Der Brander: Admiral Bolitho im Kampf um die Karibik - Kent Alexander 6 стр.


Er horte

Quantock explodierte.»Holle und Teufel, er wird es doch nicht wagen, auf ein englisches Kriegsschiff zu feuern!»

Aber da erzitterte die Luft schon vom Doppelknall der Kanonen, und als der Rauch in dicken Wolken leewarts trieb, spurte Bolitho die Eisenkugeln in

«Laden und ausrennen, Kapitan Keen«, befahl Bolitho knapp.

Der andere Kommandant mu?te toll geworden sein, einen 64er anzugreifen. Gleich wurde Keen abdrehen und ihm eine volle Breitseite in den Rumpf schie?en. Das mu?te Tote geben — aber mit welchem Sinn und Zweck?

Am Backbordrumpf der

Achates

Keen hatte die Hande auf dem Rucken verschrankt — so fest, da? Bolitho die Knochel wei? hervortreten sah. Was erblickte er in dem Schiff da vorn, eine unerwartete Prise oder den Ruin seiner Laufbahn?

Wieder feuerte der andere, und Bolitho mu?te sich beherrschen, um nicht zusammenzuzucken, als die Kugel ihr pralles Gro?segel durchschlug, das der Wind sofort in tausend flatternde Fetzen ri?.

Aber die Stuckmeister an den Bugkanonen der

Seine Stimme klang wutend. Es wurmte ihn, was da geschah.

«An die Leebrassen! Klar auf dem Achterdeck!«Quantocks metallverstarkte Stimme schien von uberall zugleich zu kommen.

Und in diesem Augenblick feuerte ihr Gegner ein drittes Mal. Bo-litho glaubte fast, die verwischte Bahn der Kugel zu sehen, bevor sie das Backbord-Seitendeck zerschmetterte; der andere Schu?, mit Ma-ximalelevation abgefeuert, heulte uber die Back heran.

Es war ein letzter, verzweifelter Versuch, den Jager abzuschutteln. Und er hatte Erfolg.

Zuerst knallte es, einmal und ohrenbetaubend laut, und Sekunden spater kam krachend die Vormaststenge herunter. Spieren und wild schlagendes Segeltuch regneten an Deck. Gleich darauf wankte der Vormast und schlug, sein gebrochenes Rigg wie ein Nest zuckender Riesenschlangen hinter sich herziehend, splitternd aufs Leedeck, von wo er mit einem gewaltigen Aufklatschen ins Wasser sturzte.

Bolitho horte neben sich den halberstickten Entsetzensschrei eines Kadetten, als die Wrackteile einige Seeleute mit uber Bord rissen; ihr Aufbrullen ging im tosenden Inferno unter.

Die nachgeschleppten Spieren und Leinen wirkten wie ein riesiger Seeanker und zogen den Bug herum, immer weiter aus dem Kurs, bis alle Segel, die fur die Verfolgungsjagd so sorgsam getrimmt worden waren, in wildem Durcheinander schlugen.

Bootsmann Rooke und seine Leute attackierten unten schon das Chaos, kappten mit Axthieben die Wrackteile, um das Schiff wieder flott zu machen. Die Stuckmannschaften hantierten fieberhaft mit Taljen und Handspaken, um ihre Kanonen auszurichten, aber die

Von einem Augenblick zum anderen war sein Schiff zum Kruppel geschossen worden. Hatte es sich um ein ernsthaftes Gefecht gehandelt, ware der Feind jetzt schon uber Stag gegangen, um sie vom Bug bis zum Heck mit seinen Breitseiten einzudecken.

Hoch uber Deck schrien die Toppgasten einander Anweisungen zu, wahrend sie die Segel aufzugeien versuchten, bevor das Schiff total entmastet werden konnte.

Keen entrang sich ein verzweifelter Ausruf:»Das werde ich mein Lebtag nicht vergessen! Niemals!«Er starrte Bolitho an, als erwarte er eine Antwort von ihm.»Sie hatten keinen Grund, auf uns zu feuern!»

Bolitho sah allmahlich wieder eine gewisse Ordnung an Bord einkehren, die Schiffsbewegungen wurden kontrollierter, und sie reagierte auf das Ruder; aus dem Wirrwarr auf dem Vorschiff ragte der Maststumpf wie ein abgebrochener Zahn.

Er sagte zu Keen:»Einen Grund hatten sie schon. Und ich beabsichtige, ihn herauszufinden. Damit wir beim nachsten Mal nicht uberrascht werden.»

Offiziere eilten zu Keen, um sich neue Befehle zu holen. Die dienstalteren Leute an Bord wurden ihn jetzt mit dem fruheren Kommandanten vergleichen. Egal, was sie dachten, es war jedenfalls kein guter Anfang.

Bolitho sagte:»Beruhigen Sie die Leute und bringen Sie das Schiff wieder auf Kurs.»

Es kostete ihn gro?e Anstrengung, beherrscht zu sprechen. Sie hatten eine Niederlage einstecken mussen und Tote zu beklagen — es sei denn, das ausgesetzte Beiboot konnte noch Uberlebende aus den achteraus abtreibenden Trummern fischen.

Nur aus Instinkt, aus einer schlimmen Vorahnung heraus hatte er Keen befohlen, zu dem Fremdling aufzuschlie?en.

Jetzt war eine Verfolgung unmoglich geworden, das namenlose Schiff zog unter Vollzeug schnell davon.

Keen tat ihm leid. Er hatte sich und die Mannschaft so geschunden, um den Anforderungen seines Admirals zu genugen, hatte geglaubt, den fremden Kommandanten zu uberraschen, aber dann, als die Falle zuschnappte, war der Gegner gewappnet — und Keen war es nicht.

Der Schiffsarzt Tuson, dessen wei?es Haar der Wind zauste, gestikulierte zu den verfilzten Rigghaufen hinuber. Darunter mu?ten noch mehr Leute liegen.

Mit blassem, grimmigem Gesicht nahm Keen die Meldungen seiner Offiziere entgegen.

Heute hatte er eine Lektion bekommen, die er nie mehr vergessen wurde, dachte Bolitho.

Er gewahrte Adams besorgten Blick. Vielleicht dachte der Junge an seinen Vater. Hugh hatte damals unter falscher Flagge Bolitho getauscht und sein Schiff zuschanden geschossen.

Bolitho ging zur Poop und zog den Kopf ein, als er in den Schatten unter Deck trat.

Auch ich habe eine Lektion vergessen, dachte er. Namlich, da? es immer der letzte Sonnenaufgang sein kann.

IV Alte Feinde — neue Freunde

«Nordwest zu Nord liegt an, Sir! Immer noch Ruder im Schiff!«Selbst die Stimme des Rudergangers klang gedampft, als

Die Mittagssonne brannte hei? auf die nackten Schultern der Seeleute herab, die wartend an den Brassen standen oder auf den Rahen ausgelegt hatten. Bis auf die letzten paar Kabellangen war ihre Reise zu Ende.

Bolitho hielt sich etwas abseits von Keen und seinen Offizieren und starrte zu der Kustenlinie hinuber, die im schimmernden Glast langsam Gestalt annahm.

Bei Morgengrauen hatten sie Cape Cod schon querab gehabt, aber dann war die schwache Brise fast eingeschlafen, und es wurde Mittag, ehe sie ans Ankern denken konnten.

Bolitho hob das Glas und studierte die Reede mit ihrem Dickicht aus Masten, Spieren und aufgetuchten Segeln — ein greifbarer Beweis fur das Bluhen und Gedeihen des Hafens von Boston. Schiffe und Flaggen aller Nationen gaben sich hier ein Stelldichein, Leichter hasteten zwischen ihnen und der Pier hin und her wie Wasserkafer.

Auch einige Kriegsschiffe lagen hier, konstatierte Bolitho. Zwei amerikanische Fregatten und drei Franzosen, einer davon ein machtiger Dreidecker, an dessen Besanmast eine Admiralsflagge mude flappte.

Bolitho schwenkte das Glas, bis der Landvorsprung in Sicht kam, der sich ihrem Backbordbug entgegenstreckte. Da war das vielsagende graue Band der Befestigungswalle und hoch daruber die Flagge.

Bolitho machte sich klar, was er empfand und warum sein Mund plotzlich trocken wurde. Es war jetzt neunzehn Jahre her, seit er in diesen Gewassern gesegelt, an dieser Kuste gelandet war. In einem anderen Krieg, mit anderen Schiffen. Nun fragte er sich, was sich alles geandert haben mochte und wie er selbst darauf reagieren wurde.

Er horte Keens scharfen Befehl:»Beginnen Sie mit dem Salut, Mr. Braxton!»

Das Krachen der ersten Kanone rollte uber die Massachusetts Bay wie eingefangener Donner, wahrend der Pulverrauch auf dem glatten Wasser hing, als hatte er nicht die Kraft, hoher zu steigen. Kreischend flatterten Mowen und andere Seevogel von ihren Standplatzen auf, als das Schiff und die Batterie an Land Schu? um Schu? ihre Gru?e tauschten.

Bolitho mu?te wieder an die Tage denken, die ihrem Gefecht mit dem namenlosen Schiff gefolgt waren. Beschamung und Wut wichen der fieberhaften Entschlossenheit,»eine offene Rechnung zu begleichen«, wie Allday es formuliert hatte. Die Schaden in der Takelage waren schlimmer gewesen als die am Rumpf, und vom Kommandanten bis zum kleinsten Pulverjungen hatten alle ihr Bestes gegeben, um das Schiff zu reparieren, ehe in Boston der Anker fiel.

Eine neue Vormaststenge war an den geschafteten Mast gelascht worden, laufendes Gut und Segel wurden ersetzt, wahrend ein kraftiger Nordost gutes Vorwartskommen versprach. Zuletzt hatten Farbe, Pech und Schwei? die Arbeit vollendet.

Der Eifer war ansteckend gewesen; Bolitho hatte die vier Holzattrappen aus seiner Kajute entfernen und wieder durch die Achtzehn-pfunder ersetzen lassen. Sie raubten ihm zwar Platz, symbolisierten aber seine Entschlossenheit, sich nie wieder mit verhangtem Zugel uberraschen zu lassen.

Voraus sah er ein amerikanisches Wachboot bewegungslos uber seinem Spiegelbild warten, um das britische Kriegsschiff an den Ankerplatz zu lotsen.

Bolitho beschattete seine Augen und studierte die Kuste: wei?e Holzhauser, mehrere Kirchen, Sonnenreflexe auf Fenstern und polierten Kutschen am Kai. Vielleicht beobachtete dort druben manch einer das langsam herangleitende Schiff und erinnerte sich wieder an die schlimmen Tage der Revolution, an den Krieg, der Bruder gegen Bruder antreten lie?.

«Alles klar, Sir!»

«Dann stellt sie in den Wind«, antwortete Keen.

«An die Lee-Brassen! Fiert weg«, kam Quantocks prompter Befehl. Bolitho blickte zum Gro?bramsegel auf. Die Brise reichte kaum aus, es killen zu lassen. Noch ein oder zwei Minuten, und sie hatten in einer Totenflaute gelegen.

«An die Bramsegelschoten!«Quantock beugte sich weit uber die Querreling und schwenkte sein Sprachrohr von einer Seite zur anderen, wahrend er seine Manner hoch oben in der Takelage nicht aus den Augen lie?.»Klar bei Geitauen!»

«Leeruder!«kam Keens Anweisung.

Zogernd drehte

An dem Tag hatten sie zwei Manner verloren. Der eine war ertrunken, der andere von Wrackteilen erschlagen worden. Aber an Keen fra? noch etwas anderes, denn schlie?lich lebte ein Seemann immer riskant. Durch Unfalle an Bord oder im Kampf mit See und Wind starben mehr Manner als unter Feindbeschu?.

Doch Keen nahm es schwer. Trotz seiner Erfahrung und unbestritten klugen Kampftaktik machte er sich wegen seiner falschen Lagebeurteilung Vorwurfe. Oder verscharfte die Tatsache, da? er Bolithos Flaggkapitan war, so sehr die Anforderungen, die er an sich stellte?

Bolitho war selbst mehrfach als Flaggkapitan gefahren und konnte nachempfinden, was Keen durchmachte. Damals war er dankbar gewesen, als sein Admiral ihn in Ruhe gelassen und ihm Gelegenheit gegeben hatte, seinen Fehler wieder gutzumachen. Ganz gewi? sollte Keen die gleiche Chance von ihm bekommen.

Sanft schwojte

Bolitho sah Knocker seine Ruderganger unter Deck entlassen. Dann studierte er die Berechnungen auf der Schiefertafel neben dem Kompa?, die ein Kadett angestellt hatte. Dabei rieb er sich nachdenklich das kraftige Kinn.

Knocker hatte guten Grund, mit sich zufrieden zu sein, uberlegte Bolitho. Trotz allem hatte

Also trat er statt dessen an die Webeleinen und blickte zu den einheimischen Booten hinunter, die den Neuankommling schon zu umkreisen begannen. Er sah gebraunte Gesichter, farbenfrohe Gewander und viele neugierige Blicke. In Boston war man an Schiffe aller mo glichen Nationalitaten gewohnt, aber seit dem Krieg hatten nicht viele britische Kriegsschiffe hier Anker geworfen.

Bolitho horte Schritte an Deck und sah seinen Neffen mit einem Packen Dokumenten unter dem Arm herantreten.

«Aha, du nimmst deine Aufgabe also ziemlich ernst, Adam.»

Der schwarzhaarige Leutnant lachelte.»Aye, Sir. Aber ich verzichte gern auf jede Beforderung, wenn ich dafur dieses Schiff verlassen mu?te.»

Bolitho hatte Verstandnis fur seine gute Laune. Zwar erwahnten beide kaum je Bolithos gro?zugige Geste, die sie noch enger verbunden hatte, aber Adam suchte an manchen Abenden, die er bei seinem Alter sicher lieber unter seinesgleichen in der Messe verbracht hatte, Bolithos Nahe, um ihm die Zeit und die truben Gedanken an Belinda zu vertreiben. Ware Bolitho noch Kommandant gewesen, hatten ihn die Reparaturen und anderen Anforderungen nicht zum Nachdenken kommen lassen; aber so blieb ihm wahrend der Reise zu viel freie Zeit, nur mit Allday oder seinem Steward als Gesprachspartner. Da waren ihm Adams Besuche hochwillkommen gewesen.

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