Köder Null - Джек Марс 8 стр.


„Hä?“

„Das war es, was Bixby mir erzählte“, erklärte er schnell. „Ich habe mich so darauf konzentriert, diesen Connor zu finden, dass ich nicht mal daran gedacht habe, den Neurochirurgen aufzuspüren! Wie viele von denen könnten sich in den Akten der CIA der letzten fünf Jahre befinden? Ganz bestimmt viel weniger!“ Er schüttelte aufgeregt den Aktenordner. An Stelle von über hundert Möglichkeiten könnten sie es stark eingrenzen. Vielleicht wären es dann noch ein paar Dutzend, vielleicht auch weniger?

Alan seufzte. „Na gut. Du willst also, dass ich eine weitere…“

„Ja, ich will, dass du eine weitere Suche durchführst.“

„Ich hoffe, du weißt, dass mich der Aktenordner hier fünftausend Dollar gekostet hat.“

„Ich gebe dir einen Drink aus.“ Null grinste, doch wurde schnell wieder ernst. „Bitte.“

„Du weißt doch, dass ich alles für dich tun würde, mein Freund.“ Alan stellte den Motor ab. Dieses Mal gab es kein „aber“. Es war eine einfache Tatsache und Null wusste das. Alan hatte nicht nur sein Leben mehr als einmal gerettet, sondern auch die Leben seiner Töchter. Er hatte alles Menschenmögliche getan, um Null öfter, als er zählen konnte, aus Schwierigkeiten zu helfen. Alan hatte sogar seinen eigenen Tod gefälscht, sein Leben für ein paar Jahre aufgegeben und Null zuliebe auf der Flucht vor dem Gesetz gelebt.

Noch schlimmer war es, dass auch das Gegenteil stimmte. Er würde alles für Alan tun… doch Alan hatte ihn noch nie um etwas gebeten. Zumindest nichts so Bedeutendes, wie das, was er schon getan hatte und auch immer noch für Null tun würde. Der Motor verstummte, doch die darauffolgende Stille im Skylark war fast schon feierlich.

„Danke“, sagte Null leise. „Du weißt, dass ich ohne dich nicht sehr weit käme.“

„Ohne mich wärst du tot.“ Alan grinste, obwohl es die Wahrheit war. „Also finden wir jetzt den Neurochirurgen…“

„Finden alles heraus, was er über den Fall weiß…“

„Dann finden wir den Agenten…“

„Und hoffen, dass er nicht tot ist“, schloss Null ab.

„Nichts leichter als das“, lachte Alan zu sich selbst, doch wurde schnell wieder ernst. „Wir werden den Typen finden. Aber dann gibst du mir zwei Drinks aus.“

*

Das Gemeindezentrum roch aus irgendeinem Grund nach Holzspäne. Jeder Raum, selbst die Gänge, rochen wie ein Hamsterkäfig. Sara dachte, dass der Geruch möglicherweise von dem Spielplatz draußen stammte, doch es war Februar. Die Fenster waren geschlossen und der Boden gefroren. Warum roch es trotzdem nach Streu?

Sie versuchte, nicht darüber nachzudenken, während sie den Pinsel in sanften Strichen bewegte. Es waren vierzehn im Unterricht, von ihrem Alter bis hin zu einem buckeligen, glatzköpfigen Mann, den sie für über sechzig hielt. Sie saßen auf Hockern an ihren Staffeleien, die im Kreis aufgestellt waren. Im Zentrum befand sich eine Schüssel Plastikobst auf einem Podest. Stillleben nannte man das.

Sara lachte fast laut. Stillleben. Bis vor ein paar Wochen war das noch eine ziemlich gute Metapher für ihre Gefühle.

Die Kunstlehrerin war eine zerbrechlich erscheinende, unkonventionell gekleidete Dame namens Ms. Guest, die Kaftans und eulenhafte Brillen trug. Sie zog sich Kopftücher über ihre krause, blonde Mähne. Sie ging langsam ihre Runden um den Kreis der Schüler. Hin und wieder hielt sie inne, um ein paar ermutigende Worte von sich zu geben, wie etwa „ja, gut“ und „wunderbare Perspektive, Mark“.

Sara spürte, wie ihr Rücken sich instinktiv - abwehrend- zusammenzog, als die Lehrerin hinter ihrer Staffelei Halt machte.

„Meine Güte“, hauchte Ms. Guest ihr ins Ohr. „Was für eine Vision, Sara. Es gibt hier keine falschen Antworten, aber bitte erkläre mir doch: was hat dich dazu inspiriert, die Banane rosa zu malen?“

Zuerst wollte sie die Frau auf den Arm nehmen, sie naiv ansehen und sagen: Was meinen Sie damit? Ist das nicht die richtige Farbe? So sieht sie für mich aus. Stattdessen biss sie sich auf die Lippe und überlegte sich eine Antwort, die eine Kunstlehrerin eines Gemeindezentrum für tiefgründig halten würde.

„Na ja“, sagte Sara mit einer dramatischen Pinselbewegung, „alle anderen sind gelb.“

Ms. Guest legte eine Hand auf ihr Herz. „Meine Liebe, du wirst noch große Dinge in dieser Welt verrichten.“

Sara hielt ein Lachen zurück, als die Lehrerin weiterging. Vielleicht war der Kunstunterricht ein Fehler. Doch sie hatte seit ziemlich langer Zeit nichts gemalt oder gezeichnet. Sie hasste zwar die Therapeutin in dieser lächerlichen Rehabilitationsanstalt, aber vielleicht hatte sie doch etwas Wahres gesagt, als sie vorgeschlagen hatte, dass Sara eine Leidenschaft finden sollte. Etwas, das sie liebte und an das sie sich während schlechter Zeiten wenden konnte. Malerei sollte es sein.

Es waren immer noch dunkle, schlechte Zeiten für sie. Der schlimmste Teil ihrer Abhängigkeit lag hinter ihr, selbst die Entzugserscheinungen waren jetzt geringer. Sie hatte seit Thanksgiving nicht mal eine Aspirin eingenommen. Doch sie fürchtete sich weiterhin vor der Dunkelheit in ihr. Die Möglichkeit, dass ihre Dämonen jederzeit wieder zurückkommen könnten, erschien ihr nur zu real. Sie befürchtete, dass die Dunkelheit in ihr sie eines Tages überrumpeln und überwältigen könnte, sie zurück in den tiefschwarzen, mentalen Abgrund stoßen würde, aus dem sie nicht mehr entkommen könnte.

Sie lachte fast schon wieder über sich selbst. Du bist wirklich eine gepeinigte Seele. Wenn Maya hier wäre, dann würde sie vermutlich vorschlagen, dass Sara sich ein wenig selbstkritischen Sarkasmus zulegen sollte, um mit der Situation umzugehen.

Doch Maya war nicht hier, weshalb Sara stattdessen rosa Plastikobst malte. An den Abenden lernte sie für ihren High School Abschluss. Normalerweise würde sie sich nicht so motiviert fühlen, doch die neue Einstellung ihres Vaters war einfach ein bisschen inspirierend. Das würde sie natürlich niemals offen zugeben! Sie machte sich zwar über ihn lustig, aber sie freute sich über die Veränderung.

Der war trotzdem echt komisch. Menschen verändern sich nicht einfach so. Es gab immer einen Grund, einen Auslöser. Bei ihr war es die Genesung von ihrer Drogenabhängigkeit. Ihr Vater behielt seine Motivation für sich, das wusste sie. Doch sie hatte ihre eigenen Probleme, und Maya auch, weshalb keine der beiden weitere Fragen stellte.

„Leider ist unsere Zeit heute vorbei“, verkündete Ms. Guest. „Ich muss jetzt zu meinem Keramikunterricht. Ihr könnte eure Gemälde hier trocknen lassen, aber bitte reinigt eure Pinsel, bevor ihr geht. Danke!“

Sara seufzte. Sie hatte ihren Apfel orange gemalt und dachte darüber nach, ihn einfach zu einem Kürbis zu machen, doch das müsste warten. Sie räumte pflichtbewusst ihren Arbeitsplatz auf, hob ihren Rucksack auf eine Schulter und ging den Gang hinunter, der immer noch nach Zedernsägespäne roch.

Sie ließ sich Zeit, schlurfte und hatte es gar nicht eilig, mit dem Rad durch die Kälte nach Hause zu fahren. Maya hatte ihr angeboten, sie abzuholen, aber Sara wollte sie nicht stören oder sich von jemandem abhängig machen. Außerdem weckte sie der kalte Wind, der ihr ins Gesicht peitschte, auf.

Auf dem Weg zum Ausgang spähte sie in verschiedene Räume des Gemeindezentrums. Es fand Kindergymnastikunterricht statt. Ein Haufen von Bengeln, die sich auf Matten rollten und versuchten, einen Handstand zu machen. Sie kam am Töpfereiunterricht vorbei, Englisch-als-Fremdsprache, ein Computersaal…

Die Tür zu ihrer Linken stand nur ein paar Zentimeter weit offen, sie konnte nicht hineinsehen. Doch als sie vorbeikam, wehte ein Gesprächsfetzen heraus zu ihr.

„Ich hatte mir selbst versprochen, dass ich nie wieder Heroin nehmen würde.“

Sara erstarrte. Sie hatte wortwörtlich einen Fuß noch in der Luft und reckte ihren Hals in Richtung Tür.

„Aber wie ihr euch vorstellen könnt“, sagte eine Frau ernst aus dem Inneren, „hatte meine Abhängigkeit etwas anderes im Sinn. Eines Tages ging es mir richtig schlecht, da hielt ich es nicht mehr aus. Ich kannte einen Typen in der Nachbarschaft. Ich rief ihn an.“

An der Tür hing ein Schild. Es war ein einfaches Blatt weißes Papier mit einigen Worten, die in schwarzer Tinte darauf geschrieben standen. Mit Klebeband war es an der Tür befestigt.

Zusammengehörigkeit

Trauma teilen, Hoffnung teilen

„Es waren nur ein paar Minuten.“ Die Frau drinnen sprach leiser, fast so leise, dass Sara sie nicht mehr hören konnte. Sie drückte die Tür sanft auf, nur ein paar Zentimeter weiter. „Ich ließ meinen zweijährigen Sohn allein in der Wohnung, doch es waren nur ein paar Minuten.“ Im Zimmer konnte Sara Frauen sehen, die sich in einem Halbkreis gegenübersaßen. Ihre Gesichtsausdrücke waren ernst und traurig.

„Doch während dieser paar Minuten entschied sich mein Ex-Freund - der Vater meines Babys - vorbeizuschauen.“ Die Frau starrte auf den Boden, während sie sprach. Ihre Haut war blass und sie trug kein Makeup. Ihr braunes Haar hatte sie hastig zu einem einfachen Zopf gebunden. „Ich kam mit einem Tütchen Drogen in der Hand zurück und sah meinen Sohn in seinen Armen. Das war der Tag, an dem ich ihn verlor…“

Plötzlich erschien ein Gesicht in der halb geöffneten Tür. Sara erschreckte sich und sprang zurück. Die Frau lächelte ihr zu. Sie sah gleichzeitig jung und doch matronenhaft aus, wie eine Fußballmama aus der Vorstadt, welche die Freunde ihrer Kinder einlädt, zum Abendessen zu bleiben und Nein nicht als Antwort gelten lässt.

„Hallo“, sagte die Frau leise, um nicht das Treffen hinter ihr zu unterbrechen. „Bist du für Zusammengehörigkeit hier?“

„Ich, äh…“ Sara räusperte sich und schüttelte schnell den Kopf. „Nein. Das bin ich nicht. Ich spähte nur hinein. Tut mir leid.“

„Schon in Ordnung.“ Die Frau ging in den Gang hinaus und schloss sanft die Tür hinter sich. „Wir sind eine Selbsthilfegruppe für Frauen, die verschiedene Arten von Trauma erlebt haben. Drogenabhängigkeit, häusliche Gewalt, posttraumatische Belastungsstörung, Depressionen… Wir erzählen einander unsere Erlebnisse und durch die anderen finden wir -“

„Zusammengehörigkeit“, murmelte Sara. „Ja, ich verstehe.“

Die Frau lächelte. „Super.“ Dann tat sie etwas seltsames - sie blickte Sara direkt in die Augen. Sie runzelte zwar die Stirn, als wäre sie verärgert, doch das Lächeln verließ nie ihre Lippen. Sara gefiel der Blick gar nicht. Es kam ihr vor, als ob die Frau in ihr… lesen würde.

„Bist du dir sicher, dass du nicht hereinkommen möchtest? Du kannst dich einfach setzen und zuhören. Du musst nichts sagen.“

„Nein. Danke. Ist schon… in Ordnung.“ Sara ging noch einen Schritt zurück. „Ich wollte eigentlich gerade gehen.“ Ihr ging es auch ohne Rehabilitation gut, sie brauchte ganz bestimmt keine „Selbsthilfegruppe“.

Sie drehte sich um, doch die Frau redete weiter. „Ich heiße übrigens Maddie.“

„Sara“, rief sie über ihre Schulter.

„Schön, dich kennenzulernen. Wir sehen uns noch, Sara.“

Das werden wir nicht. Sara eilte den Gang entlang. Plötzlich fand sie das kalte Februarwetter in Maryland gar nicht mehr so schlimm.

KAPITEL SECHS

Maya starrte das Handy in ihrer Hand an. Der Anrufspeicher war offen, die Nummer stand direkt da. Sie musste sie nur antippen.

Vielleicht morgen.

Sie saß im Schneidersitz auf ihrem Doppelbett, das in der gegenüberliegenden Ecke von Saras Bett stand. Zwischen den beiden war etwa ein Meter Platz. Ihre Unterkunft war zwar etwas eng - doch gar nicht so unähnlich den Kasernen, an die sie sich in West Point gewöhnt hatte. Sara hatte in Jacksonville vier Mitbewohner gehabt, also war ihr Wohnarrangement für beide kein Problem. Mehr als einmal hatten sie das Angebot ihres Vaters, in das größere Schlafzimmer der Wohnung umzuziehen, abgelehnt.

Maya warf das Handy auf die Zudecke neben das Buch Ulysses, das sie größtenteils ignorierte (ihr Vater nannte es einen „Triumph in Masochismus“), und einen angebissenen Proteinriegel. Sie wollte einfach anrufen. Das täte sie auch. Aber nicht heute.

Die Nummer, die sie sich nicht traute zu wählen, würde sie mit dem Büro der Dekanin von West Point, Brigadier-General Joanne Hunt, verbinden. In den letzten Wochen hatte Dekanin Hunts Büro Maya vier Mal angerufen. Sie hatten allerdings keine Mailbox-Nachrichten oder sonstigen Anzeichen für den Grund ihrer Anrufe hinterlassen.

Das brauchten sie auch nicht, Maya wusste warum. Nach dem fürchterlichen Erlebnis in einem Umkleideraum für Mädchen, in dem es zu einer Auseinandersetzung mit drei Jungs gekommen war, von denen Maya zwei schwer zusammengeschlagen und den dritten fast umgebracht hatte, hatte ihr Dekanin Hunt netterweise angeboten, den Rest des Herbstsemesters auszusetzen, damit sie im Januar nach den Winterferien wieder zurückkommen konnte.

Doch Maya war nicht zurückgekehrt und jetzt war es zu spät dafür. Sie hatte zu viel verpasst. Sie hatte ihre Ausbildung um mindestens sechs Monate unnötigerweise verlängert - das war ein gewaltiger Schlag, wo es doch ihr Ziel war, die jüngste CIA-Agentin in der Geschichte der Agentur zu werden.

Doch sie brauchte nicht nur Zeit. Das war es, was sie ihrem Vater und ihrer Schwester erzählt hatte. Einfach nur ein wenig mehr Zeit mit ihnen und für sich, dann ginge sie zurück. Doch sie wusste nur zu gut, dass jeder Tag, den sie verstreichen ließ, ohne anzurufen und zu versprechen, im nächsten Semester zurückzukehren, ein weiterer Tag war, an dem sie sich überlegen konnte, überhaupt nicht mehr zurückzukehren.

Die Eingangstür der Wohnung öffnete sich und Maya schreckte kurz zusammen. Das war eine ganz natürliche Reaktion, wenn man bedachte, wie oft schon jemand in ihr Zuhause eingebrochen war, um ihre Familie zu töten oder zu entführen. Doch sie hatte gelernt, die Schritte ihres Vaters zu erkennen; sein frustriertes Seufzen, wenn die Tür ein wenig hängenblieb, weil sie sich wegen der Kälte verzogen hatte. Maya atmete auf.

„Liebes, ich bin zu Hause!“ rief er.

„Wer ist denn ,Liebes‘?“ wollte Maya lächelnd wissen.

„Wer immer auf ,Liebes‘ antwortet, schätze ich.“

„Ich bin allein hier.“

Er erschien in der Tür und grinste. „Na, in dem Fall: Hallo Liebes. Wo ist deine Schwester?“

„Kunstunterricht im Gemeindezentrum.“

„Stimmt. Ich hatte vergessen, dass sie dahingeht. Aber ich freue mich darüber. Soll ich sie abholen?“

„Ist mit dem Rad gefahren.“

Ihr Vater blinzelte unverständig. „Im Februar?“

„Sie sagte, dass sie die Kälte mag. Hält sie munter.“

„Sowas. Und mich nennt sie komisch.“

Maya rutschte vom Bett und folgte ihm in die Küche, wo er im Kühlschrank herumkramte und ein Light-Bier herauszog. Nachdem er den Kronkorken abgedreht hatte, fuhr er sich mit einer Hand durch sein Haar und seufzte, bevor er den ersten Schluck nahm.

„Du bist frustriert“, bemerkte Maya.

„Nö, mir geht’s gut. Glücklich und froh wie der Mops im Haferstroh.“ Er versuchte, es mit einem Grinsen abzutun, doch sie bemerkte es. „Es sollte eigentlich ,Glücklich und froh wie der Mops im Haferstroh, wenn es dort was Leckeres zu Fressen gibt‘ heißen. Weißt du eigentlich, woher das Sprichwort kommt? Einige meinen es stammt von…“

Er hielt inne, als sie ihre Arme verschränkte und eine Augenbraue hochzog. „Du bist frustriert. Oder irgendwas ärgert dich. Vielleicht auch beides. Du hast deine Schuhe nicht ausgezogen, als du hereinkamst. Du hast dir sofort ein Bier geholt, dir durch die Haare gefahren -“

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