Sie stürmte in den Schnee hinaus.
„Hey!“, schrie sie. „Was machst du denn da?“
Daniel hielt nur kurz inne. Er schaute sie nicht einmal an, sondern schaufelte einfach weiter, bevor er ruhig antwortete, „Ich mache den Weg frei.“
„Das sehe ich“, gab Emily zurück. „Was ich meine ist, warum du das tust, wenn ich dir doch gesagt habe, dass ich deine Hilfe nicht brauche?“
„Weil du sonst erfrierst“, erwiderte Daniel lediglich, er sah sie immer noch nicht an. „Und so auch das Wasser, jetzt, da ich es aufgedreht habe.“
„Na und?“, entgegnete Emily. „Was kümmert es dich, wenn ich erfriere? Es ist mein Leben. Ich kann erfrieren, wenn ich das will.“
Daniel beeilte sich mit seinen Antworten nicht und gab dem Streit, den sie so offensichtlich vom Zaun brechen wollte, auch keine neue Munition. Er schaufelte einfach weiter, ruhig, methodisch und so unbeeindruckt von ihrer Gegenwart, als ob sie gar nicht dastünde.
„Ich werde mich nicht zurücklehnen und dich sterben lassen“, antwortete Daniel.
Emily verschränkte ihre Arme. „Ich denke, das ist etwas melodramatisch, findest du nicht? Es gibt einen großen Unterschied zwischen einer Erkältung und dem Tod!“
Schließlich rammte Daniel die Schaufel in den Schnee und richtete sich auf. Sein Blick traf den ihren, sein Gesichtsausdruck war unleserlich. „Dieser Schnee lag so hoch, dass er den Abluftschacht bedeckte. Wenn du den Boiler anschaltest, würden alle Ausstöße direkt ins Haus zurückgehen. Du wärest innerhalb von zwanzig Minuten an einer Kohlenstoffvergiftung gestorben.“ Er sprach die Worte so sachlich aus, dass Emily sprachlos war. „Wenn du sterben willst, dann tu es, wenn du alleine bist. Aber es passiert nicht, solange ich in der Nähe bin.“ Dann warf er die Schaufel auf den Boden und ging zu dem Kutschenhaus zurück.
Emily stand dort und beobachtete, wie er davonging. Sie spürte, wie ihre Wut nachließ, nur, um von einem Schamgefühl ersetzt zu werden. Sie fühlte sich schrecklich, auf diese Weise mit Daniel gesprochen zu haben. Er versuchte nur zu helfen und sie hatte es ihm wie ein unerzogenes Kind zum Vorwurf gemacht.
Sie war versucht, ihm hinterherzulaufen, um sich bei ihm zu entschuldigen, doch in diesem Moment tauchte der Öl-LKW am Ende der Straße auf. Emilys Herz machte Luftsprünge, sie war erstaunt, wie sehr sie sich über die bloße Tatsache freute, Öl geliefert zu bekommen. In dem Haus in Maine zu sein war ein riesiger Unterschied zu ihrem Leben in New York.
Emily beobachtete, wie Eric aus dem Truck heraussprang und war überrascht, wie fit er in seinem Alter noch war. Er trug einen mit Ölflecken übersäten Overall wie Hausmeister in Zeichentrickfilmen. Sein Gesicht war von den Jahreszeiten gezeichnet, doch wirkte freundlich.
„Hi“, sagte er genauso unsicher, wie er am Telefon geklungen hatte.
„Ich bin Emily“, stellte sie sich vor und bot ihm ihre Hand zum Schütteln an. „Ich bin wirklich froh, dass Sie hier sind.“
Eric nickte nur und machte sich gleich daran, die Ölpumpe zum Laufen zu bringen. Es war offensichtlich, dass er nicht gerne redete und Emily stand tatenlos neben ihm, sah ihm bei der Arbeit zu und lächelte jedes Mal schwach, wenn sie bemerkte, dass sein Blick zu ihr hinüberschweifte, als ob ihn die Tatsache, dass sie noch immer hinter ihm stand, verwirrte.
„Können Sie mir den Boiler zeigen?“, fragte er, sobald alles gerichtet war.
Emily dachte an den Keller, an ihre Abneigung gegen die riesigen Maschinen darin, die das Haus versorgten, an die vielen tausenden Spinnen, die im Laufe der Jahre ihre Netze gesponnen hatten.
„Ja, hier entlang“, erwiderte sie mit leiser, dünner Stimme.
Eric holte seine Taschenlampe heraus und zusammen gingen sie hinunter in den unheimlichen, dunklen Keller. Genau wie Daniel schien auch Eric eine Begabung für mechanische Arbeiten zu besitzen. Innerhalb von Sekunden sprang der riesige Boiler an. Emily konnte sich nicht beherrschen und warf ihre Arme um den älteren Mann.
„Es funktioniert! Ich kann gar nicht glauben, dass es funktioniert!“
Eric versteifte sich bei ihrer Berührung. „Nun ja, Sie sollten mit so einem alten Haus nicht herumspielen“, entgegnete er.
Emily ließ ihre Arme fallen. Es war ihr egal, dass noch eine weitere Person ihr dazu riet, aufzugeben, und ihr sagen wollte, dass sie nicht gut genug war. Jetzt funktionierten die Heizung und das Wasser, was bedeutete, dass sie nicht als Versagerin nach New York zurückkehren musste.
„Hier“, sagte Emily, während sie ihren Geldbeutel hervorholte. „Wie viel schulde ich Ihnen?“
Doch Eric schüttelte nur seinen Kopf. „Es ist schon bezahlt“, antwortete er.