Admiral Bolithos Erbe: Ein Handstreich in der Biskaya - Kent Alexander 5 стр.


Zerknirscht sagte der Signalfahnrich:»Ich habe das Signalbuch berichtigt, Sir. «Er warf seinem Kommandanten einen furchtsamen Blick zu, als frage er sich, womit er diese Katastrophe heraufbeschworen habe.»Denn

sto?t zu unserem Geschwader, Sir. Unter Kapitan Emes.»

Bolithos Hand krampfte sich fester um die Finknetze, wahrend er Kilburnes Worte verarbeitete.

Der Junge mu?te sich irren. Aber weshalb? Uber ein neues Schiff mit dem Namen

war nichts an die Offentlichkeit gedrungen. Bolitho blickte Neale an. Und gerade hatte er ihn im Geiste als jungen Midshipman an Bord eben dieses Schiffes vor sich gesehen. Es war schon gespenstisch.

Verlegen ergriff Neale wieder das Wort.»Ich war selbst uberrascht, Sir. Aber ich wollte Sie in Ihrer ersten Nacht an Bord nicht beunruhigen. Fur meine Offiziere war es eine Ehre und eine Freude, Sie hier willkommen hei?en zu durfen, auch wenn wir Ihnen wenig zu bieten haben.»

Bolitho nickte.»Die Freude ist ganz meinerseits, Kapitan Nea-le. «Aber im Geiste war er immer noch bei

Sie mu?te jetzt funfundzwanzig Jahre alt sein, wenn nicht mehr. Als er sie damals im Spithead ubernommen hatte, hatte sie erst sechs Jahre auf dem Buckel gehabt. Aber sie war ein Unglucksschiff gewesen, an Bord herrschten Grausamkeit und Verzweiflung, und die Mannschaft stand kurz vor der Meuterei, so sehr war sie von dem abgelosten Kommandanten geschunden worden.

Nichts hatte er vergessen, vor allem nicht den Anblick der franzosischen Wimpel und Bramsegel, als die gegnerische Flotte uber die Kimm gekommen war: wie Ritter, die zum Turnier sturmten. Heute nannte man es die Schlacht bei den Saintes,[9] und die

war als kaum noch schwimmfahiges Wrack aus ihr hervorgegangen.

«Geht es Ihnen gut, Sir?«Neale sah Bolitho besorgt an, hatte sein eigenes Schiff fur den Augenblick vollig vergessen.

Wie zu sich selbst sagte Bolitho:»Sie ist zu alt fur diesen Einsatz. Ich hielt sie fur verloren, untergegangen im Kampf, nicht ausrangiert als Hulk fur Straflinge oder Waren in irgendeinem elenden Hafen. «Er wu?te, die Marine brauchte dringend Fregatten — aber ausgerechnet diese?

Neale erzahlte bereitwillig:»Ich habe gehort, da? sie in Irland repariert und ausgerustet wurde, Sir. Aber fur den Dienst als Wach- oder Wohnschiff, dachte ich.»

Bolitho starrte hinaus auf die endlos ansturmenden wei?en Hunde.

so viele Jahre lagen dazwischen, so viele andere Gesichter und Schiffe, und jetzt wurde er sie wiedersehen. Auch Herrick mu?te inzwischen das berichtigte Signalbuch gesehen haben. Fur ihn wurde es einen ahnlichen Schock bedeuten. Und fur Allday, der von einem Pre?kommando wie ein Verbrecher an Bord gezerrt worden war.

Bolitho wurde sich bewu?t, da? ihn der Signalfahnrich immer noch anstarrte, die Augen so gro? wie Wagenrader. Er ergriff seinen Arm.»Sie haben sich nichts vorzuwerfen, Mr. Kilburne. Fur mich war es nur eine Uberraschung, das ist alles. Die

ist ein gutes Schiff. Dafur haben wir damals gesorgt.»

Neale mischte sich ein.»Mit Verlaub, Sir:

Da sah er auf einem Zwolfpfunder eine Gestalt hocken, nur undeutlich, denn hier im Zwischendeck war es dammrig, und so fruh wurden die Lampen noch nicht angezundet. Aber selbst in pechschwarzer Nacht hatte Bolitho die Gestalt als Allday erkannt, vierschrotig, unerschutterlich und immer zugegen, wenn er gebraucht wurde; mutig bis zum au?ersten und — wenn Mut nichts mehr nutzte — frech und unverfroren.

Allday wollte Haltung annehmen, aber Bolitho winkte ab.»Ruhren. Du hast es also auch schon gehort?»

«Aye, Sir. «Allday nickte schwermutig.»Das hatte nicht passieren durfen. Es ist unfair.»

«Sei kein altes Weib, Allday. Du fahrst jetzt lange genug zur See, um es besser zu wissen. Die Schiffe kommen und gehen; eines, auf dem du letztes Jahr gedient hast, kann morgen langsseits liegen. Und eines, das du in einem Dutzend verschiedener Hafen oder Schlachten gesehen hast, ohne jemals einen Fu? an Bord zu setzen, kann leicht dein nachstes werden.»

Doch Allday blieb stur.»Das ist es nicht, Sir. Mit

war's anders. Die Lords hatten kein Recht, sie wieder in die Biskaya zu schicken, dafur ist sie zu alt. Von den Saintes hat sie sich bestimmt nie wieder erholt. Warum soll es ihr anders gegangen sein als uns?»

Bolitho wurde es auf einmal unbehaglich.»Jedenfalls kann ich nichts dagegen tun«, sagte er.»Sie ist meinem Kommando unterstellt, genau wie die anderen Schiffe des Geschwaders.»

Allday erhob sich von der Kanone und stand da, den Kopf unter die Decksbalken gebeugt.»Aber sie ist nicht wie die anderen!»

Bolitho verbi? sich eine scharfe Erwiderung. Warum Allday dafur bu?en lassen? Ihn traf keine Schuld, ebensowenig wie den Midshipman, der ihm auf dem Achterdeck unabsichtlich die schlimme Neuigkeit beigebracht hatte.

Deshalb sagte er nur ruhig:»Nein, Allday, wie die anderen ist sie nicht. Das behaupte ich auch nicht. Aber es geht nur uns beide an. Du wei?t, wie schnell Seeleute mit Schauermarchen bei der Hand sind, deshalb also nimm dich zusammen. Wir brauchen in den nachsten Wochen unseren klaren Verstand, keine Latrinengeruchte. Also Schlu? damit, was gewesen ist, ist gewesen. Und kein

Blick zuruck! Erinnerungen konnen wir uns nicht leisten.»

Allday seufzte tief.»Wahrscheinlich haben Sie recht, Sir. «Er schuttelte es ab oder versuchte es jedenfalls.»Und jetzt mu? ich Sie fur die Offiziersmesse ankleiden, Sir. An diesen Abend sollen alle denken. «Aber irgendwie sagte er es ohne seinen gewohnten Humor. Bolitho ging voran zu seiner Kajute.»Also fangen wir gleich damit an, einverstanden?»

Allday folgte ihm gedankenversunken. Vor neunzehn Jahren war es gewesen, Bolitho zahlte damals nicht mehr Jahre als sein Neffe Adam Pascoe jetzt. Wie viele Gefahren und Scharmutzel sie in der Zwischenzeit auch erlebt hatten, Allday war seither immer an Bo-lithos Seite geblieben: der gepre?te Seemann und der junge Kommandant, der einer vom Ungluck verfolgten, von Tyrannei und Sadismus verdorbenen Mannschaft durch sein Beispiel und den gemeinsamen Erfolg Stolz und Selbstbewu?tsein zuruckgegeben hatte. Und jetzt tauchte sie wieder auf aus dem Nebel der Ve rgan-genheit, ein Geisterschiff. Brachte sie Gluck oder Ungluck?

Allday sah Bolitho an den Heckfenstern stehen und hinausblik-ken, wo der letzte Schimmer Tageslicht von der Gischt unter der Heckgillung reflektiert wurde.

Und er dort stellt sich bestimmt die gleiche Frage, dachte All-day. Wahrscheinlich macht er sich noch viel mehr Sorgen als ich.

Mit gekurzten Segeln legte sich die Fregatte auf den anderen Bug und richtete den Kluverbaum auf den neuen Kurs, der Biskaya und dem geplanten Treffen entgegen.

III Ein Veteran kehrt wieder

Kapitan John Neale von der Fregatte

Sparrowhawk,

Rapid

Unrivalled

Neale warf einen Blick hinauf zum Toppstander. Der Wind hatte schon wieder auf Nord gedreht, war frisch und boig. Hoffentlich erreichte der gerupfte Unglucksvogel den Hafen noch in einem Stuck.

Bolitho nickte dankend, als Neale zum Gru? an seinen Hut tippte. Ganz gleich, wann er an Deck kam, Neale schien immer schon vor ihm da zu sein, und sei es vor Tagesanbruch. Wenn mit seinem Schiff irgend etwas nicht stimmte, dann wollte er es als erster erfahren und nicht von seinem Admiral horen; Neale machte seine Sache gut.

Wahrend Allday ihm unten Kaffee servierte, hatte Bolitho uber sein ausgedunntes Geschwader nachgedacht. Bis die versprochene Verstarkung eintraf, konnte er also nur auf zwei Fregatten zuruckgreifen und auf die Brigg, die Verbindung mit den starkeren Geschwadern nordlich und sudlich von ihm halten mu?te. Auf einer Wandkarte in Whitehall mochte sich das ja ganz passabel ausnehmen. Aber hier drau?en in dieser Wasserwuste, wo das Morgengrauen einen ersten schmutziggelben Schimmer auf die endlosen Staffeln der wei?en Wellenkamme warf, war es trostlos.

Immerhin sollten jetzt bald die Segel von

querab in Sicht kommen, ihrer anderen Fregatte, die vor Belle Ile gekreuzt und auf den ortlichen Schiffsverkehr gelauert hatte, der sich dicht unter Land nach Nantes oder Lorient durchzuschlagen ve rsuchte.

Wie sie uns hassen mussen, dachte Bolitho. Uns und die zahen, sturmerprobten Schiffe, die mit jedem neuen Morgen wieder in Sicht kommen, stets bereit zum Angriff; sie warteten nur darauf, dem Feind eine Prise vor der Nase wegzuschnappen oder — wenn die franzosischen Admirale es wagten, ihnen die Stirn zu bieten — davonzujagen und die Hauptmacht der Blockadeflotte zu alarmieren.

So klein es war, sein Geschwader hatte Bolitho beeindruckt. Er hatte sowohl der Brigg wie auch der anderen Fregatte einen Besuch abgestattet, obwohl das hie?, bis auf die Haut na? zu werden, als er sich im schlingernden Boot ubersetzen lie?. Aber sie mu?ten ihn kennenlernen, als sei er einer von ihnen und nicht ein ferner Flaggoffizier auf dem Achterdeck irgendeines pomposen Dreideckers. Nein, wenn es ums Letzte ging, mu?ten sie ihn als einen der Ihren sehen, der mitten im Gefecht stand.

Zu Neale meinte er:»Der Wind hat gedreht.»

Neale beobachtete seine Toppsgasten, die wieder einmal aufenterten, um die Bramsegel zu trimmen.

«Aye, Sir. Der Master ist uberzeugt, da? er bis zum Abend noch weiter raumen wird.»

Bolitho lachelte. Dann wurde es auch so kommen. Der Master und seinesgleichen durchschauten den Wind, noch ehe er selber wu?te, was er wollte.

Sieben Tage seit Plymouth, das hallte wie ein Klagelied in seinem Kopf wider. Sieben Tage — und kaum Resultate. Selbst wenn sein ganzes Geschwader eintraf — was sollte er unternehmen oder anordnen?

Einer einzigen faulen Sache war er bisher auf die Spur gekommen. Alle beide Kommandanten, der derbe junge Duncan von

ebenso wie der noch jungere Lapish von

hatten die Leichtigkeit erwahnt, mit der die Franzosen die britischen Schiffsbewegungen konterkarierten. Im vergangenen Jahr hatten gut bestuckte Linienschiffe immer wieder Hafen dieses Kustenabschnitts angegriffen, doch jedesmal waren die Franzosen darauf vorbereitet gewesen, hatten ihre eigenen Schiffe gefechtsbereit und die Kustenbatterien alarmiert; so war den Angriffen die Spitze genommen. Und das, obwohl die britischen Geschwader im Norden wie im Suden jedes angeblich neutrale Fahrzeug aufbrachten, durchsuchten und davonjagten, ehe es die wirkliche Starke der Blockadeflotte erkunden konnte. Oder ihre Schwache, dachte Bo-litho grimmig. Die Hande auf dem Rucken, ging er auf dem Achterdeck auf und ab, wahrend er uber diese minimale Erkenntnis nachdachte. Vielleicht kundschafteten die Franzosen nachts mit kleinen Fahrzeugen die Briten aus? Nein, die waren zu langsam und zu schwerfallig, um bei einer eventuellen Entdeckung zu entkommen. Eilkuriere, die mit einem Gewaltritt wie damals Browne die Nachricht zu den Befehlshabern entlang der Kuste brachten? Moglich, aber unwahrscheinlich. Die schlechten Stra?en und gro?en Entfernungen zwischen den einzelnen Kustenstadten hatten eine zu lange Verzogerung bedingt.

Obwohl er auf der Hut war, merkte Bolitho, da? seine Gedanken doch wieder nach Falmouth abirrten. Inzwischen mu?te Belinda zu Hause sein. Zuruckgekehrt in ein leeres Haus, wo sein einarmiger Diener Ferguson ihr nach besten Kraften Erklarungen und Trost offerieren wurde. Was mochte sie von ihm halten? Sie, die nicht wu?te, wozu die Kriegsmarine fahig war?

Belinda war jetzt vierunddrei?ig und damit zehn Jahre junger als er. Man konnte nicht verlangen, da? sie auf ihn wartete, da? sie wieder wie in ihrer ersten Ehe Qualen ausstand.

Bolitho blieb stehen und umklammerte den Handlauf der Finknetze. Vielleicht gehorte sie schon jetzt, in diesem Augenblick, einem anderen. Einem Jungeren vielleicht, der mit beiden Beinen fest an Land verwurzelt war.

Browne trat heran und wunschte ihm mit angegriffener Stimme einen guten Morgen.

Seit Plymouth hatte man Bolithos Adjutanten kaum an Deck gesehen. Aber selbst die alteren Seeleute erzahlten mit genu?lichem Schauder, welche Rekorde Browne beim Fischefuttern aufstellte. Doch heute sah er schon etwas besser aus, dachte Bolitho. Ihm kam es vor wie Hohn, da? er selbst sich trotz seiner privaten und dienstlichen Sorgen gesundheitlich nie wohler gefuhlt hatte. Das Leben an Bord und das standige Kommen und Gehen von Mannern, deren Gesichter ihm allmahlich vertraut waren, erinnerten ihn standig an seine Jugend als Fregattenkapitan. Er fuhlte, da? er korperlich und geistig so fit war wie kaum jemals auf einem viel gewaltigeren Linienschiff.

«Wir mussen heute Kontakt mit

aufnehmen, Mr. Browne«, sagte er.»Ich will sie dichter unter Land stationieren — es sei denn, der Master irrt sich mit seiner Wettervorhersage.»

Browne musterte Bolitho nachdenklich. Wie schaffte der Mann das blo?? Visitierte die anderen Schiffe des Geschwaders, besprach mit Neale jede Einzelheit der Kustenhandelsschiffahrt und des ortlichen Schiffsverkehrs und schien niemals mude zu werden.

Vielleicht setzte er sich selbst nur so unter Druck, um nicht ins Grubeln uber andere, private Probleme zu geraten. Browne hatte Bolitho inzwischen doch durchschauen gelernt.

«An Deck!»

Browne blickte nach oben und verzog schmerzlich das Gesicht, als er die winzige Gestalt erblickte, die hoch uber Deck gefahrlich auf der Saling balancierte.

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