Das Geschenk der Schlacht - Морган Райс 2 стр.


Thor sah sich um und sah erleichtert, dass sie immer weiter von der Meerenge fortgetrieben wurden und alle wieder bei klarem Verstand waren. Sie hatten es geschafft; sie hatten die Straße des Wahnsinns durchquert, auch wenn sie beinahe einen hohen Preis dafür bezahlt hätten. Thor glaubte jedoch nicht, dass sie es ein weiteres Mal überleben könnten.

„Da!“, rief Matus.

Thor drehte sich um und sah in die Richtung, in die Matus mit seinem Finger deutete. Er war sprachlos, als sich am Horizont vor ihm eine neue Landschaft im Land des Blutes auftat. Dicke Wolken hingen tief am Himmel, das Wasser war blutrot – und nun, wo sie näher kamen, konnte er die Küste besser erkennen. Das Ufer war schwarz, ohne jeden Baum oder auch nur das geringste Lebenszeichen, und sah aus, als bestünde es aus Asche und Schlamm.

Thors Herz schlug schneller, als er in der Ferne im Inland ein schwarzes Schloss entdeckte, das und sich aus dem Boden erhob, als wäre es aus Asche und Schlamm gewachsen. Thor konnte das Böse spüren, das von ihm ausging.

Ein enger Kanal führte zum Schloss, dessen Ufer von Fackeln gesäumt war. Am Ende war er von einer Zugbrücke blockiert. Thor sah, dass das Innere des Schlosses von Fackeln erhellt wurde, und plötzlich war er sich sicher: von ganzem Herzen wusste er, dass Guwayne in diesem Schloss war und war ihn wartete.

„Setzt die Segel!“, rief er, und hatte endlich wieder das Gefühl, die Kontrolle zu haben und eine neue Zielstrebigkeit in sich erwachen.

Seine Brüder beeilten sich, die Segel zu setzen und bald blähten sie sich unter der starken Brise die sie vorantrieb. Zum ersten Mal, seitdem sie die Grenze zum Land des Blutes überschritten hatten, spürte Thor so etwas wie Optimismus und das Gefühl, dass er wirklich seinen Sohn finden und retten konnte.

„Ich bin so froh, dass du am Leben bist“, sagte eine Stimme.

Thor drehte sich um und sah Angel, die zu ihm aufsah und ihn anlächelte. Er lächelte, kniete neben ihr nieder und umarmte sie.

„Ich bin auch froh, Angel“, antwortete er.

„Ich verstehe nicht, was passiert ist“, sagte sie. „Im einen Augenblick war ich noch ich selbst, und dann… war es, als kannte ich mich selbst nicht mehr.“

Thor schüttelte langsam den Kopf. Er wollte es vergessen.

„Der Wahnsinn ist der schlimmste aller Feinde“, antwortete er. „Wir selbst sind der eine Feind, den wir nicht überwinden können.“

Sie legte besorgt die Stirn in Falten.

„Wird das wieder passieren?“, fragte sie. „Gibt es hier noch mehr solcher Orte?“, fragte sie mit Angst in der Stimme, und studierte dabei den Horizont.

Auch Thor blickte in diese Richtung und fragte sich dasselbe – als zu seinem großen Schrecken, die Antwort viel zu schnell kam.

Mit lautem Platschen, das klang, als würde ein Wal vor ihnen auftauchen, erhob sich die hässlichste Kreatur aus dem Wasser, die Thor je gesehen hatte. Sie sah aus wie ein riesiger Kalmar, fast zwanzig Meter groß, leuchtend rot in der Farbe des Blutes, und ragte über das Schiff, als er aus dem Wasser schoss. Seine Tentakel schienen nicht enden zu wollen und Dutzende breiteten sich in alle Richtungen auf dem Wasser aus. Mit wachsamen gelben Augen blickte er böse auf sie herab, voller Zorn, und sein riesiges Maul voller spitzer gelber Zähne öffnete sich, begleitet von einem grauenvollen Geräusch. Die Kreatur verdunkelte den Himmel, stieß einen unheimlichen Schrei aus und senkte sich auf sie herab, die Tentakel ausgestreckt, bereit, dass ganze Schiff zu vertilgen.

Thor stand wie gebannt im Schatten der Kreatur und wusste, dass sie einer Todesgefahr entgangen waren, nur jetzt dem sicheren Tod gegenüberzustehen.

KAPITEL ZWEI

Der Empire-Kommandant hieb immer wieder auf sein Zerta ein, als er durch die Große Wüste ritt und der Spur folgte, wie er es schon seit Tagen getan hatte. Hinter ihm ritten seine Männer, keuchend, am Rande des Zusammenbruchs, da er ihnen nicht einen Augenblick Pause gegönnt hatte, seitdem sie losgeritten waren – selbst nicht in der Nacht. Er verlangte alles von seinem Zerta und auch von seinen Männern.

Er kannte keine Gnade mit sich und schon gar nicht mit seinen Männern. Er wollte, dass sie unempfindlich waren gegen Erschöpfung, Hitze und Kälte – besonders, wenn sie auf einer Mission waren, die so heilig war, wie diese. Wenn diese Spur sie tatsächlich dorthin führte, wo er hoffte – zum legendären Königreich des Jochs – dann konnte das das Schicksal des ganzen Empire verändern.

Der Kommandant grub seine Fersen in die Flanken des Zertas bis es schrie und zwang es, immer schneller zu reiten, bis es beinahe gestolpert wäre. Er blinzelte in die Sonne und betrachtete die Spur. Er war sein Leben lang vielen Spuren gefolgt und hatte an ihrem Ende viele Menschen getötet – doch er war nie einer faszinierenderen Spur gefolgt als dieser. Er konnte spüren, dass er der größten Entdeckung in der Geschichte des Empire immer näher kam. Sein Name würde geheiligt werden und man würde noch in Generationen von ihm singen.

Sie kamen zu einer Düne und er begann, ein leises Geräusch zu hören, wie ein Sturm, der sich irgendwo über der Wüste zusammenbraute; als sie sie erklommen hatten, sahen er sich um, und rechnete damit, einen Sandsturm zu sehen, der auf sie zukam – doch stattdessen sah er ein paar hundert Meter vor sich eine Wand aus Sand, die sich gen Himmel erhob. Der Sand wirbelte herum und zischte und heulte wie ein Sturm, der jedoch auf einen Ort beschränkt zu sein schien.

Er blieb mit seinen Männern stehen und betrachtete neugierig den Sturm, der sich nicht zu bewegen schien. Er konnte es nicht verstehen. Es war ein wütender Sandsturm, doch er bewegte sich nicht. Er fragte sich, was auf der anderen Seite lag und ahnte, dass es das Joch sein musste.

„Deine Spur endet hier“, stellte einer seiner Krieger höhnisch fest.

„Wir können nicht durch diese Wand da gehen“, sagte ein anderer.

„Du hast uns nur zu noch mehr Sand geführt“, sagte ein weiterer.

Langsam schüttelte der Kommandant den Kopf und sah sie überzeugt an.

„Und was, wenn auf der anderen Seite ein Land liegt?“, gab er zurück.

„Auf der andren Seite?“, fragte ein Krieger. „Du bist vollkommen verrückt. Da ist nichts außer einer Wand aus Sand, und dahinter noch mehr Sand, eine endlose Wüste, wie die, die wir durchquert haben.“

„Gib zu, dass du versagt hast“, sagte ein anderer. „Kehr um – oder wir kehren ohne dich zurück.“

Der Kommandant drehte sich um und sah seine Krieger an, geschockt über ihre Dreistigkeit; er sah Verachtung und Trotz in ihren Augen. Er wusste, dass er schnell handeln musste, wenn er eine Rebellion verhindern wollte.

In einem plötzlichen Wutanfall zog er seinen Dolch aus dem Gürtel und rammte ihn in den Hals eines seiner Männer. Der Krieger keuchte, dann viel er von seinem Zerta und blieb in einer Pfütze frischen Blutes im Sand liege. Innerhalb von wenigen Augenblicken tauchten aus dem Nichts Insekten auf und nagten den Körper bis auf die Knochen ab.

Die anderen sahen ihren Kommandant mit Angst im Blick an.

„Sonst noch jemand, der sich meinem Befehl widersetzen möchte?“, fragte er.

Die Männer starrten ihn nervös an, doch keiner wagte sich, ein Wort zu sagen.

„Entweder wird euch die Wüste töten, oder ich tue es“, sagte er. „Es ist eure Wahl.“

Er stieß einen Schrei aus und ritt mit gesenktem Kopf los, auf die Sandwand zu, und wusste, dass das sein Tod sein könnte. Er wusste, dass seine Männer folgen würden, und einen Augenblick später, als er das Schnauben ihrer Zertas hörte, lächelte er zufrieden. Manchmal musste man ihnen einfach zeigen, wer das Sagen hatte.

Er schrie, als er in den tosenden Sturm ritt. Es fühlte sich an, als drückten Tonnen von Sand ihn nieder; seine Haut wurde aus allen Richtungen aufgekratzt, als er weiter hineinritt. Es war unglaublich laut, wie ein gigantischer Hornissenschwarm in seinen Ohren und doch ritt er weiter, trat sein Zerta und zwang es, selbst als es sich sträubte, immer weiter hinein. Er spürte, wie der Sand seinen Körper, sein Gesicht und seine Augen zerkratzte, und hatte das Gefühl, in Stücke gerissen zu werden.

Doch er ritt weiter.

Gerade als er sich fragte, ob seine Männer Recht gehabt hatten, ob die Wand vielleicht doch ins Nichts führte, brach er plötzlich auf der anderen Seite hinaus und stand im hellen Tageslicht. Kein Sand kratzte ihn mehr, kein Hornissenschwarm in seinen Ohren, nichts als freier Himmel. Noch nie war er so glücklich gewesen, den wolkenlosen Himmel über sich zu sehen.

Neben ihm brachen auch seine Männer hindurch, alle von ihnen voller Kratzer und blutend wie er, alle eher tot als lebendig aussehen – doch alle hatten es geschafft.

Als er sich umsah, begann das Herz des Kommandanten plötzlich zu rasen, als seine Augen an einem unglaublichen Anblick hängenblieben. Ihm stockte der Atem, als er den Blick über die Landschaft schweifen ließ und sein Herz schwoll im plötzlichen Bewusstsein, dass er es gefunden hatte. Majestätische Hügel erhoben sich gen Himmel und schienen eine kreisrunde Grenze zu bilden. Das konnte nur eines bedeuten: er hatte es gefunden – das Königreich des Jochs.

Da lag es am Horizont vor ihm und erhob sich gen Himmel, wunderbar, riesengroß und schien kein Ende nehmen zu wollen. Und auf dem Gipfel des Plateaus sah er zu seiner Überraschung Tausende von Kriegern, die in glänzenden Rüstungen patrouillierten.

Er hatte es gefunden. Er allein hatte es gefunden.

Seine Männer blieben abrupt neben ihm stehen und er konnte sehen, dass auch sie staunend mit aufgerissenen Mündern in die Höhe blickten. Er wusste, dass sie dasselbe dachten wie er: dieser Augenblick war Geschichte. Sie alle würden Helden sein, und man würde noch in vielen Generationen von ihnen erzählen.

Mit breitem Lächeln drehte sich der Kommandant um und sah seine Männer an, die ihn nun ehrfürchtig ansahen. Dann riss er sein Zerta herum, bereit, zurück durch die Sandwand und zurück nach Hause zu reiten – den ganzen Weg, ohne Pause, bis er das nächste Fort erreichte und den Rittern der Sieben berichten konnte, was er entdeckt hatte. Innerhalb von Tagen, das wusste er, würde die ganze Armee des Empire sich auf diesen Ort stürzen, Millionen von Männern, die nur eines wollten – diesen Ort zu zerstören. Sie würden die Sandwand durchqueren, das Joch erklimmen, diese Ritter vernichten und das letzte verbliebene freie Land im Empire besetzen.

„Männer!“, rief er. „Unsere Zeit ist gekommen. Macht euch bereit, eure Namen in den Geschichtsbüchern zu lesen!“

KAPITEL DREI

Kendrick, Brandt, Atme, Koldo und Ludvig wanderten durch die Große Wüste auf die aufgehenden Sonnen des Wüstenmorgens zu. Sie waren die ganze Nacht gewandert, entschlossen, den jungen Kaden zu retten. Sie waren in einen stummen Rhythmus verfallen; jeder von ihnen hatte die Hände an den Waffen und alle hatten die Blicke gesenkt um den Spuren der Sandläufer zu folgen. Hunderte von Fußabdrücken führten sie immer tiefer in die öde Landschaft hinein.

Kendrick begann sich zu fragen, ob es jemals enden würde. Er staunte darüber, dass er wieder in dieser Situation war, zurück in dieser Wüste, von der er geschworen hatte, sie nie wieder zu betreten – und ganz besonders nicht zu Fuß, ohne Pferde, ohne Vorräte ohne zu wissen, wie er jemals zurückkommen sollte. Sie hatten ihr Vertrauen auf die anderen Ritter vom Joch gesetzt, in der Hoffnung, dass sie ihnen mit Pferden folgen würden – doch wenn sie es nicht taten, dann war dies eine Reise ohne Widerkehr.

Doch genau das war es, was Tapferkeit und Ehre ausmachte, das wusste Kendrick. Kaden, ein feiner junger Krieger mit einem gossen Herzen, hatte Wache gestanden und war tapfer in die Wüste vorgedrungen, um sich zu beweisen – und war von diesen wilden Kreaturen entführt worden. Koldo und Ludvig konnten ihren jüngeren Bruder nicht im Stich lassen, egal wie schlecht die Chancen standen – und Kendrick, Brandt und Atme konnten sie nicht im Stich lassen; ihr Pflicht- und Ehrgefühl trieben sie dazu, mit ihnen zu gehen. Diese feinen Ritter des Jochs hatten sie mit freundlich und gnädig aufgenommen als sie ihre Hilfe gebraucht hatten – und nun war es an der Zeit, ihnen dafür zu danken – koste es, was es wolle. Der Tod bedeutete ihnen nichts – doch Ehre bedeutete ihnen alles.

„Erzähl mir von Kaden“, sagte Kendrick Koldo zugewandt, um das Schweigen zu brechen.

Koldo blickte auf und seufzte.

„Er ist einer der besten jungen Krieger, die du dir vorstellen kannst“, sagte er. „Sein Herz und sein Mut waren schon immer weit seinem Alter voraus. Noch bevor er überhaupt ein Junge war, wollte er ein Manns ein, und wollte lernen, mit dem Schwert umzugehen, bevor er überhaupt eines halten konnte.“

Er schüttelte den Kopf.

„Es überrascht mich nicht, dass er zu weit vorgedrungen ist, dass er derjenige ist, der auf einer Patrouille gefangen genommen wurde. Nichts war ihm zu schwer oder zu viel – besonders dann nicht, wenn es darum ging, andere zu beschützen.“

Ludvig mischte sich ein.

„Wenn einer von uns entführt worden wäre“, sagte er, „dann wäre unser kleiner Bruder der erste gewesen, der sich freiwillig gemeldet hätte, demjenigen zu folgen. Er ist der jüngste von uns, doch er repräsentiert all unsere besten Eigenschaften.“

Kendrick hatte das schon angenommen, als er mit dem Jungen gesprochen hatte. Er hatte den Kriegergeist in ihm gesehen, selbst in seinem jungen Alter. Kendrick hatte schon immer gewusst, dass Alter nichts damit zu tun hatte, ob man ein Krieger war: man hatte den Geist eines Kriegers, oder man hatte ihn nicht. Dieser Geist konnte nicht lügen.

Sie marschierten weiter und verfielen wieder in Schweigen, als die Sonnen am Himmel emporkletterten, bis Brandt sich schließlich räusperte.

„Und was ist mit diesen Sandläufern?“, fragte Brandt.

Koldo wandte sich ihm zu.

„Eine Gruppe böser Nomaden“, antwortete er. „Mehr Tier als Mann. Sie sind dafür bekannt, dass sie sich in der Nähe der Sandwand herumtreiben.“

„Plünderer“, erklärte Ludvig. „Sie sind bekannt dafür, dass sie ihre Opfer tief in die Wüste hinein verschleppen.“

„Wohin?“, wollte Atme wissen.

Koldo und Ludvig tauschten einen vielsagenden Blick aus.

„Wo immer sie sich auch sammeln – dort vollziehen sie ein grausames Ritual und reißen ihre Opfer in Stücke.“

Kendrick zuckte zusammen, beim Gedanken an Kaden und das Schicksal, das ihn erwartete.

„Dann haben wir keine Zeit zu verlieren“, sagte Kendrick. „Lasst und laufen!“

Sie sahen einander an, denn sie wussten, wie groß die Wüste war und wie lang die Strecke war, die sie vor sich hatten – und in der Hitze des Tages und in voller Rüstung war sie noch viel länger. Sie wussten, wie gefährlich es war, sich in dieser unwirtlichen Gegend zu überfordern.

Doch sie zögerten nicht; gemeinsam verfielen sie in einen Trag. Sie rannten ins Nichts, Schweiß lief ihnen über das Gesicht, und sie wussten, dass die Wüste sie alle umbringen würde, wenn sie Kaden nicht bald fanden.

*

Kendrick rannte keuchend. Die zweite Sonne stand hoch am Himmel und ihr Licht blendete sie, die Hitze lähmte sie, und doch rannten sie keuchend und mit klirrenden Rüstungen weiter. Der Schweiß rann Kendrick über das Gesicht und brannte so sehr in seinen Augen, dass er kaum sehen konnte. Seine Lungen schienen bersten zu wollen. Kendrick hatte nie eine schlimmere Hitze gespürt als hier in der Wüste, so intensiv, dass er das Gefühl hatte, dass sie ihm die Haut verbrannte.

Er wusste, dass sie dieses Tempo bei dieser Hitze nicht mehr lange durchhalten konnten; bald würden sie zusammenbrechen und zum Futter für die Insekten werden. Im Laufen hörte Kendrick einen Schrei in der Höhe, und als er aufblickte, sah er die Aasfresser über sich kreisen, wie schon seit Stunden. Sie waren schlau: sie wussten genau, wenn der Tod nahte.

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