Der Eid Der Brüder - Морган Райс 3 стр.


Die Dorfbewohner hatten viele gute Männer verloren, und auch Gwendolyn hatte einige ihrer Leute eingebüßt. Doch Gwendolyn war erleichtert zu sehen, dass zumindest Darius am Leben war, und ihm jemand auf die wackligen Beine half.

Gwendolyn war sich der Tatsache vollkommen bewusst, dass das Empire Millionen von Kriegern hatte. Sie wusste, dass der Tag der Abrechnung kommen würde. Doch dieser Tag war nicht heute. Heute hatte sie vielleicht nicht die weiseste Entscheidung getroffen – doch die tapferste. Die richtige. Sie spürte, dass es die Entscheidung war, die ihr Vater getroffen hätte. Sie hatte den schwersten Pfad gewählt. Der Pfad dessen, was richtig war. Der Pfad der Gerechtigkeit. Der Pfad des Heldenmuts. Und egal was kommen würde, heute hatte sie gelebt.

Sie hatte wirklich gelebt.

KAPITEL DREI

Volusia stand auf dem steinernen Balkon und blickte herunter in den gepflasterten Hof von Maltolis, der sich unter ihr ausbreitete, und unten, auf dem Platz sah sie den leblosen Körper des Prinzen, dessen Gliedmaßen grotesk verbogen waren. Er schien so weit weg von hier oben, so winzig, so machtlos, und Volusia staunte, dass er nur Augenblicke zuvor einer der mächtigsten Herrscher des Empire gewesen war. Es traf sie tief, wie zerbrechlich das Leben war, welch große Illusion Macht war – um am meisten, wie sie, eine wahre Göttin grenzenloser Macht, die Macht über jedermanns Tod und Leben in Händen hielt. Jetzt konnte sie niemand mehr aufhalten, nicht einmal ein großer Prinz.

Während sie dastand und nach unten blickte, erhoben sich die Schreie von tausenden von Menschen, der verwirrten Bürger von Maltolis, die Stöhnten und jammerten. Ihre Schreie füllten den Hof und stiegen auf wie eine Heuschreckenplage. Sie heulten und schrien und schlugen ihre Köpfe gegen die Steinmauern; sie sprangen auf dem Boden herum wie zornige Kinder und rissen sich die Haare aus. Wenn sie sie so sah, überlegte Volusia, musste man denken, dass Maltolis ein wohlwollender Anführer gewesen war.

„UNSER PRINZ!“, schrie einer von ihnen, ein Schrei, der von vielen aufgenommen wurde. Unzählige Bürger stürmte vor und stürzten sich auf den Körper des verrückten Prinzen, heulend, schluchzend und zuckend, während sie sich an ihm festklammerten.

„UNSER GELIEBTER VATER!“

Plötzlich schallten Glocken durch die ganze Stadt, eine lange Folge von Geläut, das sich zu antworten schien. Volusia hörte einen Tumult, und sie hob ihren Blick um zu sehen, dass hunderte von Maltolis Kriegern in Zweierreihen eilig durch die Stadttore marschierten und den Hof zu füllen begannen. Sie marschierten auf Maltolis Schloss zu.

Volusia wusste, dass sie ein Ereignis ausgelöst hatte, das diese Stadt für immer verändern würde.

Ein plötzliches beharrliches Pochen an der dicken Kammertür ließ sie aufschrecken. Es war ein unaufhörliches Donnern, der Klang von Dutzenden von Kriegern mit klirrenden Rüstungen, die einen Rammbock gegen die dicke Tür aus Eichenholz schlugen. Volusia hatte die Tür, die fast einen halben Meter dick war, und dazu gedacht war, einer Belagerung standzuhalten, natürlich verbarrikadiert. Trotzdem verbogen sich die Scharniere und die Schrei der Männer draußen wurden immer lauter. Mit jedem Schlag verbogen sie sich weiter.

Rums rums rums.

Die Kammer bebte, und der alte eiserne Kronleuchter, der hoch an einem hölzernen Balken hing, schaukelte wild bevor er krachend zu Boden fiel.

Volusia stand ruhig da und beobachtete alles. Sie hatte damit gerechnet. Sie wusste natürlich, dass sie kommen würden, um an ihr Rache zu üben – und sie würden sie nie entkommen lassen.

„Öffne die Tür!“, schrie einer seiner Generäle.

Sie erkannte die Stimme – er war der Anführer von Maltolis Armee, ein humorloser Mann, dem sie nur kurz begegnet war, mit einer tiefen, heiseren Stimme. Als Mann unfähig, doch ein gut ausgebildeter Krieger mit zweihunderttausend Mann, die seinen Befehlen folgten.

Und doch betrachtete Volusia ruhig und unbeeindruckt die Tür, und wartete darauf, dass sie sie einschlugen. Sie hätte sie natürlich für sie öffnen können, doch diese Befriedigung würde sie ihnen nicht geben.

Schließlich ertönte ein letztes ohrenbetäubendes Krachen, und die Angeln der dicken Holztür gaben nach. Dutzende von Kriegern stürmten mit klirrenden Rüstungen in den Raum. Maltolis Kommandant in seiner reich verzierten Rüstung und goldenem Zepter, das ihn dazu berechtigte, die Armee zu führen, ging allen voran.

Er starrte sie hasserfüllt an, während seine Männer hinter ihm diszipliniert auf seinen Befehl warteten.

Volusia stand ruhig da und erwiderte seinen Blick mit einem leichten Lächeln. Sie erkannte, dass ihre Haltung ihn irritiert haben mussten, denn er schien verwirrt zu sein.

„Was hast du getan, Weib?“, spie er aus und umklammerte sein Schwer. „Du bist als Gast in unsere Stadt gekommen und hast unseren Herrscher getötet. Den Auserwählten. Den Einen, der nicht zu töten war.“

Volusia lächelte ihn an und antwortete ruhig.

„Da liegst du falsch, General“, sagte sie. „Ich bin die Eine, die nicht zu töten ist, was ich hier und heute bewiesen habe.“

Er schüttelte wütend den Kopf.

„Wie konntest du nur so dumm sein?“, sagte er. „Sicherlich muss du gewusst haben, dass wir dich und deine Männer umbringen würden. Du kannst nirgendwohin fliehen, es gibt keinen Weg, aus diesem Palast zu fliehen. Hier bist du von hunderttausenden unserer Bürger umringt. Sicherlich musst du gewusst haben, dass deine Tat heute deinen Tod bedeutet – und noch viel Schlimmeres: Gefangennahme und Folter. Wir behandeln unsere Feinde alles andere als freundlich, falls du das noch nicht bemerkt hast.“

„Das habe ich in der Tat bemerkt General, und ich bewundere es“, antwortete sie. „Und doch wirst du nicht Hand an mich legen. Keiner deiner Männer wird es tun.“

Er schüttelte verärgert den Kopf.

„Du bist dümmer als ich dachte“, sagte er. „Ich trage das goldene Zepter. Meine Männer werden tun was ich sage. Genau was ich sage.“

„Werden sie das?“, fragte sie langsam mit einem Lächeln im Gesicht.

Langsam drehte sich Volusia um und blickte durch das Fenster hinab auf den toten Körper des Prinzen, den die Wahnsinnigen nun auf ihre Schultern hoben und wie einen Märtyrer durch die Stadt trugen.

Sie hatte ihm den Rücken zugewandt als sie sich räusperte und fortfuhr.

„Ich zweifle nicht daran, dass deine Männer gut ausgebildet sind. Oder dass sie demjenigen folgen, der das Zepter in der Hand hält. Ihr Ruf eilt ihnen voraus. Ich weiß auch, dass eure Armee weitaus grösser ist als meine. Und dass es keinen Weg gibt, von diesem Ort zu fliehen. Doch du musst wissen, ich habe nicht vor zu fliehen. Ich muss nicht fliehen.“ E sah sie irritiert an und Volusia blickte weiter aus dem Fenster und ließ den Blick über den Hof wandern. In der Ferne sah sie Koolian, ihren Zauberer, der in der Menge stand und sie mit seinen leuchtend grünen Augen aus seinem warzigen Gesicht anstarrte. Er trug seinen schwarzen Mantel und war damit unverwechselbar in der Menge bunt gekleideter Irrer. Seine Arme ruhig vor der Brust gefaltet, erwartete er ihren Befehl. Er schien das einzige ruhige und gefasste Wesen in dieser chaotischen Stadt zu sein.

Volusia nickte ihm kaum wahrnehmbar zu, und er nickte sofort zurück.

Langsam drehte sich Volusia um und blickte, immer noch lächelnd, den General an.

„Du darfst mir das Zepter nun übergeben“, sagte sie. „oder ich töte euch alle und nehme es mir.“

Er sah sie sprachlos an, dann schüttelte er den Kopf und lächelte zum ersten Mal.

„Ich kenne viele wahnhafte Menschen“, sagte er. „Ich habe jahrelang einem gedient. Doch du… du bist eine Klasse für sich. Nun gut. Wenn du so sterben möchtest, dann soll es so sein.“

Er trat vor und zog sein Schwert.

Ich werde es genießen, dich zu töten“, fügte er hinzu. „Vom ersten Augenblick, als ich deine Visage gesehen habe wollte ich es tun. Deine Arroganz macht mich krank!“

Er trat auf sie zu, und als er es tat, drehte sich Volusia um und sah Koolian, der plötzlich neben ihr aufgetaucht war.

Koolian wandte sich ihm zu und starrte den General an, der von seinem plötzlichen Auftauchen erschrocken war.

Koolian zog seine Kapuze zurück und sah ihn mit seinem grotesken Gesicht an – viel zu blass, mit Augen, die zurück in seinen Schädel rollten und schneeweiß waren. Langsam hob er seine Hände und plötzlich fielen der Kommandant und seine Männer auf die Knie. Sie schien und hoben die Hände an die Ohren.

„Mach, dass es aufhört!“, schrie der General.

Blut begann, aus ihren Ohren zu laufen, und einer nach dem anderen fiel bewegungslos zu Boden.

Tot.

Volusia trat langsam und ruhig vor, bückte sich und nahm dem toten General das goldene Zepter aus der Hand.

Sie hob es hoch und betrachtete es im Licht, bewunderte sein Gewicht und seinen Glanz. Sie spürte, dass es böse war.

Sie lächelte über das ganze Gesicht.

Es war noch schwerer, als sie es erwartet hatte.

*

Volusia stand auf der anderen Seite des Grabens, außerhalb der Stadtmauern von Maltolis. Ihr Zauberer Koolian, ihr Assassine Aksan und der Kommandant der volusianischen Armee, Soku, hinter ihr und betrachtete die riesige maltolisianische Armee, die vor ihr versammelt war. Soweit das Auge reichte war die Ebene der Wüste voll mit Maltolis Männern, eine größere Armee, als sie je gesehen hatte. Selbst für sie ein furchteinflößender Anblick.

Sie standen geduldig und führerlos da, und blickte sie, Volusia an, die auf einem Podium stand und sie ansah. Die Anspannung lag dick in der Luft, und Volusia konnte spüren, dass sie abwarteten und darüber nachgrübelten, ob sie sie töten oder ihr dienen sollten.

Volusia sah sie stolz an, spürte ihr Schicksal vor sich, und hob langsam das goldene Zepter über ihren Kopf. Ebenso langsam drehte sie sich in alle Richtungen, damit alle sie sehen konnten, sie und ihr Zepter, das in der Sonne glänzte.

„MEIN VOLK!“, rief sie. „Ich bin die Göttin Volusia. Euer Prinz ist tot. Ich bin jetzt diejenige, die das Zepter trägt; ich bin diejenige, der ihr folgen werdet. Folgt mir, und ihr werde Ruhm und Reichtum erwerben und alles, was euer Herz begehrt. Bleibt hier, und ihr werdet an diesem Ort im Schatten dieser Mauern verrotten, im Schatten des Leichnams eines Anführers, der euch nie geliebt hat. Ihr habt nur seinem Wahn gedient; mir sollt ihr in Ruhm und Eroberung dienen, und mit mir endlich den Anführer haben, den ihr verdient.“

Volusia hob das Zepter höher, ließ den Blick über sie schweifen, begegnete ihren disziplinierten Augen und fühlte ihr Schicksal. Sie fühlte sich unbesiegbar, als ob nichts ihr im Weg stehen konnte, nicht einmal diese riesige Armee. Sie wusste, dass sie, wie die ganze Welt, sich vor ihr verbeugen würden. Sie konnte es vor ihrem inneren Auge sehen – schließlich war sie eine Göttin. Sie lebte in einem Reich über den Männern. Welche Wahl würden sie haben?

So wie sie es sich vorgestellt hatte, hörte sie das Klirren der Rüstungen, und einer nach dem anderen gingen die Männer auf die Knie und Staub wirbelte über der ganzen Ebene auf.

„VOLUSIA!“, begannen sie zu singen, immer wieder.

„VOLUSIA!“

„VOLUSIA!“

KAPITEL VIER

Godfrey spürte den Schweiß, der seinen Hals herunterlief, als er sich unter der Gruppe der Sklaven versteckte und versuchte nicht gesehen zu werden, als sie durch die Straßen von Volusia gingen. Ein weiterer Peitschenhieb zischte durch die Luft und Godfrey schrie vor Schmerz auf, als die Spitze der Peitsche seinen Rücken traf. Die Sklavin neben ihm schrie noch lauter, denn der Schlag war für sie bestimmt und traf sie quer über den Rücken. Sie wimmerte und stolperte weiter.

Godfrey hielt sie fest und fing sie auf, bevor sie zusammenbrach, und wusste dass er damit sein Leben riskierte. Sie fing such und wandte sich ihm mit Panik und Angst im Blick zu. Als sie ihn sah, riss sie überrascht die Augen auf. Offensichtlich hatte sie nicht mit seinem Anblick gerechnet: Ein hellhäutiger Mensch, der ohne Fesseln frei neben ihr herging. Godfrey schüttelte schnell den Kopf, legte einen Finger auf seine Lippen und betete, dass sie schweigen würde. Zum Glück tat sie es.

Godfrey hörte die Peitsche wieder knallen, sah sich um und sah die Zuchtmeister, die sich die Karawane entlangarbeiteten und gedankenlos auf die Sklaven eindroschen. Sie wollten sich lediglich Respekt verschaffen. Als er sich umsah, bemerkte er direkt hinter sich die panischen Gesichter von Akorth und Fulton, deren Augen nervös hin und her wanderten, und neben ihnen die gefassten Mienen von Merek und Ario. Godfrey staunte, dass die beiden Jungen mehr Fassung und Mut zeigten als Akorth und Fulton, zwei ausgewachsenen, wenn auch betrunkene, Männer.

Sie marschierten immer weiter, und Godfrey ahnte, dass sie sich ihrem Ziel näherten, was immer es auch sein mochte. Natürlich konnte er nicht dorthin gehen: Er musste bald etwas tun. Er hatte sein Ziel erreicht – sie waren in Volusia, doch nun mussten sie sich von dieser Gruppe entfernen, bevor man sie entdeckte.

Godfrey sah sich um und bemerkte etwas, das er freudig wahrnahm: Die Zuchtmeister sammelten sich nun  weitestgehend vor der Karawane der Sklaven. Das war natürlich sinnvoll. Nachdem alle Sklaven aneinander gefesselt waren, konnten sie offensichtlich nirgendwo hin fliehen und die Zuchtmeister sahen keine Notwendigkeit, das Ende des Zuges zu bewachen. Abgesehen von einem einsamen Zuchtmeister, der peitschend neben der Karawane herlief, gab es niemanden, der sie davon abhalten würde, sich nach hinten davonzustehlen. Sie konnten fliehen und lautlos in den Straßen Volusias verschwinden.

Godfrey wusste, dass sie schnell handeln sollten, und doch pochte sein Herz jedes Mal, wenn er es in Erwägung zog. Sein Verstand sagte ihm, dass er gehen sollte, doch sein Körper zögerte immer wieder – er konnte nie den Mut zusammenkratzen, es zu tun.

Godfrey konnte immer noch nicht glauben, dass sie hier waren, dass sie es wirklich in die Stadt geschafft hatten. Es war wie ein Traum – doch ein Traum, der immer schlimmer wurde. Der Schwips vom Wein ließ nach, und je mehr er nachließ, desto mehr erkannte er, dass all das eine grundlegend schlechte Idee gewesen war.

„Wir müssen hier raus.“ Merek beugte sich vor und flüsterte drängend. „Wir müssen los.“

Godfrey schüttelte den Kopf und schluckte schwer. Schweiß brannte in seinen Augen. Ein Teil von ihm wusste, dass er Recht hatte, ein anderer Teil von ihm wollte auf den richtigen Moment warten.

„Nein“, antwortete er. „Noch nicht.“

Godfrey sah sich um und sah alle möglichen Sklaven die gefesselt durch die Straßen von Volusia gezerrt wurden, nicht nur jene mit dunkler Haut. Es sah aus, als ob es dem Empire gelungen war, die unterschiedlichsten Rassen aus allen Ecken und Winkeln des Empire zu versklaven – alles und jeden, der nicht der Rasse des Empire angehörte, jeden, der nicht ihre leuchtend gelbe Haut, ihre Größe, die breiten Schultern und die kleinen Hörner hinter den Ohren besaß.

„Worauf warten wir?“, fragte Ario.

„Wenn wir einfach so mitten auf die Straße laufen“, sagte Godfrey, „erwecken wir womöglich Aufmerksamkeit. Vielleicht fangen sie uns sogar. Wir müssen warten.“

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