Nur den Auserwählten - Морган Райс 2 стр.


„Wolf!“, rief Mathilde, als sich ihr Pferd aufbäumte.

Es war jedoch nicht wirklich ein Wolf. Die Kreatur war größer und hatte gleichermaßen Ähnlichkeiten mit einem Fuchs, als auch mit einem Wolf. Ihre Zähne waren lang und ihre Krallen wirkten scharf. Sie war blutüberströmt und es schien offensichtlich, dass das Blut von den Männern stammte.

„Kein Wolf“, sagte Neave. „Ein Bhargir, ein magisches Geschöpf.“

„Nur ein großer Wolf“, antwortete Sir Bolis, während er abstieg und sein Schwert zog.

„Kein Wolf“, beharrte Neave. „Mein Volk erzählt Geschichten über diese Kreaturen. Manche sagen, dass sie von bösen Magiern erschaffen wurden, andere meinen, dass sie die Seelen der Toten sind, oder Männer, die das Fell von zusammengenähten Bestien tragen und sich verwandeln.“

Was auch immer die Kreatur war, sie sah wütend aus. Sie knurrte, bewegte sich vorwärts und fixierte Royce mit ihren gelben Augen. Einen Moment lang glaubte Royce, sie würde sich auf ihn stürzen. Dann landete Ember wieder auf seiner Schulter.

„Sein Name ist Gwylim.“

„Wer?“, fragte Royce. „Was passiert hier, Lori?“

Der Vogel flog wieder davon und Royce nahm an, dass er sowieso keine Antworten bekommen hätte. Er blickte zurück und sah, wie sich Sir Bolis näherte, sein Schwert erhoben, als wollte er die Bestie damit zu Fall bringen.

„Es ist in Ordnung“, sagte er. „Ich kümmere mich darum.“

Der Ritter holte mit seiner Klinge aus und, fast ohne nachzudenken, stürzte sich Royce dazwischen und griff nach dem Arm des jungen Ritters.

„Warte“, sagte er. „Warte, Bolis.“

Er spürte, wie der Ritter seinen Angriff zurückzog, aber Bolis hielt seine Klinge immer noch bereit.

„Dieses Ding hat zwei Männer getötet und bedroht uns“, sagte Bolis. „Wir sollten es töten, bevor es jemand anderem Schaden zufügt!“

„Noch nicht“, erwiderte Royce. Er wandte seinen Blick auf das… wie hatte Neave es genannt? Einen Bhargir? Jetzt konnte er sehen, dass nicht das gesamte Blut von den Männern stammte. Es hatte eine Wunde an seiner Seite, welche seine gesamte Flanke entlanglief. Kein Wunder, dass die Kreatur knurrte.

„Gwylim?“, fragte Royce.

Beinahe sofort nachdem er es gesagt hatte, hörte das Knurren auf und der Bhargir legte seinen Kopf zur Seite, eindeutig schlauer als jeder Wolf.

„Du kannst einiges von dem verstehen, was ich sage, nicht wahr?“, vermutete Royce. „Die Hexe Lori hat mich gesandt. Wenn sie deinen Namen kennt, dann kennst du sie vielleicht auch?“

Die Kreatur hatten offensichtlich keine Möglichkeit zu antworten, doch sie schien sich zu beruhigen und legte sich zu Royces Füßen. Während der Bhargir dies tat, bemerkte Royce etwas Unmögliches: Die Wunde an seiner Seite begann sich mit unglaublicher Geschwindigkeit zu schließen. Nichts an dieser Kreatur war normal.

Royce wusste nicht, was er tun sollte. Lori hatte ihn offensichtlich nicht ohne Grund zu dieser Kreatur geschickt, aber was war der Grund? Er sah sich im Haus um und versuchte es herauszufinden, doch das Haus wirkt leergeräumt und sein Inhalt war offensichtlich Teil des Feuers geworden. Warum würden Plünderer wie die zwei toten Männer so etwas tun?

Ohne eine Antwort zu finden bewegte sich Royce zurück zu seinem Pferd. Er bemerkte, dass der Bhargir ihn beobachtete, während er so nahe am Feuer saß, dass seine Augen in der Hitze glühten.

„Ich weiß nicht, was ich mit dir machen soll“, sagte er. „Aber ich schätze, dass du klug genug bist, um das selbst zu entscheiden. Willst du mit uns kommen?“

Als Antwort darauf trottete das wolfartige Biest vorwärts und ließ sich neben Royces Pferd nieder. Royce war sich ziemlich sicher, dass er keine Probleme haben würde, bei ihrer Geschwindigkeit mitzuhalten.

„Wir nehmen jetzt auch Monster mit?“, fragte Sir Bolis.

„Es ist nicht fremder als der Rest von uns“, erwiderte Mathilde.

„Es ist um einiges gefährlicher“, sagte Neave mit ernstem Gesichtsausdruck. „Das ist keine gute Idee.“

Gute Idee oder nicht, Royce war sich sicher, dass es so sein sollte. Er beschleunigte sein Pferd und machte sich erneut auf den Weg nach Ablaver, während Ember über ihm schwebte und die Richtung vorgab. Sollte der Vogel irgendeine Ahnung davon haben, warum sie den Bhargir finden sollten, der ihnen nun folgte, so würde er keine Antworten geben.

* * *

Royce konnte die Stadt Ablaver bereits riechen, bevor er sie erblickte. Der Geruch von Fisch vermischte sich auf eine solche Art mit dem Ozean, dass man bereits erahnen konnte, was hier passierte. Es war ein Geruch, der ihn zur Umkehr drängte, doch er ritt weiter.

Der Blick auf die Stadt war keine große Verbesserung, denn die Walfangstation auf der einen Seite machte sie zu einem hässlichen Ort. Der Anblick der gigantischen, wunderschönen Kreaturen, die hier ausgeweidet wurden, löste bei Royce beinahe Brechreiz aus. Er konnte sich noch zurückhalten, doch es verlangte ihm alles ab.

„Wir dürfen niemandem sagen, wer wir sind“, warnte er die anderen.

„Denn eine Gruppe aus Picti und Rittern könnte alles sein“, fügte Mark hinzu.

„Wenn uns jemand fragt, dann sind wir Söldner aus dem Krieg, auf der Suche nach einer neuen Anstellung“, sagte Royce. „Die Menschen werden wahrscheinlich denken, dass wir Desserteure, Banditen oder ähnliches sind.“

„Ich will nicht, dass andere denken, ich wäre ein Bandit“, sagte Bolis. „Ich bin ein treuer Krieger von Graf Undine!“

„Und die beste Art, ihm treu zu bleiben, ist eben so zu tun, als wärst du etwas anderes“, sagte Royce. Die Nachricht schien bei dem Ritter anzukommen. Er schmierte sogar Schlamm auf sein Schild, während er vor sich hinmurmelte, damit niemand das Wappen sehen konnte. „Behaltet eure Kapuzen auf. Besonders du, Neave.“

Royce war sich nicht sicher, wie die Bewohner der Stadt auf die Picti in ihrer Gruppe reagieren würden. Er wollte sich nicht durch die gesamte Stadt kämpfen müssen. Es war schlimm genug, dass Gwylim immer noch neben ihm herlief, der viel zu groß und furchteinflößend für einen Wolf wirkte.

Sie machten sich auf den Weg in die Stadt und sahen sich zwischen den heruntergekommenen Häusern um, während sie sich den Docks und den wartenden Schiffen näherten. Die meisten waren nicht viel mehr als Fischerboote, aber einige der Walfangschiffe waren größer und darunter befanden sich Segel- und Langschiffe, die so aussahen, als stünden sie zum Verkauf.

Es gab Tavernen, aus denen Royce die betrunkenen Festlichkeiten und die gelegentliche Gewalt vernehmen konnte, und Marktstände, an denen ranziges Fleisch neben feiner ausländischer Ware verkauft wurde.

„Wir sollten uns aufteilen“, schlug Mathilde vor. Sie schien es auf eine Taverne abgesehen zu haben.

Royce schüttelte den Kopf. „Wir müssen zusammenbleiben. Wir marschieren zu den Docks, suchen uns ein Schiff und dann können wir auf Erkundungstour gehen.“

Mathilde wirkte nicht sehr glücklich damit, aber sie machten sich trotzdem auf den Weg zu den Docks. Niemand schien dort in Eile zu sein. Auf den Schiffdecks standen Seemänner gemütlich herum oder saßen in der Sonne.

„Wie sollen wir es machen?“, fragte Mark, während er sich umsah. „Ich glaube nicht, dass es besonders einfach wird, einen Kapitän zu finden, der zu den Sieben Inseln fährt.“

Royce war sich nicht sicher, ob es darauf eine gute Antwort gab. Er sah nur eine Möglichkeit und die war alles andere als unauffällig.

„Hört mir zu!“, rief er über den Tumult der Docks. „Ich brauche ein Schiff. Gibt es hier einen Kapitän, der bereit ist, zu den Sieben Inseln zu segeln?“

„Ist das wirklich klug?“, fragte Bolis.

„Wie sonst sollen wir jemanden finden?“, erwiderte Royce. Selbst wenn sie in eine Taverne gingen und still und leise danach fragten, würden sich die Neuigkeiten schnell herumsprechen. Vielleicht war es auf diese Art sogar besser. Er erhob seine Stimme erneut: „Ich frage nochmal: Wer kann uns zu den Sieben Inseln bringen?“

„Warum willst du dorthin?“, rief eine Männerstimme zurück. Der Mann, der nach vorne marschierte, trug helle Seidenstoffe eines Kaufmanns und hatte einen großen Bauch, der von einem etwas zu angenehmen Leben zeugte.

„Wir haben dort geschäftlich zu tun“, antwortete Royce, der nicht mehr sagen wollte. „Dort warten Leute, die mich und meine Begleiter anheuern möchten.“

Der Mann kam noch näher. Royce beobachtete sein Gesicht und suchte nach einem Zeichen, dass der Mann sie erkannt hatte. Aber er entdeckte nichts.

„Als was?“, fragte der Mann. „Seid ihr Narren, Gaukler?“

Royce schaltete schnell. Vielleicht konnten sie nicht so einfach als Söldner durchgehen, aber das…

„Natürlich“, sagte er und stellte sicher, dass er Bolis nicht in die Augen sah. „Wir haben eine Anstellung auf den Sieben Inseln.“

„Die Bezahlung muss gut sein, damit ihr dort hingeht“, sagte der Kapitän. „Was bedeutet, dass ihr gut bezahlen könnt, nicht wahr?“

Royce zog einen kleinen Beutel hervor. „Bis zu einem gewissen Grad.“

Wenn es ihn zu seinem Vater bringen würde, war er bereit jede Münze in der Tasche zu bezahlen. Er warf den Beutel in Richtung des Kapitäns, der sie auffing.

„Ist das genug?“, fragte Royce.

Das war die andere Gefahr. Der Kapitän könnte sich umdrehen, das Geld nehmen und damit zurück zu seinem Schiff laufen. Es gab nichts, was Royce dagegen tun konnte, denn es würde seine Deckung auffliegen lassen. Einen Monat lang schien alles stehenzubleiben.

Dann nickte der Kapitän. „Aye, es ist genug. Ich werde euch in einem Stück zu den Sieben Inseln bringen. Danach seid ihr auf euch alleine gestellt.“

Kapitel zwei

Genevieve stolperte benebelt aus der Stadt und konnte kaum fassen, was in Altfors Schloss passiert war. Sie war voller Hoffnung dort angekommen, doch jetzt fühlte sie sich, als wäre sie komplett leer. Jetzt, nachdem die Streitkräfte des Herzogs besiegt waren, nachdem Royce gesiegt hatte, dachte sie, dass sie endlich zu ihm gehen könnte. Mit ihm zusammen sein könnte.

Stattdessen erinnerte sie sich an den Anblick des Rings an Olivias Finger, der die Verlobung zu dem Mann bestätigte, den sie liebte.

Genevieve stolperte, als ihr Fuß an einer steinigen Stelle am Boden hängen blieb und der Schmerz in ihren verdrehten Knöchel schoss. Sie humpelte weiter, denn wohin sollte sie sonst gehen? Es war nicht so, als würde ihr hier draußen auf dem Heideland irgendjemand helfen.

„Ich hätte auf die Hexe hören sollen“, sagte sie zu sich selbst, während sie weiterlief. Die Frau, Lori, hatte versucht sie davor zu warnen, dass sie im Schloss nur Kummer erwarten würde. Sie hatte Genevieve zwei Pfade gezeigt und versprochen, dass sie glücklicher mit dem Weg werden würde, der nicht zu Royce führte. Genevieve hatte ihr nicht geglaubt, doch jetzt… jetzt fühlte es sich so an, als würde ihr Herz zerbrechen.

Ein Teil von ihr fragte sich, ob es noch möglich war, den zweiten Pfad einzuschlagen, aber schon während sie darüber nachdachte, war ihr klar, dass diese Option verflogen war. Es war nicht nur, dass sie jetzt nicht in derselben Situation war. Es lag vor allem daran, dass sie gesehen hatte, was mit Royce passiert war, und nie wieder mit jemand anderem glücklich werden konnte.

„Ich muss nach Fallsport“, sagte Genevieve. Sie hoffte, dass der Weg sie zur Küste bringen würde. Früher oder später würde sie dort ankommen und ein Boot finden, das sie dorthin führen würde, wo sie hinmusste.

Sheila musste bereits in Fallsport sein. Genevieve könnte sie treffen und gemeinsam würden sie einen Weg finden, das Beste aus der Situation zu machen. Vorausgesetzt, dass es so etwas wie das Beste überhaupt gab. War es überhaupt möglich, etwas Positives darin zu finden, dass sie mit Altfors Kind schwanger war, von dem Mann verlassen worden war, den sie liebte, und das gesamte Herzogtum im Chaos versank?

Genevieve wusste es nicht, aber vielleicht konnte sie mit der Hilfe ihrer Schwester ihre Perspektive ändern.

Sie wanderte weiter über das Heideland, während ihr Hunger immer größer wurde und die Müdigkeit in ihren Knochen steckte. Vielleicht wäre es leichter zu ertragen, wenn sie wüsste, wie weit es noch war oder wann sie das nächste Mal etwas zu essen finden würde, aber stattdessen schien sich das Heideland vor ihr in die Unendlichkeit zu ziehen.

„Vielleicht sollte ich mich einfach hinlegen und sterben“, sagte Genevieve und obwohl sie es nicht wirklich meinte, wollte ein Teil von ihr… nein, so würde sie nicht denken. Würde sie nicht.

In der Ferne konnte Genevieve Menschen erspähen, doch sie entfernte sich von ihnen. Sie zu treffen, würde in keinem Fall gut ausgehen. Als Frau alleine in der Wildnis war sie durch jede Gruppe von Desserteuren, Soldaten oder sogar Rebellen bedroht. Als Braut von Altfor hatten die Truppen von Royces Armee auch keinen Grund sie zu verschonen.

Stattdessen ging sie in die entgegengesetzte Richtung, bis die Menschen aus ihrem Sichtfeld verschwunden waren. Sie würde es alleine schaffen.

Nur, dass sie nicht wirklich alleine war. Genevieve legte eine Hand auf ihren Bauch, als könnte sie spüren, wie das Leben in ihr heranwuchs. Altfors Baby, aber auch ihres. Sie musste einen Weg finden, um ihr Kind zu beschützen.

Sie ging immer noch weiter, als die Sonne hinter dem Horizont zu verschwinden begann und das Heideland in feuriges Rot tauchte. Doch es war kein Feuer, dass Genevieve warmhalten würde, und sie konnte bereits sehen, wie ihr Atem kleine Dunstwolken hervorbrachte. Es würde eine kalte Nacht werden. Im besten Fall würde sie eine Höhle oder einen Graben finden, in dem sie sich zusammenkauern konnte, während sie mit gefundenem Torf oder Unkraut versuchte, ein echtes Feuer zu machen.

Im schlechtesten Fall würde es ihren Tod bedeuten, erfroren in einem Moor, das seinen Besuchern keine Gnade entgegenbrachte. Vielleicht war das noch besser, als ziellos hindurchzuwandern, bis sie verhungerte. Ein Teil von Genevieve wollte sich einfach hinsetzen und den Lichtern beim Tanzen zusehen bis…

Auf einmal wurde Genevieve klar, dass nicht alle orangen und roten Farbklekse auf der Moorlandschaft eine Reflektion des Sonnenlichts waren. Dort, in der Ferne, konnte sie ein Licht sehen, das so aussah, als käme es aus einer Art Gebäude. Dort waren Menschen.

Gerade noch hatte sie der Anblick von Menschen zum Umkehren gebracht, doch das war, als Tageslicht und Wärme vorhanden waren und andere Leute nur eine reine Gefahr dargestellt hatten. Jetzt, in der Dunkelheit und der Kälte waren diese Gefahren durch die Hoffnung eines Zufluchtsorts ausgeglichen.

Genevieve humpelte auf das Licht zu, obwohl jeder weitere Schritt sich wie ein Kampf anfühlte. Sie spürte, wie ihre Füße tiefer in den torfigen Untergrund des Heidelands sanken und die Disteln dabei an ihren Beinen kratzten. Es fühlte sich wie eine natürliche Barriere an, in der sich Wanderer verwickeln und zerkratzen sollten, um schlussendlich ihren Willen zu verlieren, sie zu durchqueren. Trotz allem hörte Genevieve nicht auf zu gehen.

Langsam kamen die Lichter näher und während der Mond den Himmel erklomm und die Landschaft erhellte, erblickte sie eine Farm. Genevieve ging ein wenig schneller und bewegte sich so schnell sie trotz ihrer Schmerzen und Erschöpfung konnte darauf zu. Sie näherte sich und jetzt kamen Menschen aus dem Gebäude.

Einen Moment lang schreckte Genevieve zurück und wollte wieder davonlaufen. Sie wusste jedoch, dass sie das nicht mehr konnte, und so stolperte sie weiter, bis sie den Bauernhof erreichte. Ein Mann und eine Frau standen auf dem Hof mit Ackergeräten in den Händen, als erwarteten sie einen Angriff. Der Mann hielt eine Mistgabel hoch, während die Frau eine Sichel trug. Als sie erkannten, dass Genevieve alleine war, nahmen sie die Werkzeuge herunter.

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