Galeeren in der Ostsee: Konteradmiral Bolitho vor Kopenhagen - Kent Alexander 4 стр.


Herrick war storrisch wie immer.»Es sind die Manner, die Schlachten gewinnen, Sir. Nicht die Schiffe. «Verbindlicher fugte er hinzu:»Aber es ist ein stolzer Augenblick, das mu? ich zugeben. Die

Bolitho nickte.»Ich auch, Thomas, da? ich Sie wieder als Flaggkapitan habe. «Er beobachtete eine Unsicherheit auf Herricks Gesicht und erriet, was kam.

«Es mag ungebuhrlich klingen, Sir, aber haben Sie nie daran gedacht… Ich meine, wollen Sie nicht uberlegen…»

Bolitho hielt seinem Blick stand und antwortete ruhig:»Wenn ich

Cheney zuruckholen konnte, mein Lieber, wurde ich den rechten Arm dafur geben. Aber eine andere heiraten?«Er schaute zur Seite, denn es gab ihm einen schmerzhaften Stich, als er sich an Herricks Gesicht erinnerte, wie der ihm damals die Nachricht von Cheneys Tod uberbracht hatte.»Ich dachte, ich wurde daruber hinwegkommen, mich von ihr losen. Der Himmel wei?, Thomas, da? Sie alles getan haben, mir zu helfen. Manchmal bin ich nahezu daran, zu verzweifeln…«Er unterbrach sich. Was war mit ihm los? Aber als er Herrick anschaute, sah er nur Verstandnis in dessen Zugen. Und Stolz, etwas mit ihm teilen zu konnen, das er wahrscheinlich langer als jeder andere gewu?t hatte.

Herrick stand auf und stellte seine Kaffeetasse auf den Tisch.»Ich gehe jetzt besser wieder an Deck. Mr. Wolfe ist ein guter Seemann, aber es fehlt ihm die leichte Hand im Umgang mit den neuen Leuten. «Er zog eine Grimasse.»Wei? Gott, er jagt sogar mir manchmal Angst ein.»

«Wir sehen uns bei vier Glasen wieder, Thomas. «Bolitho drehte sich um und sah eine Mowe pfeilschnell am Fenster vorbeistreichen.»Was ist mit Adam? Ich habe ihn nur kurz gesprochen, als ich an Bord kam. Uberhaupt gibt es noch viele Fragen.»

Herrick nickte.»Aye, Sir. Hoher Rang stellte hohere Anforderungen. Wenn Sie den jungen Adam gestern eingeladen hatten, hatten die anderen in der Masse etwas uber Bevorzugung gemunkelt, was Sie selber nicht mogen. Aber er hat Sie vermi?t. Ich glaube, er sehnt sich nach einer Fregatte, doch furchtet er, uns beide damit zu kranken. Sie besonders.»

«Ich werde ihn bald zu mir rufen. Wenn alle an Bord so beschaftigt sind, da? sie keine Zeit mehr zum Tratschen haben.»

Herrick grinste.»Das ist bestimmt sehr bald der Fall. Nach der ersten richtigen Nordsee-Brise sind sie dazu viel zu erschopft.»

Noch lange, nachdem Herrick gegangen war, sa? Bolitho still auf der grunen Lederbank unter dem Heckfenster. So machte er sich mit dem Schiff vertraut, obwohl er nicht direkt an dem teilnehmen konnte, was uber ihm und vor der Tur geschah.

Fu?e stampften und Blocke quietschten. Er wurde unruhig, sobald er die Gerausche als das Aufhei?en eines Bootes, sein Einschwenken uber die Laufbrucke und Abfieren auf das Bootsrack neben den anderen Booten erkannte.

Viele Leute waren an der Arbeit, von ihren Deckoffizieren und Maaten angeleitet und vorangetrieben. Es fehlte an erfahrenen Matrosen. Auf jede Wache und auf den Gefechtsstationen waren nur einige davon verteilt. Sie konnten allenfalls dafur sorgen, da? die neuen und unerfahrenen Leute keine allzugro?en Gefahren heraufbeschworen.

Freiwillige waren in Devonport an Bord gekommen und einige sogar hier in Portsmouth: ehemalige Seeleute, die genug vom Leben an Land hatten, Manner, die vor dem Gericht, vor Glaubigern oder gar vor dem Galgen davongelaufen waren.

Der Rest, von den Pre?kommandos an Bord geschleppt, war noch verstort, deprimiert, zu plotzlich eingefangen in eine Welt, die sie kaum kannten, allenfalls aus der Entfernung. Dies also war es, was sie sich unter einem Schiff des Konigs, das unter vollen Segeln stolz aufs weite Me er hinausfuhr, vorgestellt hatten. Und das war die harte Wirklichkeit: uberfullte Wohndecks und der Stock des Bootsmanns.

Es war Herricks Aufgabe, sie mit seinen eigenen Methoden zu einer Mannschaft zusammenzuschwei?en. Zu einer Besatzung, die tapfer ihren Mann stand und sich — wenn notig — mit einem Hurra auf den Feind sturzte.

Bolitho sah sein Spiegelbild in den nassen Scheiben. >Und meine Aufgabe ist es, das Geschwader zu fuhren.

«Endlich >mal

Bolitho sah ihn zornig an.»>Mal 'ne Abwechslung

Bolitho mu?te erst einmal tief Luft holen.»Kein Wunder, da? die Madchen auf Ihre Uberredungskunste hereinfallen, Allday. Fast hatten Sie mich uberzeugt.»

Allday lachte in sich hinein.»Ich bringe Ihre Frisur noch einmal in Ordnung, Sir. Wir werden uns uberhaupt kunftig etwas zusammennehmen mussen, mit einem Mr. Browne an Bord.»

Bolitho lehnte sich zuruck und wartete. Er wurde nicht nur mit Browne zurechtkommen mussen. Allday erriet sicher, wie viele Sorgen er sich machte, bis sie alle in See waren. Und er wurde dafur sorgen, da? er nicht allein blieb, bis die Kommandanten kamen, ihm ihre Aufwartung zu machen. Gegen Allday gewann man nur schwer.

Von der Schiffsglocke vorn auf dem Backsdeck erklangen zwei Schlage. Funf Uhr nachmittags, und die Kommandantensitzung lag hinter ihnen. Sekunden spater kam Herrick abermals in Bolithos Kajute.

Bolitho streckte die Arme nach seinem Uniformrock aus und erlaubte Ozzard, ihn noch einmal zurechtzuzupfen und dafur zu sorgen, da? der Zopf korrekt auf dem goldbestickten Kragen lag.

Allday stand am Schott und nahm — nach einem Augenblick des Uberlegens — einen der Sabel von seinem Stander.

Er glitzerte trotz des nur matten Lichts, war schon geformt und verziert und zeigte, wenn man ihn aus der Scheide zog, eine ebenso vollkommene Klinge. Es war ein Ehrensabel, gestiftet von der Bevolkerung Falmouths. Ein Geschenk in Anerkennung dessen, was Bolitho im Mittelmeer geleistet hatte.

Herrick beobachtete die kleine Szene. Einen Augenblick verga? er den Kummer, da? er Dulcie so schnell hatte verlassen mussen, und die hundert Dinge, die seine Aufmerksamkeit an Deck verlangten. Er wu?te, was Allday dachte, und war gespannt, wie er es aussprechen wurde.

Der Bootssteurer fragte etwas linkisch:»Dieser, Sir?«Er lie? den Blick zum zweiten Sabel wandern. Der war altmodisch und gerade, aber ein Teil Bolithos und seiner Vorfahren.

Bolitho lachelte.»Lieber nicht. Es wird gleich regnen, und ich mochte nicht, da? die schone neue Waffe Schaden nimmt. «Er wartete, wahrend Allday den anderen Sabel holte, und hakte ihn in seinen Gurt ein.»Und au?erdem«, er blickte von Allday zu Herrick,»mochte ich heute alle alten Freunde um mich haben.»

Dann tippte er Herrick auf die Schulter:»Wir gehen zusammen an Deck, nicht wahr, Thomas? Wie fruher.»

Ozzard sah den beiden Offizieren nach und flusterte bedauernd:»Ich wei? nicht, warum er diesen alten Sabel nicht wegwirft oder wenigstens zu Hause la?t.»

Allday machte sich nicht die Muhe, ihm zu antworten, sondern schlenderte hinter Bolitho her, um seinen vorschriftsma?igen Platz auf dem Achterdeck einzunehmen.

Aber er dachte dabei uber Ozzards Bemerkung nach. Wenn Richard Bolitho sich jemals von diesem alten Sabel trennte, dann hatte seine Hand bestimmt nicht mehr die Kraft, ihn zu fassen.

Bolitho marschierte hinaus, hielt vor dem Steuerruder und lie? seinen Blick uber die angetretenen Offiziere und Mannschaften schweifen. Er spurte den Wind schmerzhaft in den Augen und die kalte Luft an seinen Beinen.

Wolfe schaute zu Herrick hinuber, tippte an seinen Hut, unter dem die roten Haare flatterten, als wollten sie davonfliegen.

«Alle Ankertrossen sind kurzgeholt, Sir«, sagte er mit seiner rauhen, tonlosen Stimme.

Herrick meldete Bolitho ebenso formlich:»Das Geschwader ist bereit, Sir.»

Bolitho nickte. Er war sich des Augenblicks bewu?t, der Gesichter um ihn herum, die ihm zumeist unbekannt waren, und des Schiffes, dessen Decksplanken sie alle trugen.

«Dann setzen Sie das Signal fur alle, bitte. «Er zogerte, wandte sich um und schaute uber die Netze hinweg auf den nachstliegenden Zweidecker, die

Er setzte abrupt hinzu:»Anker lichten!»

Browne war schon mit den Signalgasten an der Arbeit und trieb einen verdattert dastehenden Midshipman an, der ihm eigentlich hatte behilflich sein sollen.

Ein paar spannungsgeladene Augenblicke noch, die rauhen Befehle vom Vorschiff, als das Gangspill immer mehr von der tropfnassen Ankertrosse einholte.

«Anker ist los, Sir!»

Bolitho mu?te die Hande wie mit Schraubstocken auf dem Rucken festhalten, um seine Erregung zu zugeln, als eines der Schiffe nach dem anderen loskam und unter Massen von wild schlagender, dann sich fullender Leinwand heftig uberholend Fahrt aufnahm.

Die

Einen Augenblick sah Bolitho seinen Neffen sich umdrehen und nach achtern schauen. Als Dritter Offizier hatte er das Kommando uber den Fockmast und war damit so weit vom Achterdeck entfernt, wie es nur ging.

Bolitho nickte ihm kurz zu und sah, da? Pascoe genauso antwortete, wobei ihm das schwarze Haar ins Gesicht wehte. Es kam Bolitho vor, als sahe er sich selber im gleichen Alter.

«Mr. Browne, signalisieren Sie dem Geschwader, es soll dem Flaggschiff in Kiellinie folgen. «Er sah, da? Herrick ihn beobachtete, und fugte hinzu:»Die Fregatten und unsere Korvette werden wissen, was sie zu tun haben, ohne da? ich es ihnen ausdrucklich befehle.»

Herricks salzuberkrustetes Gesicht verzog sich zu einem Lacheln.»Das werden sie, Sir.»

Hart am Wind liegend und gischtuberspruht, bemuhten sich die Fregatten, ihre vorgeschriebenen Positionen vor dem Verband zu erreichen, von wo aus sie uber ihre schwerfalligeren Gefahrten wachen konnten.

Bolitho ging zur Backbordseite und schaute zum Land zuruck. Da lag es, grau und formlos; Einzelheiten lie?en sich in dem schlechter werdenden Wetter kaum noch erkennen.

Wie viele Leute mochten das Auslaufen des Geschwaders wohl beobachten? Herricks Frau, Admiral Beauchamp, all die alten verkruppelten Seeleute, die als Strandgut des Krieges an Land geworfen waren? Einst hatten sie die Marine verflucht, aber manchem von ihnen mochte nun ein Klo? im Halse stecken, als sie die Schiffe davonsegeln sahen.

Bolitho horte Wolfe spottisch sagen:»Mein Gott, schauen Sie sich den Menschen an! Nur Haut und Knochen. Sein Rock sieht aus wie das Hemd des Zahlmeisters auf einer Handspake.»

Bolitho drehte sich um und sah eine dunne, schlotternde Gestalt zum Niedergang eilen und nach unten verschwinden. Sein Gesicht war kalkwei? wie ein Totenschadel.

Herrick senkte die Stimme.»Das ist Mr. Lovey, der Schiffsarzt, Sir. Ich hoffe, da? ich nicht einmal auf dem Operationstisch liegen und zu diesem Gesicht aufschauen mu?.»

Bolitho sagte:»Da stimme ich Ihnen zu.»

Er nahm ein Fernrohr von einem der Midshipmen und richtete es auf die anderen Schiffe. Sie arbeiteten sich auf ihre Positionen in der Linie, wobei ihre Segel teilweise killten oder gar backschlugen, wenn sie zu stark anluvten.

Bis zu ihrem Rendezvous mu?ten sie noch viel hinzulernen, an Segeln und Kanonen. Doch falls sie schon vorher auf ein feindliches Geschwader stie?en — soweit Bolitho wu?te, war eine ganze franzosische Flotte in See — , dann wurde von ihm erwartet, da? er sein Geschwader so, wie es war, in den Kampf fuhrte.

Er warf einen Blick zum Niedergang, als erwarte er, da? der Totenschadel des Schiffsarztes ihn beobachte. Hoffentlich blieb Lovey noch eine Zeitlang unbeschaftigt.

Auf dem Oberdeck war wieder Ordnung eingekehrt. Das Tauwerk war sauber aufgeschossen oder uber Belegnagel gehangt. Die Seeleute versammelten sich am Fu? ihrer Masten, wurden gemustert und gezahlt. Und uber ihnen, beweglich wie Eichhornchen in einem vom Winde geschuttelten Wald, arbeiteten die Toppsgasten und sorgten dafur, da? alle Leinen klarliefen und alle Segel vollstanden.

Es war Zeit, hineinzugehen und Herrick das Kommando zu uberlassen.

«Ich gehe nach achtern, Captain Herrick.»

Herrick schien seine Gedanken erraten zu haben.»Aye, Sir. Und ich werde mit den Oberdecksbatterien noch bis zur Dunkelheit exerzieren.»

Eine ganze Woche lang kampfte sich das Geschwader bei einem Wetter durch die Nordsee, das selbst Ben Grubb als eines der schlimmsten, die er je erlebt hatte, bezeichnete. Wahrend der Nachte drehten die wild hin- und hergeworfenen

Schiffe unter Sturmsegeln bei, und jeden Morgen wiederholte sich beim Hellwerden die Suche nach den uber Nacht weit auseinandergetriebenen Gefahrten. Wenn sie sich schlie?lich wieder einigerma?en formiert hatten, wurde der Nordost-Kurs wieder aufgenommen und dabei — soweit das Wetter es erlaubte — an den Geschutzen exerziert und Reparaturen ausgefuhrt.

Im Geschwader hatte es einige Tote und Verletzte gegeben. Die Todesfalle wurden meist durch Sturze von oben verursacht, wenn die verstorten und vom uberkommenden Salzwasser halbblinden Manner beim Reffen oder Segelbergen mit der wild schlagenden Leinwand kampften oder Schaden am stehenden Gut ausbesserten.

Auf der

Ein Mann verschwand, ohne da? jemand etwas davon bemerkt hatte. Uber Bord gespult, hatte er vielleicht noch ein paar Augenblicke im Wasser strampelnd zugesehen, wie der Zweidecker in der Finsternis verschwand.

An Bord war es uberall feucht und scheu?lich kalt. Die einzige Warme kam vom Kochherd in der Kombuse, aber bei dem Seegang war es unmoglich, Kleidungsstucke zu trocknen, solange das Schiff derart hin- und hergeworfen wurde.

Sobald er an Deck kam, spurte Bolitho die schlechte Stimmung fast physisch. Er kannte Herrick gut genug, um zu wissen, da? er nichts weiter tun konnte, um die Leiden seiner Leute zu mildern.

Manche Kommandanten hatten sich gar nicht darum gekummert, sondern ihren Bootsmannsmaaten befohlen, auch den letzten Mann zum Dienst zu prugeln. Nicht so Herrick. Seit seiner Leutnantszeit war er immer bemuht gewesen, zu fuhren, anstatt anzutreiben, seine Leute zu verstehen, anstatt sie in Furcht vor seiner Befehlsgewalt zu halten.

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