Der Aufstand Der Drachen - Морган Райс 2 стр.


Kyra kniff die Augen zusammen, als sie ihre älteren Brüder beobachtete, und eine nur zu bekannte Wut stieg in ihr auf, die sie unbewusst ihren Bogen fester packen ließ. Sie hatten Aiden, den sie fast eine Elle überragten, zwischen sich genommen und zerrten ihn an den Armen aus dem Fort hinaus aufs Land. Aiden, ein kleiner, dünner, sensibler Junge von kaum zehn Jahren, sah zwischen seinen Brüdern, ausgewachsenen Jungen von 17 und 18 Jahren, besonders verletzlich aus. Sie sahen sich alle ähnlich, hatten alle starke Kiefer, ein stolzes Kinn, dunkelbraune Augen und lockiges braunes Haar – auch wenn Brandon und Braxton ihre Haare kurz geschoren hatte, während Aidans Haar ihm immer noch ungebändigt in die Augen fiel. Sie sahen sich alle ähnlich – doch sie glich ihnen mit ihrem hellblonden Haar und den grauen Augen überhaupt nicht. Sie trug gewebte Hosen, ein wollenes Hemd und Mantel und war dünn und blass – viel zu blass, hatte man ihr gesagt, mit hoher Stirn und kleiner Nase, gesegnet mit einem hübschen Gesicht, das viele Männer zweimal hinsehen ließ. Besonders jetzt, wo sie 15 wurde, bemerkte sie die Blicke in zunehmendem Maße.

Sie fühlte sich unbehaglich dabei. Sie zog nicht gerne die Aufmerksamkeit anderer auf sich und fand sich auch nicht schön. Ihr Aussehen war ihr egal – alles was sie interessierte waren Training, Tapferkeit und Ehre. Ihr wäre es lieber gewesen, wenn sie wie ihre Brüder ihrem Vater geähnelt hätte, einem Mann, den sie über alles liebte. Sie suchte im Spiegel immer wieder nach etwas von ihm in ihren Augen, doch so sehr sie auch suchte, sie fand es nicht.

„Ich habe gesagt, lasst mich in Ruhe!“, rief Aidan und seine Stimme hallte bis zu ihr hinauf. Als sie die Schreie ihres geliebten kleinen Bruders hörte, stand sie kerzengrade wie eine Löwin, die ihr Junges beobachtet. Auch Leo erstarrte und die Haare auf seinem Rücken stellten sich auf.

Nachdem ihre Mutter schon lange nicht mehr bei ihnen war, fühlte Kyra sich verantwortlich, über Aidan zu wachen, ihm die Mutter zu geben, die er niemals gehabt hatte.

Brandon und Braxton zerrten ihn grob die Straße entlang, weg vom Fort, auf eine einsame Landstraße, die zu einem einsamen Wald führte, und sie sah, dass sie ihn zwangen, einen Speer zu werfen, der viel zu groß für ihn war.

Aidan war ein leichtes Ziel für Braxtons und Brandons Gemeinheiten. Sie waren stark und mutig, wie Jungen in ihrem Alter eben sind, doch sie waren bessere Maulhelden als wirkliche Krieger, und sie brockten sich immer wieder Ärger ein, aus dem sie alleine nicht wieder herauskamen. Es machte sie wütend.

Kyra erkannte, was vor sich ging: Brandon und Braxton zerrten Aidan mit sich auf die Jagd. Sie sah die Weinschläuche in ihren Händen, und wusste, dass sie getrunken hatte. Sie kochte vor Wut. Nicht genug, dass sie sinnlos irgendein Tier töten würden, doch nun schleppten sie auch noch trotz seines Protests ihren kleinen Bruder mit sich.

Kyras Instinkte erwachten und sie rannte mit Leo an ihrer Seite den Hügel hinunter, um sie zu stellen.

„Du bist alt genug!“, sagte Brandon zu Aidan.

„Es ist höchste Zeit, dass du ein Mann wirst“, grunzte Braxton.

Kyra brauchte nicht lange, um sie einzuholen. Sie rannte hinaus auf die Straße und blieb schwer atmend vor ihnen stehen. Leo stand mit gesträubtem Fell neben ihr und die Brüder blieben stehen und sahen sie erschrocken an.

Sie konnte die Erleichterung in Aidans Miene sehen.

„Hast du dich verlaufen?“, höhnte Braxton.

„Du stehst im Weg“, sagte Brandon. „Geh zurück zu deinen Pfeilen und Stöcken.“

Die beiden lachten höhnisch, doch sie sah sie böse an und Leo begann zu knurren.

„Halt dein Biest von uns fern“, sagte Braxton, und versuchte mutig zu klingen, doch die Angst in seiner Stimme war offensichtlich als er seinen Speer fester in seinen Händen hielt.

„Und was denkt ihr, wo ihr Aidan hinbringt?“, fragte sie todernst und sah sie ungerührt an.

Sie hielten inne und ihre Gesichter wurden langsam härter.

„Wir bringen ihn hin, wo immer es uns passt“, knurrte Brandon.

„Er geht mit uns auf die Jagd, um zu lernen wie man ein Mann wird“, sagte Braxton und betonte das letzte Wort bewusst.

Doch sie ließ nicht locker.

„Er ist zu jung“, sagte sie mit fester Stimme.

Brandon verzog das Gesicht.

„Wer sagt das?“

„Ich sage das.“

„Bist du seine Mutter?“, fragte Braxton.

Lyra wurde rot vor Wut, und wünschte sich mehr denn je, dass ihre Mutter jetzt hier wäre.

„So sehr wie du sein Vater bist“, antwortete sie.

Sie standen in angespannter Stille da und Kyra sah Aidan an, der ihren Blick aus ängstlichen Augen erwiderte.

„Aidan“, fragte sie, „möchtest du mit ihnen auf die Jagd gehen?“

Aidan senkte beschämt den Blick. Er stand schweigend da und wich ihrem Blick aus. Kyra hatte Bedenken, ein Machtwort zu sprechen, da sie ihre Brüder nicht provozieren wollte.

„Na bitte, da hast du’s“, sagte Brandon. „Er hat nichts dagegen.“

Kyra stand brennend vor Frustration da, und wollte, das Aidan etwas sagte, doch konnte ihn nicht dazu zwingen.

„Es ist dumm, ihn auf die Jagd mitzunehmen“, sagte sie. „Ein Sturm braut sich zusammen, und es wird bald dunkel. Der Wald ist voller Gefahren. Wenn ihr ihm beibringen wollt, wie man jagt, nehmt ihn an einem anderen Tag mit, wenn er älter ist.

Sie sahen sie verärgert an.

„Was weißt du schon von der Jagd?“, fragte Braxton. „Was hast du schon gejagt außer deinen Bäumen?“

„Hat dich etwa einer davon gebissen?“, fügte Brandon hinzu.

Beide lachten. Kyra kochte und überlegte, was sie tun sollte. Ohne, dass Aidan etwas sagte, konnte sie nicht viel tun.

„Du machst dir zu viele Sorgen“, sagte Brandon schließlich. „Mit uns wird Aidan schon nichts passieren. Wir wollen nur, dass er zum Mann wird – wir bringen ihn schon nicht um. Glaubst du etwa, dass du die einzige bist, die sich um ihn sorgt?“

„Davon abgesehen – Vater beobachtet uns“, sagte Braxton. „Willst du ihn etwa enttäuschen?“

Kyra warf einen Blick über ihre Schultern, und hoch oben, im Turm, konnte sie ihren Vater sehen, der an einem der großen Fenster stand und sie beobachtete. Sie war zutiefst von ihm enttäuscht, dass er sie nicht aufhielt.

Sie versuchten, sich an Kyra vorbeizudrängen, doch Kyra blockierte den Weg. Sie sahen aus, als wollten sie sie beiseite schubsen, doch Leo trat knurrend zwischen sie und sie überlegten es sich anders.

„Aidan, es ist noch nicht zu spät“, sagte sie zu ihm. „Du musst das nicht tun. Möchtest du mit mir zum Fort zurückgehen?“

Sie sah ihn an und konnte die Tränen in seinen Augen sehen, doch sie spürte, dass er hin und hergerissen war. Langes Schweigen folgte, durch nichts unterbrochen außer dem Heulen des Windes und dem dichter werdenden Schnee.

Schließlich regte er sich.

„Ich will jagen gehen“, murmelte er halbherzig.

Sofort stürmten ihre Brüder an ihr vorbei, rempelten sie an der Schulter an und zerrten Aidan mit sich die Straße hinunter.

Kyra drehte sich um und sah ihnen zu, ein Ungutes Gefühl im Bauch.

Sie wandte sich zum Fort um und blickte zum Turm auf, doch ihr Vater war schon verschwunden.

Kyra sah zu, wie ihre drei Brüder aus im Schnee verschwanden. Im immer stärker werdenden Sturm gingen sie auf den Dornenwald zu, und sie konnte das Ungute Gefühl im Bauch nicht loswerden. Sie überlegte, ob sie sie einholen und Aidan zurückbringen sollte – doch sie wollte ihn nicht beschämen.

Sie wusste, dass sie es vergessen sollte – doch es gelang ihr nicht. Irgendetwas in ihr ließ es nicht zu. Sie spürte die Gefahr an diesem Vorabend des Wintermondes. Sie traute ihren älteren Brüdern nicht; sie wusste zwar, dass sie Aidan nichts antun würden, doch sie waren leichtsinnig und zu grob. Was noch viel schlimmer war: sie hatten viel zu großes Vertrauen in ihre Fähigkeiten – und das war keine gute Kombination.

Kyra konnte es nicht länger ertragen. Wenn ihr Vater nichts tun würde, würde sie handeln. Sie war jetzt alt genug und musste niemandem mehr Rede und Antwort stehen außer sich selbst.

Sie rannte gefolgt von Leo los, die einsame Landstraße entlang, direkt auf den Dornenwald zu.

KAPITEL ZWEI

Kyra ging in den düsteren Dornenwald westlich der Festungsanlage, einem Wald, der so dicht war, dass man kaum etwas sehen konnte. Während sie langsam mit Leo weiterging, und Schnee und Eis unter ihren Füssen knirschten, blickte sie auf. Im Vergleich mit den riesigen Dornenbäumen kam sie sich winzig vor. Es waren uralte schwarze Bäume mit knorrigen Ästen, die Dornen ähnelten und fleischigen, schwarzen Blättern. Sie spürte, dass dieser Ort verflucht war; nichts Gutes kam jemals von hier. Die Männer ihres Vaters kehrten oft verletzt von der Jagd zurück und mehr als nur einmal war ein Troll durch die Flammen gebrochen, hatte hier Zuflucht gesucht und den Wald als Lager benutzt, um das Dorf anzugreifen.

In dem Augenblick, in dem sie ihn betrat, spürte sie sofort einen Schauer. Es war dunkler hier, kälter, und die Luft war feuchter; der Geruch der Dornenbäume lag schwer in der Luft – wie verrottende Erde – und die riesigen Bäume sperrten das letzte verbliebene Licht des Tages aus. Kyra war wütend auf ihre älteren Brüder. Es war gefährlich ohne die Begleitung von mehreren Kriegern hierher zu kommen – besonders in der Abenddämmerung. Jedes Geräusch ließ sie aufschrecken. Aus der Ferne hörte sie den Schrei eines Tieres und sah sich suchend danach um. Doch sie konnte es im dichten Wald nicht finden.

Leo jedoch knurrte neben ihr und stürmte plötzliche los.

„Leo!“, rief sie.

Doch er war schon verschwunden.

Sie seufzte verärgert; so war er immer, wenn sie einem Tier begegneten. Sie wusste, dass er irgendwann zurückkommen würde.

Kyra ging nun allein weiter; der Wald wurde immer dunkler, und es fiel ihr schwer, den Spuren ihrer Brüder zu folgen – bis sie fernes Gelächter hörte. Sie straffte sich und folgte dem Lachen durch die dicken Bäume, bis sie vor sich ihre Brüder sah,

Kyra hielt Abstand, denn sie wollte nicht, dass sie sie sahen. Sie wusste, dass Aidan sich schämen und sie wegschicken würde, wenn er sie sah. Sie würde sie aus der Deckung beobachten, nur um sicherzugehen, dass sie keinen Ärger bekamen. Es war besser für Aidan, sich wie ein Mann zu fühlen, als sich zu schämen.

Ein Zweig brach unter ihrem Stiefel und Kyra duckte sich, besorgt, dass das Geräusch sie verraten könnte – doch ihre betrunkenen Brüder bemerkten nichts. Sie waren etwa 30 Meter vor ihr und übertönten jedes Geräusch mit ihrem Lachen. An Aidans Körperhaltung konnte sie sehen, wie angespannt er war. Er sah aus, als würde er gleich in Tränen ausbrechen. Er hielt seinen Speer fest, um sich als Mann zu beweisen, doch er hielt die viel zu große Waffe unsicher und schwankte unter ihrem Gewicht.

„Komm hier hoch!“, rief Braxton Aidan zu, der ein paar Meter hinter ihnen lief.

„Wovor hast du solche Angst?“, fragte Brandon ihn.

„Ich habe keine Angst…“, beharrte Aidan.

„Ruhe!“, sagte Brandon plötzlich, blieb stehen und hielt Aidan zurück. Zum ersten Mal seit sie losgegangen waren, war seine Miene ernst. Auch Braxton blieb angespannt stehen.

Kyra versteckte sich hinter einem Baum und beobachtete ihre Brüder. Sie standen am Rand einer Lichtung und sahen geradeaus, als hätten sie etwas gesehen.

Vorsichtig kroch sie auf sie zu, um besser sehen zu können, und als sie zwischen zwei Bäumen hindurchsah, blieb sie verblüfft stehen, als sie entdeckte, was ihre Brüder sahen.

Mitten auf der Lichtung stand ein Eber und grub Eicheln aus. Doch es war kein normaler Eber; es war ein riesiger, schwarz gehörnter Eber – der größte, den sie je gesehen hatte, mit langen gebogenen weißen Hauern und drei langen scharfen Hörnern, wovon eines aus seiner Nase und zwei aus dem Kopf hervorragten. Beinahe so groß wie ein Bär, war es ein seltenes Tier, bekannt für seine Bösartigkeit und seine Schnelligkeit. Es war ein weithin gefürchtetes Tier, eines, dem kein Jäger je begegnen wollte.

Es bedeutete Ärger.

Kyra, die eine Gänsehaut bekam, wünschte sich, dass Leo hier wäre – doch in gewisser Weise war sie dankbar, dass er nicht hier war, denn sie wusste, er hätte sich sofort auf das Tier gestürzt und war sich nicht sicher, ob er die Konfrontation überleben konnte.

Kyra nahm langsam ihren Bogen von der Schulter während sie instinktiv nach einem Pfeil griff. Sie betrachtete genau, wie weit der Eber von den Jungen entfernt war – und sah, dass er viel zu nah war. Außerdem waren viel zu viele Bäume im Weg, als dass sie einen sauberen Treffer landen konnte, und bei einem Tier dieser Größe war kein Raum für Fehler. Sie bezweifelte, dass ein Pfeil ausreichen würde, es zu töten.

Kyra sah die Angst in den Gesichtern ihrer Brüder – doch der Blick wich bei Braxton und Brandon schnell einem Ausdruck von Draufgängertum – wahrscheinlich der Mut der Betrunkenen. Beide hoben ihre Speere und gingen einige Schritte auf den Eber zu. Als Braxton Aidan wie angewurzelt stehen bleiben sah, packte er den kleinen Jungen an der Schulter und zog ihn mit sich.

„Das ist deine Chance, ein Mann zu werden“, sagte Braxton. „Töte den Eber und sie werden noch in Generationen über dich singen.“

„Ja, bring seinen Kopf zurück und du wirst berühmt werden“, sagte Brandon.

„Ich… hab Angst“, sagte Aidan.

Brandon und Braxton schnaubten, dann lachten sie ihn aus.

„Angst?“, sagte Brandon. „Was würde Vater sagen, wenn er das hören könnte?“

Der Eber hob aufmerksam den Kopf und starrte sie aus leuchtend gelben Augen an. Seine Schnauze verzog sich zu einem wütenden Brummen. Er öffnete das Maul und zeigte sabbernd seine Hauer, während er ein böses Knurren ausstieß. Selbst Kyra, die ein ganzes Stück weit entfernt war, spürte einen Anflug von Angst – sie konnte sich nur zu gut vorstellen, was Aidan empfinden musste.

Kyra schrieb jegliche Vorsicht in den Wind und tastete sich schnell voran, entschlossen, zu ihnen aufzuholen, bevor es zu spät war. Als sie nur noch ein paar Meter hinter ihren Brüdern war, rief sie, „Lasst es bleiben!“

Ihre strenge Stimme zerriss die Stille, und ihre Brüder fuhren, offensichtlich erschrocken, herum.

„Ihr hattet euren Spaß“, sagte sie. „Lasst es bleiben!“

Während Aidan erleichtert war, sahen Brandon und Braxton sie wütend an.

„Was weißt du schon?“, gab Brandon zurück. „Hör auf, dich in Männerangelegenheiten einzumischen.“

Der Eber knurrte lauter während er auf sie zu kroch, und Kyra, wütend und ängstlich zur gleichen Zeit, trat vor.

„Wenn ihr dumm genug seid, euch mit dem Vieh anzulegen, dann nur los“, sagte sie. „Doch ich nehme Aiden mit zurück.“

Brandon schnitt eine Grimasse.

„Aidan passiert hier schon nichts“, gab Brandon zurück. „Er ist im Begriff zu lernen, wie man kämpft. Nicht wahr, Aidan?“

Aidan stand schweigend da, starr vor Angst.

Kyra wollte gerade Aidan am Arm packen, als sie ein Rascheln von der Lichtung hörte. Sie sah wie der Eber langsam Schritt für Schritt bedrohlich näher kam.

„Er greift nicht an, wenn ihr ihn nicht provoziert“, flehte Kyra ihre Brüder an. „Lasst es gut sein.“

Doch ihre Brüder ignorierten sie, wandten ihr den Rücken zu, und hoben ihre Speere. Sie betraten die Lichtung, als ob sie ihr beweisen wollten, wie mutig sie waren.

„Ich ziele auf seinen Kopf“, sagte Brandon.

„Und ich auf seinen Hals“, stimmte Braxton zu.

Der Eber knurrte lauter, öffnete sein Maul weiter, sabberte, und ging weiter auf sie zu.

„Kommt zurück!“, schrie Kyra verzweifelt.

Doch Brandon und Braxton gingen weiter, hoben ihre Speere und warfen sie plötzlich.

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