Hexerei zur Teestunde - Софи Лав 3 стр.


„Es wird in zwanzig Minuten hier sein, Schatz“, sagte Colin, als er wieder hereinkam, um seinen Platz neben ihr auf dem Sofa einzunehmen. Er legte ihr seinen gebräunten Arm um die Schultern und zog sie an sich. „Es wird alles gut werden.“

Er legte seine Füße auf den Couchtisch, begann, an dem Bier zu nippen, das er mitgebracht hatte, und drückte ihr auch eins in die Hand. Er drückte auf „Play“ im Film und lehnte sich zurück, seine Aufmerksamkeit richtete sich nun vollends auf den Bildschirm.

Lex kuschelte sich an ihn, aber sie schaute nicht auf den Film, sondern auf ihr Spiegelbild, das immer dann zu sehen war, wenn der Bildschirm dunkel genug war. Colin, der fröhlich sein Bier trank und über die Handlung grinste. Sie selbst, ihr dunkles Haar, in der Spiegelung fast unsichtbar, ging am Hals in die Bluse mit schwarzem Kragen über, die sie bei der Arbeit getragen hatte. Ihre Lippen waren von der Anspannung zusammengepresst, ihre braunen Augen klein, die Lider schwer vor Müdigkeit. Sie sah erschöpft und niedergeschlagen aus.

Colin hingegen betrachtete den Film mit völlig unbeschwertem Vergnügen. Sie wusste, dass es das war, was sie sich gewünscht hatte, aber irgendwie ärgerte es sie ein wenig, dass ihm die Tatsache, dass sie ihren Job verloren hatte, nicht das Geringste auszumachen schien. Er hätte ihren Arbeitgeber verfluchen können, überlegte sie. Oder ihr helfen, ein Stellengesuch einzurichten, damit sie etwas Neues finden konnte. Irgendetwas, alles, nur nicht, es unter den Teppich zu kehren, als hätten sie über nichts Ernsteres gesprochen, als das Wetter.

Es war allerdings auch nicht so, als gäbe es wirklich etwas, worüber sie sich beschweren könnte. Er war nett und unterstützte sie und redete ihr kein schlechtes Gewissen ein, weil sie ihren Job verloren hatte. Das war schon etwas. Viele Männer hätten in der Situation anders reagiert. Sie zwang sich, sich zu entspannen, lehnte den Kopf an seine Brust und versuchte, sich auf den Film zu konzentrieren.

Die Pizza kam selbstverständlich mitten in einer Schlüsselszene. Lex und Colin stöhnten gleichzeitig laut auf und lachten dann, als Lex nach der Fernbedienung griff, um den Film anzuhalten. Er rannte hinunter in die Eingangshalle, um sie vom Pizzaboten in Empfang zu nehmen, und kam gerade zurück, als Lex ein paar neue Biere aufmachte.

„Es riecht so gut“, sagte er und legte die Schachtel auf den Kaffeetisch.

Lex stellte die Biere neben der Pizza ab, klappte den Deckel der Schachtel auf und streckte die Hand aus, um das erste Stück mit dem köstlichen geschmolzenen Käse zu nehmen, das noch so heiß war, dass es dampfte. „Was du nicht sagst“, sagte sie, atmete tief ein und nahm einen Bissen. Der Geschmack explodierte in ihrem Mund: heißer, fettiger Käse auf Tomate, perfekt gebackener Teig und ein saftiges Stück Champignon, alles zusammen in einem Bissen.

Colin drückte auf „Play“ und lehnte sich zurück, beide aßen mit dem Kopf über der Schachtel, eine Hand schwebte unter jeder Scheibe in der Luft, um etwaige verirrte Krümel aufzufangen.

Der Film war alles andere als originell und nicht ganz so fesselnd, wie Lex es sich gewünscht hätte, aber immerhin war es die Ablenkung, die sie wollte. Sie beobachtete die Teenager-Heldin mit einem Augenrollen – konnte das Mädchen nicht schon erkennen, dass sie in etwas Magisches verstrickt war? Die Figuren in solchen Geschichten schienen immer so dumm zu sein. Sie fanden nie heraus, was los war, bis sie jemand mit der Nase darauf stieß. Sie brachten sich selbst in die gefährlichsten Situationen.

Lex überlegte, dass eine Buchadaption vielleicht nicht die beste Filmwahl gewesen war. Letztendlich dachte sie nur an die Handlung und die Struktur – mit anderen Worten: an die Arbeit. Nicht, dass es noch ihre Arbeit war. Was würde sie jetzt tun? Was sie zu Bryce gesagt hatte, stimmte: Verlage neigten nicht sehr oft dazu, Stellen für hochgradig genrespezifische Redakteure auszuschreiben.

„Weißt du“, sagte Colin, als er den letzten Bissen eines seiner Stücke beendete, „Er sieht nicht einmal so aus, ernsthaft.“

Lex lenkte ihre Aufmerksamkeit zurück auf den Bildschirm und sah eine Ansicht der Erde aus dem Weltraum. Sie runzelte die Stirn und fragte sich, was sie verpasst hatte. „Wie meinst du das?“

„Der Planet. So ist er nicht. Er ist eigentlich flach.“

Lex starrte ihn an, ihr drittes Stück Pizza schwebte in der Luft vor ihrem Mund. „Nein, das ist er nicht.“

„Doch, das ist er.“ Colin drehte sich ihr voll zu, ein sicheres Zeichen dafür, dass er im Begriff war, sich auf eine eingehende Diskussion über etwas einzulassen, von dem er dachte, sie müsste es wissen. Er hatte wahrscheinlich auf einen Vorwand gewartet, um darüber zu sprechen. „Ich habe mich darüber informiert. Es ist eine riesige Verschwörung. Uns allen ist erzählt worden, dass die Erde rund ist, und wir haben all diese falschen Bilder, die angeblich aus dem Weltraum kommen sollen. Es ist nicht real. Und die Wissenschaft bestätigt das. Die Erde muss flach sein.“

„Colin“, sagte Lex betont ruhig, obwohl sie kaum fassen konnte, dass sie dieses Gespräch überhaupt führte. „Hör mir zu. Diese ‘Flacherdler’ sind Idioten. Nichts von all dem ist wahr.“

„Schau zum Horizont“, sagte Colin, wobei er lebhaft mit den Händen gestikulierte. „Er sollte eine Kurve zeigen, wenn die Erde rund ist, oder? Wenigstens eine leichte? Aber das tut er nicht. Er ist immer gerade. Sie haben Experimente gemacht und es stellte sich heraus, wenn man eine gerade Linie über die Erde misst – sie krümmt sich nicht. Sie ist völlig flach.“

„Nein, sie …“ Lex holte tief Luft und bemühte sich, ihn nicht anzuschreien. Ausgerechnet heute war nicht der Tag, an dem ihre Geduld auf die Probe gestellt werden sollte. „Colin. Man kann die Krümmung der Erde mit bloßem Auge nicht sehen, weil die Erde riesig ist. Außerdem haben Menschen die Krümmung gemessen und sie ist da. Man kann nicht einfach all seine Informationen aus Flat Earth-Foren beziehen. Schlag es richtig nach – viele Menschen haben es auf so viele Arten widerlegt. Ich zeige es dir sogar – schau mal hier, ich suche es auf meinem Telefon – Fotos, die die NASA von der ISS aus gemacht hat. Siehst du?“

„Oh, Lexie, du bist auch darauf reingefallen“, sagte Colin und griff mit einem Ausdruck voller Mitgefühl nach ihrer Hand. „Das ist es, was sie uns glauben machen wollen, weißt du? Denn es gibt wirklich wertvolle Materialvorkommen am Rande der Erde. Kurz bevor sie ins Weltall abfällt, gibt es Minen, mit denen die Regierungen der Welt ihr ganzes Geld verdienen. Sie wollen nur nicht, dass wir davon erfahren, damit sie den ganzen Reichtum kontrollieren und uns sagen können, was wir tun sollen. Alle Fotos sind gefälscht – niemand ist jemals im Weltraum gewesen. Ich zeige dir ein paar Webseiten. Man muss einfach die Augen öffnen und die Wahrheit erkennen.“

Lex riss ihre Hand aus Colins Griff und ließ das Stück Pizza, das sie gerade angebissen hatte, wieder in die Schachtel fallen. „Weißt du was, Colin“, sagte sie. Für sie war es ein langer Tag in einer Reihe von langen Tagen gewesen und jetzt versuchte er, ihr etwas zu erklären, dass sie allein schon durch ihre Arbeit besser verstand als er. „Meine ganze Arbeit dreht sich um Wissenschaft und Geschichte. Und du denkst, ich wüsste es nicht, wenn die Erde flach wäre?“

Colin runzelte die Stirn. „Ich denke nur, dass du es verdienst, die Wahrheit zu erfahren, anstatt wie der Rest der Schafe herumzulaufen. Du hast mir nicht geglaubt, was die gefälschten Mondlandungen betrifft, oder die Echsenmenschen, die den Planeten beherrschen und uns kontrollieren, oder die Illuminaten und ihre geheimen Botschaften! Du bist so engstirnig! Ich weiß nicht, ob ich mit jemandem eine Beziehung führen kann, der einfach nicht offen für die Wahrheit ist“.

Lex schüttelte ungläubig den Kopf. Colins Worte waren wahrscheinlich eine leere Drohung – eine Drohung, die sie normalerweise veranlasst hätte, einen Rückzieher zu machen und stattdessen zu versuchen, ihn zu beruhigen. Aber wozu? Damit er das nächste Woche und die Woche danach einfach wieder tun konnte? „Ich habe keine Geduld mehr für solchen Unsinn“, sagte sie, mehr zu sich selbst als zu Colin, denn er hörte offensichtlich sowieso nicht zu. „Ich kann das nicht mehr tun. Das war's. Mir reicht's! Ich habe genug!“

Sie stand vom Sofa auf und packte im Vorbeigehen ihre Tasche, die neben der Tür stand. Eine kalte Wut erfüllte sie – Wut, die durch die Entlassung und Karens Selbstgefälligkeit und Colins Unempfindlichkeit und den ganzen Rest geschürt worden war, und die sie nun mit einem gewaltigen Energieschub vorwärtstrieb.

„Lexie, Schatz, wohin gehst du?“, rief Colin. Er klang nicht besorgt oder verärgert – eher gleichgültig. Als glaubte er nicht, dass sie wirklich gehen würde. Hinter ihm lief der Film noch, völlig vergessen. Sie wusste, dass er ihr nicht zugehört hatte, nicht wirklich.

„Ich gehe nach Hause“, schrie Lex ihr über die Schulter. „Und ich komme nicht zurück. Ich bin fertig mit dir, Colin. Versuch nicht, mich noch einmal anzurufen.“

Sie trat aus der Wohnung heraus und schlug die Tür hinter sich zu, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. Mit einem Gefühl der Erleichterung lief sie den Korridor und dann die Treppe hinunter. Obwohl sie in ihrem Inneren wusste, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte, blieb immer noch eine Frage im Hinterkopf: Jetzt, wo sie es geschafft hatte, an einem Tag sowohl ihre Karriere als auch ihre Beziehung zu beenden, was könnte da noch schiefgehen?

KAPITEL DREI

Aufgeregt lief Lex schnell auf ihren Vater zu und dieser hob sie schwungvoll hoch, um sie nach hinten in den Laden zu tragen. Hinter der großen, dunkelrot lackierten Holztheke befand sich eine Tür, die zur Außenwelt führte, wo eine Palette mit Kisten wartete.

„Vorsicht“, sagte ihr Vater und hielt seine Hand schützend über ihren Rücken, als er sie absetzte und ein Taschenmesser hervorholte. Sorgfältige und präzise Schnitte lösten das Klebeband von jeder Kiste, eine nach der anderen, und dann stellte er eine auf den Boden, sodass Lex sie leicht erreichen konnte.

Lex tauchte eifrig ein und zog ein nagelneues Exemplar eines Buches mit dem Bild einer Königin in einem Tudorkleid heraus, die von einem Dornenmotiv umringt war.

Ihr Vater fragte: „Wo kommt das hin, mein Engel?“, und legte ihr eine Hand auf die Schulter.

„Historische Romane“, verkündete Lex, ihre Hände suchten schon, um die beiden anderen Bände des gleichen Buches aus der Kiste zu holen.

„Gut gemacht. Räum sie weg und ich fange mit diesen hier an“, sagte er und strich ihr zärtlich übers Haar.

Lex grinste und rannte durch die Regale zurück, einen Weg, den sie im Dunkeln mit geschlossenen Augen finden würde. Das war ihre Welt: die hoch aufragenden Regale, der Geruch der neuen Bücher, die verwitterten und abgenutzten Seiten der Secondhand-Abteilung, die alphabetisch und nach Genres geordnet waren, die besonnene Stille der Kunden. Ihr Vater war immer einen Schritt hinter ihr, zeigte ihr die besten Titel, führte sie in schöne neue Welten ein …

Sie stellte die Bücher ins Regal und drehte sich um, aber ihr Vater war nicht mehr im Hinterzimmer. „Papa?“, rief sie, ihre Stimme hallte seltsam an einem Ort ohne menschliches Leben wider. „Papa? Wo bist du?“

Lex wachte auf und fühlte, wie ein Schauer durch ihren Körper lief. Sie schwitzte, die Erinnerung an den Traum wiederholte sich immer wieder in ihrem Kopf. Wie sie instinktiv gewusst hatte, dass ihr Vater weg war.

Weil er tatsächlich weg war, nicht nur im Traum, auch im wirklichen Leben. So idyllisch ihr das Leben als Kind auch erschienen war, sie hatte keine Ahnung gehabt, was sich hinter den Kulissen abgespielt hatte. Keine Ahnung, dass ihre Eltern sich stritten, dass das Geld knapp war, dass die Gewinnspannen beim Verkauf nicht hoch genug waren. Langsam, im Laufe von ein paar Jahren, war die Abteilung für Secondhand-Bücher gewachsen, bis der ganze Verkaufsraum aus gebrauchten Büchern bestanden hatte, eine Verkaufsstrategie, von der ihr Vater wohl geglaubt hatte, dass sie den Laden retten würde.

Lex erinnerte sich daran, wie sie zwischen diesen Regalen entlanggeschlendert war und sie sogar noch mehr geliebt hatte. Die gebrauchten Bücher hatten einen ganz anderen Geruch, einen Geruch von altem Papier und Leben. Jedes von ihnen hatte seine eigene Geschichte und Vergangenheit – nicht nur den Text auf der Seite, sondern das Leben des Buches selbst. Widmungen, die mit Bleistift oder Feder in die Einbände gekritzelt waren. Die Ränder der Seiten gut abgegriffen, zerknittert oder zerrissen, gelegentliche Anmerkungen am Rand. Die Knitterfalten auf dem Buchrücken, die bezeugten, dass das Buch immer wieder gelesen, geliebt und in einer Tasche herumgetragen worden war.

Es war magisch gewesen, bis es das eines Tages nicht mehr war. Der Laden ging pleite und ihre Eltern setzten sich mit ihr zusammen, um ihr an einem dunstigen Sommernachmittag, als es sich so angefühlt hatte, als könne nichts ihr Glück trüben, zu sagen, dass sie sich scheiden ließen.

Lex hatte mit ihrem Vater gehen wollen. Aber sie war bei ihrer Mutter geblieben, während ihr Vater in einem Motel wohnte, auf der Suche nach einer neuen Wohnung, die er dauerhaft mieten wollte. Und dann, eines Tages, hatte er ausgecheckt und war nie wieder zurückgekehrt.

Lex hatte ihn seitdem nicht mehr gesehen.

Es war ein alter Schmerz. Lex war jetzt zweiunddreißig und die glücklichen Erinnerungen an den Laden betrafen nur einen kleinen Teil ihres Lebens. Es war längst vorbei. Als Teenager hatte sie versucht, ihren Vater zu suchen – als sie auf dem College war, kurz nachdem sie ihren Abschluss gemacht hatte. Sie hatte nie eine Spur gefunden und irgendwann hatte sie aufgehört zu suchen.

Lex schwang ihre Füße aus dem Bett, ging in die Küche ihrer kleinen Wohnung, holte ein Glas aus dem Schrank und füllte es mit Wasser. Der Traum blieb in ihrem Gedächtnis haften und das nicht nur wegen der Emotionen, die er geweckt hatte.

Fast seit dem Tag, an dem das Geschäft geschlossen wurde, hatte sie einen Traum: eines Tages eine eigene Buchhandlung zu eröffnen und damit in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten. Nachdem er verschwunden war, entwickelte sie eine Fantasie, in der er erfuhr, dass sie ihren eigenen Laden eröffnet hatte, und zurückkehrte, um sich ihr anzuschließen, um mit ihr zwischen den Regalen zu arbeiten, so wie sie es getan hatten, als sie ein Kind war. Dieser Teil davon war nur Wunschdenken, aber der Ehrgeiz war ihr geblieben.

Ursprünglich war sie nur ins Lektorat eingestiegen, um den Büchern nahe zu sein. Sie wollte etwas über den Markt lernen, wollte verstehen, was sich verkaufte und was nicht. Sie dachte, das würde ihr helfen, dachte, dass sie auf diese Weise auch nützliche Kontakte hätte, wenn sie bereit wäre, sich selbständig zu machen. Aber irgendwann war sie von einer Assistentin zur Junior-Redakteurin befördert worden, und dann hatte sie ihr eigenes Büro bekommen – so klein es auch war – und sie hatte den Traum in Vergessenheit geraten lassen.

Lex trank ihr Wasser aus, drehte das Glas auf dem Abtropfbrett um und schaute aus dem Fenster in die Nacht, ohne wirklich etwas zu sehen. Warum hatte sie diesen Traum aufgegeben? Es war etwas gewesen, das sie sich so lange gewünscht hatte, und es ergab Sinn. Sie kannte sich mit Büchern aus. Sie lagen ihr im Blut. Und mit einem Secondhand-Buchladen musste man nicht mit Bestsellerlisten und Trends Schritt halten und die neuesten, verhassten Autobiografien auf Lager haben. Man stockte auf, was man finden konnte, suchte nach Raritäten und baute sich eine Klientel auf, die Bücher wirklich liebte.

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