Emily lachte, als er sie an der Hand zu einem weiteren, verzierten Bettrahmen zog. Dieser war in einem blasseren Lack gestrichen und machte fast schon den Anschein, als stammte es aus einer Isländischen Holzhütte. In das Kopf- und Fußteil waren Muster geschnitzt worden. Es war wunderbar und der Anblick raubte ihr den Atem.
„Das ist eine absolute Seltenheit, Emily!“, rief Daniel begeistert. „Es wurde per Hand geschnitzt. Wunderbare Holzarbeit. Wenn du das hier kaufst, könntest du die Pension direkt schon auf einer Landkarte vermerken!“
In Emily breitete sich Wärme aus. Es stimmte. Die Betten, die sie in Ricos Laden gefunden hatte, waren wunderschön und einzigartig. Jetzt verstand sie, was Cynthia ihr sagen wollte, als sie ihr erzählt hatte, dass sich die Gäste wie Könige fühlen sollten. Sie würde sich auf jeden Fall wie eine Prinzessin fühlen, wenn sie in einem von ihnen schlief.
„Also“, sagte Emily, während sie mit den Fingern über das Holz eines senkrechten Balkens strich. „Wir können die Betten aber nur unter einer Bedingung kaufen.“
„Oh?“, meinte Daniel mit gerunzelter Stirn.
Emily spitzte die Lippen und zog eine Augenbraue hoch. „Wir müssen jedes einzelne davon testen. Um die Qualität zu überprüfen, natürlich.“
„Du meinst…Oh!“ Daniel verstand, was Emily auf so zweideutige Weise vermitteln wollte, weshalb er mit den Augenbrauen wackelte. Plötzlich erschien die Vorstellung, die Betten zu kaufen, sogar noch reizvoller. „Oh, also, natürlich…“, murmelte er, während er seine Arme um Emily schlang und sie in eine Umarmung zog. „Du könntest nicht ruhig schlafen, ohne selbst ausgetestet zu haben, wofür deine Gäste zahlen.“
Er drückte verführerische Küsse in ihren Nacken und Emily musste lachen.
„Ich werde Rico meine Liste geben“, sagte sie, bevor sie sich aus seiner Umarmung löste. „Und mich von all meinem Geld verabschieden.“
Daniel pfiff durch die Zähne. „Darüber wird er sehr glücklich sein. An diesem einen Einkauf verdient er wahrscheinlich genauso viel wie sonst in einem ganzen Monat!“
Sie ließ Daniel in dem großen Raum zurück und machte sich auf die Suche nach Rico.
„Evie“, begrüßte er sie, als sie wieder in den Verkaufsraum trat. „Hast du gefunden, was du wolltest?“
„Das habe ich“, erwiderte Emily. „Ich würde gerne drei Kleiderschränke, einen Frisiertisch, zwei Schreibtische, sechs Nachttischschränkchen, eine hohe Kommode, zwei normale Kommoden, drei Teppiche und drei antike Betten kaufen.“
„Oh“, brachte Rico hervor, der ein wenig überrascht wirkte, als sie ihm die Liste mit den Artikeln und Preisen überreichte. „Das sind aber ganz schön viele.“ Er begann, alles mit seiner antiken Kasse zusammenzuzählen.
„Ich richte zwei weitere Räume in der Pension ein und gestalte einen um.“
„Ah ja, du bist die junge Frau mit der Pension“, sagte Rico nickend. „Dein Vater wäre sehr stolz auf das, was du erreicht hast.“
Emily trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Obwohl sie seine netten Worte schätzte, fühlte sie sich unwohl dabei, an ihren Vater zu denken.
„Danke“, erwiderte sie leise.
„Also“, sagte Rico mit trockener Stimme, „da du eine geschätzte Kundin bist und etwas tust, von dem die ganze Stadt profitieren wird, gebe ich dir einen Rabatt.“ Er drückte ein paar Knöpfe und eine neue Zahl erschien auf der staubigen Anzeige.
Emily verengte die Augen, das konnte doch nicht stimmen. „Aber Rico, das ist ein Rabatt von fünfzig Prozent.“ Sie war sich nicht sicher, ob sich der ältere Mann nicht vertippt hatte; sie wollte ihn auf keinen Fall prellen.
„Das stimmt. Du bekommst einen besonderen Sunset Harbour-Memorial-Wochenendrabatt.“ Er zwinkerte.
Emily brachte kein Wort heraus, weshalb sie ihm einfach ihre Kreditkarte gab. Sie konnte kaum glauben, dass er so großzügig war.
„Bist du dir sicher?“
Rico winkte nur ab, um sie zum Verstummen zu bringen. Dann fuhr er mit dem Verkauf fort, doch Emily konnte nur stumm und leicht benommen herumstehen.
„Vielen Dank, Rico“, sagte sie atemlos. Dann drückte sie dem alten Mann einen Kuss auf die Wange. „Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll.“
Sein Lächeln wurde größer und sagte schon alles.
Als sie zurück durch den Antiquitätenladen lief, um Daniel zu finden, war sie so aufgeregt wie ein kleines Kind.
„Rico hat mir die Hälfte des Preises nachgelassen!“, rief sie, als sie ihn erreichte.
Er hatte einen überraschten Ausdruck auf dem Gesicht.
„Das ist ja wunderbar“, erwiderte Daniel.
„Komm schon“, meinte Emily, die plötzlich ungeduldig war. „Lass uns das Zeug hier rausholen und dann damit beginnen, die Pension auf den neuesten Stand zu bringen.“
Daniel lachte. „Ich habe noch nie erlebt, dass sich jemand so sehr auf das Ende eines Dates gefreut hat.“
„Tut mir leid“, sagte Emily mit hochrotem Kopf. „Es ist nur so, dass es so viel zu tun und vorzubereiten gibt, bist Jayne ankommt.“
„Wer ist Jayne?“, wollte Daniel wissen. „Du hast mir gar nicht gesagt, dass du noch einen Gast erwartest.“ Er schien sich für sie zu freuen, machte aber auch einen leicht überraschten Eindruck.
Emily lachte. „Oh, so ist das nicht. Jayne ist meine älteste Freundin aus New York.“
Plötzlich schien sich Daniel unwohl zu fühlen. Bei Amys Besuch war er das Gefühl nicht losgeworden, dass sie ihn abschätzig betrachtete, weshalb er nur ungern weitere Freundinnen von Emily treffen wollte.
„Okay“, murmelte er fast schon.
„Sie ist sehr nett“, versicherte ihm Emily. „Und sie wird dich lieben.“ Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
„Das kannst du doch gar nicht wissen, widersprach Daniel. „Man weiß nie – manchmal kommen Menschen einfach nicht miteinander klar. Und ich bin nicht gerade der umgänglichste Mann auf der Welt.“
Emily schlang ihre Arme um seinen Hals und drückte ihren Kopf an seine Brust. „Ich verspreche es dir. Sie wird dich leiben, weil ich dich liebe. So funktioniert das nun einmal bei besten Freundinnen.“
Nachdem ihr die Worte entschlüpft waren, erkannte Emily, dass sie das L-Wort gesagt hatte. Sie hatte Daniel ihre Liebe gestanden, doch der Gedanke jagte ihr keine Angst ein. Es auszusprechen hatte sich sogar wie das Natürlichste auf der Welt angefühlt. Ihr fiel jedoch auf, dass Daniel ihre Worte nicht erwidert hatte, weshalb sie sich fragte, ob sie diese Grenze wohl zu früh überschritten hatte.
Die beiden standen eine Weile lang einfach nur in dem alten Antiquitätenladen und umarmten sich stumm. Doch die ganze Zeit über dachte Emily darüber nach, was Daniels Schweigen wohl bedeuten mochte.
*
Als sie die schweren Himmelbetten aus Daniels Truck ausluden und sie in die jeweiligen Zimmer trugen, dämmerte es bereits. Die nächsten paar Stunden verbrachten sie damit, die Möbelstücke aufzustellen und sie im Raum zu platzieren, wobei keiner von ihnen über die Worte sprach, die im Hinterzimmer von Ricos Laden zwischen ihnen gefallen waren.
Während der Himmel draußen immer dunkler wurde, hatte Emily das Gefühl, dass das Haus nun immer mehr wie eine echte Pension aussah, als ob sie sich noch weiter auf die Vorstellung eingelassen hätte. Auf mehr als nur eine Art und Weise hatte sie einen Punkt erreicht, von dem aus sie nicht mehr umkehren konnte, und zwar nicht nur mit ihrer Pension, sondern auch mit ihren Gefühlen für Daniel. Sie liebte ihn. Sie liebte die Pension. Und an keinem der beiden zweifelte sie.
„Ich denke, wir sollten die Nacht in meinem Cottage verbringen“, verkündete Daniel, als es gerade Mitternacht schlug.
„Okay“, antwortete Emily leicht überrascht. Sie hatte noch nie in Daniels Kutscherhaus übernachtet und fragte sich, ob es wohl seine Art war, ihr zu zeigen, dass er es mit ihrer Beziehung ernst meinte, nachdem er ihr zuvor schon nicht die drei kleinen Worte hatte sagen können.
Sie schlossen die Pension ab und überquerten den Rasen bis sie an dem Ort ankamen, an dem Daniels kleines Kutscherhaus in der Dunkelheit stand. Er öffnete die Tür und ließ Emily eintreten.
Sie fühlte sich immer so viel jünger, wenn sie sein Haus betrat. Etwas an seiner großen Sammlung an CDs und Büchern schüchterte sie leicht ein. Nun ließ Emily ihren Blick über die Regale wandern und überflog die Titel aller akademischen Werke, die Daniel besaß. Psychologie. Fotografie. Er besaß so viele Bücher zu so vielen unterschiedlichen Themen. Und zu Emilys Erheiterung befanden sich zwischen all diesen einschüchternd aussehenden, akademischen Texten auch kommerzielle Krimiromane.
„Das glaube ich ja nicht!“, rief sie. „Du liest Agatha Christie?“
Daniel zuckte nur mit den Schultern. „Es ist nichts Verwerfliches dabei, hin und wieder etwas von Agatha zu lesen. Sie kann sehr gut erzählen.“
„Aber richten sich ihre Bücher nicht an Frauen mittleren Alters?“
„Warum liest du dann nicht eines und sagst es mir dann?“, entgegnete er verschmitzt.
Emily schlug ihn mit einem Kissen. „Wie kannst du es wagen? Fünfunddreißig gehört wohl kaum zum mittleren Alter!“
Sie lachten, während Daniel Emily auf die Couch drückte. Dann kitzelte er sie gnadenlos durch, womit er sie zum Kreischen brachte, und sie schlug mit ihren Fäusten auf seinen Rücken ein. Anschließend brachen sie, erschöpft von ihrem gespielten Kampf, aufeinander zusammen. Langsam verebbte Emilys Lachen. Sie keuchte in dem Versuch, zu Atem zu kommen, schlang ihre Arme um Daniels Nacken und fuhr mit den Fingern durch sein Haar. Die spielerische Stimmung zwischen den beiden verblasste und wurde wieder ernst.
Daniel löste sich so weit von ihr, dass er ihr Gesicht sehen konnte. „Du bist wunderschön, weißt du das?“, sagte er. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich es dir oft genug sage.“
Emily wusste, was er ihr mit seinen Worten eigentlich vermitteln wollte. Er bezog sich auf vorhin, auf die Tatsache, dass er ihr nicht gesagt hatte, dass er sie auch liebte. Er versuchte, es jetzt wieder gut zu machen, indem er sie mit Komplimenten überhäufte. Das war zwar nicht wirklich das Gleiche, aber sie war trotzdem froh, das zu hören.
„Danke“, murmelte sie. „Du bist auch nicht so schlecht.“
Daniel verzog seinen Mund zu seinem typischen Grinsen, das Emily so sehr liebte.
„Ich bin so froh, dass ich dich getroffen habe“, fuhr er fort. „Im Vergleich dazu, wie mein Leben vor dir war, ist es nun fast schon unglaublich. Du hast alles auf den Kopf gestellt.“
„Ich hoffe, auf gute Weise“, meinte Emily.
„Auf die beste Weise“, versicherte ihr Daniel.
Emily spürte, wie sich ihre Wangen röteten. So sehr sie es auch genoss, diese Worte aus Daniels Mund zu hören, war sie dennoch schüchtern und immer noch etwas unsicher, wo genau sie bei ihm stand. Zudem wusste sie nicht, wie sehr sie sich auf ihn einlassen sollte, wenn man einmal bedachte, wie angespannt die Lage mit der Pension gerade war.
Daniel schien sich bei den nächsten Worten schwer zu tun, weshalb Emily ihn geduldig und mit aufmunterndem Blick ansah.
„Wenn du weggehen würdest, dann wüsste ich nicht, was ich tun sollte“, sagte Daniel. „Nein, ich weiß es. Ich würde nach New York fahren, um wieder mit dir zusammen zu sein.“ Er nahm ihre Hand. „Ich will damit sagen, bleib bei mir. Okay? Wo auch immer wir schließlich landen werden, bitte verlass mich nicht.“
Daniels Worte berührten Emily tief. In ihnen lag so eine Ernsthaftigkeit, so eine Zärtlichkeit. Er vermittelte ihr nicht seine Liebe, sondern etwas Anderes, etwas Ähnliches oder zumindest Bedeutendes. Es war sein Verlangen, mit ihr zusammen zu sein, egal, was mit der Pension geschah. Er schob die tickende Uhr beiseite, indem er ihr erklärte, dass es ihm egal war, ob sie es bis zu vierten Juli schaffte, denn er würde immer bei ihr sein.
„Das werde ich“, versprach Emily, während sie mit bewundernd zu ihm aufblickte. „Wir können zusammenbleiben. Egal, was passiert.“
Daniel beugte sich vor und küsste Emily hart. Sie spürte, sie sich ihr Körper daraufhin aufheizte und sich die Hitze zwischen ihnen intensivierte. Dann stand Daniel auf und streckte ihr seine Hand entgegen. Sie biss sich auf die Lippe, ergriff seine Hand und folgte ihm in eifriger Erwartung ins Schlafzimmer.
KAPITEL SIEBEN
Das Date war genau das gewesen, was sowohl Emily als auch Daniel gebraucht hatten. Manchmal wurden sie von all der Arbeit in der Pension so erdrückt, dass sie alles andere schleifen ließen. Deshalb war es keine Überraschung, dass beide den Wecker überhörten, der um acht Uhr klingelte. Vor allem Emily musste viel Schlaf aufholen.
Als die beiden schließlich aufwachten – um 9 Uhr, was für sie mittlerweile unglaublich spät war – beschlossen sie, ihre Zeit im Bett noch ein wenig länger zu genießen, da sie in der Nacht zuvor so viel Spaß zusammen zwischen den Laken gehabt hatten.
Letztendlich standen sie gegen zehn Uhr auf, doch auch danach genossen sie ein langes und gemütliches Frühstück, bevor sie sich schließlich eingestanden, dass sie zurück ins Haupthaus gehen und mit der Renovierung der neuen Räume weitermachen mussten.
„Hey, schau mal“, meinte Daniel, als er die Tür des Kutscherhauses hinter ihnen zuzog und abschloss. „In der Einfahrt steht ein Auto.“
„Noch ein Gast?“, fragte sich Emily.
Sie begannen gemeinsam, Hand in Hand, den Kiesweg entlangzugehen. Emily richtete ihren Blick auf das Haus, wo sie eine Frau mit glänzend schwarzem Haar auf der Veranda sehen konnte. Neben ihr lagen mehrere Taschen auf dem Boden und sie betätigte unaufhörlich die Klingel.
„Ich glaube, du hast Recht“, sagte Daniel.
Emily schnappte nach Luft, als sie plötzlich erkannte, wer dort stand.
„Oh nein, ich habe Jayne vergessen!“, schrie sie. Dann warf sie einen schnellen Blick auf ihre Armbanduhr. Es war elf Uhr. Jayne hatte gesagt, dass sie so gegen zehn ankommen würde. Sie hoffte, dass ihre Freundin nicht schon seit einer Stunde dastand und an der Tür klingelte.
„Jayne!“, rief sie, während sie den Kiesweg entlangrannte. „Es tut mir so leid! Ich bin hier!“
Jayne wirbelte herum, als sie ihren Namen hörte. „Em!“, schrie sie und winkte. Als sie Daniel bemerkte, der ein paar Schritte hinter Emily lief, zog sie die Augenbrauen hoch, als ob sie damit sagen wollte: „Wer ist dieser Kerl?“
Emily erreichte sie und zog ihre Freundin in eine Umarmung.
„Wartest du schon seit einer ganzen Stunde hier?“, wollte Emily besorgt wissen.
„Als ob, Emily. Wie gut kennst du mich denn bitte? Natürlich war ich nicht rechtzeitig hier. Ich kam etwa eine dreiviertel Stunde zu spät!“
„Aber trotzdem“, sagte Emily mit entschuldigendem Tonfall. „Fünfzehn Minuten sind eine lange Zeit, wenn man alleine auf einer fremden Veranda steht.“
Jayne ging auf der Veranda auf und ab. „Es ist eine robuste, kräftige Veranda. Sie hat es ausgehalten.“
Emily lachte und in diesem Moment kam auch endlich Daniel an.
„Jayne, das ist Daniel“, sagte Emily schnell, denn sie wusste, dass sie um seine Vorstellung nicht herumkam.
Daniel schüttelte höflich Jaynes Hand, auch wenn er sie dabei beäugte wie ein Stück Fleisch.
„Schön, dich kennenzulernen“, meinte er. „Emily hat mir schon so viel von erzählt.“
„Wirklich?“, fragte Jayne, wobei sie ihre Augenbrauen weit hochzog. „Denn sie hat mir absolut nichts von dir erzählt. Du bist ein gut gehütetes Geheimnis, Daniel.“
Emily wurde unwillkürlich rot. Jayne war nicht für ihre feinfühlige Art bekannt oder dafür, ihren Mund zu halten, wenn es besser wäre. Emily konnte nur hoffen, dass Daniel in ihren Worten keine unterschwellige Bedeutung gelesen und Schlüsse gezogen hatte, die nicht der Wahrheit entsprachen.