Sie legte ihre Taschen auf den Rücksitz und startete das Auto. Bevor sie den Parkplatz verlassen konnte, klingelte ihr Telefon. Sie sah Martins Namen auf dem Display und zögerte nicht zu antworten. Wenn er anrief, um zu streiten, war sie dabei. Wenn er anrufen würde, um sich zu entschuldigen, wäre sie auch dafür offen. Um ehrlich zu sein, sie mochte einfach die Idee, in diesem Moment mit jemandem zu telefonieren, den sie kannte.
Sie antwortete mit einem einfachen, »Hallo.«
»Hallo, Danielle«, sagte Martin. »Schau, ich schulde dir eine höllische Entschuldigung für letzte Nacht. Und nicht nur dafür, dass ich grob geworden bin. Ich hätte mich nicht so seltsam verhalten sollen, was mein Telefon angeht. Es ist nur so, dass die Dinge bei der Arbeit irgendwie den Bach runtergehen. Darum ging es bei den SMS. Ich wusste es von dem Moment an, als sie reinkamen. Ich wollte mich nur gestern Abend nicht damit auseinandersetzen. Macht das Sinn?«
»Das tut es. Aber was keinen Sinn ergibt, ist, warum du mir das letzte Nacht nicht einfach gesagt hast.«
»Weil ich dumm bin«, sagte er. »Ich wollte nicht, dass du weißt, dass mein Job auf dem Spiel stehen könnte. Und als du dann mit dem Handy herumgespielt hast, habe ich es einfach in den falschen Hals gekriegt. Danielle … ich habe noch nie eine Frau verletzt. Bitte glaube mir das. Und ich habe dich gestern Abend so hart angefasst … Gott, es tut mir so leid.«
Sie sagte nichts. Ihre Arme waren ein wenig gequetscht worden und sie hatte sich ein bisschen in Gefahr gefühlt. Dennoch konnte sie in seiner Stimme aufrichtiges Bedauern hören.
»Danielle?«
»Ich bin noch dran«, sagte sie. »Ich wünschte nur, du hättest mir das alles gesagt, bevor es dazu gekommen ist.«
»Ich weiß. Bitte … kannst du mir verzeihen?«
Sie wusste, dass sie es tun würde. Sie versuchte einfach daran zu denken, was sie tun könnte, um die Dinge zu ihren Gunsten zu wenden. Sie lächelte über die Idee, die ihr gerade kam und konnte nicht an sich halten.
»Nun, wir werden diese jugendfreie Beziehung beenden. Du wirst mich heute Abend in meiner Wohnung treffen und wir werden rummachen. Ich werde noch nicht mit dir schlafen, aber … nun, wir werden uns befummeln.«
»Ähm …okay. Das kann ich«, sagte er, eindeutig verwirrt und doch dankbar.
»Das ist noch nicht alles. Meine Schwester ist gerade in die Stadt gezogen. Das habe ich dir doch gesagt, oder?«
»Ja.«
»Nun, es ist eine schicke, stockkonservative Gegend. Die Art, die Straßenfeste veranstaltet. Sie hat mich zu einem eingeladen. Ich will, dass du mit mir kommst.«
»Oh. Okay. Das kann ich machen.«
»Gut«, sagte sie. »Wir sehen uns dann heute Abend.«
Dann beendete sie den Anruf einfach so. Ihr gefiel der Gedanke, dass er keine Ahnung hatte, wie er auf sie reagieren sollte. Sie mochte es auch, dass sie jetzt im Grunde genommen die Kontrolle über ihn hatte – nicht auf irgendeine teuflische Weise, sondern nur, um sich etwas wohler in seiner Nähe zu fühlen.
Jetzt, da sie sich ein wenig besser fühlte, verzog sich die Paranoia in ihrem Hinterkopf und sie fuhr nach Hause. Und sie war froh festzustellen, dass sie sich auf heute Abend freute. Es war schon sehr lange her, dass sie das Bedürfnis gehabt hatte, von einem Mann angefasst zu werden.
Das und die schnell verblassende Paranoia ließen sie sich fragen, ob Martin vielleicht doch der richtige Mann für sie sein könnte. Er schien alle möglichen Dinge an ihr zu verändern. Natürlich wusste er sehr wenig über diese Dinge und sie würde es so lange wie möglich dabei belassen.
Sie fuhr nach Hause und begann sich zu fragen, was zum Teufel sie zu einem Straßenfest anziehen sollte.
Es war ihr beinahe gelungen, den Stachel der Paranoia zu vertreiben, der sich an jenem Morgen fest in sie verhakt und im Lebensmittelladen in ihrem Kopf festgesteckt hatte. Beinahe.
Sie nahm ihr Telefon und wählte Chloes Nummer. Sie ließ ihrer Schwester nicht einmal Zeit, Hallo zu sagen, bevor sie anfing zu sprechen.
»Dieses Straßenfest … kann ich ein Date mitbringen?«
»Ja, natürlich«, sagte Chloe, deutlich verblüfft.
»Wir sehen uns dann morgen.«
Und damit beendete sie das Telefonat und fragte sich, worauf sie sich zur Hölle da gerade eingelassen hatte.
Kapitel acht
Chloe stutzte gerade einen Kopf Brokkoli, als es an der Tür klingelte. Sie wusste sofort, dass es Danielle war. Sie war ziemlich nervös, aber gleichzeitig glücklich, etwas so Stabiles wie einen echten Freund im Leben ihrer Schwester zu sehen. Steven dagegen war skeptisch. Er dachte, der Freund wäre wie Danielle, jemand, der eine noch angespanntere Atmosphäre schaffen würde, nur eben mit zwei Menschen, um die man sich dann sorgen müsste.
Chloe hatte es in den vier Jahren, die sie nun zusammen waren, zumeist geschafft, Stevens Haltung gegenüber Danielle gelassen hinzunehmen, aber jetzt, da die Hochzeit näher rückte, begann sie sich wirklich zu ärgern. Doch das war ein Streitthema für einen anderen Tag.
Chloe wischte sich die Hände an einem Geschirrtuch ab und ging zur Tür. Sie atmete tief durch, bevor sie öffnete. Sie hasste es, zu Stevens Meinung zu tendieren, aber sie war ein wenig besorgt darüber, wie Danielle aussehen würde.
Als sie die Tür öffnete und ihre Schwester bemerkenswert schlicht gestylt vorfand, musste sie beinahe zweimal hinsehen. Das schwarze Haar war zu einem süßen kleinen Knoten aufgesteckt. Sie trug ein leichtes Make-up, gerade genug, um ihre Wangen zum Leuchten zu bringen, und hatte sich erfreulicherweise gegen Band-T-Shirts oder ihren üblichen Pseudo-Gothic-Look entschieden. Sie trug ein beinahe elegantes Tanktop mit zarten Trägern. Entlang ihres oberen Rückens war ihre Tätowierung zu sehen, aber das war nicht allzu störend. Die Hose, die sie trug, überraschte Chloe am meisten. Es war eine einfache dunkle Jeans, ziemlich eng, die ihre Kurven auf eine Weise zeigte, die Chloe noch nie zuvor gesehen hatte.
»Danielle, du siehst toll aus«, sagte Chloe.
»Ja, aber gewöhn dich nicht daran.« Sie trat zur Seite und nickte dem Mann zu, der sie begleitete. »Das ist Martin.«
»Freut mich, dich kennenzulernen«, sagte Martin und streckte seine Hand aus.
Chloe schüttelte sie und bemerkte zum ersten Mal, dass er im Grunde genommen so angezogen war, wie sie es von Danielle erwartet hatte. Sein T-Shirt war zerknittert und seine Cargo-Shorts hatten einen auffälligen Riss unter einer der Taschen. Er trug ein zerfetztes Paar Flip-Flops mit ausgelatschten Bändern. Sein Haar sah aus, als wäre es seit ein paar Tagen nicht mehr gewaschen worden. Er wirkte müde und irgendwie verwirrt. Chloe kam nicht umhin, sich zu fragen, ob er high war. Und wenn nicht high, dann mit ziemlicher Sicherheit unter Drogen. Sie fürchtete den Moment, in dem Steven auf ihn traf.
»Dieses Haus ist riesig«, sagte Danielle, als sie durch das Foyer in das Wohnzimmer trat.
»Ja, es fühlt sich groß an«, sagte Chloe. »Wir haben noch nicht alles ausgepackt. Ich denke, sobald der ganze Mist aus den Kisten ist, fühlt es sich weniger groß an.«
Das Sonnenlicht reflektierte von den polierten Parkettböden, als sie Danielle und Martin in die Küche führte. Chloe verkniff sich ein winziges Lächeln und genoss das Gefühl, vor Danielle ein bisschen anzugeben. Nicht aus Bosheit, sondern aus Stolz.