Galeeren in der Ostsee: Konteradmiral Bolitho vor Kopenhagen - Kent Alexander 5 стр.


Trotzdem war es notig gewesen, da? drei Leute ausgepeitscht wurden, nachdem Herrick die entsprechenden Kriegsartikel verlesen hatte, wahrend das Schiff sich durch Wellentaler und gegen uberkommende Brecher nordwarts vorkampfte.

Bolitho war der Bestrafung ferngeblieben. Sogar das zahlte nicht mehr zu seinen Angelegenheiten. Er marschierte in seiner Kajute auf und ab und horte dabei das gleichma?ige Klatschen der» Neun-schwanzigen «auf nacktem Rucken, begleitet vom dumpfen Trommelschlag des Spielmanns, der zur Prozedur dazugehorte.

Aber dann, ganz plotzlich, flaute der Wind leicht ab, und kleine blaue Flecken tauchten zwischen den Wolkenbergen auf.

Seeleute und Soldaten hielten inne, um nach oben zu schauen und tief Luft zu holen. Warmes Essen wurde durch die Decks getragen, als hatten sie eine kurze Gefechtspause oder als wolle der Smutje es nicht glauben, da? er seine Kombuse langere Zeit benutzen konnte.

Bolitho ging kurz vor Mittag an Deck und spurte den Unterschied. Die Midshipmen zeigten angemessen ausdruckslose Gesichter, als der Master und seine Steuermannsmaate ihre Bemuhungen uberwachten, mit Hilfe des Sextanten die Mittagsbreite zu bestimmen. Die Manner hoch oben uber Deck klammerten sich nicht mehr so krampfhaft an bebende Stengen oder Wanten, sondern bewegten sich bei ihren verschiedenen Arbeiten leicht und sicher. Der Erste Offizier fuhrte eine kleine Prozession von Fachleuten an, die den Backbord-Laufgang herunterkamen und nach allem schauten, was eine Reparatur, einen Schlag Farbe oder einen Splei? benotigte. In seinem Gefolge befanden sich Drodge, der Stuckmeister, Big Tom Swale, der fast zahnlose Oberbootsmann, Tregoye, der Schiffszimmermann, und einige ihrer Maate.

Am vorderen Niedergang stand Purvis Spreat, der Zahlmeister der

Die Seesoldaten standen in zwei scharlachroten Reihen, die — den Schiffsbewegungen folgend — hin und her pendelten. Bolitho beobachtete sie, versuchte, Namen mit Gesichtern in Ubereinstimmung zu bringen, das Plus oder Minus ihrer Fahigkeiten zu beurteilen. Major Clinton schritt mit Leutnant Marston, seinem Gehilfen, langsam die Front ab und horte sich dabei an, was Sergeant Rombilow ihm uber jeden Mann und seine Funktion an Bord zu sagen hatte.

Seesoldaten waren eine seltsame Rasse, dachte Bolitho. Sie waren genauso eng in den dicken Bauch der

Bolitho sah, wie die Nachmittagswache sich vor dem Achterdeck versammelte und auf die Ubernahme des Schiffes fur die nachsten vier Stunden vorbereitete. Hier und da kaute noch einer an der ersten guten, warmen Mahlzeit seit Tagen. Einige Augenpaare musterten den Himmel mit prufendem Blick oder — soweit es neue Leute waren — mit offensichtlicher Erleichterung.

Die meisten aber warfen ihrem Admiral verstohlene Blicke zu, der ruhelos auf der Luvseite des Achterdecks auf und ab ging. Wenn Bo-litho sich ihnen zuwandte, schauten sie schnell weg. Es war das ubliche: Neugier, Interesse, Ablehnung. Bolitho wu?te aus Erfahrung, da? er es sich erst verdienen mu?te, wenn er mehr von ihnen erwartete.

Er horte Pascoes Stimme, als er nach achtern kam und seinen Hut vor Speke, dem Zweiten Offizier, den er ablosen wollte, luftete.

«Die Wache ist angetreten, Sir.»

Druben, auf den anderen Schiffen, spielte sich jetzt das gleiche ab. Routine und Tradition. Wie ein gut eingeubtes Theaterstuck, in dem jeder bei vielen Gelegenheiten jede Rolle gespielt hatte und jedes Wort auswendig wu?te.

Die beiden Offiziere pruften den Kompa?, das Logbuch, den Stand der Segel, wahrend die anderen Mitspieler sich zu ihren Platzen bewegten: die Ruderganger, der Quartermaster, der Midshipman der Wache. Bolitho runzelte die Stirn. Wie hie? er doch noch? Penels, ja, das war der Name. Der Jungste an Bord. Gerade zwolf Jahre alt und aus Cornwall. Ein Cornishman. Er lachelte. Kaum schon ein Mann.

«Ubergeben Sie das Ruder, bitte!»

Acht Glockenschlage klangen vom Vorschiff heruber, und die Manner von der Vormittagswache eilten in ihre Wohnraume zu einer guten Mahlzeit und einem kraftigen Schluck.

Bolitho kam uber das Achterdeck und sagte:»Du siehst gut aus, Adam.»

Sie entfernten sich vom Doppelrad und den drei Rudergangern und gingen Seite an Seite zu den Luv-Netzen.

«Danke, Sir. «Pascoe warf ihm einen Seitenblick zu.»Du auch, Onkel.»

Als Bolitho schlie?lich seine Taschenuhr herausholte, stellte er fest, da? er sich eine volle Stunde mit seinem Neffen unterhalten hatte. Es schienen nur Minuten gewesen zu sein. Und doch hatten sie ein Bild heraufbeschworen, das sich betrachtlich von dem unterschied, das sie umgab. Nicht Meer und Himmel, Gischt und pralle Segel, sondern Landwege, niedrige Bauernhauser und der graue Klotz von Pendennis Castle.

Pascoe war sehr gebraunt, fast so dunkel wie ein Zigeuner.

Bolitho sagte:»Unser Geschwader wird sich bald zerstreuen. Aber vielleicht konnen wir hier auch mal den Fu? an Land setzen. Deswegen konnte ich den Blockadedienst in der Biskaya nicht ausstehen. Unsere Landsleute bekommen feuchte Augen, wenn sie von >unserem holzernen Schutzwall

Midshipman Penels rief aufgeregt:»Signal von

ausbrach, damals wahrend der amerikanischen Revolution. Ein kleiner, rundlicher Junge, er sah ihn deutlich vor sich. Heute konnte er sogar daruber lachen, wie er und Herrick den nackten Midshipman mit ranziger Butter eingeschmiert hatten, um ihn durch das Luftungsrohr schieben zu konnen. Die Meuterer hatten sie eingesperrt, und er sollte Hilfe herbeiholen. Es war ein hartes Stuck Arbeit gewesen.

Jetzt diente Neale als Kommandant, und es war klar, was Pascoe dachte, als er durch das Glas beobachtete, wie jener sein Schiff handhabte. Bolitho sagte ruhig:»Sobald es geht, Adam. Ich tue, was ich kann. Du hast es verdient.»

Pascoe sah ihn erstaunt an.»Du hast es erraten, Onkel?»

Bolitho lachelte.»Ich war auch mal Kommandant einer Fregatte, Adam. Das vergi?t man nie.»

Er schaute zu seiner Konteradmiralsflagge empor, die vom Besan-mast kraftig auswehte.»Auch wenn es einem weggenommen ist.»

«Vielen Dank«, rief Pascoe aus.»Ich mochte zwar gern bei dir bleiben, das wei?t du. Aber ich verliere zu viel Zeit auf einem Linienschiff.»

Bolitho sah Ozzard auf dem Achterdeck herankommen, die dunne Gestalt gegen den feuchten Wind zusammengekrummt. Es war Zeit zum Essen.

Er schmunzelte.»Ich glaube, damals habe ich das gleiche gesagt.»

Nachdem Bolitho im Achterschiff verschwunden war, ging Pascoe langsam auf der Luvseite auf und ab, die Hande genauso auf dem Rucken verschrankt, wie er es oft bei Bolitho gesehen hatte.

Pascoe hatte nie etwas von seinen Wunschen gegenuber Herrick oder gar Bolitho geau?ert. Aber er hatte wissen sollen, da? er nichts vor ihnen verbergen konnte.

Er beschleunigte die Schritte, wahrend seine Gedanken ihm weit vorauseilten in eine Zukunft, die nicht langer ein eitler Traum zu sein schien.

III Der Brief

Es verging noch ein ganzer Tag, bevor Bolithos Ausguck Admiral Damerums Geschwader sichtete, und da es bereits kurz vor Dunkelheit war, mu?ten sie auch noch die Nacht verstreichen lassen, bevor sie den Kontakt herstellen konnten.

Wahrend sein Schiff am folgenden Morgen Kurs auf die gro?ere Gruppe nahm, beobachtete Bolitho das Geschwader des Admirals durch ein starkes Fernrohr und fragte sich, welchen Sinn es habe, eine solch gewaltige Streitmacht in dieser Art zu beschaftigen. Von den britischen Flotten wurde erwartet, da? sie Sommers wie Winters die hollandischen Kriegsschiffe vor der niederlandischen Kuste, die spanischen in Cadiz und — selbstverstandlich — die starken franzosischen Stutzpunkte Brest und Toulon blockierten. Abgesehen davon hatte man ihnen den Schutz der lebenswichtigen Handelswege nach Ost-und Westindien vor Angriffen der Feindmachte, vor Kaperfahrern und gewohnlichen Piraten ubertragen. Eine fast unlosbare Aufgabe.

Hier an den Ostseeeingangen wurden nun andernorts dringend benotigte Geschwader nutzlos festgehalten, nur weil Zar Paul von Ru?land wenig fur Britannien und desto mehr fur Napoleon ubrig hatte und vielleicht seine Neutralitat aufgeben wollte.

Herrick trat zu Bolitho und sagte:»Das dritte Schiff, Sir, mu? das von Sir Samuel Damerum sein.»

Bolitho richtete sein Fernglas auf das Schiff, das den Union Jack an seiner Gro?marsstenge fuhrte. Er war sich des Unterschieds zwischen den nur langsam segelnden Schiffen Damerums und seinem eigenen kleinen Geschwader bewu?t. Mit ihren vielfach geflickten Segeln, ihren von Wind und Wetter mitgenommenen Schiffsrumpfen, auf denen quadratmeterweise die Farbe weggewaschen war, bildeten sie einen starken Gegensatz zu Bolithos neu ausgerusteten Zweideckern.

Weit hinter den schwereren Schiffen machte Bolitho die Bramsegel einer Fregatte aus, die dort als >Auge des Admirals

«Lassen Sie bitte mein Boot klarmachen, Thomas. Wir werden in spatestens einer Stunde bei ihnen sein. Und sorgen Sie dafur, da? gleichzeitig die Vorrate fur den Admiral mit einem anderen Boot hinubergeschickt werden.»

Es war immer ein seltsames Gefuhl, wenn Schiffe einander bege gneten. Die einen, schon lange in See, waren immer erpicht auf Neuigkeiten von zu Hause. Die Neuankommlinge dagegen waren voller Unruhe, da sie nicht wu?ten, was sie erwartete.

Sein Flaggleutnant kam mit langen Schritten uber das Achterdeck, das Gesicht verkniffen wegen der Kalte.

Bolitho sagte:»Da ist das Flaggschiff des Admirals. Ein Linienschiff zweiter Klasse.»

Browne nickte.»Die

«Sie werden mit mir hinuberfahren. «Bolitho lachelte grimmig.»Um sicherzustellen, da? ich nicht etwas Unbesonnenes tue.»

Herrick sagte:»Es mag alles schnell vorbeigehen. Vielleicht sind wir eher wieder in Spithead, als Sie ahnen.»

Bolitho war in seiner Kajute dabei, seine Depeschen aus dem Safe zu holen, als das Geklapper von Blocken und das Knattern schlagender Leinwand ihm sagten, da? die

Ein Midshipman, ungewohnlich sauber und ordentlich angezogen, stand im heftig dumpelnden Boot; neben ihm, auf seinem angestammten Platz an der Pinne, Allday. Er mu?te sich mit seiner Ansicht durchgesetzt haben, da? der Konteradmiral lieber seinen Bootssteurer am Ruder sah als einen Schiffsleutnant. Wenn es nach Allday ginge, ware das nachstemal auch kein Midshipman mehr dabei, dachte Bo-litho. Leutnant Browne allerdings war mit im Boot. Er hatte es wieder geschafft, nahezu elegant auszusehen.»Boot Achtung!»

Wahrend die Bootsmannsmaatenpfeifen noch trillerten, sprang Bo-litho in dem Augenblick vom Fallreep auf die Hecksitze des Bootes hinuber, als dieses gerade von einer Welle an der glanzenden Bordwand der

jungen Herren

«D-d-danke, Sir. «Graham lie? sich erleichtert nieder.»Ich bin gleich wieder in Ordnung.»

Uber die Schultern grinste Allday dem Schlagmann zu. Nur jemand wie Bolitho machte sich Gedanken uber einen kleinen Midshipman. Das Komische an der Sache war, da? der ungluckliche Graham — was Allday wu?te — nur kurz vorher von einer Pastete gekostet hatte, die er seit England aufbewahrte. Die Pastete war zweifellos schon leicht angeschimmelt gewesen, als er sie an Bord brachte. Nach Tagen auf See, in der feuchten, schlecht gelufteten Kadettenunterkunft, mu?te sie sich nahezu in Gift verwandelt haben.

Bolithos Ankunft auf Damerums Flaggschiff verlief nicht weniger gerauschvoll als die Abfahrt von seinem eigenen.

Er sah fluchtig: blitzende Bajonette, unbewegte Offiziersgesichter, aber vor allem den Admiral selber, der vortrat, um ihn zu begru?en.

«Kommen Sie mit nach achtern, Bolitho. Mein Gott, diese Kalte la?t einem das Mark in den Knochen gefrieren.»

Die

Damerum wies auf einen Stuhl, wahrend ein Diener Bolitho Hut und Mantel abnahm.

Bolitho setzte sich. Sir Samuel Damerum, Ritter des Bath-Ordens, Admiral der Nordseeflotte, stand schatzungsweise im funfzigsten Jahr. Er hatte eine frische, lebhafte Art zu sprechen und sich zu bewegen, aber sein graumeliertes Haar und die leichte Rundung in Taillenhohe, die auch eine makellos geschneiderte Weste nicht kaschieren konnte, machten ihn alter.

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