Admiral Bolithos Erbe: Ein Handstreich in der Biskaya - Kent Alexander 2 стр.


Deshalb sagte Herrick vorsichtig:»Die

«Und was ist mit der

Benbow

«Aus Kent?«Er lachelte.»Vergeben Sie mir, Thomas, ich verga?. Ich hatte zu viele eigene Sorgen im Kopf, um mich zu erkundigen: Wie war die Hochzeit?»

Aber als Herrick den Ablauf der Ereignisse zu schildern begann, der schlie?lich in der Hochzeit seiner Schwester mit seinem ehemaligen Ersten Offizier den Hohepunkt erreichte, schweiften Bo-lithos Gedanken schon wieder ab. Als er nach der Schlacht von Kopenhagen nach Falmouth zu-

ruckgekehrt war, hatte er sich gefuhlt wie der glucklichste und zufriedenste Mensch. Denn erstens hatte er uberlebt; zweitens konnte er mit seinem Neffen Adam Pascoe und seinem Bootsmann und Freund John Allday ins Haus der Bolithos zuruckkehren. Vor allem aber erwartete ihn dort Belinda. Immer noch konnte er nicht an sie denken, ohne jedesmal zu furchten, da? diese Frau nur ein Traum, ein grausamer Scherz des Schicksals war, aus dem ihn eines Tages die bittere Wirklichkeit rei?en wurde.

Er hatte die Schlacht, das Geschwader und alles andere vergessen, als sie gemeinsam das alte Haus erforscht hatten, als seien sie hier fremd. Sie hatten Plane geschmiedet, hatten sich geschworen, nicht eine einzige Minute von Bolithos Landurlaub zu vergeuden.

Es gingen sogar Geruchte uber einen Friedensschlu? um. Nach dem jahrelangen Krieg, nach Blockade und gewaltsamem Tod sollten nun endlich Geheimverhandlungen in London und Paris stattfinden, in denen es um einen Waffenstillstand ging, um eine Atempause, bei der keine der kriegfuhrenden Parteien furchten mu?te, an Prestige zu verlieren. Fur Bolitho hatte das in seinem Glucksrausch ganz plausibel geklungen.

Aber nach den ersten beiden Wochen war ein Kurier aus London eingetroffen und hatte Bolitho den Befehl uberbracht, sich umgehend auf der Admiralitat bei Admiral Sir George Beauchamp zu melden, seinem alten Vorgesetzten und Gonner, der ihm seinerzeit das Kommando uber das Ostseegeschwader ubertragen hatte.

Doch selbst dann noch hatte Bolitho im dramatischen Auftritt des Kuriers nichts weiter gesehen als eine kurze Unterbrechung.

Belinda war mit ihm zur Kutsche geschlendert, hatte sich lachend und Warme ausstrahlend an ihn geschmiegt, als sie ihm weiter von ihren Planen erzahlte, von den Hochzeitsvorbereitungen wahrend seines Londoner Aufenthalts. Bis zu ihrer Heirat sollte sie im Gutshaus des Richters wohnen, denn in einer Hafenstadt wie Falmouth gab es immer lose Zungen, und Bolitho wollte keinen Schatten auf ihrem gemeinsamen Anfang. Zwar verabscheute er Richter Lewis Roxby von ganzem Herzen und konnte immer noch nicht begreifen, weshalb seine Schwester Nancy ausgerechnet ihn geheiratet hatte. Aber wenigstens wurde es Belinda dort nicht langweilig werden, denn er besa? einen Reitstall und ein wachsendes Imperium von Bauernhofen und Weilern. Roxbys Bedienstete nannten ihn hinter seinem Rucken den» Konig von Cornwall».

Der Schreck war Bolitho erst in die Glieder gefahren, als er in Admiral Beauchamps Dienstzimmer gebeten wurde. Der Admiral war zwar immer schmal und gebrechlich gewesen, schien an seinen Epauletten und Goldlitzen ebenso schwer zu tragen wie an seiner ungeheuren Verantwortung; wo ein britisches Kriegsschiff im Dienste des Konigs segelte, dort war er mit seinen Gedanken. Aber jetzt sa? er tief uber seinen papierbeladenen Schreibtisch gebeugt und konnte sich zu Bolithos Begru?ung nicht einmal erheben. Obwohl erst sechzig, sah er aus wie ein Hundertjahriger. Nur in seinen hellwachen Augen funkelte immer noch das alte Feuer.

«Wir wollen keine Zeit verlieren, Bolitho. Ihnen bleibt namlich nur noch ganz wenig und mir uberhaupt keine mehr.»

Es war ihm anzusehen, da? mit jedem muhsamen Atemzug, mit jeder verstrichenen Stunde mehr Leben aus ihm entwich. Bolitho war erschuttert, aber auch fasziniert von der Intensitat des schmachtigen Mannes, dessen starkster Charakterzug immer sein Enthusiasmus gewesen war.

«Ihr Geschwader hat sich tapfer gehalten. «Seine klauenartige Hand tastete blindlings uber die Papierhaufen.»Zwar haben wir viele gute Manner verloren, aber andere stehen bereit, ihre Stelle einzunehmen. «Sein Kopf sank vornuber, als seien die Worte fur ihn zu schwer.»Ich verlange viel von Ihnen, Bolitho, wahrscheinlich sogar zuviel — ich wei? es nicht. Sie haben von dem Waffenstillstandsangebot gehort?«Durch die hohen Fenster fiel Sonnenlicht und reflektierte von Beauchamps tiefliegenden Augen, als brenne Licht in einem Totenschadel.»Diese Geruchte entsprechen den Tatsachen. Wir brauchen Frieden — zu Bedingungen, die trotz aller Scheinheiligkeit noch akzeptabel sind, damit wir Zeit gewinnen, eine Atempause vor der endgultigen Entscheidung. «Bolitho hatte leise gefragt:»Sie trauen den Franzosen nicht, Sir?»

«Niemals!«Der Ausruf schien Beauchamp die letzten Krafte gekostet zu haben, denn er konnte erst nach langerer Pause fortfahren:»Die Franzosen wollen uns fur sie vorteilhafte Bedingungen aufzwingen. Um Druck auf die Verhandlungen auszuuben, sammeln sie in ihren Kanalhafen bereits eine Invasionsflotte, meist Prahme und Schuten, und an Land Truppen und Artillerie, die diese Flotte aufnehmen soll. Bonaparte hofft, unser Volk so einzuschuchtern, da? wir Vertragsbedingungen akzeptieren, die nur fur ihn von Vorteil sind. Spater, wenn die Wunden der Franzosen verheilt, ihre Schiffe ersetzt und ihre Regimenter aufgefullt sind, wird er den Vertrag zerrei?en und uns angreifen. Wenn es erst so weit kommt, haben wir keine zweite Chance.»

Wieder eine Pause, dann murmelte Beauchamp fast tonlos:»Wir mussen England sein Selbstvertrauen zuruckgeben. Mussen beweisen, da? wir immer noch angreifen konnen, nicht nur verteidigen. Einzig auf diese Weise erringen wir eine gleichberechtigte Verhandlungsposition. Jahrelang haben wir die Franzosen zuruck in ihre Hafen gescheucht oder sie gestellt und bekampft, bis sie sich ergeben mu?ten. Blockade und Patrouille, die KiellinienFormation oder Einzelaktionen — das hat die englische Kriegsmarine machtig gemacht. Aber Bonaparte ist Infanterist, vom Seekrieg versteht er nichts, und Gott sei Dank hort er nicht auf den Rat von Leuten, die sich auskennen.»

Die Stimme war immer schwacher geworden, und Bolitho hatte schon uberlegt, ob er Hilfe herbeirufen sollte.

Doch dann hatte Beauchamp sich ruckartig aufgerichtet und hervorgesto?en:»Wir brauchen eine Geste! Eine Demonstration unserer Starke. Und unter all den jungen Offizieren, die ich im Laufe der Zeit beobachtete und forderte, haben nur Sie mich nie enttauscht. «Eine Fingerklaue hob sich und winkte wie eine Karikatur des Mannes, den Bolitho einmal gekannt hatte.»Na ja, jedenfalls nicht in dienstlichen Angelegenheiten.«»Besten Dank, Sir.»

Beauchamp horte ihn gar nicht.»Machen Sie moglichst viele Ihrer Schiffe moglichst schnell klar zum Auslaufen. Ich habe Instruktionen ausgefertigt, wonach Ihnen das Oberkommando uber ein Blockade-Geschwader vor Belle Ile[6] ubertragen wird. Weitere Schiffe werden zu Ihrer Verstarkung abgestellt, sobald meine Depeschen den Hafenadmiralen ausgehandigt sind. «Er hatte Bolitho starr angeblickt.»Ich brauche Sie drau?en auf See. In der Biskaya. Ich wei?, ich verlange viel von Ihnen, aber schlie?lich habe auch ich mein Letztes gegeben.»

Das Bild des hohen Dienstzimmers in der Admiralitat, der Blick auf die belebte Stra?e, die eleganten Kutschen, vielfarbigen Damenroben und scharlachroten Uniformen verschwamm vor Bo-lithos Augen und wich wieder dem Anblick der Kapitanskajute auf der

Herrick konnte Bolitho nur anstarren.»Das klingt nach Zeitdruck, Sir.»

«Kann sein. «Bolitho dachte wieder an Beauchamps Worte:

Pflicht

Herrick kannte Bolitho besser als sich selbst. Also deshalb war Bolitho auf sein Schiff gekommen! Sein Haus hatte leer gestanden, und er selbst hatte keine Moglichkeit mehr gehabt, Belinda Laid-law uber die jungsten Entscheidungen zu informieren.

«Sie wird mich verachten, Thomas. Jemand anderer hatte an meiner Stelle segeln konnen. Konteradmirale, besonders so junge wie mich, gibt es dutzendweise. Warum gerade ich? Was bin ich — ein Ubermensch?»

Herrick mu?te lacheln.»So etwas denkt sie ganz bestimmt nicht, Sir, das wissen Sie auch. Wir wissen es beide.»

«Wirklich?«Bolitho legte Herrick im Vorbeigehen die Hand auf die Schulter, als suche er eine Bestatigung.»Ich wollte ja noch bleiben. Aber ich hatte Beauchamps Drangen zu folgen. Es war das mindeste, was ich ihm schuldete.»

Es hatte ihn an den Alptraum erinnert, der ihn gelegentlich heimsuchte: Er kam zuruck in ein menschenleeres Haus, wilde Blumen bluhten auf der Gartenmauer uber der Steilkuste, umsummt von Bienen, aber die Hauptakteure waren nicht da, um sich an dem Anblick zu freuen, nicht einmal sein Neffe und Erbe Adam Pascoe. Unglucklicherweise hatte er wenige Stunden nach Bolithos Aufbruch mit dem Kurier einen Gestellungsbefehl auf ein anderes Schiff erhalten.

Trotz seines Kummers mu?te Bolitho lacheln. Die Royal Navy brauchte dringend erfahrene Offiziere, und Adam Pascoe war versessen auf jede Gelegenheit, die ihn seinem gro?en Ziel, dem Kommando uber ein eigenes Schiff, naherbringen konnte. Also verdrangte Bolitho die besorgten Gedanken. Adam war gerade einundzwanzig geworden, das ideale Alter. Er durfte sich nicht zu sehr um ihn sorgen.

Gedampft drang die Stimme des Wachtpostens durch die Tur:»Der Bootsfuhrer des Admirals, Sir!»

Allday trat ein und lachelte breit zu Bolitho hinuber, Herrick begru?te er mit einem frohlichen Nicken:»Captain Herrick, Sir. «Dann stellte er einen gro?en Seesack auf dem Boden ab.

Bolitho schlupfte in seinen Uniformrock und lie? Ozzard den Haarzopf uber dem goldbetre?ten Kragen zurechtzupfen. Die ganze Angelegenheit hatte nur

Bendow,

Herrick hatte einen Klo? in der Kehle.»Ich, Sir — Kommodore?»

Allday grinste breit.»Gut gemacht, Sir!»

Herrick starrte auf den roten Wimpel zu seinen Fu?en nieder.»Und mit einem eigenen Flaggkapitan? Wen — ich meine, was.»

Bolitho lie? mehr Wein kommen. Der Kummer druckte ihm immer noch das Herz ab, er fuhlte sich Belinda gegenuber weiterhin als Versager, aber die Verwirrung seines Freundes hatte ihn doch etwas aufgeheitert. Hier waren sie in ihrer Welt. Jene andere Welt, in der von Heirat gesprochen wurde und von Geborgenheit, von Frieden und einer gesicherten Zukunft, sie hatte hier an Bord nichts zu suchen.

«Bestimmt ist in den Depeschen, die Sie aus London erreichen werden, alles Nahere erlautert, Thomas. «Herricks Verstand hatte die Neuigkeit jetzt sichtlich akzeptiert und begann, sie zu verarbeiten. Die Navy brachte einem das bei — das und mehr. Wer diese Flexibilitat nicht besa?, erlitt Schiffbruch.»Denken Sie doch daran, wie stolz Dulcie sein wird«, schlo? Bolitho.

Herrick nickte bedachtig.»Ja, wahrscheinlich. «Aber dann schuttelte er den Kopf.»Doch wie dem auch sei — Kommodore!«Er sah Bolitho mit seinen blauen Augen offen an.»Ich hoffe, da? wir dadurch nicht allzu weit auseinanderdriften, Sir.»

Nun mu?te Bolitho sich abwenden, um seine Ruhrung zu verbergen. Wie typisch fur Herrick, als erstes an so etwas zu denken! Nicht an die langst uberfallige Beforderung, die sein Recht und sein Verdienst war, sondern an die Auswirkungen, die sie auf ihre Freundschaft haben mochte.

Alldays Aufmerksamkeit schien plotzlich ganz von den beiden Sabeln, die am Querschott hingen, in Anspruch genommen. Der eine war eine Prunkwaffe, Bolitho in Anerkennung seiner Tapferkeit im Mittelmeer und bei der Schlacht von Abukir[7] von der Stadt Falmouth uberreicht. Der andere Sabel war weder so prunkvoll noch so glanzend, er wirkte sogar etwas altmodisch und schabig, mu?te aber vollendet ausbalanciert in der Hand liegen. Dennoch konnte die Prunkwaffe, und hatte es sie auch hundertfach gegeben, mit ihrem ganzen Gold und Silber nicht den Wert der alten Waffe aufwiegen. Es war der Familiensabel der Bolithos, auf mehreren Portrats in dem alten Haus in Falmouth zu sehen und Allday von vielen hei?en Gefechten her wohlvertraut: einmalig, unbezahlbar und unersetzbar.

Назад Дальше