uns anzurufen, wenn Ihnen etwas einfällt, von dem Sie denken, dass es uns helfen könnte. Sogar das kleinste Detail kann hilfreich sein.“

Jennifer nickte und krächzte: „Danke.“

Mackenzie und Porter gingen hinaus und ein paar hölzerne Treppe zum Parkplatz des Wohnkomplexes hinunter. Als sie ein gutes Stück von der Wohnung entfernt waren, verringerte Mackenzie den Abstand zwischen den beiden. Sie konnte seine Wut wie Hitze neben sich spüren, was sie jedoch ignorierte.

„Ich habe eine Spur“, meinte sie. „Kevin erzählte mir, dass seine Mutter letztes Jahr eine einstweilige Verfügung gegen jemanden auf der Arbeit erwirken wollte. Er sagte, dass er sie nur dieses einzige Mal wütend über etwas erlebt hatte.“

„Gut“, erwiderte Porter. „Dann ist wenigstens etwas Brauchbares bei Ihrer Untergrabung meiner Autorität herausgekommen.“

„Ich habe sie nicht untergraben“, widersprach Mackenzie. „Ich sah einfach nur, wie sich ein Konflikt zwischen Ihnen und dem ältesten Sohn aufbaute, weshalb ich einschritt, um die Situation zu lösen.“

„So ein Müll“, entgegnete Porter. „Sie haben mich vor den Kindern und ihrer Tante schwach und untergeordnet aussehen lassen.“

„Das ist nicht wahr“, wandte Mackenzie ein. „Und selbst wenn es so wäre, was wäre denn schon dabei? Sie haben mit den Kindern wie mit einem Haufen Idioten gesprochen, der kaum Englisch verstehet.“

„Ihr Verhalten war ein eindeutiges Zeichen von fehlendem Respekt“, konterte Porter. „Ich erinnere Sie daran, dass ich diesen Job schon länger mache als Sie am Leben sind. Wenn ich Ihre Hilfe brauche, dann bestimme ich das, verdammt nochmal.“

„Sie waren fertig, Porter“, erwiderte sie. „Das Gespräch war zu Ende, wissen Sie nicht mehr? Und es gab nichts mehr zu untergraben. Sie wollten schon weggehen. Das war Ihre Meinung und zwar die falsche.“

Sie hatten das Auto erreicht und als Porter es aufschloss, brannten seine Augen über das Dach hinweg in die von Mackenzie.

„Wenn wir zurück auf der Polizeiwache sind, werde ich bei Nelson einen Antrag stellen, Sie einem anderen Polizisten zuzuweisen. Ich habe genug von Ihrem mangelnden Respekt.“

„Mangelnder Respekt“, wiederholte Mackenzie mit einem Kopfschütteln. „Sie wissen ja nicht einmal, was das Wort bedeutet. Warum fangen Sie nicht einmal damit an, Ihr Verhalten mir gegenüber unter die Lupe zu nehmen?“

Porter atmete zitternd aus und stieg ohne ein weiteres Wort in das Auto. Entschlossen, sich nicht von Porters schlechter Stimmung beeinflussen zu lassen, stieg Mackenzie ebenfalls ein. Sie schaute zur Wohnung zurück und fragte sich, ob Kevin seine Tränen mittlerweile zugelassen hatte. Wenn man das große Ganze sah, dann schien der Konflikt zwischen ihr und Porter unwichtig.

„Wollen Sie Bescheid sagen?“, fragte Porter, der ziemlich wütend war, dass sie ihn übergangen hatte.

„Ja“, antwortete sie und zog ihr Handy hervor. Als sie Nelsons Nummer wählte, konnte sie die Genugtuung nicht unterdrücken, die sich in ihr aufbaute. Vor einem Jahr war eine einstweilige Verfügung erlassen worden und jetzt war Hailey Lizbrook tot.

Wir haben den Bastard, dachte sie.

Aber gleichzeitig kam sie nicht umhin, sich zu fragen, ob es wirklich so einfach sein würde, diesen Fall abzuschließen.

KAPITEL SECHS

Mackenzie kam schließlich um viertel vor zehn völlig erschöpft Zuhause an. Der Tag war anstrengend und auslaugend gewesen, doch sie wusste, dass sie noch lange nicht würde einschlafen können. Ihre Gedanken waren zu sehr auf die Spur fixiert, die Kevin Lizbrook ihr genannt hatte. Sie hatte die Informationen an Nelson weitergeleitet und er hatte ihr versichert, dass jemand im Stripclub anrufen und herausfinden würde, mit welcher Anwaltskanzlei Hailey Lizbrook zusammengearbeitet hatte, um die einstweilige Verfügung durchzusetzen.

Da ihr Gehirn in hunderte verschiedene Richtungen dachte, schaltete Mackenzie Musik an, nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank und ließ sich ein Bad ein. Normalerweise mochte sie es nicht so gerne, sich in die Badewanne zu legen, aber heute Abend war jeder Muskel ihres Körpers verkrampft. Während sich die Wanne mit Wasser füllte, ging sie durch das Haus und räumte Zacks Dinge auf, anscheinend hatte er wieder bis zur letzten Minute gewartet, auf die Arbeit zu gehen.

Sie und Zack waren vor etwas mehr als einem Jahr zusammengezogen, in einem Versuch, jeden möglichen Schritt in ihrer Beziehung zu gehen, um somit eine Hochzeit so lange wie möglich hinauszuzögern. Mackenzie fühlte sich bereit zum Heiraten, doch Zack schien panische Angst davor zu haben. Sie waren nun schon drei Jahre lang zusammen und obwohl die ersten beiden davon wunderbar gewesen waren, bestand das letzte Jahr ihrer Beziehung aus Monotonie und Zacks Angst, alleine zu sein oder zu heiraten. Wenn er irgendwo zwischen diesen beiden Enden bleiben konnte und Mackenzie als sein Puffer hatte, dann war er glücklich.

Doch als sie zwei dreckige Teller vom Kaffeetisch nahm und über eine Xbox CD auf dem Boden stieg, fragte sich Mackenzie, ob sie nicht langsam genug von ihrer Rolle hatte. Und sogar noch schlimmer, wenn Zack sie morgen bitten würde, ihn zu heiraten, dann wüsste sie nicht einmal, ob sie einwilligen würde. Sie kannte ihn zu gut, sie wusste, wie eine Ehe mit ihm sein würde und ehrlich gesagt war das nicht gerade vielversprechend.

Sie steckte in einer aussichtslosen Beziehung mit einem Partner, der sie nicht wirklich schätzte. Sie erkannte, dass sie auf dieselbe Art auch auf der Arbeit feststeckte, wo sie von ihren Kollegen nicht geschätzt wurden. Ihr gesamtes Leben fühlte sich an, als würde es gerade feststecken. Sie wusste, dass sie etwas verändern musste, doch es erschien ihr so beängstigend. Und wenn man bedachte, wie erschöpft sie war, dann hatte auch einfach nicht die Energie dazu.

Mackenzie ging zurück ins Badezimmer und drehte das Wasser ab. Von der Wasseroberfläche aus stiegen Dampfschwaden auf, als ob sie sie hineinziehen wollten. Sie zog sich aus und betrachtete sich im Spiegel. Dabei bemerkte sie, dass sei acht Jahre ihres Lebens mit einem Mann verschwendet hatte, der eigentlich gar nicht vorhatte, sich an sie zu binden. Sie fühlte sich auf einfache Weise schön. Sie hatte ein hübsches Gesicht (vielleicht sogar noch ein wenig mehr, wenn sie ihr Haar in einem Zopf trug) und eine solide Figur, auch wenn diese ein wenig zu dünn und muskulös war. Ihr Bauch war flach und hart – so sehr, dass Zack manchmal Scherze darüber riss, dass ihre Bauchmuskeln ihn einschüchtern würden.

Sie ließ sich in die Wanne gleiten und stelle das Bier auf dem kleinen Handtuchtisch neben ihr ab. Dann atmete sie tief aus und ließ das heiße Wasser auf sich wirken. Sie schloss ihre Augen und versuchte, sich so gut es ging zu entspannen, aber das Bild von Kevin Lizbrooks Augen kehrte ständig in ihre Gedanken zurück. Die Trauer darin war fast untragbar gewesen, und sprach von einem Schmerz, den Mackenzie selbst einmal gelitten aber tief in ihr Herz verdrängt hatte.

Sie schloss ihre Augen und nickte ein, doch das Bild verfolgte sie. Sie spürte eine Präsenz, als ob Hailey Lizbrook in demselben Raum wäre und sie dazu drängte, den Mord aufzuklären.

*

Zack kam eine Stunde später von seiner zwölfstündigen Schicht in einer Textilfabrik in der Gegend nach Hause. Jedes Mal, wenn er nach Dreck, Schweiß und Fett roch, erinnerte sie sich daran, welch niedrigen Ziele Zack hatte. Mackenzie hatte kein Problem mit der seiner Arbeit an sich, es war eine anständige Arbeit, die für Männer geschaffen war, die hart und zielstrebig arbeiteten. Aber Zack hatte einen Bachelor-Abschluss, mit dem er in ein Master-Programm aufgenommen werden wollte, um Lehrer zu werden. Dieser Plan endete vor fünf Jahren und seitdem steckte er in seiner Rolle als Schichtführer in der Textilfabrik fest.

Als er hereinkam, trank Mackenzie bereits ihr zweites Bier, saß im Bett und las ein Buch. Sie hatte vor, gegen drei Uhr einzuschlafen, nach etwa fünf Stunden wieder aufzustehen und etwa gegen neun Uhr morgens zur Arbeit zu gehen. Schlafen war für sie nie wichtig gewesen und sie hatte erkannt, dass sie nach Nächten, in denen sie mehr als sechs Stunden schlief, am nächsten Tag träge und nicht bei der Sache war.

Zack betrat mit seiner schmuddeligen Arbeitskleidung das Schlafzimmer. Er trat seine Schuhe von den Füßen und sah zu ihr hinüber. Sie trug ein Tank Top und eine kurze Fahrradhose.

„Hey Babe“, sagte er, während er sie gründlich musterte. „Es ist schön, zu so etwas nach Hause zu kommen.“

„Wie war dein Tag?“, fragte sie, doch schaute kaum von ihrem Buch auf.

„Ganz in Ordnung“, antwortete er. „Dann kam ich nach Hause und sah dich so wie du gerade bist, was ihn um einiges verschönert hat.“ Mit diesen Worten kroch er auf das Bett und direkt auf sie zu. Seine Hand legte sich an die Seite ihres Gesichtes, als er versuchte, einen Kuss zu erhaschen.

Das Buch glitt aus ihren Händen und zuckte zurück. „Zack, hast du den Verstand verloren?“, fragte sie.

„Was?“, wollte er verwirrt wissen.

„Du bist dreckig. Ich gerade erst ein Bad genommen und außerdem bringst du Dreck und Fett und weiß der Herr was sonst noch auf die Bettwäsche.“

„Oh Gott“, sagte Zack genervt. Er rollte sich vom Bett, wobei er mit Absicht so viel Bettwäsche wie möglich unter sich begrub. „Warum bist du so verstockt?“

„Ich bin nicht verstockt“, entgegnete sie. „Ich ziehe es nur vor, nicht in einem Schweinestall zu leben. Übrigens, danke für das Aufräumen, bevor du zur Arbeit gegangen bist.“

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