Verschwunden - Блейк Пирс 4 стр.


Riley, mit schwitzenden Händen, zwang sich dazu die Erinnerung zu verdrängen und sich bewusst zu machen, wo sie war. Sie war auf dem Weg um Marie Sayles zu besuchen, der einzigen anderen Überlebenden des unaussprechlichen Sadismus ihres Beinahe-Mörders. Sie machte sich Vorwürfe, dass sie sich von den Flashbacks hatte überwältigen lassen. Es war ihr gelungen sich für anderthalb Stunden zu konzentrieren und sie hatte gedacht, es ginge ihr gut.

Riley erreichte Georgetown, fuhr vorbei an eleganten viktorianischen Häusern und parkte vor der Adresse, die Marie ihr über das Telefon gegeben hatte – einem rotem Backsteinhaus mit hübschen Erkerfenstern. Sie saß für einen Augenblick im Wagen und versuchte den Mut aufzubringen um zu klingeln.

Schließlich stieg sie aus. Als sie die Stufen zum Eingang erklomm, war sie froh Marie an der Türe auf sie warten zu sehen. Einfach aber elegant gekleidet lächelte Marie ihr matt zu. Sie sah erschöpft und angespannt aus. Die dunklen Ringe unter ihren Augen waren für Riley ein sicheres Zeichen, dass sie geweint hatte. Das war keine Überraschung. Sie und Marie hatten sich in den letzten Wochen oft über Video Chats gesehen und es gab wenig, was sie voreinander verstecken konnten.

Als sie sich umarmten, bemerkte Riley gleich, dass Marie kleiner und auch weniger robust war, als sie erwartet hatte. Sogar in hochhackigen Schuhen war Marie kleiner als Riley, ihre Statur schmal und zerbrechlich. Das überraschte Riley. Sie und Marie hatten sich lange unterhalten, aber das war das erste Mal, dass sie sich persönlich begegneten. Maries Zierlichkeit ließ sie nur noch mutiger erscheinen; in Anbetracht dessen, was sie durchgemacht hatte.

Riley nahm ihre Umgebung auf während sie und Marie in das Esszimmer gingen. Das Haus war makellos rein und geschmackvoll eingerichtet. Es wäre normalerweise ein fröhliches Zuhause für eine erfolgreiche, alleinstehende Frau. Aber Marie hatte alle Vorhänge zugezogen und die Lichter gedämmt. Die Atmosphäre war merkwürdig bedrückend. Riley wollte es nicht zugeben, aber es erinnerte sie an ihr eigenes Haus.

Marie hatte ein leichtes Mittagessen auf dem Esszimmertisch bereitgestellt und sie setzten sich gemeinsam zum Essen. Sie saßen in unangenehmer Stille und Riley schwitze, ohne sicher zu sein warum. Marie zu sehen brachte alles zurück.

“Also …wie hat es sich angefühlt?” fragte Marie zögerlich. “Raus in die Welt zu fahren?”

Riley lächelte. Marie wusste besser als jeder andere, wie schwer ihr diese Fahrt gefallen war.

“Ganz gut,” sagte Riley. “Um ehrlich zu sein, ziemlich gut. Ich hatte nur einen schlechten Moment.”

Marie nickte verständnisvoll.

“Nun, du hast es geschafft,” sagte Marie. “Und du warst mutig.”

Mutig, dachte Riley. Das war nicht, wie sie sich selbst beschrieben hätte. Früher einmal vielleicht, als sie noch ein aktiver Agent war. Würde sie sich jemals wieder so sehen?

“Was ist mit dir?” fragte Riley. “Wie oft gehst du raus?”

Marie schwieg.

“Du gehst gar nicht vor die Tür, oder?” fragte Riley.

Marie schüttelte den Kopf.

Riley griff nach ihrer Hand und drückte sie mitfühlend.

“Marie, du musst es versuchen,” drängte sie. “Wenn du dich hier einschließt, dann ist es, als würde er dich immer noch gefangen halten.”

Ein Schluchzer entrang sich Maries Kehle.

“Es tut mir leid,” sagte Riley.

“Das ist okay. Du hast recht.”

Riley beobachtete Marie, während sie schweigend aßen und sich eine lange Stille über sie breitete. Sie wollte glauben, dass es Marie gut ging, aber sie musste zugeben, dass sie einen alarmierend zerbrechlichen Eindruck machte. Es brachte sie dazu sich um sich selbst Gedanken zu machen. Sah sie genauso schlimm aus?

Riley fragte sich im Stillen, ob es gut für Marie war, dass sie alleine lebte. Wäre es besser für sie, wenn sie einen Mann oder einen Freund hätte? Dann stellte sie sich selbst die gleiche Frage. Sie wusste, dass die Antwort für beide wahrscheinlich nicht war. Keiner der beiden war in der emotionalen Verfassung eine Beziehung zu führen. Es wäre nur eine weitere Hürde.

“Habe ich dir je gedankt?” fragte Marie nach einer Weile und brach die Stille.

Riley lächelte. Sie wusste, dass Marie ihre Rettung meinte.

“Sehr oft,” sagte Riley. “Und das brauchst du nicht. Wirklich.”

Marie stocherte mit der Gabel in ihrem Essen.

“Habe ich jemals gesagt, dass es mir leid tut?”

Riley sah sie überrascht an. “Es tut dir leid? Was?”

Es fiel Marie sichtlich schwer weiterzusprechen.

“Wenn du mich nicht da rausgeholt hättest, dann wärst du nicht gefangen worden.”

Riley drückte Maries Hand.

“Marie, ich habe nur meinen Job gemacht. Du kannst dich nicht wegen etwas schuldig fühlen, für das du nichts kannst. Du hast so schon genug, mit dem du fertig werden musst.”

Marie nickte.

“Alleine jeden Tag aufzustehen ist schon eine Herausforderung,” gab sie zu. “Ich nehme an du hast bemerkt, wie dunkel ich es hier habe. Jedes helle Licht erinnert mich an seine Fackel. Ich kann nicht einmal fernsehen oder Musik hören. Ich habe Angst, dass sich jemand an mich heranschleichen könnte und ich es nicht höre. Jedes Geräusch versetzt mich in Panik.”

Sie fing leise an zu weinen.

“Ich werde die Welt nie wieder mit den gleichen Augen sehen. Niemals. Dort draußen ist das Böse, überall um uns herum. Ich hatte keine Ahnung. Menschen sind zu so schrecklichen Dingen fähig. Ich weiß nicht, wie ich jemals wieder jemandem vertrauen soll.”

Marie weinte und Riley wollte ihr versichern, dass sie nicht recht hatte. Aber ein Teil von Riley war sich nicht so sicher, dass sie falsch lag.

Schließlich sah Marie sie an.

“Warum bist du heute hergekommen?” fragte sie geradeheraus.

Riley war durch Maries Direktheit überrumpelt – und durch die Tatsache, dass sie sich selber nicht ganz sicher war.

“Ich weiß es nicht,” sagte sie. “Ich wollte dich nur besuchen. Sehen wie es dir geht.”

“Da ist noch etwas anderes,” sagte Marie und verengte die Augen mit erstaunlichem Gespür.

Vielleicht hatte sie recht, dachte Riley. Sie dachte an Bills Besuch und realisierte, dass sie tatsächlich wegen dem neuen Fall hergekommen war. Was wollte sie von Marie? Rat? Erlaubnis? Ermutigung? Bestätigung? Ein Teil von ihr wollte, dass Marie ihr sagte sie wäre verrückt, dass sie sich ausruhen und Bill vergessen sollte. Aber vielleicht wollte ein anderer Teil, dass Marie sie drängte den Fall anzunehmen.

Schließlich seufzte Riley.

“Da ist ein neuer Fall,” sagte sie. “Nun ja, kein neuer Fall. Aber ein alter Fall, der noch nicht gelöst wurde.”

Maries Ausdruck wurde ernst und angespannt.

Riley schluckte.

“Und du bist gekommen, um mich zu fragen, ob du es tun sollst?” fragte Marie.

Riley zuckte mit den Schultern. Aber sie sah auf und suchte in Maries Augen nach einer Bestätigung, nach Ermutigung. Und in diesem Moment verstand sie, was genau sie sich von diesem Besuch erhofft hatte.

Aber zu ihrer Enttäuschung sah Marie weg und schüttelte langsam den Kopf. Riley wartete auf eine Antwort, aber stattdessen folgte eine endlose Stille. Riley spürte, dass eine ganz besondere Art von Angst sich in Maries Kopf ausbreitete.

In der Stille sah Riley sich in der Wohnung um und ihre Augen vielen auf Maries Festnetztelefon. Sie war überrascht es ausgestöpselt zu finden.

“Was stimmt nicht mit deinem Telefon?” fragte Riley.

Marie sah sie entsetzt an und Riley verstand, dass sie einen Nerv getroffen hatte.

“Er ruft mich ständig an,” sagte Marie mit einem fast unhörbaren Flüstern.

“Wer?”

“Peterson.”

Riley Herz schlug ihr bis zum Hals.

“Peterson ist tot,” erwiderte sie mit wackeliger Stimme. “Ich habe das Haus niedergebrannt. Sie haben seine Leiche gefunden.”

Marie schüttelte den Kopf.

“Das hätte jeder sein können. Das war nicht er.”

Riley fühlte Panik in sich aufsteigen. Ihre eigenen schlimmsten Albträume wurden zurückgebracht.

“Jeder sagt, dass er es war,” erwiderte Riley.

“Und das glaubst du wirklich?”

Riley wusste nicht, was sie sagen sollte. Jetzt war nicht der passende Zeitpunkt um ihr die eigenen Ängste anzuvertrauen. Schließlich halluzinierte Marie vermutlich. Aber wie konnte Riley sie von etwas überzeugen, das sie selbst nicht vollständig glauben konnte?

“Er ruft hier an,” sagte Marie wieder. “Er ruft an und atmet und legt wieder auf. Ich weiß, dass er es ist. Er lebt. Er verfolgt mich immer noch.”

Riley spürte kalte, schleichende Angst.

“Das ist wahrscheinlich nur ein obszöner Anrufer,” sagte sie und gab vor ruhig zu sein. “Aber ich kann das Büro bitten es trotzdem zu überprüfen. Ich kann auch einen Streifenwagen vor deinem Haus postieren, wenn du Angst hast. Sie können die Anrufe zurückverfolgen.”

“Nein!” rief Marie scharf. “Nein!”

Riley sah sie verwirrt an.

“Warum nicht?” fragte sie.

“Ich will ihn nicht wütend machen,” sagte Marie mit einem mitleiderregenden Wimmern.

Riley, überfordert und mit dem Gefühl kurz vor einer Panikattacke zu stehen, wurde klar, dass es eine schlechte Idee gewesen war Marie zu besuchen. Sie fühlte sich nicht besser sondern schlechter. Sie wusste, dass sie keinen Moment länger in diesem bedrückenden Raum sitzen konnte.

“Ich muss gehen,” sagte Riley. “Es tut mir so leid. Meine Tochter wartet.”

Marie griff plötzlich mit überraschender Kraft nach Rileys Handgelenk, sodass sich ihre Nägel in die Haut gruben. Sie starrte Riley mit einer solchen Intensität aus ihren eisblauen Augen an, dass es ihr Angst machte. Dieser furchteinflößende Blick brannte sich in ihre Seele.

“Nimm den Fall an,” drängte Marie.

Riley konnte in ihren Augen sehen, dass Marie den neuen Fall und Peterson verwechselte, sie ineinander überlaufen ließ.

“Finde diesen Hurensohn,” sagte Marie. “Und tote ihn für mich.”

Kapitel 5

Der Mann folgte der Frau auf kurzer Distanz aber war diskret und sah nur flüchtig zu ihr herüber. Er legte einige Artikel in seinen Einkaufskorb, damit er wie jeder andere Kunde aussah. Er gratulierte sich selbst dazu wie unauffällig er sich machen konnte. Niemand erahnte seine wahre Macht.

Auf der anderen Seite war er nie die Art von Mann gewesen, die viel Aufmerksamkeit erregte. Als Kind hatte er sich praktisch unsichtbar gefühlt. Jetzt, endlich, konnte er seine Harmlosigkeit zu seinem Vorteil nutzen.

Nur Momente zuvor hatte er direkt neben ihr gestanden, kaum einen Meter entfernt. Darin vertieft ihr Shampoo auszusuchen, hatte sie ihn nicht bemerkt.

Aber er wusste viel über sie. Er wusste, dass sie Cindy hieß, dass ihr Mann eine Kunstgallerie besaß und dass sie in einer freien Klinik arbeitete. Heute war einer ihrer freien Tage. Jetzt sprach sie mit jemandem am Telefon – ihre Schwester, so wie es sich anhörte. Sie lachte über etwas, das die Person zu ihr sagte. Er kochte vor Wut und fragte sich, ob sie über ihn lachte, wie es all die Mädchen getan hatten. Seine Wut nahm weiter zu.

Cindy trug kurze Hosen, ein Tank Top und teuer aussehende Laufschuhe. Er hatte sie aus seinem Auto beim Joggen beobachtete, bis sie ihren Lauf beendete und in den kleinen Supermarkt kam. Er kannte ihre Routine an einem arbeitsfreien Tag wie diesem. Sie würde die Einkäufe mit nach Hause nehmen, sie wegpacken, duschen und dann ihren Mann zum Mittagessen treffen.

Ihre gute Figur verdankte sie einer Menge Bewegung. Sie war nicht mehr als dreißig Jahre alt, aber die Haut um ihre Oberschenkel war nicht mehr fest. Sie hatte wahrscheinlich einmal viel Gewicht verloren, vielleicht erst vor Kurzem. Sie war zweifellos stolz darauf.

Plötzlich begab sich die Frau zur nächsten Kasse. Der Mann wurde davon überrascht. Sie hatte ihren Einkauf früher als üblich beendet. Er beeilte sich um in die Reihe hinter ihr zu kommen und schubste dabei beinahe einen anderen Kunden beiseite. Er machte sich im Stillen Vorwürfe dafür.

Als die Kassiererin die Artikel der Frau über die Kasse zogen, stellte er sich nahe an sie heran – nah genug um ihren Körper zu riechen, jetzt schwitzend und mit stechendem Geruch nach einem anstrengenden Lauf. Es war ein Geruch, mit dem er sich schon bald sehr viel vertrauter machen würde. Aber er würde mit etwas anderem vermischt sein – einem Geruch, der ihn faszinierte.

Den Geruch von Schmerz und Horror.

Für einen Moment fühlte sich der Mann beschwingt, sogar angenehm benommen, vor gespannter Erwartung.

Nachdem sie ihre Lebensmittel bezahlt hatte, schob sie den Einkaufswagen durch die automatischen Glastüren auf den Parkplatz.

Er hatte es jetzt nicht eilig seine Handvoll von Artikeln zu bezahlen. Er musste ihr nicht nach Hause folgen. Er war schon dort gewesen – hatte sich sogar in das Haus geschlichen, ihre Kleidung in Händen gehalten. Er würde seine Verfolgung wieder aufnehmen, wenn sie zur Arbeit fuhr.

Nicht mehr lange, dachte er. Ganz und gar nicht lange.

*

Nachdem Cindy MacKinnon in ihren Wagen gestiegen war, saß sie für einen Moment unbeweglich hinter dem Steuer. Sie fühlte sich zittrig und wusste nicht warum. Sie erinnerte sich an das seltsame Gefühl, das sie im Supermarkt gehabt hatte. Es war das unheimliche, irrationale Gefühl beobachtet zu werden. Aber es war mehr als das. Es dauerte eine Weile, bis sie es genau benennen konnte.

Schließlich wurde ihr klar, dass es sich angefühlt hatte, als wolle ihr jemand etwas antun.

Sie schüttelte sich. In den letzten Tagen war das Gefühl ständig gekommen und gegangen. Sie tadelte sich selbst, dass sie so schreckhaft war. Es gab sicherlich keinen Grund dafür.

Sie schüttelte noch einmal den Kopf und versuchte auch die letzten Reste des Gefühls loszuwerden. Als sie den Wagen startete zwang sie sich dazu an etwas anderes zu denken und lächelte bei dem Gedanken an ihre Unterhaltung mit ihrer Schwester, Becky. Später an diesem Nachmittag würde Cindy ihr helfen eine große Geburtstagsparty für ihre drei Jahre alte Tochter zu geben; mit Kuchen, Luftballons und allem drum und dran.

Das wird ein wunderschöner Tag werden, dachte sie.

Kapitel 6

Riley saß im Geländewagen neben Bill, als er den Gang wechselte, um den Wagen die Hügel hochzufahren, und sie wischte ihre schweißnassen Hände an ihrer Hose ab. Sie wusste nicht, was sie von diesem Schwitzen halten sollte und sie war sich nicht sicher was sie hier tat. Nach sechs Wochen Abwesenheit schien sie das Gefühl für ihre Instinkte verloren zu haben. Es fühlte sich unwirklich an zurück zu sein.

Riley war durch die befangene Anspannung zwischen ihnen verstört. Sie und Bill hatten kaum gesprochen während der Fahrt. Ihre alte Kameradschaft, ihre Verspieltheit, ihr harmonisches Verhältnis – nichts von all dem war spürbar. Riley war sich relativ sicher, dass sie wusste, warum Bill so distanziert war. Es war nicht Grobheit, sondern Sorge. Er schien die gleichen Zweifel wie sie über ihre Rückkehr zum Job zu haben.

Sie fuhren in Richtung Mosby State Park, wo Bill das neueste Mordopfer gesehen hatte. Während der Fahrt nahm Riley die geographische Beschaffenheit um sich herum auf und langsam schien sich ihre Professionalität wieder einzustellen. Sie wusste, dass sie sich zusammenreißen musste.

Finde den Hurensohn und töte ihn für mich.

Maries Worte verfolgten sie, trieben sie an und machten ihre Entscheidung einfach.

Aber nichts schien wirklich einfach zu sein. Zum einen konnte sie nicht aufhören sich um April Sorgen zu machen. Sie zu ihrem Vater zu schicken war für keinen von ihnen eine ideale Situation. Aber es war Samstag und Riley wollte nicht bis Montag warten um den Tatort zu sehen.

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