Für Immer mit Dir - Софи Лав 3 стр.


Sie stand mit Chantelle im Türrahmen eines der schönsten Zimmer der gesamten Pension. Daniel befand sich irgendwo hinter ihnen.

Emily beobachtete, wie sich auf Chantelles Gesicht ein verwunderter Ausdruck legte. Dann ließ das Mädchen Emilys Hand los und ging langsam in den Raum hinein, ganz vorsichtig, so als ob sie nichts kaputtmachen oder durcheinanderbringen wollte. Sie trat an das große Bett mit der sauberen, dunkelroten Bettwäsche und streifte leicht mit den Fingern darüber. Anschließend ging sie zum Fenster, von wo aus sie in den Garten und zum Ozean hinausblickte, der über die Baumwipfel hinweg zu sehen war. Emily und Daniel sahen mit angehaltenem Atem zu, wie das Mädchen still im Raum umherlief und vorsichtig eine Lampe hochhob, bevor es sie wieder zurückstellte und anschließend einen Blick in die leeren Schränke warf.

„Was meinst du?“, fragte Emily. „Wenn du keine weißen Wände magst, dann können wir sie auch in einer anderen Farbe streichen. Oder die Vorhänge austauschen. Ein paar Bilder an die Wand hängen.“

Chantelle wandte sich um. „Es gefällt mir genauso wie es ist. Kann ich wirklich ein eigenes Schlafzimmer haben?“

Emily spürte, wie sich Daniel neben ihr versteifte, und wusste sofort, was er gerade dachte, nämlich dass Chantelle in ihren gesamten sechs Jahren noch nie ein Schlafzimmer besessen hatte, dass ihr Leben bis zu diesem Moment von Elend und von Vernachlässigung gekennzeichnet gewesen war.

„Ja, du kannst wirklich eines haben“, bestätigte Emily mit einem freundlichen Lächeln. „Lass uns deine Sachen auspacken, dann fühlt es sich schon gleich wie dein eigenes Zimmer an.“

Chantelle nickte, dann gingen sie zusammen hinüber zum Kutscherhaus, um ihre Sachen zu holen. Doch dort angekommen musste Emily schockiert feststellen, dass Chantelle nur einen einzigen, kümmerlichen Rucksack besaß.

„Das sind all ihre Dinge?“, fragte sie Daniel leise, während sie wieder zurück zum großen Haus gingen.

„Mehr gab es dort nicht“, erwiderte dieser. „Im Haus von Sheilas Onkel gab es so gut wie nichts, das ihr gehörte. Als ich Sheila danach frage, meinte sie, dass sie bei der Zwangsräumung alles zurücklassen mussten.“

Emily schnalzte empört mit der Zunge. Es brach ihr das Herz, an all die schrecklichen Dinge zu denken, die Chantelle in ihrem kurzen Leben schon mitgemacht hatte. Sie wollte um mehr als alles andere auf der Welt dafür sorgen, dass sich das kleine Mädchen sicher fühlte, und dass es die Chance bekam, aufzublühen und die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Emily hoffte, dass sich Chantelle mit Liebe, Geduld und Stabilität von ihrem schrecklichen Start in das Leben würde erholen können.

Oben in Chantelles neuem Zimmer, hängte Emily die wenigen Kleidungsstücke, die das Mädchen besaß, auf die Kleiderbügel in dem Schrank. Insgesamt waren es nur zwei Paar Jeans, fünf T-Shirts und drei Langarm-Shirts. Es gab nicht einmal genügend Socken für eine Woche.

Chantelle half dabei, ihre Unterwäsche in eine der Schubladen der Kommode zu räumen. „Ich freue mich so, dass ich jetzt Eltern habe“, sage sie.

Emily setzte sich auf den Bettrand, denn sie wollte Chantelle ermutigen, sich ihnen gegenüber zu öffnen. „Und ich freue mich, so ein liebes, kleines Mädchen wie dich zu haben, mit dem ich meine Zeit verbringen kann.“

Chantelle wurde rot. „Du willst wirklich Zeit mit mir verbringen?“

„Natürlich!“, erwiderte Emily leicht verwirrt. „Ich kann es gar nicht abwarten, mit dir an den Strand zu gehen, mit dir auf dem Boot hinauszufahren und Brettspiele oder Ball mit dir zu spielen.“

„Meine Mutter wollte nie mit mir spielen“, meinte Chantelle mit leiser und kleinlauter Stimme.

Emilys Herz zerbrach. „Das tut mir leid“, erwiderte sie, wobei sie versuchte, sich ihren Schmerz nicht anhören zu lassen. „Nun ja, ab jetzt wirst du alles spielen können, was du willst. Was möchtest du denn tun?“

Chantelle zuckte nur mit den Schultern und Emily wurde klar, dass ihr bisheriges Leben so erdrückend und dumpf gewesen sein musste, dass ihr gar nichts einfiel, das ihr Spaß machen könnte.

„Wo ist Daddy hingegangen?“, fragte sie.

Emily warf einen Blick über ihre Schulter und sah, dass Daniel verschwunden war. Nun war sie ebenfalls beunruhigt.

„Er holt sich wahrscheinlich noch ein bisschen Kaffee“, meinte Emily. „Hey, ich habe eine Idee. Warum gehen wir nicht auf den Dachboden und holen ein paar Teddybären für dein Zimmer?“

Sie hatte die ganzen alten Spielsachen von sich und Charlotte aus dem Zimmer, das nach dem Tod ihrer Schwester verschlossen worden war, vorsichtig eingepackt und verstaut. Chantelle war jetzt genauso alt wie Emily damals, als der Raum verschlossen worden war, weshalb viele der Spielsachen für sie geeignet wären.

Sofort hellte sich Chantelles Gesicht auf. „Du hast Teddybären auf dem Dachboden?“

Emily nickte. „Und Puppen. Sie veranstalten auf dem Dachboden zusammen ein Picknick, aber ich mir sicher, dass sie gerne noch einen weiteren Gast hätten. Komm mit, ich zeige dir den Weg.“

Emily führte das kleine Mädchen in den zweiten Stock hinauf und den Flur entlang. Anschließend klappte sie die Leiter zum Dachboden herunter. Chantelle blickte schüchtern nach oben.

„Soll ich zuerst hinaufgehen?“, fragte Emily. „Und sicherstellen, dass dort oben keine Spinnen lauern?“

Chantelle schüttelte den Kopf. „Nein. Ich habe keine Angst vor Spinnen.“ Dabei hörte man ihr an, wie stolz sie auf diese Tatsache war.

Zusammen stiegen sie in den Dachboden hinauf, wo Emily dem Mädchen die Kisten mit alten Spielsachen zeigte. „Du kannst dir alles nehmen, was du willst“, erklärte sie.

„Wird Daddy mit mir spielen?“

Auch Emily wollte Daniel dabeihaben. Sie war sich nicht sicher, wohin und warum er verschwunden war. „Ich frage ihn schnell. Da du ja keine Angst vor Spinnen hast, kommst du hier einen Moment alleine zurecht, nicht wahr?“

Nachdem Chantelle dies mit einem Nicken bestätigt hatte, ließ Emily das kleine Mädchen spielend zurück. Dann suchte sie den zweiten und den ersten Stock nach Daniel ab und ging schließlich ins Erdgeschoss. Dort fand sie ihn in der Küche, wo er reglos bei der Kaffeemaschine stand.

„Geht es dir gut?“, fragte Emily.

Daniel erschrak und wirbelte herum. „Tut mir leid. Ich kam eigentlich nur wegen des Kaffees herunter, doch dann war ich auf einmal von allem so überwältigt.“ Er sah Emily an und runzelte die Stirn. „Ich weiß nicht, wie ich das machen, wie ich ein guter Vater sein soll. Ich bin der Sache nicht gewachsen.“

Emily trat zu ihm heran und rieb über seinen Arm. „Das werden wir gemeinsam schon herausfinden.“

„Allein sie sprechen zu hören schmerzt mich. Ich wünschte, ich hätte für sie da sein und sie vor Sheila beschützen können.“

Emily schlang ihre Arme um Daniel. „Du darfst nicht zurückblicken und dich wegen der Vergangenheit sorgen. Alles, was wir nun tun können, ist, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um ihr zu helfen. Es wird alles gut werden. Du wirst ein wunderbarer Vater sein.“

Sie konnte immer noch einen leichten Widerstand in Daniel spüren und wünschte sich so sehr, dass er sich ihr öffnen und ihre Umarmung annehmen würde, um darin Trost zu finden, doch etwas in ihm hielt ihn zurück.

„Sie beginnt schon, Fragen zu stellen“, meinte er. „Sie fragte mich, warum ich ihr nie Geburtstagskarten geschickt habe. Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. Ich meine, welche Antwort kann man einer Sechsjährigen schon geben, die sie auch versteht?“

„Ich denke, wir sollten einfach ehrlich sein“, erwiderte Emily. „Geheimniskrämerei hat noch niemandem geholfen.“

Unwillkürlich musste sie an daran denken, wie schmerzhaft wahr ihre Worte in Wirklichkeit doch waren. Ihr Vater hatte sein ganzes Leben lang Geheimnisse mit sich herumgetragen und Emily hatte seit ihrer Ankunft hier gerade einmal die Spitze des Eisbergs entdeckt.

In diesem Moment rannte Chantelle mit einem großen Stoffpandabären unter dem Arm in die Küche. Er war fast so groß wie sie selbst.

„Schau, Daddy! Schau mal!“, rief sie, während sie auf Daniel zustürmte.

Emily war schockiert. Den Bären hatte sie beim Ausräumen von Charlottes ehemaligem Schlafzimmer gar nicht gesehen. Er musste bereits auf dem Dachboden gewesen sein. Er war Charlottes Lieblingsbär gewesen. Sie hatte ihn Andy Pandy – Andy, das Pfötchen – genannt. Ihn jetzt zu sehen, jagte einen schmerzhaften Stich durch den Körper und Emily fragte sich, wie Chantelle das Kuscheltier überhaupt zwischen all den Kisten gefunden hatte.

„Wie heißt denn dein Bär?“, wollte Daniel wissen, während er sich hinabbeugte, sodass er mit Chantelle auf Augenhöhe war.

„Andy Pandy“, antwortete diese mit einem Grinsen.

Schockiert klammerte sich Emily an die Arbeitsplatte. Wieder einmal hatte sie das starke Gefühl, dass dies ein weiteres Zeichen von Charlotte war, eine Art Erinnerung, sie nicht zu vergessen, und um Emily zu zeigen, dass sie von oben zusah.

„Hey, ich habe eine Idee“, sagte Daniel, womit er sie aus ihren Gedanken riss. „Glaubst du, dass Andy Lust hätte, sich eine Parade anzusehen?“

„Ja!“, rief Chantelle.

Daniel sah zu Emily auf. „Was meinst du? Sollen wir alle zur Labor Day Parade gehen? Sozusagen als ersten Familienausflug?“

Indem er sie alle als Familie bezeichnete, riss er Emily aus ihrer Benommenheit.

„Ja“, erwiderte sie. „Das würde mir gefallen.“

KAPITEL ZWEI

Die Hauptstraße war von Menschen gesäumt, die entweder mit Flaggen wedelten oder Luftballons in den Händen hielten. Genau wie bei den meisten nationalen Feierlichkeiten legte sich Sunset Harbor auch für den Labor Day voll ins Zeug. Die Stadt war wunderschön geschmückt: Zwischen Straßenlaternen und Bäumen hingen Girlanden und Laternen und an Zäunen waren Wimpel befestigt. Zudem gab es einen kleinen Rummel.

Während sie die geschäftigen Straßen entlanggingen, hielt Emily Chantelles Hand fest in ihrer eigenen, denn sie spürte, wie überwältigt das kleine Mädchen war. Doch jedes Mal, wenn sie nach unten blickte, sah sie, dass auf Chantelles Gesicht ein Lächeln lag. Zu wissen, dass das Kind glücklich war, erfüllte Emilys Herz mit Freude, aber auch mit ganz anderen Emotionen, nämlich einer inneren Ruhe und Zufriedenheit. Schon seit längerem wollte Emily eigene Kinder haben, doch ihr war nicht bewusst gewesen, wie sehr es sie erfüllen würde, Zeit mit Chantelle zu verbringen.

Emily kam nicht umhin zu bemerken, dass Daniel andererseits sehr angespannt wirkte. Die Menschenmenge schien ihn nervös zu machen und er wirkte wie ein Adler, der hinter jeder Straßenecke eine Gefahr lauern sah. Während er wie von selbst in die Rolle des Beschützers verfallen war, hatte er noch Schwierigkeiten, eine richtige Beziehung zu seiner Tochter aufzubauen. Emily hoffte, dass es sich hierbei nur um Startschwierigkeiten handelte, und dass er sich im Laufe der Zeit entspannen und das Elternsein so sehr genießen würde wie sie. Er musste lernen, ein Papa zu sein, nicht nur ein Vater.

In der Menge entdeckte Emily Cynthia Jones, ihre Freundin aus Sunset Harbor, die den Buchladen führte. Wie immer war diese – mit einem glitzernden, blauen Rock, einem funkelnden Oberteil und einem glitzernden, weißen Cowboy-Hut – extravagant gekleidet. Das gesamte Outfit biss sich fürchterlich mit ihrem gefärbten orangenen Haar.

Bei Cynthias Anblick stieg in Emily wieder eine gewisse Nervosität auf, denn noch vor ein paar Wochen hatte sie die ältere Frau um Hilfe gebeten, nachdem sie und Daniel von Chantelles Existenz erfahren hatten. Und nun lief sie Hand in Hand mit Daniel und seinem Überraschungsking die Straße entlang und zu dritt gaben sie sich wie eine glückliche Familie. Unwillkürlich hatte Emily Angst vor dem, was die andere Frau nun von ihr denken würde.

Doch als Cynthias Blick auf sie fiel, grinste sie breit und winkte. Emily konnte in ihrem Blick sehen, dass die andere Frau die Entwicklungen guthieß.

„Chantelle, ich stelle dir nun eine meiner Freundinnen vor“, sagte Emily.

Dann führten Daniel und sie Chantelle zu der Stelle, an der Cynthia auf sie wartete. Sofort zog diese Emily in ihre Arme.

„Ich wusste, dass sich am Ende alles richten würde“, flüsterte sie Emily zu, während sie sie fest an sich drückte.

Emily erwiderte die Umarmung. Cynthia hatte sie seit ihrer Ankunft in Sunset Harbor vor acht Monaten so sehr unterstützt und war ihr eine solch gute Freundin gewesen, dass sie von einer Welle der Dankbarkeit überrollt wurde.

„Das ist Chantelle“, sagte Emily schließlich, nachdem sie sich aus den Armen ihrer Freundin gelöst hatte.

Cynthia kniete sich nieder, sodass sie mit dem kleinen Mädchen auf einer Augenhöhe befand. „Ich freue mich sehr, dich kennen zu lernen, Chantelle. Ich glaube, dir wird es hier in Sunset Harbor wirklich gut gefallen.“

Chantelle, die wieder schüchtern geworden war, klammerte sich an Emily Bein, woraufhin diese unwillkürlich durch das weiche, blonde Haar des Mädchens streichen musste, denn in ihr blühte ein überwältigendes Muttergefühl auf. Wieder einmal war sie schockiert, wie schnell und plötzlich ihre Liebe für Chantelle doch erblüht war. Außerdem spürte sie, dass Chantelle wohl genauso empfand, denn obwohl sie sich gestern Nacht noch an Daniel geklammert hatte, tat sie dies heute bei Emily.

In diesem Moment trat ein Mann mit mausgrauem, verstrubbeltem Haar an sie heran.

„Owen“, begrüßte Cynthia ihn, „du erinnerst dich doch noch an Emily, nicht wahr? Von der Pension?“

„Natürlich“, erwiderte Emily, die ihm ihre Hand entgegenstreckte. „Du hast mein Klavier gestimmt.“

Owen nickte bekräftigend. Er schien ein recht zurückhaltender Mann zu sein. „Wie läuft es denn dort? Wenn ich mich recht erinnere, hattest du es ziemlich eilig, das ganze Haus auf Vordermann zu bringen.“

„Das stimmt“, pflichtete Emily ihm bei. „So schnell möchte ich auf keinen Fall mehr zwanzig Zimmer innerhalb von vierundzwanzig Stunden renovieren und bezugsfertig machen! Aber vielen Dank für deine Hilfe beim Stimmen des Klaviers. Es klingt nun fantastisch.“

Owen lächelte. „Das freut mich zu hören. Um ehrlich zu sein, hat es mir Spaß gemacht, an einem solch antiken Klavier zu arbeiten. Ich würde mich sehr freuen, irgendwann wieder einmal darauf spielen zu können.“

„Du bist jederzeit willkommen“, meinte Emily. „Irgendwann hätte ich gerne einen dauerhaften Klavierspieler in der Pension. Aber ich Moment habe ich einfach nicht das Geld dafür.“

„Nun ja“, erwiderte Owen mit seinem netten, schüchternen Lächeln. „Wie wäre es, wenn ich vorbeikomme und kostenlos spiele? Der Auftritt vor Menschen würde mir guttun und du würdest mir gleichzeitig einen Gefallen erweisen.“

Emily war begeistert. „Das wäre wunderbar!“

Schnell tauschten sie Nummern aus und winkten Owen zum Abschied zu. Emily war unglaublich froh, nun einen Klavierspieler in der Pension zu haben.

„Komm, Chantelle“, sagte Emily, von ihrem Treffen mit Owen optimistisch gestimmt. „Lass uns auf den Rummel gehen.“

Mit diesen Worten übernahm Emily die Führung und bahnte sich den Weg zu den Zelten, in den die traditionellen Spiele bestehend aus einer Wurfbude und einem Schießstand aufgebaut waren.

Назад Дальше