Zwei Wochen nach Eroberung der Brigantine kreuzte die
Hinterher kam Dumaresq zu seinen Offizieren in die Messe und druckte ihnen seine Zufriedenheit mit Schiff und Besatzung und ihrer flotten Reise aus. Die
An den meisten Tagen zog die
Ein weiterer Mann, der in dem Gefecht verwundet worden war, starb und erhohte ihre Verluste damit auf acht. Der Kapitan der
Midshipman Jury durfte wieder Dienst tun, allerdings nur an Deck oder auf Wache achtern. Seltsamerweise schien die Erinnerung an die gemeinsam geteilte Gefahr ihn und Bolitho eher voneinander fernzuhalten; obwohl sie einander taglich mehrmals begegneten, spurte Bo-litho ein gewisses Unbehagen zwischen ihnen.
Moglicherweise hatte der Kommandant recht. Vielleicht hatte Jurys» Heldenverehrung«, wie er es bezeichnet hatte, eher eine Verlegenheit als eine Bindung zwischen ihnen geschaffen. Der kleine Merrett dagegen schien mehr Selbstvertrauen gewonnen zu haben. Es war, als ob er mit seinem sicheren Tod gerechnet hatte und nun uberzeugt sei, ihm konne nichts Schlimmeres mehr passieren. Er enterte mit den anderen Midships in den Wanten auf, und wahrend der Hundewachen horte man seine helle Stimme oft mit seinen Kameraden diskutieren oder streiten.
Eines Abends, als die
Bolitho wartete, bis der Ruderganger rief:»Ruder ubernommen, Kurs Sud-Sud-West liegt an!«Danach ging er hinuber auf die andere Seite, wo Jury stand, und fragte:»Was macht die Wunde?»
Jury sah ihn an und lachelte.»Tut nicht mehr weh, Sir. Ich hatte
Gluck. «Seine Finger strichen uber den Ledergurtel und beruhrten den Kratzer auf dem Metallschlo?.»Waren es wirklich Piraten?»
Bolitho zuckte die Schulter.»Jedenfalls waren sie darauf aus, uns zu verfolgen. Spione vielleicht, doch nach den Buchstaben des Gesetzes gelten sie als Piraten.»
Daruber hatte er nach jener schrecklichen Nacht viel nachgedacht. Er vermutete, da? Dumaresq und Palliser mehr wu?ten, als sie sagten, und da? die eroberte Brigantine irgendwie mit Dumaresqs geheimer Mission und ihrem kurzen Aufenthalt in Funchal zu tun hatte.
Er sagte:»Wenn wir dieses Tempo beibehalten, sind wir in einer Woche in Rio. Dann werden wir sicherlich die Wahrheit erfahren.»
Gulliver erschien auf dem Achterdeck und schaute lange schweigend zu der steifer werdenden Leinwand hinauf. Schlie?lich meinte er:»Der Wind wird starker. Ich glaube, wir sollten einige Segel we g-nehmen. «Er zogerte und sah Bolitho an.»Wollen Sie es dem Kommandanten melden, oder soll ich es tun?»
Bolitho sah, wie die Marssegel sich im Wind blahten. Im scheidenden Sonnenlicht wirkten sie wie gro?e, rosafarbene Muscheln. Aber Gulliver hatte recht, und er hatte es selbst erkennen mussen.
«Ich werde es ihm melden.»
Gulliver ging zum Kompa? hinuber, als sei er von einer inneren Unruhe getrieben.»Das Wetter ist zu schon, um sich zu halten. Ich kenne das.»
Bolitho winkte Midshipman Cowdroy heran, der zur Zeit — bis Jury ganz wiederhergestellt war — die Wache mit ihm teilte.»Meine Empfehlung an den Kommandanten, und ich lasse ihm melden, da? der Nordost auffrischt.»
Cowdroy tippte an seinen Hut und eilte zum Niedergang. Bolitho schluckte seine Abneigung gegen ihn herunter; ein arroganter, intoleranter Geselle. Er wunderte sich, da? Rhodes mit ihm zurechtkam.
Jury fragte leise:»Bekommen wir Sturm, Sir?»
«Kaum. Aber es ist gut, wenn wir darauf vorbereitet sind. «Er sah etwas in Jurys Hand glitzern und sagte:»Das ist aber eine schone
Uhr.»
Jury hielt sie ihm hin, sein Gesicht strahlte.»Sie gehorte meinem Vater.»
Bolitho offnete vorsichtig den Deckel und entdeckte darin das winzige, aber ausgezeichnete Portrat eines Seeoffiziers, dem Jury sehr ahnlich sah. Es war eine wunderschone Uhr, von einem der besten Handwerker Londons hergestellt.
Bolitho gab sie Jury zuruck und sagte:»Gehen Sie sorgsam mit ihr um. Sie mu? sehr wertvoll sein.»
Jury steckte sie wieder in die Hosentasche.»Sie ist das einzige, was ich von meinem Vater besitze.»
Irgend etwas in seinem Ton beruhrte Bolitho tief und bewirkte, da? er sich unbeholfen vorkam. Es argerte ihn, da? er Jurys Bemuhen, ihm zu gefallen, nicht eher durchschaut hatte. Der Junge hatte sonst niemand in der Welt, der sich um ihn kummerte.
Er sagte:»Schon, Mr. Jury, wenn Sie auf dieser Reise gut aufpassen, wird es Ihnen spater sicher zustatten kommen. «Er lachelte.»Wer hat vor ein paar Jahren von James Cook gewu?t, mochte ich wissen. Nun ist er ein Volksheld, und wenn er von seiner letzten Reise zuruckkommt, wird er zweifellos wieder befordert werden.»
Die Stimme Dumaresqs lie? ihn herumfahren.»Machen Sie mir den Jungen nicht verruckt, Mr. Bolitho. In Kurze wird er noch meinen Posten verlangen.»
Bolitho wartete auf Dumaresqs Entscheidung wegen der Segel. Man wu?te nie genau, woran man mit ihm war.
«Wir werden beizeiten Segel wegnehmen, Mr. Bolitho. «Er wippte auf den Fersen und prufte ein Segel nach dem anderen.»Aber wir wollen rennen, so lange wir konnen.»
Als er im Niedergang verschwunden war, rief der Steuermannsmaat der Wache:»Der Kutter hat sich aus der Halterung gelost. Sir.»
«Danke. «Bolitho sah sich wieder nach Midshipman Cowdroy um.»Nehmen Sie ein paar Leute und sichern Sie den Kutter, bitte. «Er spurte den Widerstand des Kadetten und wu?te auch den Grund: Cowdroy mu?te es merken, da? er froh war, ihn wahrend der Wache los zu sein.
Jury hatte erraten, was vorging.»Ich mache das, Sir. So etwas ist mir vom Arzt erlaubt.»
Cowdroy wandte sich um und fuhr ihn an:»Sie sind krank, Mr. Jury. Sie brauchen sich meinetwegen nicht zu bemuhen. «Er ging weg und rief nach einem Bootsmannsmaat.
Wie Gulliver prophezeit hatte, nahm der Wind weiter zu; die See veranderte ihr Gesicht und setzte wei?e Schaumkronen auf. Bolitho verga? den kleinen Streit zwischen den beiden Midshipmen, den er verursacht hatte.
Erst wurde ein Segel weggenommen, dann ein anderes, aber als das Schiff im zunehmenden Seegang immer starker stampfte, schickte Dumaresq alle Mann nach oben und lie? samtliches Tuch au?er dem Gro?marssegel bergen, damit die
Bolitho exerzierte mit der Steuerbordbatterie von Zwolfpfundern, als Jury meldete, da? er wieder voll dienstfahig erklart worden sei und nicht mehr im Krankenrevier schlafen musse.
Bolitho hatte das Gefuhl, da? etwas mit ihm nicht stimmte, war aber entschlossen, sich nicht einzumischen. Er sagte:»Der Kommandant erwartet, da? unser Salut der beste sein wird, den sie in Rio je gehort haben. «Er sah einige der halbnackten Seeleute grinsen und sich die Hande reiben.»Deshalb veranstalten wir jetzt einen kleinen Wettbewerb: erste Division gegen die zweite. Fur die Sieger gibt's eine Extraration Wein. «Er hatte sich dafur schon die Zustimmung des Zahlmeisters geholt.
Codd stie? seine gro?en Schneidezahne wie den Schnabel einer Galeere vor und stimmte frohlich zu:»Wenn Sie bezahlen, Mr. Bolitho? Alles, wenn Sie zahlen!«Little rief:»Wir sind bereit, Sir.»
Bolitho wandte sich zu Jury um.»Sie konnen die Zeit nehmen. Die Division, die ihre Kanonen als erste ausgerannt hat, und zwar zweimal bei drei Durchgangen, bekommt den Preis.»
Er wu?te, da? die Manner schon ungeduldig wurden und mit Handspaken und Taljen hantierten, als bereiteten sie sich auf ein Gefecht vor.
Jury versuchte, Bolithos Blick aufzufangen.»Ich habe keine Uhr,
Sir.»
Bolitho starrte ihn an und bemerkte gleichzeitig, da? der Kommandant und Palliser an der Achterdecksreling standen, um dem Wettkampf der Leute zuzuschauen.
«Sie haben sie verloren? Die Uhr Ihres Vaters?«Er erinnerte sich, wie stolz Jury auf sie gewesen war und wie traurig, als er sie ihm am vorherigen Abend gezeigt hatte.»Erzahlen Sie, wie das kam.»
Jury schuttelte unglucklich den Kopf.»Sie ist weg, Sir. Mehr wei? ich nicht.»
Bolitho legte Jury die Hand auf die Schulter.»Warten Sie ab, ich werde mich der Sache annehmen. «Er zog seine eigene Uhr, ein Geschenk seines Vaters.»Nehmen Sie meine.»
Stockdale, der an einer der Kanonen kauerte, hatte alles mitangehort und dabei die Gesichter ringsum studiert. Er hatte noch nie eine Uhr besessen und wurde auch kaum je eine besitzen, aber irgendwie begriff er, da? es mit dieser etwas Besonderes auf sich hatte. In der engen Gemeinschaft einer Schiffsbesatzung war ein Dieb gefahrlich. Seeleute besa?en zu wenig, um ein solches Verbrechen ungestraft zu lassen. Am besten fing man den Dieb, bevor Schlimmeres passierte, seinetwegen und im Interesse aller.
Bolitho schwenkte den Arm.»Rennt aus!»
Die zweite Division gewann spielend. Das war zu erwarten gewesen, schimpften die Verlierer, denn ihr gehorten Little und Stockdale an, die beiden starksten Manner an Bord.
Aber als der Wein ausgeteilt war und sie sich mit ihren Bechern im Schatten des Gro?segels ausruhten, wu?te Bolitho, da? zumindest fur Jury der Spa? verdorben war.
Er sagte zu Little:»Lassen Sie die Kanonen wieder festzurren. «Er ging nach achtern. Einige Leute nickten ihm zu, als er an ihnen vorbeikam.
Dumaresq wartete, bis er das Achterdeck erreicht hatte.»Das haben Sie gut gemacht!»
Palliser lachelte bittersu?.»Wenn wir unsere Leute immer mit Wein bestechen mussen, bevor sie die Kanonen bedienen, sind wir bald ein >trockenes
Dumaresq beschattete seine Augen, um drei kleine Vogel zu beobachten, die dicht uber der Wasseroberflache dahinjagten.»Ich kann das Land fast schon riechen. «Er wandte sich wieder Bolitho zu.»Es ist Ihnen gemeldet worden, also kummern Sie sich darum.»
Bolitho beruhrte seinen Hut, als der Kommandant und der Erste Offizier ihren Spaziergang auf der Luvseite des Decks wieder aufnahmen.
Er hatte noch eine Menge zu lernen.
VI Eine Frage der Disziplin
Lediglich unter Marssegeln und Kluver — alle anderen Segel waren aufgegeit — glitt die
Selbst der abgebruhteste Seemann konnte nicht abstreiten, da? der Anblick, der sich ihnen bot, majestatisch war. Sie hatten die Kuste aus dem Morgennebel emporwachsen sehen, und nun lag sie ausgebreitet zu beiden Seiten vor ihnen, als wolle sie das Schiff umarmen. So etwas wie Rios gro?en Bergkegel hatte Bolitho noch nie gesehen. Er machte alle anderen zu Zwergen. Und dahinter gab es — verstreut zwischen uppig grunen Waldern — weitere Hugel, die mit ihren steilen Gipfeln wie zu Stein erstarrte Wellen aussahen. Helle Strande, schaumende Brandung, und eingebettet zwischen Hugeln und Meer die Stadt; wei?e Hauser, kantige Turme und nickende Palmen — welch ein Gegensatz zum Englischen Kanal!
An Backbord entdeckte Bolitho die erste Festungsbatterie unter der portugiesischen Flagge, die nur gelegentlich etwas auswehte und dann im harten Sonnenlicht zu erkennen war. Rio war gut befestigt und besa? genugend Batterien, um auch die kuhnsten Angreifer abzuschrecken.
Dumaresq musterte die Stadt und die vor Anker liegenden Schiffe durch ein Fernglas. Er sagte:»Fallen Sie einen Strich ab.«»Kurs West-Nord-West, Sir!»
Palliser schaute auf seinen Kommandanten.»Ein Wachboot nahert sich.»
Dumaresq lachelte knapp.»Der fragt sich bestimmt, was, zum Te u-fel, wir hier wollen.»
Bolitho zupfte sein Hemd von der schwei?nassen Haut ab und beneidete die halbnackten Matrosen, die nicht wie die Offiziere in GalaUniformen schwitzen mu?ten.
Mr. Vallance, der Oberfeuerwerker, musterte bereits die ausgesuchten Geschutzbedienungen, um sicherzustellen, da? beim Flaggensalut nichts schiefging.
Bolitho fragte sich, wie viele unsichtbare Augen wohl die langsame Annaherung der englischen Fregatte beobachteten. Ein Kriegsschiff! Was wollte es? Kam es in friedlicher Absicht oder mit Nachrichten uber einen weiteren Vertragsbruch in Europa?
«Fangen Sie an mit dem Salut!»
Geschutz fur Geschutz krachten die Salutschusse. In der druckenden Luft blieb der Pulverqualm auf dem Wasser liegen und nahm ihnen die Sicht auf das Land.
Das portugiesische Wachboot hatte mit einigen kraftigen Ruderschlagen um seine ganze Lange gedreht. Es sah aus wie ein gro?er Wasserkafer.
Jemand bemerkte:»Er will uns hineinlotsen.»
Die letzte Kanone rollte beim Abschu? zuruck, und die Bedienungen beeilten sich mit dem Auswischen der noch rauchenden Rohre und dem Festzurren jeder Waffe, als endgultiges Zeichen ihrer friedlichen Absicht.
Eine Gestalt auf dem Wachboot schwenkte eine Flagge, und als sich die langen Riemen tropfend aus dem Wasser hoben und so verharrten, bemerkte Dumaresq trocken:»Nicht zu weit hinein, Mr. Palliser. Sie trauen uns noch nicht ganz.»
Palliser hob das Sprachrohr an den Mund:»Klar zum Ankern! An die Brassen, Fallen und Schoten!»
Nach festgelegtem Plan eilten die Matrosen und Maaten auf ihre Stationen.
«Los die Schoten!«Pallisers Stimme scheuchte die Mowen auf, die sich nach den Salutschussen gerade wieder auf dem Wasser niedergelassen hatten.»Gei auf die Marssegel! La? fallen Kluver!»
Dumaresq sagte:»Es ist soweit, Mr. Palliser. Ankern!«»Ruder nach Luv!«[7]