Der einzige Grund, warum er nicht weinte war, weil er sich zu hohl dafür fühlte. Naja das und weil er seinem Bruder nicht die Zufriedenheit geben wollte, ihn in Schmerz zu sehen. Im Moment hätte er es sogar begrüßt, wenn Rupert ihn getötet hätte, denn zumindest hätte das ein Ende des unendlichen Schmerzes der begann sich in ihm auszubreiten bedeutet.
“Es ist Zeit nach Hause zu kommen”, sagte Rupert. „Du kannst dort bleiben, während ich alles unserer Mutter erzähle. Sie hat mich geschickt, um dich zurückzuholen und das werde ich tun. Ich werde dich auf dem Pferd festbinden, wenn ich muss.“
„Das musst du nicht“, sagte Sebastian. „Ich werde gehen.“
Er sagte es ruhig, aber dennoch war es genug, um ein triumphierendes Lächeln auf das Gesicht seines Bruders zu zaubern. Rupert dachte, dass er gewonnen hatte. In Wahrheit jedoch war es Sebastian einfach egal. Es machte nichts mehr. Er wartete darauf, dass einer der Soldaten ihm ein Pferd brachte, stieg auf und trieb es mit wunden Gliedern vorwärts.
Er würde nach Ashton gehen und er würde was auch immer für ein Prinz sein, den seine Familie haben wollte. Nichts davon würde einen Unterschied machen.
Nichts machte einen Unterschied, jetzt wo Sophia tot war.
KAPITEL DREI
Cora war mehr als dankbar, als der Boden wieder gleichmäßig wurde. Es schien, als wenn sie und Emeline ewig gelaufen wären, obwohl ihre Freundin sich nichts von der Belastung anmerken ließ.
„Wie kannst du einfach nur so gehen, als wenn du nicht müde bist?“, fragte Cora, als Emeline weiter vorwärtsdrängte. „Ist das so eine Art Magie?“
Emeline schaute zurück. „Das ist keine Magie, es ist einfach nur … Ich habe fast mein ganzes Leben auf Ashtons Straßen verbracht. Wenn du zeigst, dass du schwach bist, dann finden Menschen immer einen Weg, dich auszunutzen.“
Cora versuchte sich das vorzustellen, irgendwo zu leben, wo es die Change von Gewalt gab, sobald irgendjemand Schwäche zeigte. Sie erkannte, dass sie sich das nicht vorstellen musste.
„In dem Palast waren es Rupert und seine Kumpane“, sagte sie, „oder die adligen Mädchen, die dachten, sie können dich ausnutzen, nur weil sie wütend auf etwas anderes sind.“
Sie sah Emeline ihren Kopf auf die Seite legen. „Ich hatte gedacht, dass es besser im Palast gewesen wäre“, sagte sie. „Zumindest musst du so keinen Banden oder Sklavenjägern ausweichen. Du musst deine Nächte nicht zusammengekauert in Kohlekellern verbringen, sodass niemand dich finden kann.“
„Weil ich bereits verpflichtet war“, wies Cora sie darauf hin. „Ich hatte nicht einmal ein Bett im Palast. Sie haben angenommen, dass ich schon irgendwo eine Ecke finden würde, wo ich schlafen kann. Das oder dass irgendein Adliger mich in seinem Bett haben wollte.“
Zu Coras Überraschung legte Emeline ihre Arme um sie, um sie zu umarmen. Wenn es eins gab, das Cora auf der Straße gelernt hatte, dann das Emeline normalerweise keine demonstrative Person war.
„Ich hab einmal ein paar Adlige in der Stadt getroffen“, sagte Emeline. „Ich dachte, dass sie schlauer und besser wären, als eine der Banden, bis ich näher gekommen bin. Dann habe ich gesehen, wie einer von denen einen Mann bewusstlos geschlagen hat. Einfach nur weil er es konnte. Sie waren genauso.
Es schien merkwürdig, sich darüber näher zukommen, wie schwer ihre Leben gewesen waren, aber Cora fühlte sich Emeline näher, als am Anfang. Es war nicht nur, dass sie beide in ihrem Leben viel durchgemacht hatten. Sie waren jetzt lange zusammen gereist und es gab immer noch die Aussicht auf viele Meilen vor ihnen.
„Stonehome wird da sein“, sagte Cora und versuchte sich selbst und auch Emeline zu überzeugen.
„Das wird es“, sagte Emeline. „Sophia hat es gesehen.“
Es fühlte sich merkwürdig an, so viel Vertrauen in Sophias Kräfte zu legen, aber die Wahrheit war, dass Cora ihr wirklich absolut vertraute. Sie würde ihr Leben den Dingen anvertrauen, die Sophia gesehen hatte und es gab niemanden, mit dem sie lieber reisen würde, als Emeline.
Sie gingen weiter, und als sie nach Westen gingen, begannen sie mehr Flüsse zu sehen in Geflechten, die sich wie Kapillaren verbanden und zu größeren Arterien wurden. Schon bald schien es mehr Wasser als Land zu geben, sodass sogar die Felder dazwischen schon halb durchflutete Dinge waren. Menschen ernteten im Matsch, und der drohte sich jeden Moment in Sumpf zu verwandeln. Der Regen schien konstant zu bleiben, und obwohl Cora und Emeline sich gelegentlich vor dem Schlimmsten schützten, gingen sie dennoch die meiste Zeit weiter.
„Schau“, sagte Emeline und zeigte auf das Flussufer. Alles, was Cora zuerst sehen konnte, war das Schilf, das daneben wuchs, hier und da von den Bewegungen von kleinen Tieren unterbrochen. Dann sah sie das Coracle, dass wie eine gepanzerte Kreatur am Ufer lag. „Oh nein“, sagte Cora und riet was Emeline vorhatte.
Emeline legte ihr eine Hand auf den Arm. „Es ist okay. Ich kenne mich mit Booten aus. Komm, du wirst das genießen.”
Sie ging voran zu dem Coracle und Cora blieb nichts anders übrig, als ihr zu folgen und still zu hoffen, dass es keine Paddel geben würde. Es gab aber Paddel und das schien alles zu sein, was Emeline brauchte. Schnell saß sie im Coracle und Cora konnte sich entweder neben sie setzen oder alleine am Ufer zurückbleiben.
Cora musste jedoch zugeben, dass es schneller ging, als zu laufen. Sie glitten den Fluss hinunter wie ein Kieselstein, der von einer riesigen Hand geworfen wurde. Es war entspannend, wie auf dem Wagen. Noch entspannender, weil sie die Hälfte der Zeit mit dem Wagen damit verbracht hatten, auszusteigen und ihn Berge hochzuschieben und aus dem Matsch zu ziehen. Emeline schien das rudern ebenfalls zu genießen, sie navigierte durch die Veränderungen im Fluss, als es von rauem zum sanften Wasser und wieder zurückging.
Cora sah den Moment, als das Wasser sich veränderte und sie sah Emelines Ausdruck sich in derselben Sekunde verändern.
“Da … da ist etwas”, sagte Emeline. „Etwas Mächtiges.“
Was haben wir hier? Fragte eine Stimme und ertönte in Coras Gedanken. Zwei frische junge Dinger. Kommt näher meine Schätze. Kommt näher.
Vorne sah Cora … naja, sie war nicht sicher, was sie sah. Zuerst schien es wie eine Frau die aus Wasser gemacht war, aber ein anschließendes Flimmern von Licht, schien wie ein Pferd. Der Drang dort hin zu gehen, war überwältigend. Es fühlte sich an, als wenn da vorne Sicherheit wäre.
Nein, es war mehr als das; es fühlte sich an, als wenn zu Hause dort auf sie wartete. Das zu Hause, das sie sich immer gewünscht hatte, mit Wärme, einer Familie, Sicherheit …
So ist gut. Kommt zu mir. Ich kann euch alles geben, was ihr wollt. Ihr werdet nie wieder alleine sein. Cora wollte das Boot weiter nach vorne drängen. Sie wollte tauchen, um bei der Kreatur zu sein, die so viel versprach. Sie stand schon halb auf, bereit das zu tun.
„Warte!“ schrie Emeline. “Es ist ein Trick Cora!”
Cora fühlte, wie sich etwas um ihre Gedanken legte, eine Wand, die zwischen ihr und den Versprechungen der Sicherheit stand. Sie konnte Emeline sich anspannen fühlen und wusste, dass es das andere Mädchen war, die das tat, sie blockierte die Macht, drückte sie mit ihren eigenen Talenten nieder.
Nein, komm zu mir, drängte das Ding, aber es war ein entferntes Echo von dem, was es vorher gewesen war.
Cora schaute es an, sie schaute jetzt wirklich darauf. Sie sah das Wasser dort wirbeln; sah die Strömungen darum, die jeden sofort ertränken würden, der so dumm war dort hindurchzufahren. Sie erinnerte sich an alte Geschichten von Flussgeistern, Kelpies, die Art von gefährlicher Magie, die die Welt gegen sich hatte.
Sie sah das Wasser sich neben dem Boot verändern und erkannte erst jetzt, was passierte, als die Strömungen es nach vorne drückten.
„Emeline!“ schrie sie. „Es zieht uns hinein!“
Emeline blieb still, zitterte vor Bemühungen, als sie darum kämpfte, die Kreatur davon abzuhalten, sie beide zu überwältigen. Das hieß, es lag nun an Cora. Sie griff nach den Paddeln, zielte auf das Ufer und paddelte mit aller Kraft, die sie hatte.
Zuerst schien nichts zu passieren. Die Strömung war zu stark, das Ziehen des Kelpies ebenfalls. Cora erkannte diese Gedanken, als das was sie waren und schob sie beiseite. Sie musste nicht gegen den Strom paddeln, nur an die Seite. Sie zog damit durchs Wasser, drängte das Boot mit reiner Willenskraft weiter.
Langsam begann es vom Kurs abzukommen und bewegte sich näher an das Ufer während Cora paddelte.
„Beeil dich“, sagte Emeline neben ihr. „Ich weiß nicht, wie lange ich das noch so aufrecht halten kann.“
Cora machte weiter und das Boot bewegte sich nur Zentimeter, so wie es sich anfühlte, aber es bewegte sich. Es kam näher und näher und endlich dachte Cora, dass sie das Schilf erreichen würden. Sie griff danach, schaffte es eine Handvoll davon zu erwischen und nutzte es, um ihr kleines Boot näher ans Ufer zu ziehen. Sie drängte das Boot aufs Ufer, sprang heraus und griff nach Emelines Arm.
Sie zog ihre Freundin auf die Flussbank, sah, wie das Boot von der Strömung hinabgezogen wurde. Cora sah das Kelpie vor Wut brüllen, das kleine Boot zerbrechen und es in Kleinteile zerlegen.
Als sie auf dem trockenen Land waren, fühlte Cora den Druck auf ihren Geist nachlassen, während Emeline keuchte und mit eigener Kraft aufstand. Es schien, dass der Kelpie sie außerhalb des Wassers nicht erreichen konnte. Es brüllte wieder, tauchte unter und verschwand aus dem Blickfeld.
„Ich glaube, wir sind sicher“, sagte Cora.
Sie sah Emeline nicken. “Ich glaube … vielleicht sollten wir für eine Weile vom Wasser fernbleiben.”
Sie hörte sich so erschöpft an, dass Cora ihr vom Ufer weghalf. Es dauerte eine Weile, bis sie den Weg fanden, aber als sie ihn gefunden hatten, schien es nur natürlich ihm zu folgen.
Sie gingen weiter die Straße entlang und jetzt gab es mehr Menschen als im Norden. Cora sah die Fischer vom Flussufer kommen, Bauer mit Körben voll von Ware. Sie sah Menschen, die jetzt von überall her kamen, mit jeder Menge Kleidung oder Herden von Tieren. Ein Mann hütete sogar eine Schar Enten, die vor ihm herrannten, wie Schafe es bei einem Schäfer getan hätten.
„Hier muss es einen Wandermarkt geben“, stellte Emeline fest.
„Wir sollten gehen“, sagte Cora. „Sie sagen uns vielleicht den Weg nach Stonehome.“
„Oder sie töten uns wie Hexen in dem Moment in dem wir fragen“, wies Emeline darauf hin.
Dennoch gingen sie weiter, gingen auf dem Pfad mit den anderen, bis sie den Markt vorne sahen. Er lag auf einer kleinen Insel inmitten des Flusses, die Route von einem Dutzend Punkte aus erreichbar. Auf der Insel sah Cora Stände und Auktionsplätze für alles von Waren bis Viehbestand. Sie war einfach dankbar, dass niemand heute versuchte eine der Leibeigenen zu verkaufen.
Sie und Emeline gingen auf die Insel zu, wateten durch eine der Furten, um sie zu erreichen. Sie hielten ihre Köpfe gesenkt, versuchten sich so gut wie möglich der Menge anzupassen, besonders als Cora die maskierte Person einer Priesterin sah, die durch die Menge lief und ihre Segen verteilte.
Cora fand sich selbst zu einem Ort hingezogen, wo Schauspieler den Tanz von St. Cuthbert aufführten, obwohl es nicht die ernste Version war, die manchmal im Palast aufgeführt worden war. Diese Version zeigte viel mehr derben Humor und Ausreden für Schwertkämpfe, die Kompanie kannte offensichtlich ihr Publikum. Als sie fertig waren, verbeugten sie sich und die Menschen begannen Namen von Spielen und Sketchen zu rufen, in der Hoffnung, dass ihr Lieblingsstück aufgeführt wurde.
„Ich weiß immer noch nicht, wie wir jemanden finden können, der den Weg nach Stonehome kennt“, sagte Emeline. „Zumindest nicht ohne das wir uns selbst vor den Priestern zu erkennen geben.“
Cora hatte darüber ebenfalls nachgedacht. Sie hatte eine Idee.
„Du wirst doch sehen, wenn die Menschen darüber nachdenken oder?“, fragte sie.
„Vielleicht“, erwiderte Emeline.
“Dann bringen wir sie dazu, daran zu denken”, sagte Cora. Sie drehte sich zu den Spielern. „Was ist mit The Stone Keepers Daughter?“, rief sie und hoffte, dass die Menge jeden Blick auf sie versperren würde.
Zu ihrer Überraschung funktionierte es. Vielleicht weil es ein mutiges, sogar gefährliches Schauspiel war, das man fordern konnte; die Geschichte, in der die Tochter eines Steinmetz sich als Hexe herausstellte und ein zu Hause weit weg von denen gefunden hatte, die sie jagten. Es war die Art von Spiel, für das man verhaftet werden konnte, wenn man es an dem falschen Ort aufführte.
Sie hatten es hier aufgeführt, in all seiner Pracht, maskierte Personen, die die Priester darstellten, die nach den jungen Männern suchten, die den Frauenteil spielten aus Angst vor Pech. Die ganze Zeit schaute Cora Emeline erwartungsvoll an.
„Denken Sie an Stonehome?”, fragte sie.
„Ja, aber das heißt nicht … warte“, sagte Emeline und drehte ihren Kopf. „Siehst du denn Mann dort, der Wolle verkauft? Er denkt an die Zeit, als er einmal dort gehandelt hat. Die Frau … ihre Schwester ist dort hingegangen.“
„Hast du also wieder eine Richtung?“, fragte Cora.
Sie sah Emeline nicken. „Ich glaube, wir können es finden.“
Es war keine große Hoffnung, aber es war etwas. Stonehome lag immer noch vor ihnen und damit die Aussicht auf Sicherheit.
KAPITEL VIER
Von oben wirkte die Invasion wie der Schwung eines Flügels, der das Land umfasste, das er berührte. Der Krähenmeister genoss das und er war wahrscheinlich der Einzige, der in der Lage war das zu bewundern, die Krähen gaben ihm einen perfekten Blick, während seine Schiffe in den Hafen fuhren.
„Vielleicht gibt es noch andere Beobachter“, sagte er zu sich selbst. „Vielleicht wird die Kreatur dieser Insel sehen, was für sie kommt.“
„Was meinen Sie, Sir?“, fragte ein junger Offizier. Er war hell und blond, seine Uniform glänzte von der Bemühung des Polierens.
„Nichts um dass Sie sich Sorgen machen müssen. Bereiten Sie sich auf das Anlegen vor.“
Der junge Mann eilte davon mit der Art von Elan in seinen Bewegungen, der sich nach Handlung zu sehnen schien. Vielleicht dachte er, er wäre unverletzlich, weil er für die neue Armee kämpfte.
„Sie sind alle Essen für die Krähen“, sagte der Krähenmeiste.
Heute jedoch nicht, denn er hatte seine Landeplätze mit Sorgfalt gewählt. Es gab Teile auf dem Kontinent hinter dem Knifewater, wo Menschen auf Krähen schossen, schon fast als eine Selbstverständlichkeit, aber hier mussten sie diese Angewohnheit noch lernen. Seine Kreaturen waren ausgeschwärmt, zeigten ihm die Stellen, wo die Verteidiger Kannonen und Barrikaden als Vorbereitung für eine Invasion aufgestellt hatten, wo sich Männer versteckten und befestigte Dörfer. Sie hatten ein Netzwerk der Verteidigung erschaffen, die eine eindringende Kraft ganz schlucken können, aber der Krähenmeister konnte die Löcher darin sehen.
„Los“, befahl er und die Trompeten plärrten, die Geräusche wurden über die Wellen getragen.
Landungsboote sanken und eine Welle von Männern wurde mit ihnen in die Bucht geschwemmt. Das meiste passierte still, denn ein Spieler gab nicht die Platzierung seiner Figuren auf dem Spielbrett bekannt. Sie strömten aus, brachten Kannnonen und Zubehör mit und bewegten sich schnell.