Eine Falle für Null - Джек Марс 2 стр.


“Also… wie steht es nun?” fragte er. “Ich kann gehen?”

“Sie sind frei.” Riker lächelte erneut. Ihm gefiel der Ausdruck auf ihrem Gesicht überhaupt nicht.

Cartwright schaute auf seine Uhr. “Deine Töchter sollten in etwa zwei Stunden in Dulles ankommen. Draußen wartet ein Auto auf dich, falls du es möchtest. Du kannst dich frischmachen, umziehen und rechtzeitig dort ankommen, um sie zu begrüßen.”

Die zwei Deputy Direktoren standen auf und gingen zur Tür.

“Schön, dich wieder zurückzuhaben, Null.” Cartwright blinzelte ihm zu, bevor er den Raum verließ.

Als er allein im Zimmer war, blickte Reid auf den silbernen Schlüssel der Handschellen hinab, der vor ihm lag. Er sah zu den Kameras hinauf, die in den Ecken des Raumes angebracht waren.

Er ginge nach Hause – doch irgendwas fühlte sich gar nicht richtig dabei an.

* * *

Reid eilte auf das Parkhaus in Langley zu, befreit von den Handschellen und dem Arrestzimmer – befreit davon, Einsatzagent zu sein. Befreit von der Angst vor Auswirkungen gegen jene, die er liebte. Befreit von einem Dreckloch im Boden in H-6.

Eine verblüffende Idee überkam ihn, während er durch die Tore hinaus auf die Straße fuhr. Sie hätten ihn einfach in die Hölle-Sechs stecken können. Sie hätten ihm wenigstens damit drohen können, die schwarze Wolke der Angst, seine Familie nie wiederzusehen, über seinen Kopf verhängen können. Doch sie hatten es nicht getan.

Weil ich ansonsten jeden Grund gehabt hätte, darüber zu sprechen, argumentierte Reid. Es gäbe einen Grund für mich, alles auszuplaudern, wenn ich gedacht hätte, dass ich den Rest meines Lebens in einem Loch verbrächte.

Es spürte sich zwar wie Wochen an, doch nur vier Tage zuvor war eine fragmentierte Erinnerung zu ihm zurückgekommen. Vor dem Gedächtnishemmer hatte Kent Steele Information über einen vorgeplanten Krieg gesammelt, den die US-Regierung konzipierte. Er hatte mit niemandem darüber gesprochen, doch er hatte Maria offenbart, dass er sich an etwas erinnert hatte, dass eine Menge Probleme für eine Menge Leute bedeuten könnte.

Ihr Rat war einfach und direkt: Du kannst niemandem außer dir selbst vertrauen.

Er hatte es nicht zuvor gesehen, in dem Arrestzimmer, in dem sein Schicksal in Frage stand und die Schmerzmittel sein Gehirn vernebelten. Doch er sah es jetzt. Die Agentur wusste, dass er etwas wusste, doch sie wussten nicht, wie viel er wusste – oder an wie viel er sich erinnern würde. Er war sich nicht mal selbst sicher, wie viel er wirklich wusste.

Er schüttelte den Gedanken aus seinem Kopf. Jetzt, da die zweifelhaften Fragen über seine Zukunft gelöst waren, floss all die Anspannung aus seinen Schultern und er fühlte sich erschöpft und voller Schmerzen. Unter diesen Gefühlen braute sich eine sprudelnde Freude bei dem Gedanken, seine Mädchen wiederzusehen.

Es blieben ihm zwei Stunden, bevor ihr Flugzeug landete. Zwei Stunden waren mehr als genug, um nach Hause zu fahren, sich zu duschen, umzuziehen und sie dann zu treffen. Doch er entschied sich dazu, darauf zu verzichten und fuhr stattdessen direkt zum Flughafen.

Er wollte einfach nicht alleine in das leere Haus fahren.

Stattdessen stellte er das Auto auf dem Kurzzeitparkplatz von Dulles ab und betrat das Gebäude durch die Ankunft. Er kaufte sich einen Kaffee am Zeitungsstand und setzte sich in einen Plastikstuhl, nippte langsam daran, während ihm tausend Gedanken durch den Kopf gingen. Keiner davon blieb lange genug, um als bewusster Eindruck registriert zu werden, doch jeder einzelne flog vorbei, bevor er wieder zurückschwirrte, wie in einem Wirbelsturm.

Er musste Maria anrufen, entschloss er. Er musste ihre Stimme hören. Sie wüsste, was zu sagen war und selbst wenn nicht, dann gab es trotzdem immer etwas bei jedem Gespräch mit ihr, dass sein marodes Gehirn zu heilen schien. Reid hatte kein Handy, doch zum Glück gab es Telefonzellen, eine wachsende Seltenheit, im Flughafen. Dann hatte er kein Wechselgeld für die Maschine, weshalb er zuerst eine Null wählte und anschließend die Nummer, die er auswendig kannte.

Niemand ging dran. Es klingelte vier Mal, bevor der Anrufbeantworter sich meldete. Er hinterließ keine Nachricht. Er war sich nicht sicher, was er sagen sollte.

Schließlich kam endlich das Flugzeug an und eine Reihe eilender Passagiere schritt den langen Gang entlang, durch die Gates und die Sicherheitskontrolle, entweder in die Arme wartender Angehöriger oder hastig auf das Gepäckkarussell zu.

Strickland sah ihn zuerst. Agent Todd Strickland war jung, siebenundzwanzig, mit einem militärischen Haarschnitt und einem dicken Nacken. Sein Gang hatte einen Hauch von Stolz, der ihn gleichzeitig ansprechbar und autoritär erschienen ließ. Strickland schien überhaupt nicht überrascht darüber, Reid zu sehen. Die CIA hatte ihn zweifellos darüber informiert, dass man Kent Steele freigelassen hatte. Er nickte Reid nur einmal zu, während er die zwei jugendlichen Mädchen den langen Gang entlangführte.

Es schien, als hätte Strickland keiner seiner zwei Töchter gesagt, das er bei ihrer Ankunft da wäre, und Reid war ihm dankbar dafür. Maya entdeckte ihn als Nächstes und obwohl ihre Beine sich weiter bewegten, fiel ihr Unterkiefer vor Überraschung schlaff hinunter. Sara blinzelte zwei Mal, bevor ihre Lippen sich zu einem erfreuten, breiten Lächeln verzogen. Ihr Arm, der sich in Gips und einer Schlinge befand – sie hatte ihn gebrochen, nachdem sie aus einem fahrenden Zug gesprungen war – hielt sie nicht davon ab, auf ihn zuzurennen. “Papa!”

Reid ging auf ein Knie und fing sie in einer festen Umarmung auf. Maya eilte ihrer jüngeren Schwester hinterher und die drei umarmten sich für eine lange Weile.

“Wie?” flüsterte Maya heiser in sein Ohr. Beide Mädchen hatten ausreichend Grund, um zu glauben, dass sie ihren Vater für womöglich lange Zeit nicht wiedersähen.

“Wir reden später”, versprach Reid. Er löste seine Umarmung und stand auf, um sich Strickland zuzuwenden. “Danke, dass du sie sicher heimgebracht hast.”

Strickland nickte und schüttelte Reids Hand. “Ich halte nur mein Wort.” In Osteuropa war es zu einer Art von seltsamem, gegenseitigen Verständnis zwischen Reid und Strickland gekommen. Dabei hatte der jüngere Agent ihm versprochen, auf die beiden Mädchen aufzupassen, egal, ob Reid da wäre oder nicht. “Ich mach mich dann mal auf den Weg”, sagte er zu ihnen. “Seid lieb, ihr zwei.” Er grinste die Mädchen an und schritt von der kleinen Familie weg.

Die Fahrt nach Hause war kurz, dauerte nur eine halbe Stunde, und aufgrund von Saras untypischem Gerede erschien sie noch kürzer. Sie erzählte ihm, wie gut Agent Strickland sie behandelt hatte und wie die Ärzte in Polen sie selbst die Farbe ihres Gipses auswählen ließen, doch dass sie sich dennoch für das normale Beige entschieden hatte, damit sie ihn selbst mit Buntstiften anmalen konnte. Maya saß seltsam still auf dem Beifahrersitz. Hin und wieder blickte sie über die Schulter auf ihre kleine Schwester und lächelte kurz.

Als sie zu Hause in Alexandria ankamen, schien es als sei die Eingangstür ein Staubsauger für jeden fröhlichen oder erfreulichen Gedanken. Die Stimmung änderte sich im Handumdrehen. Das letzte Mal, als sie die Eingangshalle betraten, lag ein toter Mann direkt vor der Küche. Dave Thompson, ihr Nachbar, war ein pensionierter CIA Agent, der von dem Attentäter ermordet wurde, der anschließend Maya und Sara entführte.

Niemand sprach, als Reid die Tür schloss und den Code eingab, der die Alarmanlage aktivierte. Die Mädchen schienen zu zögern, überhaupt einen weiteren Schritt in das Haus zu wagen.

“Es ist in Ordnung”, sagte er ihnen leise, und obwohl er selbst kaum daran glaubte, ging er voran zur Küche, um ihnen zu beweisen, dass sie keine Angst haben müssten. Das Team der Tatort-Reinigung hatte gründlich gearbeitet, doch der starke Geruch von Salmiakgeist und die blitzblanken Fugen zwischen den Fliesen wiesen immer noch darauf hin, dass jemand hier gewesen war, das Blut aufgewischt und jegliche Spur von dem Mord, der hier stattgefunden hatte, entfernt hatte.

“Hat jemand Hunger?” fragte Reid und versuchte dabei, so sorglos zu erscheinen, dass er laut und theatralisch klang.

“Nein”, antwortete Maya leise. Sara schüttelte ihren Kopf.

“OK.” Man konnte die bedeutungsvolle Stille, die folgte, spüren, als sei sie ein unsichtbarer Ballon, der sich aufblies, um eine riesige Distanz zwischen ihnen zu schaffen. “Na dann”, sagte Reid letztendlich und hoffte, ihn zu zerbersten, “ich weiß ja nicht, wie es mit euch beiden steht, aber ich bin erschöpft. Ich glaube, wir sollten alle etwas zur Ruhe kommen.”

Die Mädchen nickten erneut. Reid küsste Sara auf den Kopf und sie schlurfte zurück in die Eingangshalle – er bemerkte, dass sie dabei näher an einer Wand entlangging, obwohl ihr nichts im Weg stand – und die Treppen hinauf.

Maya wartete, sagte nichts, doch horchte aufmerksam, bis die Schritte auf der Treppe den Teppichboden am oberen Ende erreicht hatten. Sie zog sich die Schuhe aus und fragte dann plötzlich: “Ist er tot?”

Reid blinzelte zwei Mal. “Ist wer tot?”

Maya blickte nicht auf. “Der Mann, der uns entführt hat. Derjenige, der Herrn Thompson ermordet hat. Rais.”

“Ja”, antwortete Reid leise.

“Hast du ihn getötet?” Ihr Blick war hart, aber nicht wütend. Sie wollte die Wahrheit wissen, keine weitere Deckungsgeschichte oder Lüge hören.

“Ja”, gab er nach einem langen Moment zu.

“Gut”, flüsterte sie zurück.

“Hat er euch seinen Namen verraten?” fragte Reid.

Maya nickte und sah ihn dann entschlossen an. “Da war noch ein weiterer Name, von dem er wollte, dass ich ihn weiß. Kent Steele.”

Reid schloss seine Augen und seufzte. Irgendwie schaffte Rais es immer noch, ihn weiter zu plagen, selbst über den Tod hinaus. “Damit bin ich jetzt fertig.”

“Versprichst du das?” Sie zog beide Augenbrauen hoch und hoffte, dass er ehrlich war.

“Ja. Ich verspreche es.”

Maya nickte. Reid wusste nur zu gut, dass es noch nicht zu Ende war. Sie war viel zu intelligent und wissbegierig, um die Dinge dabei zu belassen. Doch für den Augenblick schienen seine Antworten sie zu befriedigen, und sie ging die Treppe hoch.

Er hasste es, seine Töchter zu belügen. Er hasste es noch mehr, sich selbst zu belügen. Seine Einsatzarbeit war noch nicht vorbei – vielleicht die bezahlten Einsätze, doch er musste noch eine Menge tun, wenn er der Verschwörung auf den Grund gehen wollte, die er gerade erst begonnen hatte, aufzudecken. Er hatte keine Wahl, solange er etwas wusste, war er weiterhin in Gefahr. Seine Mädchen könnten sich immer noch in Gefahr befinden.

Er wünschte sich für einen Moment, nichts davon zu wissen, dass er alles vergessen könnte, was er über die Agentur wusste, über Verschwörungen, und einfach nur ein College Professor und Vater für seine Töchter sein könnte.

Doch das kannst du nicht. Also musst du das Gegenteil tun.

Er brauchte nicht weniger Erinnerungen. Er hatte dies schon ausprobiert und es hatte nicht sehr gut funktioniert. Er brauchte mehr Erinnerungen. Je mehr er sich an das erinnern könnte, was er vor zwei Jahren wusste, desto weniger müsste er arbeiten, um die Wahrheit aufzudecken. Vielleicht müsste er sich nicht mehr lange sorgen.

Während er da in der Küche stand, nur ein paar Meter von dem Flecken entfernt, an dem Thompson ermordet wurde, traf Reid seine Entscheidung. Er würde den alten Brief von Alan Reidigger finden – und damit auch den Namen des schweizer Neurologen, der den Gedächtnishemmer in seinen Kopf implantiert hatte.

Kapitel eins

Abdallah bin Mohammed war tot.

Der Körper des alten Mannes lag auf einer Granitplatte im Hof des Lagers, einer ummauerten Gruppe von verschachtelten, beigen Gebäude, die etwa achtzig Kilometer westlich von Albaghdadi in der Wüste Iraks lag. Dort hatte die Brüderschaft sowohl den Ausschluss von Hamas als auch die Überwachung durch amerikanische Streitkräfte während der Besetzung und darauffolgenden Demokratisierung des Landes überlebt. Für jegliche Person, die nicht der Brüderschaft angehörte, war das Lager lediglich eine Kommune orthodoxer Schiiten. Razzien und erzwungene Kontrollen des Geländes hatten nichts ergeben. Ihre geheimen Lager waren gut versteckt.

Der alte Mann hatte sich persönlich um ihr Überleben gekümmert, sein Vermögen im Dienst der Aufrechterhaltung ihrer Ideologie ausgegeben. Doch jetzt war bin Mohammed tot.

Awad stand stoisch neben der Platte, auf dem die aschfarbene Leiche des alten Mannes aufgebahrt war. Bin Mohammeds vier Gattinnen hatten ihm schon ghusl zukommen lassen. Sie wuschen seinen Körper drei Mal, bevor sie ihn in Weiß kleideten. Seine Augen waren friedlich geschlossen, seine Hände über seine Brust gekreuzt, die Rechte über die Linke. Die Leiche hatte keinen Flecken oder Kratzer, während der letzten sechs Jahre hatte er in der Anlage gelebt und war dort gestorben, ihre Mauern nicht verlassen. Er wurde nicht durch Granatfeuer oder Drohnenangriffe, wie so viele andere Mudschaheddin, getötet.

“Wie?” fragte Awad auf arabisch. “Wie starb er?”

“Er hatte Nachts einen Krampfanfall”, antwortete Tarek. Der kleinere Mann stand auf der anderen Seite der Steinplatte Awad gegenüber. Viele in der Brüderschaft sahen Tarek als den stellvertretenden Kommandeur nach bin Mohammed an, doch Awad wusste, dass seine Aufgabe kaum die eines Boten und Betreuers überschritt, als die Gesundheit des alten Mannes sich verschlechterte. “Der Anfall rief einen Herzinfarkt hervor. Es dauerte nur einen Augenblick. Er litt nicht.”

Awad legte eine Hand auf die stille Brust des alten Mannes. Bin Mohammed hatte ihm viel beigebracht, nicht nur bezüglich des Glaubens, sondern auch was die Welt anging, die vielen Notlagen in ihr, und was es bedeutete, ein Anführer zu sein.

Und er, Awad, sah nicht nur eine Leiche vor sich, sondern ebenfalls eine Chance. Drei Nächte zuvor hatte Allah ihn mit einem Traum beschenkt, doch jetzt war es schwer, ihn nur so zu nennen. Er war prophetisch. In ihm sah er Mohammeds Tod und eine Stimme sagte ihm, dass er aufstiege und die Brüderschaft anführte. Die Stimme, so war er sich sicher, gehörte dem Propheten, er sprach im Auftrag des Einen Wahren Gottes.

“Hassan ist auf einem Munitionsraubzug”, gab ihm Tarek leise zu wissen. “Er weiß noch nicht, dass sein Vater verstorben ist. Er kommt heute zurück. Bald schon wird er erfahren, dass es jetzt an ihm liegt, die Brüderschaft anzuführen—”

“Hassan ist schwach”, entfuhr es Awad schärfer, als er es eigentlich vorhatte. “Während Mohammeds Gesundheitszustand sich verschlechterte, tat Hassan nichts, damit wir nicht schwächer würden.”

“Doch…”, Tarek zögerte. Er war sich Awads aufbrausendem Temperament nur zu gut bewusst. “Die Pflichten der Führerschaft fallen auf den ältesten Sohn—”

“Das ist hier keine Dynastie”, gab Awad zurück.

“Wer denn dann…?” Tarek hielt inne, als er bemerkte, worauf Awad anspielte.

Der jüngere Mann verengte seine Augen zu einem Schlitz, doch sagte nichts. Das war nicht nötig, ein stechender Blick reichte schon als Drohung aus. Awad war jung, noch nicht einmal dreißig, doch er war groß und stark, sein Kiefer so steif und unnachgiebig wie sein Glaube. Nur Wenige erhöben das Wort gegen ihn.

Назад Дальше