Eine Spur von Mord - Блейк Пирс 4 стр.


„Das weiß ich ehrlich gesagt nicht. Dass ich nicht früher darauf gekommen bin! Ich werde Lupe fragen.“

Er holte sein Handy aus der Hosentasche und drückte eine Taste, die scheinbar interne Verbindungen aufbaute.

„Lupe, wissen Sie vielleicht, ob Kendras Auto in der Garage steht?“ Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen.

„Nein, Dr. Burlingame. Ich habe vorhin nachgesehen. Es ist nicht da. Mir ist außerdem aufgefallen, dass die kleine Reisetasche aus ihrem Schrank fehlt, als ich vorhin die frische Wäsche einsortiert habe.“

Burlingame sah verblüfft aus.

„Das ist seltsam“, sagte er.

„Was denn?“, fragte Keri.

„Ich verstehe nicht, warum sie ihre Reisetasche benutzen sollte. Wenn Kendra zum Sport geht, nimmt sie natürlich ihre Sporttasche mit. Und wenn sie sich für die Gala umziehen wollte, hätte sie einen Kleidersack mitgenommen. Ihre Reisetasche benutzt sie nur, wenn sie vorhat zu reisen.“

Sie gingen einen langen Flur hinunter und erreichten schließlich das Schlafzimmer. Brody war ein wenig außer Atem geraten. Er stemmte die Hände in die Hüfte, streckte die Brust heraus und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass er nach Luft schnappte.

Keri sah sich im Raum um. Er war außergewöhnlich groß, größer als ihr gesamtes Hausboot. Das riesige Ehebett war ordentlich gemacht. Ein leichter, hauchdünner Himmel ließ das Bett wirken wie eine Wolke. Durch die weit offenstehenden Türen konnte man den großzügigen Balkon sehen, der einen wunderbaren Blick auf den Pazifischen Ozean bot.

Ein überdimensionaler Flachbildfernseher hing gegenüber dem Bett an der Wand. Die andere Wand war mit geschmackvollen Gemälden und Fotos von dem glücklichen Paar dekoriert. Keri ging etwas näher heran.

Sie sah sich ein Foto an, auf dem sie an einem tropischen Ort im Urlaub waren. Im Hintergrund war das Meer zu sehen.

Jeremy trug darauf ein lockeres, pinkfarbenes Hemd mit karierten Shorts. Er lächelte gestellt und etwas unbeholfen in die Kamera, wie man es oft bei Männern sieht, die nicht gern fotografiert werden.

Kendra Burlingame trug ein türkisfarbenes Sommerkleid mit eleganten, hochhackigen Sandalen, deren Riemchen um ihre Knöchel gewickelt waren. Sie hatte langes, schwarzes Haar, das zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden war. Sie lächelte über das ganze Gesicht, als hätte sie gerade herzlich gelacht. Sie hatte lange, schlanke Beine und war genauso groß wie ihr Gatte, der seinen Arm locker um ihre Hüfte gelegt hatte. Ihre blauen Augen hatten dieselbe Farbe wie das Meer hinter ihr. Sie war wirklich eine ausgesprochen hübsche Frau.

„Dann haben Sie Ihre Frau wann genau zuletzt gesehen?“, fragte sie noch einmal. Burlingame stand hinter ihr, doch sie konnte sein Spiegelbild im Bilderrahmen beobachten.

„Gestern früh, genau hier“, sagte er. Er sah wirklich besorgt aus. „Wegen des Termins in San Diego musste ich früher los als sonst. Ich musste bei einem komplizierten Eingriff anwesend sein. Es war noch vor sieben Uhr; sie war noch im Bett, also habe ich ihr nur einen Abschiedskuss auf die Stirn gegeben.“

„War sie wach?“, fragte Brody.

„Ja, sie hatte den Fernseher an. Sie hat sich gerade den Wetterbericht angesehen, wegen der Gala heute Abend.“

„Und seitdem haben Sie sie nicht mehr gesehen?“, fragte Keri zum dritten Mal.

„Ja, Detective“, entgegnete er und klang zum ersten Mal leicht gereizt. „Das habe ich doch inzwischen mehrfach bestätigt. Darf ich Ihnen vielleicht auch eine Frage stellen?“

„Natürlich.“

„Ich weiß, dass Sie alles Schritt für Schritt untersuchen müssen, aber könnten Sie vielleicht veranlassen, dass Kendras Auto und Handy geortet werden? Vielleicht kann ich sie so finden.“

Keri hatte diese Frage erwartet. Hillman hatte den technischen Dienst natürlich längst damit beauftragt, aber diese Information hatte sie bisher zurückgehalten. Sie war gespannt, wie er darauf reagieren würde.

„Das ist eine sehr gute Idee, Dr. Burlingame“, sagte sie. „Deswegen haben wir es bereits überprüft.“

„Was haben Sie herausgefunden?“, fragte er hoffnungsvoll.

„Nichts.“

„Nichts? Wie soll ich das verstehen?“

„Vermutlich wurde sowohl im Bordcomputer des Autos, als auch auf dem Handy Ihrer Frau das GPS-Signal deaktiviert“, sagte Keri und beobachtete ihn genau.

Er starrte sie erstaunt an.

„Deaktiviert? Wie ist das möglich?“

„Jemand muss es absichtlich deaktivieret haben, damit man weder das Auto noch das Telefon orten kann.“

„Bedeutet das, dass jemand beides manipuliert und sie entführt hat?“

„Das wäre denkbar“, mischte Brody sich ein. „Oder aber sie ist diejenige, die nicht gefunden werden möchte.“

Burlingame sah jetzt nicht mehr erstaunt aus, sondern ungläubig.

„Wollen Sie mir damit sagen, dass meine Frau mich verlassen hat und nicht gefunden werden will?“

„Sie wäre bestimmt nicht die erste“, sagte Brody.

„Nein, das ergibt einfach keinen Sinn. Kendra würde das nicht machen. Sie hat auch gar keinen Grund dazu. Wir führen eine hervorragende Ehe. Wir lieben uns, und sie liebt ihre Arbeit und diese Kinder. Sie würde nicht einfach aufstehen und all das hinter sich lassen. Ich hätte bemerkt, wenn sie unzufrieden gewesen wäre. Ich würde es wissen.“

In Keris Ohren klang es wie ein Flehen, wie ein Mann, der sich selbst überzeugen will. Er wirkte plötzlich schrecklich einsam.

„Sind Sie sich ganz sicher, Dr. Burlingame?“, fragte sie. „Manchmal bewahrt man ein Geheimnis so gut, dass nicht einmal der engste Freund davon weiß. Da wir gerade darüber reden, hat Kenda außer Ihnen noch andere vertraute Personen?“

Burlingame schien sie nicht zu hören. Er setzte sich auf das Bett und schüttelte langsam den Kopf, als könne er so den Zweifel abschütteln.

„Dr. Burlingame?“, fragte Keri sanft.

„ Entschuldigen Sie. Ja. Ihre beste Freundin ist Becky Sampson. Sie kannten sich seit der High School. Sie sind vor ein paar Wochen gemeinsam zu einem Klassentreffen gegangen. Kendra war danach irgendwie durcheinander, aber sie wollte nicht sagen, warum. Becky wohnt in Robertson Street. Vielleicht hat Kendra ihr etwas anvertraut.“

„Sehr gut, wir werden sie kontaktieren“, versicherte Keri. „In der Zwischenzeit werden wir ein Team von der Spurensicherung zu Ihnen schicken, damit sie Ihr Haus genauer unter die Lupe nehmen. Wir beginnen üblicherweise dort, wo die vermisste Person zuletzt gesehen wurde, bevor das GPS-Signal deaktiviert wurde. Haben Sie alles verstanden, Dr. Burlingame?“

Der Mann starrte jetzt ohne jede Regung geradeaus. Als sie seinen Namen sagte, schloss er die Augen einen Moment und sah sie dann lange an.

„ Ja, Spurensicherung, ich verstehe.“

„Wir werden außerdem die Angaben zu Ihrem Aufenthaltsort gestern überprüfen müssen, einschließlich Ihrem Einsatz in San Diego“, erklärte Keri. „Wir werden jeden, mit dem Sie dort in Kontakt waren, kontaktieren müssen.“

„Das gehört zu unseren Aufgaben“, fügte Brody betont diplomatisch hinzu.

„Ich verstehe. Wahrscheinlich wird der Ehemann grundsätzlich verdächtigt, wenn eine Frau verschwindet. Ich werde eine Liste von Leuten und Telefonnummern erstellen, die ich gestern getroffen habe. Brauchen Sie die Liste sofort?“

„Je schneller desto besser“, sagte Keri. Ich möchte nicht unhöflich sein, Doc, aber Sie haben recht – der Ehemann ist zu Beginn immer ein Hauptverdächtiger. Und je schneller wir Sie als Täter ausschließen können, desto schneller können wir uns auf andere Theorien konzentrieren. Ein paar Polizisten werden zu Ihnen kommen und die ganze Umgebung durchsuchen. Jetzt würde ich Sie und Lupe bitten, uns in den Hof zu unseren Fahrzeugen zu begleiten. Dort werden wir gemeinsam warten, bis die Teams eintreffen.“

Burlingame nickte und bewegte sich langsam aus dem Schlafzimmer. Plötzlich hob er den Kopf. „Aus Erfahrung gesprochen, Detective Locke, wie viel Zeit hat sie, wenn sie wirklich entführt wurde? Ich weiß, dass bei solchen Vorfällen die Uhr tickt. Wie viel Zeit hat sie realistisch gesehen?“

Keri sah ihn lange an. Er wirkte kein bisschen hinterlistig, sondern ernsthaft betroffen, als wollte er sich an etwas Rationalem festhalten. Das war eine gute Frage und sie wüsste selbst gerne die Antwort darauf.

Sie rechnete still ein paar Zahlen zusammen, aber das Ergebnis war nicht gut. So offen konnte sie einfach nicht mit dem Mann eines potenziellen Opfers reden. Sie versuchte, ihr Kalkulation vorsichtig in Worte zu fassen.

„Sehen Sie, Dr. Burlingame, ich möchte ehrlich mit Ihnen sein. Jede Sekunde zählt. Aber wir haben vermutlich ein paar Tage, bevor die Spuren verwischen, und wir werden alle Hebel in Bewegung setzen, um Ihre Frau zu finden. Sie dürfen die Hoffnung nicht aufgeben.“

Tatsächlich sah die Rechnung allerdings um einiges hoffnungsloser aus. Im Normalfall lag das Limit bei zweiundsiebzig Stunden. Wenn sie wirklich gestern Vormittag entführt worden war, hatten sie jetzt noch knappe achtundvierzig Stunden um sie zu finden.

Das war ein ziemlich optimistisch gesehener Zeitrahmen.

KAPITEL FÜNF

Im Cedars-Sinai Medical Center ging Keri so schnell den Gang hinunter, wie ihre schmerzenden Knochen es zuließen. Becky Smapsons Haus war nicht weit vom Krankenhaus entfernt, daher hatte Keri kein allzu schlechtes Gewissen, dass sie einen kurzen Besuch bei Ray einlegte.

Sowie sie sich seinem Zimmer näherte, machte sich wieder die Nervosität in ihr breit. Wie sollte es zwischen ihnen je wieder normal werden, wenn diese unausgesprochenen Gefühle zwischen ihnen lagen? Als sie bei seinem Zimmer ankam, beschloss sie, sich zusammen zu nehmen.

Die Tür stand einen spaltbreit offen und Keri konnte sehen, dass Ray schlief. Außer ihm war niemand im Zimmer. Verwundete Polizisten bekamen, soweit verfügbar, immer ein eigenes Zimmer. Mit einem Blick auf die Hügel von Hollywood und einem großen Fernseher hatte er es gut getroffen. Der Fernseher zeigte einen alten Sylvester Stallone Streifen, der Ton war abgeschaltet.

Kein Wunder, dass er dabei eingeschlafen ist.

Keri ging zu ihm und sah sich ihren Partner genauer an. In diesem Krankenhausbett mit dem lockeren Nachthemd wirkte er plötzlich viel gebrechlicher als sonst. Eigentlich war er ein ziemlich großer und einschüchternder Bursche, Afroamerikaner, Glatze, über zwei Meter groß. Seinen Spitznamen „Big“ hat er mehr als verdient.

Da seine Augen geschlossen waren, konnte man ihm nicht ansehen, dass sein rechtes Auge aus Glas war. Er hatte es vor ein paar Jahren bei einem Boxkampf verloren. Man würde nicht vermuten, dass dieser Mann, der neben seinem orangefarbenen Wackelpudding hier gerade im Krankenhausbett schlief, damals Ray „der Sandmann“ Sands war, olympischer Boxer und ungeschlagenes Schwergewicht, dem eine brillante Karriere prophezeit worden war. Seine Karriere war jedoch vor einem unerwarteten linken Haken seines Gegners, der sein Auge brutal zerstört hatte, mit nur achtundzwanzig Jahren vorzeitig beendet worden.

Nachdem er in ein tiefes Loch gefallen war, hatte Ray seine Berufung als Polizist entdeckt, und hatte sich seitdem zu einem der angesehensten Ermittler der Einheit für Vermisste Personen hochgearbeitet. Da Brody bald in Rente gehen würde, wartete auf Ray eine leitende Position in der Einheit für Raubüberfälle und Mord.

Keri ließ ihren Blick aus dem Fenster und über die Hügel schweifen. Sie fragte sich, wie ihr Verhältnis in sechs Monaten aussehen würde, wenn sie nicht mehr zusammen arbeiteten. Der Gedanke beängstigte sie. Seit man ihr Evie genommen hatte, war er die einzige stabile Person in ihrem Leben gewesen, und sie hatte gerne jeden einzelnen Tag mit ihm zusammen verbracht.

Sie drehte sich wieder zu ihm und stellte fest, dass er sie schweigend ansah.

„Wie geht’s, Schlumpfinchen?“, fragte er grinsend. Sie machten ständig Witze über ihren gewaltigen Größenunterschied.

„Wie geht es dir, Shrek?“

„Ehrlich gesagt bin ich ganz schön müde. Ich habe heute schon Extremsport gemacht. Man hat mich den ganzen langen Gang einmal herunter und wieder herauf gejagt. Nimm dich in Acht, LeBron James, ich bin dir dicht auf den Fersen.”

„Weißt du schon, wann sie dich wieder frei lassen?“, fragte Keri.

„Wenn ich weiterhin gute Fortschritte mache, darf ich vielleicht schon Ende der Woche gehen. Dann sind aber noch zwei Wochen Bettruhe angesagt, bevor ich wieder an den Schreibtisch darf – vorausgesetzt ich habe mich bis dahin nicht vor lauter Langeweile selbst erschossen.“

Keri saß eine Weile still da. Sie wusste nicht recht, was sie sagen sollte. Eigentlich wollte sie ihm sagen, dass er sich Zeit nehmen sollte, dass seine Gesundheit wichtiger war, als die Arbeit. Andererseits wäre das ziemlich lachhaft, da sie selbst sich auch nicht daran hielt, und das würde er ihr auch unter die Nase reiben.

Er war angeschossen worden, weil er ihr das Leben gerettet hatte. Sie fühlte sich dafür verantwortlich und sie fühlte noch andere Dinge, über die sie jetzt nicht nachdenken wollte.

Schließlich beschloss sie, dass jetzt eher Ablenkung angebracht war als ein Vortrag über Gesundheit.

„Ich wollte dich nach deiner Meinung zu meinem neuen Fall fragen. Hast du Lust auf ein bisschen Psychoanalyse mit Wackelpudding?“, fragte sie.

„Gratuliere, dann bist du also wieder offiziell einsatzbereit. Lass uns doch den Wackelpudding überspringen und direkt ans Eingemachte gehen.“

„Okay. Folgendes: Kendra Burlingame, Hausfrau eines berühmten Schönheitschirurgen in Beverly Hills, ist seit gestern früh spurlos verschwunden.“

„Welcher Tag war gestern nochmal?“, unterbrach Ray. „Sorry, aber die ewige Bettruhe, gemischt mit starken Medikamenten, hat mein Zeitgefühl vollkommen durcheinander gebracht.“

„Gestern war Montag, Sherlock“, neckte Keri ihn. „Ihr ehrenwerter Gatte sagt, dass er sie gegen sechs Uhr fünfundvierzig zum letzten Mal gesehen hat, bevor er für eine OP nach San Diego gefahren ist. Das heißt, dass sie seit etwa zweiunddreißig Stunden vermisst wird.“

„Vorausgesetzt, er sagt die Wahrheit. Du weißt genauso gut wie ich, dass der Ehemann immer der erste Verdächtige ist.“

Keri war etwas genervt davon, dass jeder, einschließlich ihres scharfsinnigen Partners, sie darauf hinwies. Als sie antwortete, konnte sie einen gewissen Unterton nicht unterdrücken.

„Ach wirklich, Ray? Hast du sonst noch eine wunderbare Weisheit parat, großes Orakel? Vielleicht, dass die Sonne heiß ist, oder dass Grünkohl wie Alufolie schmeckt?“

„Ich meine ja nur…“

„Glaub mir, Ray. Das weiß ich selbst. Er ist unser Hauptverdächtiger. Und vielleicht ist sie einfach abgehauen. Aber als professionelle Gesetzeshüter sollten wir vielleicht nach weiteren Spuren suchen, findest du nicht?“

„Doch, sicher. Dann hast du noch ein zweites Standbein, wenn du ihn verhaftest.“

„Wunderbar.  Ganz die alte Spürnase, bloß keine unbegründeten Schlüsse ziehen“, neckte sie ihn weiter und bemühte sich, dabei ernst zu bleiben.

„So bin ich eben. Was hast du noch?“

„Ich treffe gleich Kendras beste Freundin, sie wohnt hier ganz in der Nähe. Ihr Mann sagte, dass Kendra seit einem Klassentreffen merkwürdig drauf war.“

„Hast du jemanden nach San Diego geschickt um seine Story zu überprüfen?“

„Brody ist in dieser Sekunde unterwegs.“

Назад Дальше