So Gut Wie Vorüber - Блейк Пирс 2 стр.


Maureen beendete die Durchsicht der Unterlagen und stellte Cassie dann einige Standardfragen, die leichter zu beantworten waren. Ihre Hobbies, regelmäßige Medikamenteneinnahme, ernährungsspezifische Einschränkungen oder Allergien.

„Ich habe keine Einschränkungen oder Allergien. Und keine gesundheitlichen Probleme.“

Cassie hoffte, dass ihre Tabletten für Angstzustände nicht dazu zählten. Es war vermutlich besser, diese nicht zu erwähnen. Sie war sich sicher, damit ein großes Fragezeichen hervorzurufen.

Maureen kritzelte eine Notiz in den Ordner.

„Was würden Sie tun, wenn die Kinder in Ihrer Obhut unfolgsam oder frech sind? Wie würden Sie die Situation klären?“

Cassie atmete tief durch.

„Nun, ich denke nicht, dass es eine Einheitsantwort auf diese Frage gibt. Wenn ein Kind unfolgsam ist, während es auf eine gefährliche Straße zurennt, ist ein anderer Ansatz angebracht, als wenn es um das Essen von Gemüse geht. Im ersten Beispiel würde ich das Kind so schnell wie möglich außer Gefahr bringen. Im zweiten würde ich argumentieren und verhandeln – warum magst du kein Gemüse? Liegt es am Aussehen oder am Geschmack? Möchtest du einen Bissen versuchen? Schließlich machen wir alle verschiedene Phasen beim Essen durch und wachsen früher oder später daraus hinaus.“

Maureen schien mit der Antwort zufrieden zu sein, doch die nächsten Fragen waren komplizierter.

„Was würden Sie tun, wenn die Kinder Sie anlügen? Wenn Sie Ihnen zum Beispiel erzählen, dass sie die Erlaubnis haben, etwas zu tun, obwohl die Eltern es ihnen verboten haben?“

„Ich würde ihnen sagen, dass es nicht erlaubt ist und gleichzeitig auch den Grund nennen, woher ich das weiß. Ich würde vorschlagen, gemeinsam mit den Eltern zu sprechen und die Regel innerhalb der Familie zu diskutieren, um den Kindern klar zu machen, warum es wichtig ist, sich daran zu halten.“ Cassie hatte das Gefühl, einen Drahtseilakt zu vollführen und hoffte, dass ihre Antworten akzeptabel waren.

„Cassie, wie würden Sie reagieren, wenn Sie einen Streit mitansehen müssen? Innerhalb einer Familie gibt es Zeiten, in denen nicht alle miteinander klarkommen.“

Cassie schloss für einen Moment ihre Augen und schob die Erinnerungen beiseite, die Maureens Worte in ihr ausgelöst hatten. Schreie, zerbrechendes Glas, wütende Nachbarn. Ein Stuhl, der unter den wackelnden Türgriff ihrer Schlafzimmertür gedrückt wurde. Der einzige, aber unsolide, Schutz, den sie finden konnte.

Doch gerade, als sie erklären wollte, wie sie sich und die Kinder in einem sicheren Raum einschließen und dann die Polizei rufen würde, fiel ihr ein, dass Maureen vermutlich nicht diese Art von Streit gemeint hatte. Warum sollte sie auch? Offensichtlich dachte sie an eine Diskussion, Worte, die aus Ärger und Wut gekeift, vielleicht auch mal geschrien wurden. Eine temporäre Reibung, keine endgültige Zerstörung.

„Ich würde versuchen, die Kinder außer Hörweite zu beschäftigen“, sagte sie und wählte ihre Worte vorsichtig. „Und ich würde die Privatsphäre der Eltern respektieren und mich zurückziehen. Schließlich sind Streitereien ein Teil des Lebens und ein Au-Pair hat kein Recht, Stellung zu beziehen oder sich einzumischen.“

Endlich hatte sie sich ein kleines Lächeln verdient.

„Eine gute Antwort“, sagte Maureen. Sie überprüfte erneut ihren Computer und nickte, als wolle sie ihre Entscheidung bestätigen.

„Es gibt nur eine Möglichkeit, die ich Ihnen anbieten kann. Eine Anstellung in einer französischen Familie“, sagte sie und Cassies Herz machte einen Sprung. Es fiel schmetternd zu Boden, als Maureen weiterredete. „Das letzte Au-Pair ist unerwartet nach nur einem Monat zurückgetreten und die Familie hat Schwierigkeiten, einen Ersatz zu finden.“

Cassie biss sich auf die Lippe. Sie wusste nicht, ob das Au-Pair gekündigt hatte oder gefeuert worden war. Aber sie konnte es sich nicht leisten, denselben Weg zu gehen. Die Agenturgebühren und die Flugreise kosteten sie ihr ganzes Erspartes. Es war egal, wie sie es anstellte, aber es musste funktionieren.

Maureen fügte hinzu: „Es ist eine wohlhabende Familie mit einem wunderschönen Zuhause etwas außerhalb von Paris. Das Herrenhaus liegt im ländlichen Raum auf einem großen Grundbesitz. Es gibt einen Obstgarten und einen Weinberg – nicht kommerziell – und Pferde. Reiterliches Fachwissen ist allerdings keine Jobvoraussetzung. Sie haben jedoch die Möglichkeit, reiten zu lernen, wenn Sie das möchten.

„Sehr gerne“, sagte Cassie. Der Reiz der französischen Provinz und die Aussicht auf Pferde machte das Risiko lohnenswert. Und eine wohlhabende Familie bedeutete doch sicher mehr Jobsicherheit. Vielleicht war das letzte Au-Pair einfach nicht willig gewesen, es zu versuchen.

Maureen richtete ihre Brille gerade, bevor sie auf Cassies Unterlagen etwas notierte.

„Ich muss betonen, dass nicht jede Familie einfach ist. Manche sind sehr herausfordernd und andere sogar richtig schwierig. Der Erfolg des Jobs liegt auf Ihren Schultern.“

„Ich werde mein Bestes geben.“

„Eine Anstellung zu verlassen bevor das Jahr vorbei ist, ist nicht akzeptabel. Eine substantielle Kündigungsgebühr wird dann auf Sie zukommen, außerdem werden Sie nie wieder für uns arbeiten können. Die Details stehen im Vertrag.“ Maureen klopfte mit ihrem Stift gegen die Seite.

„Das kann ich mir nicht vorstellen“, antwortete Cassie bestimmt.

„Gut. Der letzte Punkt, den wir besprechen müssen, ist die Timeline.“

„Ja. Wie bald werde ich abreisen?“, fragte Cassie und wurde wieder unruhig bei dem Gedanken daran, Verstecken zu spielen.

„Für gewöhnlich dauert es etwa sechs Wochen, bis alles geregelt ist, aber diese Familie hat es sehr eilig, also werden wir den Prozess beschleunigen. Wenn alles nach Plan läuft, werden Sie innerhalb der nächsten Woche abfliegen. Ist das in Ordnung?“

„Das ist – es ist perfekt“, stotterte sie. „Bitte, ich nehme die Position an. Ich werde alles tun, um meinen Job gut zu machen und sie nicht enttäuschen.“

Die Frau starrte sie lange und intensiv an, als versuche sie, die Lage ein letztes Mal zu erfassen.

„Das will ich auch hoffen“, sagte sie.

Kapitel zwei

An Flughäfen geht es nur um Abschiede, dachte Cassie. Hektische Verabschiedungen in einer unpersönlichen Umgebung, die dir die Worte raubt, die du wirklich sagen willst. Und die Zeit, sie richtig zu sagen.

Sie hatte darauf bestanden, von der Freundin, die sie zum Flughafen gebracht hatte, vor dem Gebäude rausgelassen zu werden. Die Umarmung, bevor sie aus dem Wagen hüpfte, war schnell und einfach. Besser als teurer Kaffee und eine unbequeme Unterhaltung, die trockener wird, je näher die Abflugzeit rückt. Schließlich reiste sie alleine und ließ alles Vertraute hinter sich zurück. Es machte Sinn, diesen Prozess so schnell wie möglich zu beginnen.

Als Cassie den Gepäckwagen zum Terminal schob, fühlte sie eine Welle der Erleichterung über sich schwappen, als sie daran dachte, was sie schon erreicht hatte. Sie hatte den Job bekommen, was die wichtigste Errungenschaft überhaupt gewesen war. Dann hatte sie für den Flug und die Agenturgebühren bezahlt, im Schnelldurchlauf ein Visum bekommen und pünktlich zum Einchecken den Flughafen erreicht. Ihre Sachen hatte sie mithilfe der bereitgestellten Liste gepackt und sie war froh, den hellblauen Rucksack mit dem ‚Maureens Au-Pairs‘-Logo bekommen zu haben. In ihren Koffer hätten ihre Klamotten nicht alle gepasst.

Sie war sich sicher, dass bis zu ihrer Landung in Paris alles gut gehen würde.

Dann sah sie ihn und sie blieb stehen. Ihr Herz klopfte wie wild.

Er stand am Terminaleingang mit dem Rücken zur Wand und den Daumen in den Taschen der Lederjacke, die sie ihm geschenkt hatte. Seine Größe, sein dunkles, stacheliges Haar und sein aggressiver Kiefer ließen ihn aus der Menge herausstechen.

Zane.

Er musste herausgefunden haben, wann ihr Flug ging. Sie hatte von Freunden gehört, dass er sich nach ihr erkundigt, Telefongespräche geführt und die Florida-Geschichte überprüft hatte. Zane hatte eine manipulative Ader und nicht jeder kannte ihre Situation. Jemand musste ihm, ohne böse Absicht, die Wahrheit erzählt haben.

Bevor er sie erblicken konnte, drehte sie ihren Gepäckwagen um und warf sich die Kapuze ihres Hoodies über ihr welliges, kastanienbraunes Haar. Sie eilte in die entgegengesetzte Richtung, schob den Wagen hinter eine Säule und damit außerhalb seines Blickfelds.

Der Air France Schalter befand sich am Ende des Terminals; es war also unmöglich, dorthin zu gelangen, ohne von ihm gesehen zu werden.

Denk nach, Cassie. In der Vergangenheit hatte Zane sie für ihre Fähigkeit, in schwierigen Situationen schnell einen Plan entwerfen zu können, gelobt. „Du reagierst schnell“, hatte er gesagt. Das war am Anfang ihrer Beziehung gewesen. Am Ende hatte er sie verbittert beschuldigt, hinterhältig, fies und zu gerissen zu sein.

Ok, dann wollte sie ihre Gerissenheit mal auf die Probe stellen. Sie atmete tief durch und hoffte auf eine Idee. Zane stand in der Nähe des Terminaleingangs. Warum? Es wäre einfacher gewesen, am Check-In-Schalter zu warten, wo er sie mit Sicherheit entdeckt hätte. Das bedeutete, er wusste nicht, mit welcher Airline sie fliegen würde. Sein Informant hatte es also entweder selbst nicht gewusst oder es ihm nicht gesagt. Wenn sie einen anderen Weg zum Schalter finden konnte, wäre sie vielleicht in der Lage, einzuchecken, bevor er begann, nach ihr zu suchen.

Cassie lud ihr Gepäck ab, setzte sich den schweren Rucksack auf die Schultern und zog den Koffer hinter sich her. Am Eingang des Gebäudes hatte sie eine Rolltreppe gesehen. Wenn sie damit zum obersten Stockwerk fuhr, könnte sie vielleicht mit einer weiteren Rolltreppe oder einem Aufzug am anderen Ende der Halle wieder nach unten fahren.

Sie ließ den Gepäckwagen stehen und eilte in die Richtung, aus der sie gekommen war, um die Rolltreppe nach oben zu nehmen. Die Treppe am anderen Ende war außer Betrieb, also kletterte sie die steilen Stufen samt schwerem Koffer nach unten. Der Air France Schalter war nun direkt vor ihrer Nase, aber zu ihrem Entsetzen befand sich davor bereits eine lange Schlange, die sich nur stockend vorwärtsbewegte.

Sie zog die graue Kapuze tiefer ins Gesicht, stellte sich in die Schlange, nahm ein Buch aus ihrer Handtasche und begann zu lesen. Sie verstand nicht, was sie las und unter der Kapuze war es drückend heiß. Sie wollte sie runterziehen und den Schweiß auf ihrem Nacken kühlen. Aber das konnte sie nicht riskieren. Ihr leuchtendes Haar wäre sofort sichtbar. Es war besser, versteckt zu bleiben.

Dann klopfte ihr eine starke Hand auf die Schulter.

Sie wirbelte keuchend herum und starrte in die überraschten Augen einer großen Blondine, die etwa in ihrem Alter war.

„Tut mir leid, dich erschreckt zu haben“, sagte sie. „Ich bin Jess. Ich habe deinen Rucksack gesehen und wollte hallo sagen.“

„Oh. Ja. Maureens Au-Pairs.“

„Bist du auf dem Weg zu einem Job?“, fragte Jess.

„Das bin ich.“

„Ich auch. Sollen wir fragen, ob die Airline uns zusammensetzt? Das können wir beim Einchecken klären.“

Während Jess über das Wetter in Frankreich plapperte, sah Cassie sich nervös in der Terminalhalle um. Sie wusste, dass Zane nicht einfach so aufgeben würde – nicht, nachdem er sich die Mühe gemacht hatte, herzufahren. Er würde etwas von ihr wollen, eine Entschuldigung vielleicht oder eine Zusage. Er würde sie dazu bringen, mit ihm einen ‚Abschiedsumtrunk‘ zu nehmen und dann einen Streit anfangen. Es würde ihn nicht interessieren, wenn sie mit frischen Hämatomen in Frankreich ankäme … oder ihren Flug einfach verpasste.

Und dann sah sie ihn. Er war auf dem Weg in ihre Richtung und nur noch ein paar Schalter entfernt, während er jede Schlange sorgfältig nach ihr absuchte.

Sie drehte sich schnell weg, für den Fall, dass er ihren Blick spüren konnte. Mit einem Hoffnungsschimmer sah sie, dass sie das Ende der Schlange erreicht hatte.

„Ma’am, die müssen Sie abnehmen“, sagte die Dame am Schalter und deutete auf Cassies Kapuze.

Widerwillig schob sie sie nach hinten.

„Hey, Cass!“, rief Zane.

Cassie erstarrte und wusste, dass eine Antwort Desaster bedeuten würde.

Tollpatschig vor Nervosität ließ sie ihren Reisepass fallen. Als sie sich danach bückte, rutschte ihr kopflastiger Rucksack nach vorne.

Ein weiterer Ausruf. Und dieses Mal sah sie ihn an.

Er hatte sie gesehen und schob sich mithilfe seiner Ellbogen durch die Schlange. Die Passagiere wurden wütend; sie konnte ihre erhobenen Stimmen hören. Zane verursachte einen Tumult.

„Wir würden gerne zusammensitzen“, erklärte Jess der Dame am Schalter. Cassie biss sich auf die Lippen, weil das eine zusätzliche Verzögerung bedeutete.

Zane rief wieder und sie realisierte panisch, dass er sie in wenigen Momenten erreicht hätte. Er würde sie mit viel Charme und Liebreiz anbetteln, ihm eine Chance zu geben. Nur um zu reden. Er würde ihr versichern, dass er lediglich eine Minute mit ihr alleine brauchte, um ihr zu sagen, was er sagen wollte. Sie wusste aus Erfahrung, dass es sein Ziel war, mit ihr alleine zu sein. Dann würde sein Charme verschwinden.

„Wer ist der Kerl?“, fragte Jess neugierig. „Meint er dich?“

„Mein Ex-Freund“, murmelte Cassie. „Ich habe versucht, ihm aus dem Weg zu gehen. Ich will nicht, dass er vor meinem Abflug noch Ärger macht.“

„Aber das tut er doch bereits!“ Jess wirbelte zornig herum.

„Security!“, rief sie. „Hilfe! Halten Sie diesen Mann auf!“

Von ihren Rufen aufgerüttelt, packte einer der anderen Passagiere Zane an der Jacke, als dieser sich vorbeidrängte. Er rutschte mit wild fuchtelnden Armen auf den Fliesen aus und zog einen der Pfähle mit sich, als er fiel.

„Haltet ihn fest“, meinte Jess. „Security, schnell!“

Erleichtert stellte Cassie fest, dass die Sicherheitsbeamten tatsächlich alarmiert worden waren. Zwei Flughafen-Polizisten eilten in ihre Richtung. Sie würden rechtzeitig da sein, bevor Zane sie erreichen oder wegrennen konnte.

„Ich wollte nur meiner Freundin auf Wiedersehen sagen“, redete Zane los. Doch seine Charme-Versuche trafen bei dem Duo auf Granit.

„Cassie“, rief er, während der größere Beamte ihn am Arm packte. „Au revoir.“

Widerwillig sah sie ihn an.

„Au revoir! Das ist kein Abschied“, rief er, während er von den Polizisten abgeführt wurde. „Wir werden uns wiedersehen. Eher als du denkst. Pass auf dich auf.“

Sie hörte die Warnung in Zanes letzten Worten, aber fürs erste waren es leere Drohungen.

„Vielen, vielen Dank“, sagte sie voller Dankbarkeit für ihre mutige Aktion zu Jess.

„Ich hatte auch mal eine ungesunde Beziehung“, meinte Jess mitfühlend. „Ich weiß, wie besitzergreifend sie sein können. Sie kleben wie Klettverschluss. Es war mir ein Vergnügen, ihn aufzuhalten.“

„Lass uns durch die Passkontrolle gehen, bevor er einen Weg zurückfindet. Ich schulde dir einen Drink. Was möchtest du? Kaffee? Bier? Wein?“

„Wein natürlich“, sagte Jess, während sie durch die Absperrung zum Gate gingen.


„Also, wohin verschlägt es dich?“, fragte Cassie, nachdem sie ihren Wein bestellt hatten.

„Dieses Mal geht es für mich zu einer Familie in Versailles. In die Nähe des Palastes, wenn ich richtig liege. Ich hoffe, mir den an einem freien Tag ansehen zu können.“

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