Vor dem Morgengrauen - Морган Райс 2 стр.


Es wurde still im Raum, als jeder seinen Atem anhielt. Ihr Vater stapfte durch die Küche, nahm seine Autoschlüssel aus der Schüssel auf der Küchentheke und nahm seine Aktentasche vom Boden. Seine Bewegungen waren unkoordiniert und Kate bereitete es Sorgen, dass er in diesem Zustand zur Arbeit fahren wollte. Sie fragte sich, was seine Kollegen über ihn dachten. Wussten sie, wie viel er jeden Abend trank? Oder war er genauso gut im Schauspielern wie ihre Mutter? Wenn er auf die Arbeit kam, schlüpfte er mühelos in die Persönlichkeit eines anderen, eines besseren Mannes, eines Familienmannes, eines Mannes, der respektiert wurde? Er war oft genug befördert worden, wodurch sie sich dieses schöne Haus in einer guten Nachbarschaft leisten konnte, also musste er etwas richtig machen.

Sobald die Haustür zuschlug und der Automotor startete, entspannten sich alle ein wenig. Aber nicht viel. Manchmal war es nur das unberechenbare Temperament ihres Vaters, das ihre Mutter in Schach hielt. Ohne ihn hier, war sie der Boss von allem und jedem, insbesondere von Kate.

"Also," sagte sie und blickt mit kalten Augen auf ihre jüngere Tochter. "Ich habe mir die Rechnungen angeguckt seit wir in das neue Haus gezogen sind und wie es aussieht ist College für dich vom Tisch, Kate."

Kate erstarrte. Ihr ganzer Körper verwandelte sich in Eis.

"Was?"

"Du hast mich gehört," sagte ihre Mutter. "Diese Nachbarschaft ist teuer und wir können es uns nicht leisten euch beide zu schicken. Madison muss unsere Priorität sein. Du kannst durch dein Abschlussjahr arbeiten und dann das nächste Jahr eine Auszeit nehmen und mir helfen Madisons Studiengebühren zu bezahlen.

Kate fühlte wie der Joghurt sich in ihrem Magen umdrehte. Sie war so am Boden zerstört von diesen Neuigkeiten, dass sie das Gefühl hatte sie würde sich jeden Augenblick übergeben.

"Das … das kannst du nicht machen," stammelte sie.

Max machte sich auf seinem Stuhl klein. Selbst Madison sah unbehaglich aus, auch wenn Kate wusste, dass sie sich in keinster Weise für sie einsetzen würde.

"Ich bin deine Mutter und solange du unter meinem Dach lebst, kann ich tun was ich will. Madison wurde in einem guten College angenommen und ich werde nicht zulassen, dass du diese Möglichkeit für sie in Gefahr bringst." Der Gesichtsausdruck ihrer Mutter war hart. Ihre Arme waren fest über ihrer Brust verschränkt. "Und Glückwünsche wären auch angebracht," höhnte sie. "Ich glaube nicht, dass ich auch nur einen Piep von dir gehört habe, seit Madison ihren Brief bekommen hat. Du bist nicht einmal für den Kuchen geblieben."

Ihre Mutter hatte am Montag, als der Brief angekommen war, eine Party für Madison geschmissen. Sie hatte einen Kuchen gebacken – auch wenn Kate gesagt worden war, dass sie kein Stück davon essen durfte – und hatte sogar ein großes Banner aufgehängt. Madisons Feier war genau wie die Geburtstagsfeier, die Kate nicht bekommen würde.

Kates Herz raste. Ein roter Nebel senkte sich über ihren Verstand.

Plötzlich sprudelte es nur so aus ihr heraus.

"Und was ist mit mir?" rief sie. "Wie wäre es mit Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag? Du hast nicht 'mal anerkannt, dass heute mein Siebzehnter ist! Warum muss sich immer alles um Madison drehen? Warum kannst du dich nicht zur Abwechslung mal um mich kümmern?”

Max' und Madisons Augen traten vor Angst aus den Höhlen. Kate hatte sich noch nie gewehrt und sie beide sorgten sich, wie die Vergeltung dafür aussehen könnte.

Der Ausdruck auf dem Gesicht ihrer Mutter machte klar, dass sie Kates Geburtstag vollkommen vergessen hatte. Aber sie würde ihren Fehler nicht zugeben – das tat sie nie.

"Ich habe nicht vor, das mit dir zu diskutieren, junge Dame. Du wirst mit mir Häuser putzen, um bei Madisons Studiengebühren zu helfen und damit ist die Sache erledigt." Ihr Ton war emotionslos und kalt. "Wenn ich noch ein weiteres Wort von dir höre, dann nehme ich dich aus der Schule und du bekommst nicht 'mal dein Highschool Abschlusszeugnis. Verstanden?" Sie sah Kate mit einem Blick purer Verachtung in den Augen an. "Bist du nicht spät dran für die Schule?" fügte sie hinzu.

Kate stand einfach da und rauchte vor Wut. Tränen stachen ihr in die Augen. Andere Kinder konnten sich auf Geschenke und Partys zu ihrem Geburtstag freuen. Alles was sie bekam, waren die Neuigkeiten, dass ihr ihre Zukunft weggenommen worden war.

Sie knallte den Joghurtbecher auf die Theke und stürmte aus dem Haus. Es war Mai und die heiße Sonne brannte auf ihrer bleichen Haut. Sie griff sich ihr Fahrrad von der Stelle, wo sie es am Tag zuvor nach der Schule fallen gelassen hatte und begann die Straße herunterzufahren. Sie trat so fest in die Pedalen wie sie konnte, in dem Versuch die Wut, die durch ihre Adern pulsierte, zu beruhigen.

Sie hasste ihre Mutter. Sie hasste das blöde neue Haus. Sie hasste ihre Familie. Es war alles eine Lüge. Das einzige, was sie all die Jahre über Wasser gehalten hatte, war das Wissen, dass sie von diesem Ort entkommen würde, von ihrer schrecklichen, erdrückenden Mutter und ihrem nutzlosen Trinker von einem Vater. Dass sie eines Tages aufs College gehen würde. Sie wollte an die Ostküste, so weit wie möglich von ihnen weg.

Jetzt war dieser Traum vorbei.

KAPITEL ZWEI

Kate schaffte es in Rekordzeit zur Schule. Normalerweise wurde sie früher oder später von Madison überholt, aber sie war so wütend gewesen, dass sie es in weniger als fünfundvierzig Minuten geschafft hatte.

Schweiß lief ihr über den Rücken, als sie ihr Fahrrad in den Unterständen neben dem Parkplatz abschloss. Sie war sich verlegen bewusst, dass ihr Gesicht knallrot und fleckig sein musste.

In dem Moment hielt ein Auto auf dem Platz neben ihr und Tony sprang heraus.

"Oh Gott," murmelte Kate laut.

Tony war ihr Schwarm. Er spielte im Football-Team, hing mit den coolen Kids ab und trotz alldem war er ein wirklich liebenswerter Mensch. Er war die Art von Junge, der für Jeden Zeit hatte. Er sah die Leute an der Highschool nicht durch die Linse ihrer Cliquen. Kate war für ihn keine Außenseiterin – sie war einfach Kate Roswell. Manchmal hatte Kate das Gefühl, dass er der einzige war, der sie nicht im Vergleich zu ihrer schöneren, beliebteren, lustigeren Schwester sah.

"Kate," sagte er und schlug die Autotür zu. "Wie geht's?"

Kate fühlte sich unbehaglich. Sie wünschte sich sie würde hier nicht schwitzend und so erschöpft aussehend stehen.

"Gut," sagte sie, das einzige, was ihr einfiel.

"Hey," sagt er mit einem leicht verwirrten Blick. "Du siehst heute anders aus. Du hast was mit deinen Augen gemacht."

"Mascara," erwiderte sie und fühlte sich noch unbehaglicher.

"Sieht gut aus," stellte er nüchtern fest. "Vorher war mir nicht aufgefallen, wie blau deine Augen sind."

Kates Herz machte einen Satz. Falls er nicht die Absicht hatte mit ihr zu flirten, dann gelang ihm das nicht sehr gut.

"Hey, habe ich recht, wenn ich denke, dass heute dein Geburtstag ist?" fügte er hinzu.

Sie konnte nicht anders, als dahinzuschmelzen. Woher wusste er das? Sie konnte sich nicht erinnern ihm das erzählt zu haben.

"Ähm, ja, ist es," sagte sie.

Tony lächelte und zeigte seine schönen, perlweißen Zähne. "Herzlichen Glückwunsch."

Er lehnte sich zu ihr und zog sie in eine Umarmung. Kate stand stocksteif da. Ihr ganzer Körper vibrierte voller Elektrizität. Sie wollte ihn auch umarmen, aber sie hatte Angst, dass sie Schweißflecken so groß wie Teller zeigen würden, falls sie Arme hob.

Tony ließ sie los und machte einen Schritt zurück.

"Danke," murmelte sie und fühlte sich wie der größte Depp auf Erden. Sie wünschte sich sie könnte cool bleiben. Madison wäre nicht ausgeflippt, wenn ihr Schwarm sie umarmt hätte.

"Hör zu," sagte Tony, dessen Augen zum Football-Team flackerten, das auf den Parkplatz kam. "Ich muss los. Hab einen schönen Geburtstag, okay?" Er ging bereits und sprach dabei über seine Schulter. "Wenn ich dich beim Mittagessen sehe, dann kaufe ich dir einen Cupcake." Dann war er weg und joggte zu seinen Freunden.

Kate umklammerte fest ihre Tasche, während ihr schmerzhaft bewusst wurde, dass sie die ganze Unterhaltung versaut hatte. Es war der Kommentar über ihre Augen gewesen, der sie aus der Bahn geworfen hatte. Sie konnte nicht anders, als sich zu fragen, ob Tony mit ihr geflirtet hatte. Vielleicht gab es einen winzigen Teil in ihm, der auch für sie schwärmte?

"Kate!" rief jemand und als sie sich umdrehte, sah sie ihre drei besten Freundinnen auf sich zulaufen.

Dinah Higgins, Nicole Young, und Amy Tan waren Kates beste Freunde seit sie sich alle in der neunten Klasse kennengelernt hatten. Dinah war eine Afro-Amerikanerin und kam aus einer großen, warmherzigen Familie, die mehr Zeit für Kate zu haben schien als ihre eigene. Sie trug ihr Haar in Cornrows mit weißen und roten Strähnen hineingewebt. Nicole lebte nur mit ihrem Vater; ihre Mutter war an Krebs gestorben, als sie noch klein war. Sie war durch und durch Kalifornierin, aber versuchte es unter Lagen von schwarzen Kleidern und Motorradstiefeln zu verstecken. Weil ihre Haare von Natur aus blond waren, färbte sie sie oft in alle möglichen Farben. Im Moment waren sie leuchtend orange. Amy war das Mädchen, dem sich Kate am nächsten fühlte. Ihre Eltern waren beide Chinesen, die nach Amerika gezogen waren um ihr und ihrem Bruder bessere Chancen zu ermöglichen. Daraus hatte sich ein großer kultureller Unterschied zwischen Amy und ihren Eltern ergeben. Sie sahen sie als eine Kuriosität, mit ihrer Liebe zur Pop-Kultur, ihrer Besessenheit von Reality-TV und ihrer albernen Persönlichkeit. Darum waren Kate und Amy sich so nahe. Amy fühlte sich auch wie ein Außenseiter in ihrer Familie.

Die drei Mädchen schnappten sich Kate und zogen sie in eine Gruppenumarmung.

"Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!" riefen sie alle.

Viele der cooleren Leute auf dem Parkplatz sahen abschätzig zu ihnen herüber – so verhielt man sich einfach nicht in der Öffentlichkeit. Aber Kate war es egal. Sie liebte ihre Freunde und wie sie ihr das Gefühl gaben etwas Besonderes zu sein; trotz der Tatsache, dass sie gewöhnlich und langweilig im Vergleich zu Madison war.

"Wir haben Geschenke!" Dinah strahlte, zog ein schlecht verpacktes Geschenk aus ihrer Tasche und drückte es Kate in die Hände.

"Mach meins zuerst auf", rief Nicole und hielt ihr eine kleine Schachtel entgegen.

"Nicht raten was drin ist," sagte Amy und reichte ihr ein Buchförmiges Paket.

Kate war von den Geschenken überwältigt. "Danke, Leute," strahlte sie. "Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll."

"Mach sie einfach auf!" rief Nicole.

Sie setzten sich auf die Wiese neben dem Tennisplatz. Kate öffnete all ihre Geschenke – eine Schachtel mit Schokolade von Dinah, Totenkopfohrringe von Nicole und eine gebrauchte Ausgabe von Romeo und Julia. Kate liebte Shakespeare und sie liebte romantische Tragödien. Sie würde all ihre Nächte damit verbringen sie zu lesen, wenn sie könnte.

"Ihr seid die Besten," sagte sie und umarmte jede von ihnen.

Amy stupste sie an. "Also … was hat das Mutter-Monster heute Morgen gesagt? Hast du Glückwünsche bekommen?"

Kate schüttelte den Kopf. "Nein." Dann erinnerte sie sich an die Karte von Max. "Max war der einzige, der daran gedacht hat."

Sie zog die Karte aus der Tasche. Sie war ein wenig zerknittert worden. Sie öffnete den Umschlag und sah eine glitzernde pinke Karte mit einer Blume darauf. Es war die Art von Karte, die man einer Vierjährigen geben würde, aber sie war trotzdem dankbar. Max musste sein Taschengeld dafür genommen haben; ihre Mutter hätte ihm auf keinen Fall etwas geliehen.

Im Inneren der Karte stand: "Für meine Schwester an ihrem Geburtstag." Er hatte keine Nachricht geschrieben, nur "Kate" am oberen Ende und "Max" weiter unten. Bei dem Anblick der einfachen Karte zog sich ihr Herz zusammen und sie erinnerte sich an den schmerzhaften, enttäuschenden Morgen. Bevor sie es verhindern konnte, fing ihre Unterlippe an zu zittern.

"Kate!" rief Dinah und schlang die Arme um ihre Freundin. "Was ist los?"

Kate versuchte zu sprechen, aber die Tränen überwältigten sie. Die drei Mädchen wussten wie schwer sie es zu Hause hatte – sie hatten ihr bereits durch drei Jahre der Qualen geholfen und ihr zugehört – und sie hatten großes Mitgefühl für ihre Freundin.

"Mom hat gesagt," begann Kate und schluchzte schwer, "sie hat gesagt, dass ich nicht aufs College gehen kann. Dass ich arbeiten muss, um mit Madisons Studiengebühren zu helfen."

Amy fiel die Kinnlade herunter. Dinah warf Kate einen gequälten Blick zu. Nicole drückte ihren Arm.

"Das kann sie nicht machen!" rief Amy.

"Das ist so unfair," sagte Nicole und runzelte die Stirn. "Du kannst jederzeit bei meiner Familie bleiben, wenn du aus dem Haus rauskommen musst."

"Oder bei meiner," fügte Dinah hinzu. "Meine Mutter liebt dich. Das weißt du.

"Danke," murmelte Kate. "Aber ich weiß nicht, was ich tun soll, wenn ich nicht aufs College kann. Das war mein Fluchtplan, wisst ihr?"

Die Mädchen nickten. Sie hatten sich oft über Colleges unterhalten und sogar geplant auf das gleiche zu gehen, damit sie zusammenbleiben konnten.

"Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll," fügte Kate hinzu und fing wieder an zu weinen.

"Ich nehme an Madison hat sich nicht für dich eingesetzt," sagte Amy. Sie hassten Madison dafür, dass sie Kate nicht half und versuchte Kate immer dazu zu bringen, dass sie ihrer Schwester nicht so viel Freiraum gab. So wie Amy es sah, sollte Madison ihre Mutter darauf ansprechen, wie schlecht sie Kate behandelte, anstatt einfach unschuldig all ihre Komplimente und ihre Aufmerksamkeit anzunehmen.

"Nein," erwiderte Kate düster.

"Hey," sagte Nicole und drückte ihre Freundin. "Das wird schon wieder. Du hast uns, wir passen auf dich auf. Es passiert schon etwas, das alles wieder in die richtige Bahn bringt. Ich verspreche es."

Kate wusste nicht, wie sie sich da so sicher sein konnte. Nicole sprach immer davon, wie Dinge sich verändern und letzten Endes gut werden würden, aber es schien, als würden sie sich für Kate immer nur zum Schlechten wenden. Das Trinken ihres Vaters war schlimmer geworden, der Griff ihrer Mutter um ihr Leben stärker und Madison distanziert sich immer weiter, je höher ihr Status als das goldene Kind stieg. Kates Leben folgte einer Abwärtsspirale und die Möglichkeit zu verlieren aufs College zu gehen war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Nicole redete noch immer. "Der Abschlussball steht an," sagte sie gerade. "Wer weiß, was da passiert."

"Oh, bitte," erwiderte Kate. "Jungs sind gerade das Letzte was mich beschäftigt."

"Ach wirklich?" sagte Amy mit hochgezogener Augenbraue. "Denn ich glaube, dass ich gesehen habe, wie ein gewisser Tony Martin einer gewissen Kate Roswell auf dem Parkplatz eine Umarmung gegeben hat."

Trotz ihrer Traurigkeit tröstete der Gedanke Kate ein wenig. Sie fühlte wie ein Lächeln an ihren Lippen zog. "Ja. Er, ähm, er hat gesagt meine Augen sehen gut aus mit Mascara."

"Oh mein Gott!" rief Dinah. "Der steht total auf dich!"

Kate lachte und schüttelte den Kopf. "Da bin ich mir nicht so sicher. Er ist zu allen nett."

"Ja, nett," sagte Amy, "aber er flirtet nicht mit jedem!”

Nicole sah sie triumphierend an. "Habe ich dir nicht gesagt, dass die Dinge wieder besser werden?"

Kate winkte ab und versuchte die Begeisterung ihrer Freundin zu dämpfen.

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