„Jetzt ist sie dein Hund,” sage ich. „Gib ihr einen neuen Namen”
Rose und Bree wechseln einen aufgeregten Blick.
„Wie sollen wir sie nennen?” fragt Bree.
„Wie wäre Penelope?” sagt Rose.
„Penelope!” schreit Bree “Mir gefällt das.”
„Mir auch,” sage ich.
„Penelope!” ruft Rose nach dem Hund.
Erstaunlicherweise dreht sich der Hund tatsächlich zu ihr um, als sie ihn ruft. Es sieht aus, als ob das schon immer ihr Name gewesen wäre.
Bree lächelt, streckt ihren Arm aus und füttert Penelope mit einem Stück Keks.
Penelope schnappt es ihr aus der Hand und verschlingt es in einem Bissen. Bree und Rose kichern hysterisch, und Rose füttert sie mit dem Rest ihres Kekses. Sie schnappt sich auch den, und dann füttere ich sie mit dem letzten Bissen von meinem Keks. Penelope schaut uns drei aufgeregt an, zittert und bellt dreimal.
Wir lachen alle. Für einen Moment hätte ich fast unsere Probleme vergessen.
Aber dann sehe ich etwas in der Ferne, über Brees Schulter hinweg.
„Da,“ sage ich zu Logan, gehe auf ihn zu und zeige nach links. „Dorthin müssen wir. Dreh hier!“
Ich entdecke die Halbinsel, auf der Ben und ich mit dem Motorrad losgefahren sind, über das Eis auf dem Hudson. Schon bei dem Gedanken zucke ich zusammen, was war das für eine verrückte Jagd! Es ist ein Wunder, dass ich noch lebe.
Logan prüft mit einem Blick über die Schulter, ob uns jemand folgt; dann geht er widerwillig vom Gas und dreht zur Seite, um uns zu der Bucht zu bringen. Ich schaue mich vorsichtig am Ufer um, als wir die Mündung der Halbinsel erreichen. Wir gleiten an ihr vorbei, während sie sich krümmt und ins Landesinnere übergeht. Wir sind jetzt sehr nah am Land und fahren an einem verfallenen Wasserturm vorbei.
Wir fahren weiter und gleiten bald an den Ruinen einer Stadt vorbei, bis zum Herzen der Stadt. Catskill. Überall ausgebrannte Gebäude, es sieht aus, als habe eine Bombe eingeschlagen. Wir stehen vorne im Boot, als wir langsam in die Bucht hineinfahren, immer weiter ins Landesinnere. Die Bucht wird schmaler, und das Ufer ist jetzt nur wenige Meter von uns entfernt. Jetzt sind wir jedem Hinterhalt ausgesetzt, und ich stelle fest wie ich unbewusst die Hand sinken lasse und auf meine Hüfte lege, auf mein Messer. Ich merke, dass Logan das gleiche macht.
Ich drehe mich über meine Schulter zu Ben um; aber er ist immer noch in einem nahezu katatonischen Zustand.
„Wo ist der Lieferwagen?" fragt Logan, mit scharfer Stimme. „Ich gehe nicht weit ins Landesinnere, das sage ich dir gleich. Wenn etwas passiert, müssen wir zurück auf den Hudson und zwar schnell. Das hier ist eine tödliche Falle,“ sagt er und beäugt argwöhnisch das Ufer. Ich schaue auch, aber das Ufer ist leer, öde, eingefroren. Es ist kein Mensch in Sicht, soweit das Auge reicht. „Schau mal,“ sage ich und deute mit dem Finger. „Der verrostete Schuppen? Da drinnen steht er“.
Logan fährt uns weitere dreißig Meter oder so, dann dreht er auf der Höhe des Schuppens. Dort gibt es ein altes, bröckelndes Dock. Logan schafft es unser Boot soweit an Land zu bringen, bis es nur noch ein paar Fuß vom Ufer entfernt ist. Er würgt den Motor ab, packt den Anker und wirft ihn über Bord. Dann nimmt er ein Seil aus dem Boot, macht einen lockeren Knoten an einem Ende, und wirft es um einen der verrosteten Metallpfosten. Er trifft und zieht uns die ganze Strecke bis ans Dock, bis der Abstand so klein ist, dass wir auf das Dock steigen können.
„Steigen wir aus?" fragt Bree.
„Ich steige aus,“ sage ich. „Warte hier auf mich, im Boot. Es ist zu gefährlich für dich mitzukommen. Ich werde bald zurück sein, und ich werde Sascha begraben. Das verspreche ich. "
„Nein!" schreit sie. „Du hast mir versprochen, dass wir nie wieder getrennt sein werden. Du hast es versprochen! Du kannst mich hier nicht allein lassen! Das KANNST du nicht machen!"
„Ich lasse dich nicht allein,“ antworte ich, und es bricht mir das Herz. „Du bist hier mit Logan, Ben und Rose. Du bist vollkommen sicher, das verspreche ich.“
Aber Bree steht auf. Zu meiner Überraschung nimmt sie Anlauf und springt vom Bug auf das sandige Ufer. Dort landet sie mitten im Schnee.
Sie steht an Land, die Hände auf den Hüften, und starrt mich trotzig an.
„Wenn du gehst, gehe ich auch,“ sagt sie.
Ich atme tief ein und sehe, dass es ihr egal ist. Ich kenne sie, wenn sie so ist, dann meint sie es auch.
Sie wird zwar eine Belastung für mich sein, aber ich muss zugeben, ein Teil von mir ist froh, sie immer in Sichtweite zu haben. Und wenn ich versuche, sie davon abzubringen, verschwende ich nur noch mehr Zeit.
„Gut,“ sage ich. „Bleib einfach ganz nah bei mir, die ganze Zeit. Versprochen?“
Sie nickt. „Ich verspreche es."
„Ich habe Angst", sagt Rose und sieht Bree mit weit aufgerissenen Augen an. „Ich möchte das Boot nicht verlassen. Ich möchte hier bleiben, mit Penelope. Ist das okay? "
„Ich will, dass du genau das machst,“ sage ich zu ihr und weigere mich im Stillen sie auch noch mitzunehmen.
Dann wende ich mich an Ben, er dreht sich um, und meine Augen streifen seinen traurigen Blick. Bei seinem Gesichtsausdruck will ich schnell wegschauen, aber ich zwinge mich es nicht zu tun.
„Kommst du?“ frage ich. Ich hoffe, er sagt ja. Ich bin verärgert über Logan, weil er hier bleibt, weil er mich im Stich lässt, und ich könnte wirklich Unterstützung gebrauchen.
Aber Ben, immer noch deutlich unter Schock, starrt nur zurück. Er schaut mich an, als würde er nicht verstehen.
Ich frage mich, ob er alles, was um ihn herum geschieht, überhaupt wahrnimmt.
„Kommst du?" frage ich mit mehr Nachdruck. Ich habe keine Geduld für so was.
Langsam schüttelt er den Kopf, während er sich zurückzieht. Er steht wirklich neben sich, und ich versuche, ihm zu verzeihen – aber es ist schwer.
Ich drehe mich um, um von Board zu gehen und ans Ufer zu springen. Es fühlt sich gut an wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.
„Warte!" Ich drehe mich um und sehe Logan vom Fahrersitz aufstehen.
„Ich wusste, dass so ein Mist wie das hier passieren würde", sagt er.
Er geht über das Boot und sammelt seine Sachen.
„Was machst du da?", frage ich.
„Was denkst denn du?“ fragt er „Ich lasse euch zwei nicht allein gehen“.
Mein Herz hüpft vor Erleichterung. Wenn es nur um mich ginge, würde ich mir nicht so viele Sorgen machen – aber ich bin begeistert, dass jetzt ein weiteres Augenpaar auf Bree aufpasst.
Er springt aus dem Boot und ans Ufer.
„Ich sage dir jetzt noch mal, was für eine dumme Idee das ist,“ sagt er, als er neben mir landet. "Wir sollten weiterfahren. Es wird bald Nacht. Der Hudson kann zufrieren. Wir könnten hier stecken bleiben. Ganz abgesehen von den Sklaventreibern. Du hast 90 Minuten, verstanden? 30 Minuten hin, 30 Minuten vor Ort und 30 Minuten zurück. Keine Ausnahmen, aus irgendwelchen Gründen. Ansonsten gehe ich ohne dich.“
Ich schaue ihn an, beeindruckt und dankbar.
„Abgemacht", sage ich.
Ich denke an das Opfer, das er gerade gemacht hat, und beginne anders über ihn zu denken. Hinter all seinem Gehabe merke ich, dass Logan mich wirklich mag. Und er ist nicht so egoistisch, wie ich dachte.
Als wir uns umdrehen um zu gehen, kommt ein weiterer Einwand vom Boot aus.
„Wartet!“ schreit Ben.
Ich drehe mich um und schaue.
„Ihr könnt mich hier doch nicht einfach allein lassen mit Rose. Was ist, wenn jemand kommt? Was soll ich dann tun?“
„Pass auf das Boot auf,“ sagt Logan und dreht sich wieder um um zugehen.
„Aber ich weiß überhaupt nicht, wie man das Boot fährt!" schreit Ben. „Und ich habe keine Waffen!"
Logan dreht sich wieder um, greift genervt nach unten, nimmt eine der Waffen aus dem Gurt an seinem Oberschenkel, und wirft sie zu Ben. Sie trifft ihn mit voller Kraft an der Brust, und er betastet sie ungeschickt.
„Vielleicht lernst du ja noch, wie man sie benutzt", spottet Logan, während er sich wieder abwendet.
Ich bekomme einen guten Blick auf Ben, der da steht und dabei so hilflos und ängstlich aussieht, wie er die Waffe hält, von der er kaum weiß, wie man sie bedient.
Er wirkt vollkommen überfordert.
Ich will ihn trösten. Ich würde ihm gerne sagen, dass bald alles wieder in Ordnung ist, dass wir bald zurück sind. Aber wie ich mich abwende und auf die große Bergkette vor uns schaue, bin ich mir zum ersten Mal nicht so sicher, ob wir das wirklich sein werden.
ZWEI
Wir gehen schnell durch den Schnee, ich schaue ängstlich zu, wie der Himmel dunkler wird und spüre den Zeitdruck. Ich werfe einen Blick über meine Schulter, sehe meine Fußspuren im Schnee. Hinter ihnen Ben und Rose, die in dem schaukelnden Boot stehen und uns mit großen Augen beobachten. Rose drückt Penelope, die genau so viel Angst hat. Penelope bellt. Ich fühle mich schlecht, weil wir die drei zurücklassen, aber ich weiß, dass es für unsere Mission notwendig ist. Ich weiß, dass wir Material und Lebensmittel finden können, die uns helfen werden, und ich fühle, dass wir einen ordentlichen Vorsprung zu den Sklaventreibern haben.
Ich eile zu dem verrosteten, schneebedeckten Schuppen, reiße seine schiefe Tür auf und bete, dass der Lieferwagen, den ich vor Jahren hier versteckt habe, noch da ist.
Es war ein alter, verrosteter Pickup, der in den letzten Zügen lag, mehr Schrott als Auto, mit nur etwa einem Achtel vollen Tank. Ich bin eines Tages über ihn gestolpert in einem Graben an der Route 23. Dann habe ich ihn hier versteckt, vorsichtig unten am Fluss, für den Fall, dass ich ihn einmal brauchen sollte. Ich erinnere mich wie erstaunt ich war, als er sich tatsächlich noch bewegen ließ.
Die Tür des Schuppens öffnet sich mit einem Knarren, und da steht er, so gut versteckt wie an dem Tag, als ich ihn beiseite geschafft habe, immer noch mit Heu bedeckt. Mein Herz springt vor Freude und Erleichterung. Ich mache einen Schritt nach vorne, fege das Heu herunter und bekomme kalte Hände, als ich das eiskalte Metall berühre. Ich gehe zur Rückseite der Scheune und öffne das Flügeltor, Licht flutet herein.
„Nettes Fahrgestell", sagt Logan, geht an mir vorbei und prüft es. „Bist du sicher, dass es fährt?“
„Nein", sage ich. „Aber mein Elternhaus ist gut zwanzig Meilen entfernt, und wir können wohl kaum wandern.“
Ich kann an seinem Ton hören, dass er wirklich nicht auf dieser Mission sein möchte, dass er zurück im Boot sein will und weiter flussaufwärts fahren will.
Ich setze mich auf den Fahrersitz und suche den Boden nach dem Schlüssel ab. Schließlich ertaste ich ihn, weit hinten versteckt. Ich stecke ihn in der Zündung, atme tief ein und schließe die Augen.
Bitte, Gott. Bitte!
Zunächst passiert nichts. Meine Zuversicht schwindet.
Aber ich den Schlüssel immer wieder umdrehe, immer weiter nach rechts, beginnt der Motor langsam zu zünden. Erst ist es nur ganz leiser Ton, wie eine sterbende Katze. Aber ich halte durch, drehe wieder und wieder, und schließlich wird das Geräusch stärker.
Komm schon, komm schon!
Schließlich springt der Motor knatternd und stöhnend an. Er keucht und pfeift aus dem letzten Loch, aber er läuft.
Ich muss einfach lächeln vor lauter Erleichterung. Er funktioniert. Er funktioniert wirklich. Wir werden es bis zu meinem Elternhaus schaffen, meinen Hund begraben, Essen bekommen.
Ich habe das Gefühl, als ob Sascha zu uns herunterschaut, uns hilft. Vielleicht auch mein Vater.
Die Beifahrertür öffnet sich und Bree springt in den Wagen, sehr gespannt, und rutscht rüber auf den Sitz direkt neben mir. Dann steigt Logan neben ihr ein und schlägt die Tür zu, den Blick geradeaus gerichtet.
„Worauf wartest du noch?“ fragt er. „Die Zeit läuft."
„Das musst du mir nicht zu mir zweimal sagen", sage ich, ebenso kurz angebunden, zu ihm.
Ich legte einen Gang ein, trete aufs Gas, und wende aus dem Schuppen heraus in den Schnee und unter den Nachmittagshimmel. Zuerst bleiben die Räder im Schnee stecken, aber dann gebe ich mehr Gas, und wir stottern nach vorne.
Wir fahren und schleudern auf den abgefahrenen Reifen, über ein Feld. Es ist holprig, und wir werden immer wieder gut durchgeschüttelt. Aber wir kommen voran, und das ist alles, was für mich zählt.
Bald sind wir auf einer kleinen Landstraße. Ich bin so dankbar, dass der Schnee fast den ganzen Tag über geschmolzen ist, sonst würden wir es nie schaffen.
Wir nehmen Fahrt auf. Der Lieferwagen überrascht mich, er fährt ruhiger, nachdem er warm geworden ist. Wir fahren fast 60 Stundenkilometer, als wir die Route 23 in Richtung Westen nehmen. Ich gebe Gas bis wir über ein Schlagloch fahren, und ich es gleich bereue. Wir stöhnen alle, als wir unsere Köpfe anschlagen. Dann fahre ich langsamer. Es ist fast unmöglich die Schlaglöcher im Schnee zu sehen, und ich hatte vergessen, wie schlecht die Straßen geworden sind.
Es ist unheimlich, wieder auf dieser Straße zu sein, dorthin zurückzufahren, wo einst mein Zuhause war. Ich erinnere mich auch an die Straße, als wir die Sklaventreiber gejagt haben, die Erinnerungen kommen wieder hoch. Ich erinnere mich, wie ich sie mit dem Motorrad herunter gerast bin und dachte, ich müsste sterben. Und ich versuche diese Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen.
Als wir gehen, kommen wir an dem riesigen Baum vorbei, der umgefällt wurde und auf die Straße fiel. Jetzt ist er schneebedeckt. Ich erkenne ihn als den Baum, der gerade gefällt wurde, als ich weg musste. Jemand hatte ihn auf den Weg gekippt um die Sklaventreiber aufzuhalten, ein unbekannter Überlebenskünstler hier draußen, der auf uns aufpasst hat.
Ich frage mich, ob es jetzt noch andere Menschen hier draußen gibt, die überleben, vielleicht sogar uns beobachten. Ich schaue mich um, durchkämme den Wald mit meinen Augen, aber ich sehe keine Anzeichen.
Wir liegen gut in der Zeit, und zu meiner Erleichterung läuft nichts schief. Ich traue dem Frieden nicht. Es ist fast zu einfach. Ich schaue auf den Benzinstand und sehe, dass wir nicht viel verbraucht haben. Aber ich weiß nicht, wie genau die Anzeige ist und für einen Moment frage ich mich, ob wir auch genug Benzin haben, um wieder zurückzufahren. Ich frage mich, ob dieser Versuch nicht doch eine dumme Idee war.
Schließlich verlassen wir die Hauptstraße und bieten in eine enge, kurvige Landstraße, die uns nach oben in die Berge bringt, zu meinem Elternhaus.
Ich bin jetzt nervöser, als wir den Berg herauf kurven mit den steil abfallenden Klippen zu meiner Rechten. Ich schaue mich um und muss einfach feststellen, wie unglaublich schön der Blick ist, auf das komplette Gebirge von Catskill. Aber der Anstieg ist steil, und der Schnee ist höher, hier oben. Und ich weiß, dass der alte Rosthaufen mit einer falschen Drehung, einem ungünstigen Abrutschen, direkt über die Kante gehen kann.
Zu meiner Überraschung, liegt der Lieferwagen sicher auf der Straße, wie eine Bulldogge. Bald haben wir das Schlimmsten hinter uns, und als wir um eine Kurve fahren, sehe ich plötzlich unser ehemaliges Haus.
„Hey! Papas Haus!“ schreit Bree und setzt sich vor Aufregung auf.
Ich bin auch erleichtert, es zu sehen. Wir sind hier, und wir liegen gut in der Zeit.
„Siehst du,“ sage ich zu Logan, „das war doch nicht so schlimm."
Logan scheint allerdings nicht erleichtert zu sein, auf seinem Gesicht liegt ein nervöser Ausdruck.
„Wir haben es bis hierhin geschafft", schimpft er. „Noch haben wir es nicht zurück geschafft."
Typisch. Er weigert sich zuzugeben, dass er falsch lag.
Ich halte vor unserem Haus und sehe die alten Spuren der Sklaventreiber. Es bringt alle Erinnerungen zurück, die verzweifelte Angst, die ich fühlte, als sie Bree genommen hatten.