Für Jetzt und Für Immer - Софи Лав 2 стр.


Sie warf einen Blick auf die Fotos auf dem Kaminsims, um zu sehen, ob es etwas gab, das es Wert wäre, es mitzunehmen, doch ihr fiel auf, dass jedes Bild, in dem sie zu sehen war, mit Bens Familie geschossen wurde. Bei dem Geburtstag seiner Nichte, bei der Hochzeit seiner Schwester. Es gab kein einziges Bild von ihr mit ihrer Mutter, dem einzigen weiteren Menschen in ihrer Familie, und schon gar keines von Ben, während er Zeit mit den beiden verbrachte. Plötzlich erkannte Emily, dass sie in ihrem eigenen Leben fremd gewesen war. Sie war jahrelang dem Weg eines anderen Menschen gefolgt, anstatt sich ihren eigenen zu suchen.

Sie stürmte durch die Wohnung ins Badezimmer. Hier standen die einzigen Sachen, die ihr etwas bedeuteten – ihre schönen Bade- und Pflegeprodukte sowie ihr Makeup. Aber sogar das war für Ben ein Problem gewesen. Er hatte sich andauernd darüber beschwert, wie viele Produkte sie hatte, und was für eine Geldverschwendung sie doch wären.

„Es ist mein Geld, also kann ich es ausgeben, für was auch immer ich will!“, schrie Emily ihr Spiegelbild an, während sie all ihre Sachen in eine Reisetasche packte.

Sie wusste, dass sie wie eine Verrückte aussehen musste, wie sie so durch das Badezimmer stürmte und halbleere Shampoo-Flaschen in ihre Tasche warf, doch es war ihr egal. Ihr Leben mit Ben war nicht als eine Lüge, die sie so schnell wie möglich beenden wollte.

Als nächstes rannte sie ins Schlafzimmer, wo sie einen Koffer unter dem Bett hervorzog. Schnell füllte sie ihn mit all ihren Kleidern und Schuhen. Sobald sie ihre Sachen eingesammelt hatte, zog sie alles hinaus auf die Straße. Dann ging sie, als endgültige symbolische Geste, zurück in die Wohnung und legte ihren Schlüssel auf Bens „sentimental wertvollen“ Couchtisch, dann ging sie hinaus, mit dem Vorsatz, nie wieder zurückzukommen.

Erst, als sie auf dem Bordstein stand, wurde Emily allmählich bewusst, was sie getan hatte. In nur wenigen Stunden hatte sie es geschafft, ohne Job und ohne Wohnung dazustehen. Plötzlich wieder in Single zu sein war eine Sache, doch ihr gesamtes Leben wegzuschmeißen war etwas ganz Anderes.

Kleine Panikwellen begannen, durch ihren Körper zu schießen. Ihre Hände zitterten, während sie ihr Handy herauszog und Amys Nummer wählte.

„Hey, was ist los?“, meldete sich Amy.

„Ich habe etwas Verrücktes getan“, antwortete Emily.

„Erzähl weiter…“, drängte sie Amy.

„Ich habe meinen Job gekündigt.“

Sie hörte Amy am anderen Ende der Leitung tief ausatmen.

„Oh, Gott sei Dank“, erklang schließlich die Stimme ihrer Freundin. „Ich dachte schon, du würdest mir sagen, dass du wieder zu Ben zurückgegangen wärst.“

„Nein, nein, sogar das Gegenteil. Ich habe meine Tasche gepackt und bin gegangen. Jetzt stehe ich auf der Straße wie eine Stadtstreicherin.“

Amy begann zu lachen. „Das stelle ich mir gerade bildlich vor.“

„Das ist nicht lustig!“, erwiderte Emily, panischer denn je zuvor. „Was soll ich denn jetzt tun? Ich habe meinen Job gekündigt. Ohne Job werde ich keine neue Wohnung finden!“

„Du musst aber zugeben, dass es zumindest ein bisschen lustig ist“, entgegnete Amy kichernd. „Bring einfach alles rüber“, fügte sie lässig hinzu. „Du kannst bei mir bleiben, bis du dir etwas überlegt hast.“

Aber Emily wollte das nicht. Sie hatte praktisch Jahre ihres Lebens damit verbracht, in der Wohnung eines anderen Menschen zu leben und sich in ihrem eigenen Zuhause wie eine Hausiererin zu fühlen. Es kam ihr so vor, als ob Ben ihr einen Gefallen damit getan hätte, sie bei sich wohnen zu lassen. Das wollte sie nicht mehr. Sie musste ihr eigenes Leben führen, auf ihren eigenen zwei Beinen stehen.

„Ich schätze dein Angebot“, sagte Emily, „aber ich muss erst einmal meinen eigenen Weg gehen.“

„Das verstehe ich“, erwiderte Amy. „Was hast du jetzt vor? Wirst du die Stadt für eine Weile verlassen? Deinen Kopf frei bekommen?“

Diese Worte brachten Emily zum Nachdenken. Ihr Vater besaß ein Haus in Maine. Als Kind hatten sie dort ihre Sommer verbracht, doch es stand seit seinem Verschwinden vor zwanzig Jahren leer. Es war alt, voller Charakter, und war einmal aus historischer Sicht prächtig gewesen. Es machte mehr den Anschein eines ausgedehnten Bed & Breakfast, weshalb ihr Vater nicht gewusst hatte, was er aus dem Haus machen sollte.

Damals war es kaum präsentabel gewesen und Emily wusste, dass es jetzt, nach zwanzig Jahren Vernachlässigung, auf keinen Fall in einem guten Zustand sein konnte; es würde sich auch nicht gleich anfühlen, allein in dem Haus zu sein – vor allem jetzt, da sie kein Kind mehr war. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass gerade kein Sommer war. Es war Februar!

Und doch erschien ihr die Idee, ein paar Tage in einem Schaukelstuhl auf der Veranda eines Ortes, der ihr gehörte (zumindest so einigermaßen), zu verbringen und das Meer zu betrachten, fürchterlich romantisch. Für das Wochenende aus New York rauszukommen, wäre eine gute Möglichkeit, ihren Kopf freizubekommen und sich zu überlegen, was sie als nächstes tun könnte.

„Ich muss los“, sagte Emily.

„Warte“, widersprach Amy. „Sag mir zuerst, wo du hingehst!“

Emily holte einmal tief Luft.

„Ich gehe nach Maine.“

KAPITEL DREI

Emily musste mit verschiedenen U-Bahnen fahren, um den Langzeitparkplatz in Long Island City zu erreichen, wo ihr altes, heruntergekommenes Auto stand. Sie hatte es schon seit Jahren nicht mehr verwenden, denn Ben hatte immer darauf bestanden, selber zu fahren, damit er mit seinem kostbaren Lexus angeben konnte. Als sie über den riesigen, schattenreichen Parkplatz lief und ihren Koffer hinter sich herzog, fragte sie sich, ob sie überhaupt noch fahren könnte. Das war auch eines der Dinge, die sie im Laufe ihrer Beziehung hatte schleifen lassen.

Allein schon der Weg hierher, zu diesem Parkplatz am Rande der Stadt, hatte sich endlos angefühlt. Während sie sich ihrem Auto näherte, hallten ihre Schritte auf dem gefrorenen Parkplatz wider und sie fühlte sich fast schon zu müde und erschöpft, um weiter zu gehen.

Machte sie gerade einen Fehler?, fragte sie sich. Sollte sie umkehren?

„Da ist es ja.“

Emily drehte sich um und sah, wie der Parkplatzwächter mit einem schon fast mitleidigen Lächeln auf ihr heruntergekommenes Auto schaute. Er streckte seine Hand aus, in der er ihre Schlüssel hielt.

Der Gedanke daran, jetzt noch eine achtstündige Fahrt vor sich zu haben, kam ihr wie eine überwältigende, unmöglich zu meisternde Herausforderung vor. Sie war bereits jetzt schon so unglaublich erschöpft, sowohl physisch als auch emotional.

„Wollen Sie sie nicht nehmen?“, fragte er schließlich.

Emily blinzelte, sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie mit ihren Gedanken abgeschweift war.

Sie stand dort und wusste irgendwie, dass dieser Moment entscheidend war. Würde sie zusammenbrechen und zu ihrem alten Leben zurücklaufen?

Oder wäre sie stark genug, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen?

Emily schüttelte die dunklen Gedanken ab und zwang sich dazu, stark zu sein. Zumindest für jetzt.

Sie nahm die Schlüssel und ging stolz zu ihrem Auto. Dabei versuchte sie, mutig und selbstsicher zu sein, doch insgeheim war sie nervös, dass es gar nicht mehr anspringen würde, oder dass sie sich nicht mehr daran erinnern könnte, wie man fuhr, wenn er denn doch noch funktionierte.

Sie saß in dem eiskalten Auto, schloss ihre Augen und schaltete den Motor ein. Sie beschloss, dass es ein gutes Zeichen wäre, wenn er ansprang. Wenn er kaputt wäre, könnte sie umkehren.

Sie hasste es, zugeben zu müssen, dass sie sich insgeheim wünschte, dass der Motor nicht mehr funktionierte.

Sie drehte den Schlüssel um.

Er sprang an.

*

Es war für Emily eine große Überraschung und ein Trost zugleich, dass sie immer noch wusste, was sie zu tun hatte, auch wenn die ersten Meter etwas holprig waren. Alles, was sie tun musste war, auf das Gaspedal zu treten und zu fahren.

Es war eiskalt, die Welt flog an ihr vorbei und Stück für Stück schüttelte sie ihre trübe Stimmung ab. Sie schaltete sogar das Radio an, als sie sich daran erinnerte, dass es in dem Auto eines gab.

Bei dröhnender Musik und mit heruntergelassenen Fenstern hielt Emily das Lenkrad fest in ihren Händen. In ihren Gedanken sah sie wie eine der glamourösen Damen in einem der 1940er Jahre Schwarz-Weiß-Filme aus, denen der Wind durch ihre perfekt frisierten Haare wehte. In Wirklichkeit hatte die kalte Februarluft ihre Nase so rot wie eine Beere anlaufen lassen und ihr Haar in ein ungekämmtes Nest verwandelt.

Schon bald hatte sie die Stadt hinter sich gelassen und je weiter in den Norden sie fuhr, desto dichter waren die Straßen von immergrünen Bäumen gesäumt. Sie ließ sich im Vorbeifahren Zeit, ihre Schönheit zu bewundern. Wie einfach sie sich von dem Gedränge und der Geschäftigkeit des Großstadtlebens hatte anstecken lassen. Wie viele Jahre hatte sie vorbeiziehen lassen, ohne die Schönheit der Natur zu bewundern?

Schon bald wurden die Straßen breiter, die Anzahl der Spuren nahm zu und schließlich war sie auf der Autobahn. Sie ließ den Motor aufheulen, zwang ihr heruntergekommenes Auto, immer schneller zu fahren. Durch die Geschwindigkeit fühlte sie sich lebendig und voller Energie. All die Menschen, die in ihren Autos unterwegs waren, und endlich war sie, Emily, auch einer von ihnen. Aufregung schoss durch ihren Körper, als sie immer weiter nach vorne schoss und die Geschwindigkeit so weit erhöhte, wie sie es sich traute.

Ihr Selbstvertrauen erreichte neue Höhen, während die Straße unter den Rädern ihres Wagens vorbeizog. Als sie über die Grenze des Bundesstaates Connecticut fuhr, wurde ihr erst wirklich klar, war sie eigentlich hinter sich ließ. Ihre Arbeit, Ben, sie war endlich all den Ballast losgeworden.

Je weiter sie in den Norden fuhr, desto kälter wurde es und Emily sah schließlich ein, dass es einfach zu kalt war, um das Fenster offen zu lassen. Sie ließ es hochfahren und rieb ihre Hände aneinander, wobei sie sich wünschte, etwas zu tragen, dass dem Wetter angemessener wäre. Sie hatte New York in ihrem unbequemen Arbeitsanzug verlassen und aus einem Impuls heraus ihren Blazer und ihre Stilettos aus dem Fenster geworfen. Jetzt trug sie nur eine dünne Bluse und die Zehen ihrer nackten Füße schienen sich in Eisblöcke verwandelt zu haben. Das Bild des Filmstars aus den 1940er Jahren verblasste in ihren Gedanken, als sie ihr Spiegelbild in dem Rückspiegel erblickte. Sie sah ganz schön durch den Wind aus. Doch das war ihr egal. Sie war frei, das war alles, was zählte.

Stunden vergingen und plötzlich lag Connecticut hinter ihr, es war nur noch eine ferne Erinnerung, nur ein Ort, den sie auf dem Weg in eine bessere Zukunft durchquert hatte. Die Landschaft des Bundesstaates Massachusetts war viel offener. Anstatt der dunkelgrünen Blätter der immergrünen Bäume hatten diese hier ihr Sommerkleid abgeworfen und ragten nun wie dürre Skelette auf beiden Seiten der Straße empor. Zwischen ihnen konnte man hin und wieder Schnee und Eis auf dem harten Boden sehen. Über Emily begann der Himmel, seine Farbe von einem klaren Blau zu einem matschigen Grau zu ändern, was sie daran erinnerte, dass es dunkel sein würde, wenn sie endlich in Maine ankäme.

Sie fuhr durch Worcester. Viele der Häuser dort waren groß, aus Holz gebaut und in verschiedenen Pastelltönen gestrichen. Emily musste sich unwillkürlich fragen, welche Menschen hier wohnten, was für Leben sie führten und welche Erfahrungen sie machten. Sie war nur wenige Stunden von ihrem Zuhause entfernt, doch bereits jetzt erschien ihr schon alles fremd – all die Möglichkeiten, all die verschiedenen Orte, an denen man leben und die man besuchen könnte. Wie hatte sie sieben Jahre lang nur eine Variante des Lebens sehen können, indem sie die alte, bekannte Routine verfolgte und jeden Tag die ganze Zeit auf etwas mehr gewartet und gewartet und gewartet hatte. All diese Zeit hatte sie darauf gewartet, dass Ben sich zusammenreißen würde, damit das nächste Kapitel ihres Lebens beginnen konnte. Doch die ganze Zeit lang hatte sie selbst die Macht gehabt, ihre eigene Geschichte voranzutreiben.

Als sie der Route 290 folgte, fuhr sie über eine Brücke, wo die Straße zur Route 495 wurde. Hier gab es keine Bäume mehr, die sie bewundern konnte, sie wurden von steilen Gesteinsformationen abgelöst. Ihr knurrender Magen erinnerte sie daran, dass sie die Mittagszeit hatte verstreichen lassen, ohne etwas zu essen. Sie überlegte, ob sie an einem LKW-Rastplatz anhalten sollte, doch das Verlangen, in Maine anzukommen, war zu groß. Sie könnte etwas essen, wenn sie dort ankam.

Weitere Stunden vergingen, als sie schließlich die Grenze zu dem Bundesstaat New Hampshire überquerte. Der Himmel brach auf, die Straßen waren breit und auf beiden Seiten erstreckte sich, soweit man sehen konnte, flaches Land. Emily fragte sich unwillkürlich, wie groß die Welt wohl war, wie viele Menschen wirklich in ihr lebten.

Ihr Optimismus trug sie an Portsmouth vorbei, wo Flugzeuge über ihr herabschossen, ihre Motoren heulten laut, als sie die Landebahn anzielten. Emily gab Gas und fuhr an der nächsten Stadt vorbei, bei der auf beiden Seiten der Straße Frost auf dem Boden lag, dann ging es durch Portland, wo die Straße neben den Bahnschienen entlanglief. Sie nahm jedes Detail in sich auf und wurde von einer neuen Ehrfurcht vor der Größe der Welt erfüllt.

Sie rauschte über die Brücke, die aus Portland hinausführte, als sie plötzlich den Drang verspürte, anzuhalten und den Ausblick auf den Ozean zu genießen. Doch der Himmel wurde immer dunkler und sie wusste, dass sie sich beeilen musste, um es vor Mitternacht nach Sunset Harbor zu schaffen. Die Stadt lag noch eine dreistündige Fahrt entfernt und die Uhr auf dem Armaturenbrett zeigte bereits 9 Uhr abends an. Ihr Magen protestierte wieder, weil sie auch das Abendessen verpasst hatte.

Auf das, was sich Emily bei ihrer Ankunft am meisten freute, war die Aussicht, die restliche Nacht komplett durchzuschlafen, denn ihre Erschöpfung machte sich schon bemerkbar; Amys Couch war nicht besonders bequem gewesen, ganz zu schweigen von dem emotionalen Aufruhr, mit dem Emily die ganze Nacht lang gekämpft hatte. Doch in ihrem Haus in Sunset Harbor wartete ein wunderschönes, aus dunkler Eiche geschaffenes Himmelbett in dem großen Schlafzimmer auf sie, in dem ihre Eltern glücklichere Zeiten verbracht hatten. Der Gedanke, komplett alleine dort zu sein, war verlockend.

Trotz der Tatsache, dass sich am Himmel Schnee ankündigte, entschied sich Emily dagegen, die ganze Strecke nach Sunset Harbor auf der Autobahn zurückzulegen. Ihr Vater war sehr gerne die weniger genutzten Strecken gefahren – eine Reihe von Brücken erstreckten sich über eine Vielzahl an Flüssen, die in diesem Teil Maines in den Ozean flossen.

Sie fuhr von der Autobahn ab, erleichtert, zumindest die Geschwindigkeit reduzieren zu können. Die Straßen hier waren zwar gefährlicher, doch die Landschaft war umwerfend. Emily schaute hinauf zu den Sternen, die über dem klaren, glitzernden Wasser blinkten.

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